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Das kleine Schäfchen

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Das kleine Schäfchen

 

Linda und Moritz verbrachten ihre Ferien bei ihren Großeltern. Nach dem Mittagessen waren die Beiden mit ihrem Großvater im Wald unterwegs. Er zeigte und erklärte ihnen so manche Pflanzen und Bäumen, zu denen die Kinder Fragen hatten.

„Opa, guck mal, da sitzt ja ein Eichhörnchen“, wollte schon Moritz rufen, doch er besann sich, als er in das Gesicht seines Großvaters blickte und sprach es deshalb nur leise aus, stattdessen zeigte er mit der Hand in die Richtung.

 

 

„Wie süß?“, entfuhr es Linda, als sie der Hand folgte.

„Was ist das für Eins?“, wollte Moritz nun wissen, denn der Großvater hatte ihm schon einmal erklärt, dass es einige verschiedene Arten von Eichhörnchen gibt.

„Es handelt sich um ein rotes Eichhörnchen, dass sich hier im Wald von den Eckern und Eicheln ernährt“, erklärte der Großvater.

 

Nach einer guten Wanderung durch den Wald erreichten sie wieder das Häuschen der Großeltern. Die Großeltern lebten in einem kleinen Häuschen am Rande eines Waldes.

Die Großmutter stand in der Tür und rief ihnen freudig entgegen:

„Da seid Ihr ja endlich“ und nach einer gefühlten Minute meinte sie, „Die Kaffeetafel ist bereits gedeckt und wartet auf euch.“

 

Doch bevor sie sich an den Tisch setzten, durften die Kinder noch ihre Osterkörbchen im Garten suchen. Die Großmutter und der Großvater hörten nur noch „Ein Osterhäschen“, „Da, bunte Eier“, Uih“, „Wow, ein Abenteuerbuch“, „Nein, ein Tierbuch mit Geschichten“.

 

Nachdem sich alle am Kuchen satt gegessen hatten, kletterte Linda auf den Schoß ihres Großvaters und bat ihn eine Geschichte aus ihrem neuen Buch vorzulesen.

 

 

Der Großvater griff sich seine Brille vom Beistelltisch, putzte sie mit einem Taschentuch, setzte sie schließlich langsam auf. Linda sah ihm ungeduldig zu, sie hatte schon eine Seite aufgeschlagen. Der Großvater stecke das Taschentuch noch in seine Hosentasche und begann vorzulesen:

                                                                                            

„An einem schönen sonnigen Morgen, da spielte ich mit meiner großen Schwester eine Partie „Mensch ärgere dich nicht“. Meine Schwester hatte mich gerade hinausgeworfen und damit sie meinen enttäuschten Blick nicht sehen konnte, hatte ich mich abgewendet und schaute aus dem Fenster. Ich traute meinen Augen nicht, was ich da sah.              

„Da, da steht dein Schäfchen!“, sagte ich entzückt.

„Wie, da steht mein Schäfchen?“, fragte meine Schwester etwas verdutzt, drehte sich aber auch zum Fenster. Sie sah das Schäfchen, sprang unwillkürlich auf, dabei stieß sie das „Mensch ärgere dich nicht“ Spiel um.

„Mist“, entfuhr es ihr.

„Mama wir sich freuen, wenn sie das Schaf dort findet“, sagte ich. Meine Schwester hastete nach draußen, ich lief ihr hinterher.

Der Anblick, den es uns bot, war lustig, gab aber sicher großen Ärger. Sofort versuchte meine Schwester das kleine Schäfchen zu locken, doch das guckte nur einmal kurz auf und begann an einer weiteren Osterglocke zu knabbern. Meine Schwester rief immer wieder:

„Marle, Marle, komm her, komm zur Mami“

Da guckte endlich das Schäfchen sie an und fing freudig an zu blöken. Langsam, aber sicher trottete es zu ihr. Bestimmt dachte es, ich bekomme ein Fläschchen mit Milch, denn meine Schwester hatte ja da Schäfchen mit der Flasche aufgezogen, weil unser Onkel Heribert statt den Wolf das Muttertier aus Versehen erschossen hatte.

                                     

Langsam aber sicher kam das Schäfchen zu ihr. Meine Schwester drückte es und trug es rasch in sein Gehege zurück.

In diesem Moment hörten wir unsere Mutter sagen:

"Ich glaube, das Lamm ist jetzt alt genug um, um zur Herde zurückzukehren!““

 

„Opa hast du das erlebt?“ wollte Moritz wissen, während Linda fast gleichzeitig fragte, „Wieso wollte der Onkel den Wolf erschießen und traf dabei das Muttertier?“

„Ja, Moritz, die Geschichte habe ich aufgeschrieben und Onkel Heribert wollte einen Wolf erschießen, der am Rande der Herde stand, damit er kein Schaf riss. Die Schafe waren schon sehr unruhig. Als Onkel Heribert den Schuss löste, muss das Muttertier hochgesprungen sein und ist in die Schusslinie geraten.“

 „Und deine Schwester hat das kleine Schäfchen mit der Flasche großgezogen, das finde ich ganz toll!“                      

„Ja, das fand ich ganz toll und sie hat sich wirklich Mühe gegeben!“

 

Linda schlug die nächste Seite in ihrem Buch auf und hielt sie ihrem Großvater erwartungsvoll hin. 

