BookRix

sehe ich auch so.
Selbstkritisch gebe ich zu, daß ich zum Thema Traditionen zu idealisiert heraungegangen bin. In unserer engeren Familie jedenfalls –toi-toi-toi- klappt es mit der Harmonie und dem gegenseitigen Verständnis recht gut, so daß unsere Feiertage kleine Höhepunkt für jeden von uns sind. Auch wenn mir das Besuchemachen in größeren Verbänden eigentlich nicht liegt und nicht behagt. Aber ich tue es aus Familiendisziplin und bin hinter her jedes Mal wieder dankbar, daß ich es erleben und genießen konnte.

Meine Frau und ich haben uns aber auch ganz förmlich aus einer anderen Feierrunde (Geburtstage und ähnl. Anässe) der erweiterten Verwandtschaft verabschiedet, weil es uns dort nicht behagte. Ich kenne also auch die andere Seite der Pflichtveranstaltungen und bin nicht bereit, mein kleines Menschenleben dort so zu vertrödeln.

Wenn es auch viel Arbeit (als Gastgeber) macht und nicht immer ganz zufriedenstellend abläuft, halte ich Feierstunden im Mneschenleben als unverzichtbar sinnvoll und nützlich.

Man muß es eben so organisieren, daß es eine wertvolle Zusammenkunft wird. Also den Kreis der Gäste so auswählen, daß der Tag erfolgversprechend wird, sich also auch von unliebsamen Zeitgenossen rechtzeitig diesbezüglich mit allem Anstand trennen. Ich hatte ein Schriftstück mit unserer Begründung verfasst (damit man uns nicht hinterher die Worte im Mund herumdrehen kann) und wir haben dies mit unseren Verwandten durchgesprochen. Jetzt wissen wir, was wir voneinander zu halten haben und wir verstehen uns trotzdem noch entsprechend gut, wenn wir uns zu anderem Anlaß treffen.

Religiöse Feiern sind sehr oft nur Pflichtveranstaltungen für den größten Teil der Teilnehmer. Sie folgen einem althergebrachten Ritual, dem überwiegend jegliche innere Anteilnahme – genannt Andacht – abhanden gekommen ist. So wie man bei der Äquatortaufe nicht mehr an den Gott des Meeres Poseidon glaubt, so läßt man auch unsere kirchlichen Zeremonien über sich ergehen. Ein Foto sind sie wert, mehr nicht.
Auch bei der Konfirmation müssen die Konfirmanden geloben, der christlichen Lehre treu zu bleiben. Da gibt es von der Form her keinen Unterschied zur Jugendweihe. Ist alles nur menschlicher Tand. Hier wie da.
Grüße von Adolfkurt / Jürgen

Was Jürgen da schreibt, klingt sehr ehrenwert und edel sogar. Er sieht das Gute der Sache. Vermutlich ist das eine sehr lobenswerte Einstellung.
Es scheint mir allerdings illusionär zu sein, beim gegenwärtigen Stand, daran zu glauben, dass unsere Jugend und die reiferen Eltern diese heiligen Feiern so hoch halten. In meinen Augen bleibt es nur Krampf, auch wenn wir es noch so schön reden.
Ich bin auch getauft, habe aber keine Konfirmation (in der DDR wäre auch das möglich gewesen!). Meine Eltern haben es mir freigestellt, obwohl sie auch Atheisten waren.
Die Jugendweihe war ein absolutes Muss, man konnte sich ihr ohne spürbare Repressalien nicht entziehen. Die Feier und die Geschenke waren schon damals das Wichtigste. Dieses dämliche "Ja, das geloben wir..." leierten wir pflichtgemäß herunter, das Gelaber der Erwachsenen vom Erwachsenensein interessierte niemanden.
Mein Eindruck ist, dass sich daran bis heute kaum etwas geändert hat.
Meiner Meinung nach, sollen die Eltern ihre Kinder stetig, also von Anfang an auf das Leben vorbereiten und ihnen einen möglichst nahtlosen Übergang in die Eigenverantwortlichkeit ermöglichen. Da sind wir ganz bestimmt einer Meinung.

