Literatur vs. tierischer Instinkt

 

Was ist Literatur? In der Hauptsache das geschriebene Wort.

Stellen wir die Frage, was unterscheidet uns Menschen vom Tier, bekommen wir garantiert viele unterschiedliche Antworten. Diese können hochwissenschaftlich, intelligent oder saublöd sein. Welche Antworten könnten das sein?

Schauen wir mal:

1. „Der Mensch ist zu komplexen Denkprozessen fähig.“

Auch Kraken oder Raben z.B. sind zu außergewöhnlichen Denkleistungen fähig.

1. „Der Mensch verfügt über eine vielseitige Sprache“

Wale und Delphin unterhalten sich auch über große Entfernungen mit einer Vielzahl von Tönen. Sie haben sogar Dialekte.

1. „ Der Mensch verändert seine Umwelt entsprechend seiner persönlichen Bedürfnisse.“

Auch der Biber baut Dämme um sich seinen persönlichen Lebensraum zu schaffen.

Bisher war keine Antwort dabei, die ein tatsächliches Alleinstellungsmerkmal darstellt. Sich eine Unterkunft erbauen, Nahrung beschaffen und für Nachwuchs sorgen, alles das wird am Ende durch unsere ureigenen tierischen Instinkte bestimmt. Wie dies geschieht, steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben.

Apropos „geschrieben“:

Es gibt eine Sache, die kein anderes Lebewesen auf dieser Erde hat, das ist die Schrift. Die Schrift ermöglicht es dem Menschen das gesprochene und gedachte Wort für lange Zeit festzuhalten. Sie ermöglicht uns Informationen an andere Personen weiterzugeben ohne diesen persönlich zu begegnen. Wird ein Gedanke niedergeschrieben, ist er nicht mehr flüchtig, wie ein Windhauch sondern langlebig wie ein Baum oder sogar für die Ewigkeit in Stein gemeißelt.

Ein Tier lebt immer im Hier und Jetzt. Interessiert es einen Fuchs im Wald, was ein Huhn auf dem Bauernhof denkt oder tut? Nein, er hat es höchstens zum fressen gern. Auch die Vorratshaltung, welche einige Tierarten für die magere Winterzeit betreiben, wird von diesen nicht hinterfragt. Der Instinkt zwingt.

Der Mensch jedoch ist in der Lage, sich in andere Welten zu träumen, der Vergangenheit nachzuspüren und die Zukunft zu erahnen. All das hat selten etwas mit Lebenserhaltung zu tun. Hierfür kann er sich einerseits auf seine eigenen Erfahrungen, Gedanken und Phantasien verlassen oder er bedient sich des umfangreichen Angebotes, welches ihm die Literatur bietet.

Literatur ist, was wir auf die eine oder andere Weise lesen können. Jeder entscheidet für sich allein, welche Literatur die Richtige für ihn ist. Auch wenn es manchem Kritiker nicht gefällt, so hat doch jede Art von Literatur seine Daseinsberechtigung. Eine wissenschaftliche Abhandlung ist für den einen hochinteressant, für den anderen jedoch stinklangweilig. Ebenso sind sogenannte „Schund- und Groschenromane“ für viele Menschen „Balsam für die Seele“, andere finden diese nur widerlich und niveaulos. Geschichten, egal ob sie im Hier und Jetzt spielen oder uns in andere Zeiten und Welten entführen, lassen unseren Geist fliegen, erwärmen unsere Herzen, können uns unsagbar traurig machen oder herzhaft zum lachen bringen. Gedichte können berühren und uns verführen. Wir erschaudern und frösteln bei Krimis und Horrorgeschichten. Wir regen uns maßlos auf, erfahren Ablehnung und Zustimmung. Die Literatur kann uns unsere Einsamkeit vergessen lassen und Menschen zueinander führen. Literatur ist ein Weg zum Erlangen von Wissen und Bildung. Sie kann aber auch verblenden, kann uns Wahrheiten offenbaren oder diese solange verdrehen, bis wir der Lüge glauben.

Doch wer bestimmt welche Literatur gut oder schlecht ist? Ganz einfach – der Leser. Denn selbst der schärfste Kritiker ist am Ende nur ein Leser.

Wer bestimmt ob ein Buch niveauvoll oder geschmacklos ist? Immer noch, nur der Leser.

Jede Form von Literatur bleibt auf der Strecke ohne den geneigten Leser. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um ein Werk eines „großen“ Dichters handelt oder um die ersten zaghaften Versuche eines Schreibanfängers.

Der Mensch hat die Fähigkeit, zur schriftlichen Kommunikation erlangt. Es ist eine Fähigkeit, die ihm seine tierischen Instinkte nicht vorgeben können, da diese Fähigkeit immer bewusst erlernt und angewandt werden muss. Zur einfachen Kommunikation untereinander ist sie nicht zwingend notwendig, ebenso wenig zum Überleben.

Literatur ist ein Luxus, den sich nur der Mensch leistet.

Das ist es, was uns tatsächlich von allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten unterscheidet, die Möglichkeit, das „Kopfkino“ einzig und allein durch ein paar Zeichen einzuschalten, seien sie in Stein gemeißelt oder auf einen Fetzen Papier gekritzelt.

 

 

 

Impressum

Cover: Bookrix
Tag der Veröffentlichung: 14.05.2019

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