„Nein  Linda, morgen lese ich dir eine weitere Geschichte vor, jetzt muss ich erst einmal nach unseren Hühnern sehen, magst du mitkommen?“

Linda rutschte vom Schoß des Großvater, er stand auf und gemeinsam gingen sie zu den Hühnern hinaus.

 

 

 

Aufgewacht im Märchen

 "Es war einmal, hinter den sieben Bergen, aber nicht bei den sieben Zwergen, da bin ich in einem Traum gelandet. Doch das Lustigste war, dass ich als einer kleinen bemalten Vase, die auf dem Sims oberhalb des Kamins stand. Folgendes erlebte ich, bis ich vom Klingelton meines Weckers herausgerissen wurde", meinte die Großmutter, als sie abends Linda zu Bett brachte und nahm das kleine Büchlein zur Hand, blätterte bis sie die Geschichte fand und begann vorzulesen:

 

"Dort saß eine Großmutter in ihrem ehrwürdigen Lehnstuhl. Draußen stürmte. In der alten Mühle bei dem nahen gelegenen Wasserfall zerrte eine Sturmbö nach der Anderen ließ die Schindeln des Dachs klappern und rüttelte gewaltig am Schornstein.

Das große Festmahl des Märchenlandes stand bevor, der große Kessel stand bereits auf dem Ofen und die Suppe köchelte vor sich hin.

Es klopfte laut an der hölzernen Tür.

„Herein, wenn kein Schneider ist!“, rief die Großmutter.

„Nein, wir sind es, Hänsel und Gretel, die Kinder aus dem Märchenwald“, antwortete Gretel laut.

„Kommt herein ihr lieben Kinder, die Tür ist offen.

Voller stolz zeigte Hänsel ihr seine neue Rechenmaschine, die er vom Vater erhalten hatte. Doch zu seiner Überraschung sagte die Großmutter:

„Im Kopf rechnen ist viel besser und hält dich fit!“

Trotz allem schaute sie sich die Maschine an und legte diese auf den kleinen Tisch direkt neben der riesengroßen Schere, auf der sich eine Fliege niedergelassen hatte. Unverzüglich schnappte sie sich die Klatsche und schlug voller Rachegelüste zu. Gleichzeitig fragte sie Hänsel:

„Wie geht es Thron, meinem lieben treuen Esel?“

„Er ist gut untergebracht in Vaters Stall. Ach bitte liebe Großmutter, erzähle uns von früher“, bat Hänsel freundlich.

Die Großmutter bat Gretel, ihr die karierte Decke zu holen, legte sich dann die Decke über ihre Beine und fing an zu erzählen.

„Es war vor langer Zeit, da gab es eine kleine Hexe, die Hexe Stiefmütterchen, sie lebte in einem kleinen Häuschen, gar nicht so weit von hier entfernt, sie hatte ein Stäbchen. Wenn sie ihr Stäbchen gebrauchte, konnte sie sich mit allen Tieren und Wesen in unserem Wald unterhalten.

Es war kurz vor dem Nikolaustag, da kam zu der kleinen Hexe Stiefmütterchen der dicke Stiefelknecht, der die Haselnüsse für den Nikolaus sammelte und bat sie:

„Liebe Hexe Stiefmütterchen, kannst du mir bitte mit deiner großen Schere diese Kordel in Stücke schneiden, meine ist so stumpf und der Dachs liegt bereits im Winterschlaf.“

„Aber gerne, komm setze dich und lass uns erst mit einem Stück Maronenkuchen stärken, bevor wir uns an die Arbeit begeben,“ sprach die Hexe Stiefmütterchen.

Dies ließ sich der Stiefelknecht nicht zweimal sagen, denn der Maronenkuchen war im ganzen Finsterwalde bekannt. Kaum dass die Beiden sich an dem herrlichen Maronenkuchen labten, da klopfte es an der Tür.

Das Wassermännchen, das hinter dem Wasserfall lebte, stand mit seinem Esel, der leichte Säcke mit Mehl trug, vor der Tür und bat um Einlass.

Die Hexe Stiefmütterchen ließ ihn eintreten und fragte nach seinem Anliegen.

„Liebe Hexe Stiefmütterchen, könntest du mir kurz deine Schere ausleihen, die Schnüre um die Mehlsäcke sind zu lang, mein armer Esel Balduin ist bereits zweimal darüber gestolpert.“

„Aber gerne, doch setze dich erst und iss ein Stück Kuchen mit uns“, erwiderte die kleine Hexe Stiefmütterchen.

Ebenso wie der Stiefelknecht ließ er sich das nicht zweimal sagen und setzte sich an den großen hölzernen Tisch. Sie erzählten sie sich die neusten Geschichten aus dem Finsterwalde und vergaßen dabei die Zeit.