Um es zusammenzufassen, es ist auch nur mein persönlicher Tick, dass ich das Gesumse, das Zelebrieren des Ganzen, irgendwie ablehne.
Ich gönne den Menschen ihre Andacht, ihre Traditionen, ihre Feierlichkeiten zu Höhepunkten...aber es sollte von allen Seiten ehrlich gewollt und auch verinnerlicht sein. Das bezweifle ich. Scheinheiligkeit ist mir ein Greuel.

Helga

Danke für die drei aussagekräftigen Kommentare und Sterne und für Deine wohlwollen Betrachtung. Ich freue mich sehr darüber.
Ja, die Gläubigen sehen die Rituale ihrer Religion völlig anders. Die Texte dabei sind wie Beschrörungsformeln. Man denkt in dem Augenblick nicht über den Text nach, sondern widmet sich ganz dem Anliegen der Sache: Man will sich auf seine eigene Schuldhaftigkeit und auf Gott konzentrieren. Und das fällt auch einen gut Gläubigen in der Regel schwer. „Wo ist der Gott, zu dem ich sprechen will. Ich sehe ihn nicht, ich fühle ihn nicht, ich muß mich jetzt ganz und gar mithilfe der Formel auf ihn konzentrieren.“ Und dabei achtet der Gläubige nicht auf den Inhalt der Formel.

Religiös zu sein, gehört immer noch und immer wieder zum Mainstream unserer Zeit. Wie kann ein Kind sich dem verschließen? Wie können Eltern dem Kind die Zukunft verbauen, indem sie es davon fernhalten? Es ist ein moralischer Zwang, das Kind konfimieren zu lassen, wie es bei uns in der DDR mit der Jugendweihe war. Die Konfirmation beginnt mit der Taufe. Erst nach der Taufe, kann man konfirmiert werden. Die Eltern legen also bereits mit der Taufe den weiteren kirchlichen Lebensweg fest. 14 Jahre später haben sie vielleicht, durch das leben geläuterter und aufgeklärter, die Kirche durchschaut, haben aber noch nicht die Standhaftigkeit, sich und ihre Kinder aufzuklären. Sie wollen ihren Kindern den Weg zu Gott – falls es ihnen doch geben sollte, denn daran zweifeln die meisten Menschen wohl bis an ihren Tod – nicht verbauen, wollen nicht die Verantwortung übernehmen sondern wälzen sie auf die Kinder ab.

Ich finde jede Feiersunde in einem Menschenleben als einen wichtigen Anlaß zum Innehalten, zur Bilanzziehung und zum bewußten, zielbestimmten Weiterleben. Es ist eine Tradition, die man pflegen sollte. Ob es nun eine kirchliche Taufe, Konfirmation oder Trauung ist oder nur eine persönliche-familiäre Feierstunde: Innhalten, dankbar zurückschauen, die Kräfte auf ein Neues bündeln und sich gemeinsam des Lebens und der Zusammengehörigkeit erfreuen, das kann nicht schaden. Zusammengehörigkeit will genau so wie Freundschaft gepflegt sein. Damit rede ich nicht den Entgleisungen das Wort, die in einer Wohlstands- und Verwöhngesellschaft überhand genommen haben: Monumentale Feiern, königliche Geschenke, minimale Stimmung, maximaler Alkohol… Zurück zur Ursprünglichkeit und Natürlichkeit heißt die Zeilstellung auch dabei. Keine Konservenunterhaltung. Kein Geschenkwettbewerb. Eigene Unterhaltungsbeiträge und gemeinsamer Gesang. Selbstgemachte Geschenke und kleine Aufmerksamkeiten.
Mit diesen Feiertagen der Menschwerdung ist natürlich unser Nachwuchs noch nicht gesellschaftstauglich. Manche werden es nie. Doch das reifer und für sich und andere verantwortlicher Werden wird dem Kind durch schrittweise, steigernde Vollmachten und Privilegien immer bewußer. Das Kind wächst hinein ein die Wirklichkeit unseres Daseins. Dazu sollte auch der 18 Geburtstag als Feiertag genutzt werden. Denn dies ist wohl formal und gesetzgeberisch der letzte und härteste Schritt in die eigene Verantwortlichkeit.

