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Wir schreiben das Jahr 1347, die Pest breitet sich rasend schnell aus. Es ist wahrscheinlicher zu sterben als weiterhin die Freude am Leben zu haben. Die Gassen sind dunkel und überall, an jeder Ecke, kann man die Überlebenskämpfe der Menschen mit verfolgen. Keiner weiß woher die plötzliche Epidemie der Seuche kommt. Die Kirche beschuldigt die Juden, manche sagen es sei eine Strafe Gottes… weder noch …

Prag, 12. Oktober 1347:

“Das ist einfach schrecklich. Die Menschen sterben wie die Fliegen, in den meisten Städten ist die Zahl der Toten größer , als die der Lebenden.”
Shi Long betrachtete interessiert einen der größten Doktoren, des gesamten Mittelmeerraums, wie er einen Vortrag über die Pest hielt.
Neben ihm standen drei weitere Männer mit schwarzen Mänteln, die ebenfalls ratlos die Köpfe schüttelten.
Shi Long kannte keinen von ihnen beim Namen, geschweige denn persönlich. Dennoch brachte er ihnen jede Menge Respekt entgegen, immerhin waren sie schon volle Ärzte , wo hingegen er gerade mal vor 6 Monaten mit seiner Ausbildung angefangen hatte.
Vor ungefähr einem halben Jahr war er 20 geworden , gerade alt genug in ein Praktikum bei einem Facharzt zu gehen.
Shi Longs Lehrmeister, Meister Sattler, war schon 30 Jahre Arzt und ein wirklich guter Lehrer.
Shi Long strich sich seine silber-grauen , langen Haare aus dem Gesicht.
Der junge Mann hatte in der Tat einen äußerst beeindruckenden Habitus, mit seinen schulterlangen Haaren, seiner schönen, weißen Haut und mit seinen gold schimmernden Augen, stach er sofort aus der Menge hervor.
Wie die anderen Ärzte auch war er in pechschwarz gekleidet, nur das er statt einen Mantel einen langen Umhang mit Kragen trug.
Mit seinen Finger spielte der junge Praktikant, an den Augenlöchern seiner venezianischen Schnabelmaske herum , die sich ebenfalls eines matten Schwarz erfreute.
“Ich bin mit meinem Latein ebenfalls am Ende und es wird nicht lange dauern , bis der schwarze Tod auch über Prag hinein bricht. Wie lange Zeit zu überleben bleibt uns also noch? Wir wissen , das sich die Krankheit von Mensch zu Mensch ausbreitet, aber wir können doch nicht alle Menschen von einander getrennt , in kleine Kammern sperren.”
Meister Sattler ergriff nun das Wort und Shi Long lauschte seinen Worten aufmerksam.
”Ich und mein junger Schüler haben interessante Funde gemacht , was die Pest angeht.”
“Was?! Du und dieses Hexenkind?” , einer der vorne stehenden Ärzte lachte spöttisch auf.
“Er ist kein Hexenkind!” Meister Sattler schaute von Shi Long zu dem Arzt und wieder zurück.
“Lüge mich nicht an!!!”, nun wurde auch der Doktor von der Wut gepackt, “ Du weißt was für eine Strafe das mit sich trägt?!”
“Wenn ihr meinen Kopf haben wollt, bitte.”, sprach der Ältere mit ruhiger , jedoch fester und bestimmter Stimme,” Aber glaubt bloß nicht, dass ihr damit ungestraft davon kommt.”
Für einen kurzen, unheimlichen Moment legte sich Stille über den Saal.
Keiner wagte zu atmen, geschweige denn ein Wort der Abwehrung, zu dieser vorlauten Drohung, in den Mund zu nehmen.
“Meister…”, versuchte Shi Long den Mann ruhig zu stellen, doch Meister Sattler dachte nicht einmal im Entferntesten daran sich ,geschweige denn seinen Schüler, einfach so beleidigen zu lassen.
Nun musste er aber fest stellen, das es wohl oder übel keinen Sinn ergab, sich gegen eine ganze Formation von schätzungsweise 100 Ärzten aufzulegen.
“Komm Junge, wir sind hier nicht erwünscht.”
Ohne den restlichen Beteiligten noch eines Blickes zu würdigen, verließ er den Raum dicht gefolgt von seinem Schüler.

