Ein bisschen Wind

Ich strich mit den Fingern über die Worte, als könnte ich sie so auf ihre Wahrheit und Richtigkeit überprüfen. "'Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.'"
Ich schüttelte den Kopf.
"Aber Aristoteles, was ist, wenn es windstill ist?"
Er lächelte mich an.
"Das ist doch ganz normal. Selbst der Wind braucht einmal eine Atempause", sagte er und zwinkerte mir fröhlich zu.
Ich schluckte.
"Aber Aristoteles, was ist, wenn es schon ewig windstill ist?"
Er runzelte die Stirn.
"Bist du sicher, dass du dein Segel richtig ausgerichtet hast?"
"Ich habe schon alle Richtungen ausprobiert, glaub mir."
"Hm... lass mich kurz überlegen."
Ich blinzelte verzweifelt, wie peinlich wäre das denn bitte, vor Aristoteles - dem Aristoteles - rumzuheulen? "Aber, Aristoteles, ", meine Stimme klang ganz erstickt, "was ist, wenn... das Segel kaputt ist?"
Er blickte mir lange in die Augen.
Dann lächelte er wieder, aber diesmal breiter, strahlender, zuversichtlicher.
"Ist es nicht, da bin ich mir sicher."
"Aber Aristoteles, ", eine Träne lief mir über die Wange, "was ist, wenn er hier Recht hat?", und ich deutete auf Parmenides.
Aristoteles zog die Augenbrauen hoch.
"'Nichts kann etwas anderes werden als das, was es eben ist.'?"
Ich nickte, inzwischen weinte ich richtig.
"Ja, was ist, wenn nicht mein Segel stillsteht, sondern ich? Wenn ich gar nicht anders kann?"
Er lehnte sich mit einem Seufzer zurück.
"Es bleibt dir überlassen, was du glaubst. Aber... ehrlich? Parmenides?"
Er guckte mich so skeptisch an, dass ich lachen musste.
"Also, “, sagte er, und beugte sich wieder zu mir, "wenn du wirklich nicht mehr auf den Wind warten kannst, dann... mach doch selbst ein bisschen Wind."
Dabei strahlte er mich regelrecht an.
"Funktioniert das denn?", fragte ich halb hoffnungsvoll, halb ungläubig.
"Wenn du es nicht versuchst, wirst du es nie erfahren!", sagte er, und ich lächelte zaghaft.
Und dann pustete ich vorsichtig gegen das Segel.

Impressum

Texte: K.S.F.
Tag der Veröffentlichung: 21.02.2014

Alle Rechte vorbehalten