Du hast wieder einmal recht. Anstatt „menschlicher“ sollte man „humaner“ sagen. Aber da lese ich, daß ‚human‘ ‚menschlicher‘ heißt. Trotzdem ist das Wort human im Sprachgebrauch postiver besetzt als menschlich. Das Böse am Menschen nennt man ja unmenschllich. Also geht man auch beim Wort menschlich von etwas Positiven aus. Blos mal so laut nachgedacht. Somit lasse ich es so stehen: menschlich! Oder sollte ich das Wort herausnehmen, so wie man nur ungern das Wort ‚machen‘ verwendet, und es durch etwas präziseres ersetzten: … die Gesellschaft muß sich mehr auf den Mitmenschen orientieren.
Liebe Grüße von adolfkurt / Jürgen

das Auseinandernehmen der Zeremonie finde ich interessant und der Argumentation Jürgens kann ich sehr gut folgen.
Ich befürchte, dass die gläubigen Menschen alles ganz anders sehen und werten, vermutlich denken sie über die inhaltlichen Widersprüche nicht nach.

"Es läuft so ab und basta und es ist feierlich...früher war's feierlicher!"

Ich frage mich allerdings, ob es inzwischen bei der Jugend nicht in Wirklichkeit Mode geworden ist, sich konfirmieren zu lassen, weils halt Geschenke gibt, die man abfassen muss.
Ich glaube nicht daran, dass die Konfirmanden fromm und gläubig sind. Die Fete ist es, die Party, dei danach abgeht. Oder bin ich jetzt falsch?

Ich erlebe in meiner nächsten Umgebung, dass Eltern, die mit der Kirche rein gar nichts am Hut haben, von den Kindern genötigt werden, eine Konfirmation zelebrieren zu lassen. Und die Eltern machen das brav, damit die armen Kinder nicht abseits stehen.

Übrigens das rechte Maß findet kaum noch jemand, auf welchem Gebiet auch immer, selbst in der Kirche will offensichtlich die große Andacht kaum einkehren, alles findet gleichzeitig statt. Man nennt das wohl Multitasking oder so ähnlich.
Sind die Kinder nun mit dem Spruch und dem Segen der Kirche auf alles vorbereitet, können sie nun den Schritt in die Erwachseneära wagen? Mitnichten!!!

Für mich sind Weihen jeglicher Natur ziemlicher Quatsch. Man macht den Betroffenden ziemlich viel vor und pflegt damit nur nostalgische, antiquierte Traditionen. Die Erwachsenen mögen ja noch an diesem Rummel hängen aber die Jugend möchte Geschenke absahnen. Tut mir leid aber das ist mein Eindruck.

Dennoch ist Jürgens Buch eine großartige und schlüssige Analyse. Sie ist sachlich, kritisch aber nicht verletzend. Darüber hinaus sind optimistische Ansätze unverkennbar herauszulesen..."die Gesellschaft muss menschlicher gestaltet werden..."

Manchmal frage ich mich, was ist menschlich?
Der Mensch ist nämlich nicht ausschließlich edel und gut oder gar klug, sondern auch schlecht, böse und reichlich dämlich. Leider!

Sagen wir "menschlich" meinen wir immer nur das Gute. Wie kommt das denn?

... gibt es schon bei Abraham in der Bibel, da feilscht er mit seinem HERRN und GOTT um das Leben Lots.
Aber eigentlich ist Kuhhandel nicht das richtige Wort, es müsste Schafhandel heißen, denn die Nomaden deren Gott auch heute noch der Christliche ist, waren wandernde Schafhirten.
LG Heidi