Auf einmal hörten sie ein lautes Scheppern und ein schimpfendes „Ia, Ia, Ia“. Ein Sturm hatte sich draußen gebildet und eine Sturmböe hatte eine Schindel vom Dach gerissen und wohl den armen Esel getroffen.

Schnell lief das Wassermännchen hinaus, um nach seinem treuen Esel Balduin zu sehen.

„Bring deinen Esel herein“, rief ihm die kleine Hexe Stiefmütterchen hinterher.

Das Wassermännchen kam unverzüglich mit dem Esel Balduin zurück.

Während sie den Sturm abwarteten, kürzten die kleine Hexe Stiefmütterchen, der Stiefelknecht und der Wassermann die Schnüre für die Säcke mit den Haselnüssen, welche der Nikolaus für die braven Kinder brauchte. Ebenso kürzten die Drei die Schnüre der Mehlsäcke, damit der arme Esel Balduin nicht mehr stolperte.

 

Nachdem der Sturm nachgelassen hatte, reparierten der Stiefelknecht und das Wassermännchen, das Dach und gleich noch dazu einige lose Steine am Schornstein.

Voller Dankbarkeit, dass die beiden sofort die Schäden vom Sturm beseitigt hatten, packte die kleine Hexe Stiefmütterchen jedem noch ein großes Stück Maronenkuchen ein und gab sie ihnen mit auf den Weg.“

 

„Das ist aber eine schöne Geschichte, gibt es noch mehr Geschichten aus dem Finsterwalde?“ rief Gretel freudig aus.

„Morgen gerne, jetzt muss ich mich erst einmal um Opa kümmern“, antwortete die Großmutter.

 

Hirsche im Februar

 Am nächsten Tag machte der Großvater mit Linda und Moritz einen Sparziergang durch den Wald. Die Kinder schauten ganz interessiert, als sie an einem Ameisenhügel vorbeikamen, blieben sie einen Moment stehen und beobachteten das emsige Treiben der Ameisen.  

„Das die Ameisen noch genau wissen, wo sie hinmüssen, die laufen ja alle quer durcheinander und ihr Haufen ist ja groß“, stellte Linda fest.

„Ja, die Ameisen kennen ihren Weg und es sieht nur orientierungslos aus“, erwiderte der Großvater.

Kaum hatte der Großvater geantwortet, hörte er Moritz rufen, dabei hielt er das Fundstück in die Höhe:

„Opa, ich habe ein Geweih gefunden, schaut mal“

Linda und der Opa gingen nun zu ihm und bestaunten das große Geweih. Sekunden später wollten sich Lindas Augen mit Tränen füllen und mit erstickter Stimme meinte sie:

„Warum musste der Jäger den tollen Hirsch abschießen?“

„Linda, du braucht nicht weinen und der Jäger hat auch keinen Hirsch geschossen!“, sagte der Großvater rasch.

„Das ist doch ein Geweih, wieso liegt es dann hier?“ wollte nun aber Moritz wissen.

„Hirsche verlieren im Februar ihr Geweih und das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Der Grund, dass sie ihre Geweihstangen ist ein Hormon insbesondere beim Rothirsch. Da der Geweihabwurf im Februar passiert, hieß der Februar früher auch Hornung“, erklärte der Großvater.

„Besteht das Geweih aus Horn?“, fragte Moritz dazwischen.

„Nein, das Geweih besteht aus einer Knochensubstanz, aber kennen die Wissenschaftler den Vorgang beim Geweihabwurf, warum er es aber tut, das wissen sie noch nicht. Doch innerhalb von gut Hundertvierzig Tagen besitzt der Hirsch ein neues Geweih. Und Moritz, du hast ja festgestellt, so eine Geweihstange ist nicht leicht, die Stangen können bis zu 7 kg wiegen. Knochenfressende Zellen zerstören als Folge eines sinkenden Hormonspiegels die Knochensubstanz zwischen dem Geweih und den knöchernen Stirnzapfen, man nennt sie auch Rosenstöcken, am Kopf des Tieres und dadurch löst sich die Geweihstange. Das ist nicht schmerzhaft. Aber so steht auch der stolzeste aller Platzhirsche im Februar plötzlich ohne Geweih da.  Da alles in der Natur genutzt wird, eben auch die abgeworfenen Geweihstangen, sind sie aufgrund ihres hohen Kalk- und Phosphorgehaltes bei ganz vielen Nagetieren, insbesondere bei den Mäusen beliebt. Daher ist auch Einsammeln und Mitnehmen von Abwurfstangen im Wald nicht erlaubt“, erklärte der Großvater weiter und als er geendet hatte, blickte er auf seine Armbanduhr. Moritz schaute sich noch das Geweih etwas näher an.

„Kinder, nun müssen wir uns aber beeilen, die Oma wartet bereits mit dem Mittagessen.“

Rasch ließ Moritz die Geweihstange auf den Waldboden plumpsen und lief dem Großvater und Linda, die sich schon auf dem Heimweg machten, hinterher.

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: M.Schauten
Tag der Veröffentlichung: 07.04.2020

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