Lust ist eine List der Natur. Sie will uns zu den von ihr gewünschten Zielorten bugsieren. Ist man ein Lust-Verweigerer? Von Unlust umfangen – grübelt, sinniert man lieber über den Stumpfsinn und die Absurdität der Welt? Lust hat das Vermögen, uns für eine Weile scheinbar reich zu machen. Ein kleiner Ausschnitt der Welt gefällt uns plötzlich ganz hervorragend. Inmitten einer Sinnlosigkeits-Wüste: was Lustiges, Vergnügliches.
Man kann was bewirken, verändern, gestalten. Das Ändern ist des Menschen Lust. Kann umschlagen in Zerstörungslust. Sich verbrüdern mit dem Chaos. Fast sämtliche Religionen misstrauen der Lust, trauen ihr nicht über den Weg. Soll Welt keinen Spaß machen? Reiselust ersatzlos streichen? Kein Lustwandeln? Erleuchtung unterm Lüster – das hat doch was Behagliches.
Ist Lust kein guter Wegweiser? "Freude, schöne Götterfunken" – oder doch Funken im Pulverfass? Freude und Lust haben etwas Destabilisierendes. Man ist närrisch, albern, ein Jeck. Empfänglich für Gags. Das Schicksal als Running Gag – man läuft immer wieder den altbekannten Problemen in die Arme.
Das Wundern ist des Menschen Lust. Uninteressiert sein an den Wundern, die die Welt zu bieten hat? Der Gleichgültigkeit die Treue halten – so unbewegt wie ein Stein? Okay, manche Lüste sollte man in die Wüste schicken: Sauflust, Rauflust, Kriegslust.
Wird die Daseinslust weniger? Soll das so sein – ist das im Sinne des Erfinders? Wie viel Ernst erträgt man im Monat? Sich niemals leiten, verleiten lassen von der Lust? Es konsequent als Lustpartie begreifen – entschlossen und gewillt, es locker anzugehen. Lust als Lebenseinstellung – locker vom Hocker. Nicht lockerlassen beim Unverkrampftsein.
Oder erliegt man den Angeboten der Lust? Lieber nach was Geistreichem Ausschau halten? Die Sinne mögen sich bitte zurückhalten. Ohne Lust fühlt man sich schnell lost. War das Leben immer so schwer? Es wird zur Last, geradezu lästig. Man liebt es lässig.
"Daseinslust hat keinen Wert", meinen die Religionen. Gibt es Spaß nur als Kombi-Pack mit dem Deibel? Der Big Boss versteht keinen Spaß? Die allgemeine Lustlosigkeit nimmt zu. Wir haben alles auf die Ratio gesetzt. Wie sind unsere Gewinnchancen? Verspielt sein?
Dem Herzen folgen. Nach Herzenslust forschen, schalten und walten. Die Lust ist ein ganz sonderbares Konzept. Das Interesse ist immer dabei – und die Motivation. Oder ist Lust letztlich auch nur so ein Gängelband? Man lenkt ein, man wird gelenkt: Man landet dort, wo Natur einen haben will. Gibt es andere, höhere Ziele?
Gutes Verkaufsargument der Lust: Sie ist angenehm. Man willigt schnell ein, in ihrer Nähe zu sein; sie wertet das Leben auf. Die Kirche warnt vor Konkupiszenz, vor allzu viel Begierde. Das Sinnliche steht dem Geistigen wohl im Wege. Aber Augenlust hat ja auch ihr Gutes: Andächtig die Situation, den Moment erfassen, die Schönheit einer alltäglichen Situation erfassen. Äußere Reize sind lediglich eine Gefahr für die innere Ruhe? Ohne Lebenslust kann es vermutlich keine wahre Welterkenntnis geben; es ist kein nüchternes Analysieren, Zerbröseln. Die Sinne verdammen? Sie haben der Objektivität zu dienen. Freude verunreinigt nur das Ergebnis, verfälscht es. Religionen haben eine Lust-Phobie?
Was ist mit Schaffenslust, Schaffensdrang? Vermutlich wäre das Universum unerledigt geblieben ohne das nötige Interesse daran. Es ist ein Privileg, etwas nach Lust und Laune tun zu können. Die eigenen Vorlieben und Wünsche finden Berücksichtigung. Nach Schema F geht natürlich auch.
Ein Schriftsteller ohne Fabulierlust? Die Lust hat ihren berechtigten Platz in dieser Welt. Ein Trauerspiel, bei dem ein paar Gags eingestreut wurden – immerhin. Ein Lustspiel wäre ansprechender ... Unlustgefühle überwiegen – ein Unbehagen an der Welt begleitet die Menschheit, lässt sie nicht los. Es fing so gut an: mit dem Paradies – einem Lustgarten.
Lust ist begrenzt, sie ist nicht von Dauer. "Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit", meint Friedrich Nietzsche. Für die ist vermutlich die Unlust prädestiniert. Von fast allem wird der Widerwille getriggert. "Handle so, dass die Maxime Deines Widerwillens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne", könnte man in Anlehnung an Kant sagen. Man weiß, was man ablehnt, wen man hasst ... Es fällt recht einfach, die Unlust zu mehren, die Unzufriedenheit mit der Welt und sich im Besonderen. Davon profitiert die Streitlust.
Man kann nicht auf Befehl lustig sein – die Seele zieht nicht mit. Ernst und Lust vertragen sich nicht gut. Zwei Gesellen, die sich meiden. Ist der eine anwesend, zieht sich der andere zurück. Was sollte eine Religion mit lauter glücklichen Menschen? Welche Heilslehre wäre da an den Mann zu bringen? Die Pharmaindustrie ist dankbar für die Kranken. So tun, als ob man durch sie genesen würde. In Wahrheit ziehen sie einen in einen Teufelskreis. "Hast Du Lust, Dich zu verlieben, hüte Dich, es aufzuschieben", rät Hans José Rehfisch. Sich in die Welt verlieben, in das Sein – wäre zumindest kein schlechter Anfang.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2025
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