Draußen auf dem Markt herrschte wie jeden Tag ein buntes Treiben.
“Hexenkind, so eine Unverschämtheit!” Wütend trat der Lehrer gegen ein Stück Holz, welches, auf der staubigen Straße, sein unbeachtetes Dasein fristete.
Die beiden Ärzte bogen in eine leicht Zwielicht wirkende Straße ein um nicht wirklich umsichtig ihr dreistes Gespräch fort zu setzten.
“Darauf das die alle zur Hölle fahren.”, fauchte der Ältere ein letztes Mal, ehe sein Schüler das Wort ergriff: Was regst du dich so auf?”
“Ist es dir denn egal , was sie über dich sagen… oder über deine Mutter?”, fügte Meister Sattler an und sah seinem Schüler dabei tief in die leuchtenden Augen, die einen solch geheimnisvollen Schimmer in sich trugen.
“Nein, sollte es anders sein?”
Warum sollte ihn das stören? Wenn es nach den Einwohnern der Stadt ginge, so würde er sowieso schon mit drei Sechsen auf der Stirn herumlaufen.
Sein ganzes Leben schon, warteten die Prager nur auf die nächst beste , sich bietende Gelegenheit, Shi Long auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.
Wahrscheinlich würde er ohne seinen Meister auch schon das Leben eines Stücks Kohle führen, da dieser sich immer wieder für ihn sowie auch für seine verstorbene Mutter einsetzte.
Shi Longs Mutter war nach wie vor heikles Thema, war zumindest die Meinung des jungen Arzt selbst.
Als er fünf Jahre alt war, wurde sie vor seinen Augen verbrannt, schlimmer noch er selbst hatte die verkohlte Leiche dieser zum Grab tragen müssen.
Einen Vater hatte Shi Long nie gehabt.
Was zumindest heißen sollte, dass er diesen nie gesehen, geschweige denn gekannt hatte.
Kurz nach Shi Longs Geburt hatte er sich irgendeiner Prostituierten an den Hals geworfen, die für ein paar Pfennig mit ihm billige Abenteuer im horizontalen Bereich erlebte.
Oh, würde Shi Long diesem Mann nur einmal begegnen, er hätte ihm da so einiges zu sagen, angefangen bei den kleinen Spielchen mit der Nutte.
Allein der Gedanke daran war unerträglich und Shi Longs so perfekt geformte Hand ballte sich zu einer bedrohlich wirkenden Faust.
“Alles in Ordnung bei dir?”, holte der Ältere den vermeintlichen Hexer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
“Ja, ja…”, schlagartig beruhigte sich dieser wieder.
Was machte es schon für einen Sinn sich wegen diesem vermaledeiten Vater aufzuregen?
Nein, selbst Verachtung hatte dieses Schandmaul nicht verdient. Einfach erbärmlich, so etwas!
“Hast du die Forschungsergebnissen vom Institut abgeholt?”, wechselte der Meister währenddessen geschickt das Thema.
“Liegen schon bereit auf ihrem Schreibtisch.”, ein Lächeln huschte über Shi Longs Gesicht.
Wie immer verspürte er einen kleinen Stich ins Herz, wenn das Thema von seiner Mutter abließ.
Warum dies so war, konnte er selber nicht wirklich erklären und er musste zugeben, dass er auch nicht ganz Herr seiner Gefühle war.
Momentan zumindest nicht.
Meister Sattler war einer der wenigen, die seiner Mutter wirklich hatten nah gestanden, da sie ihr ganzes Leben lang ,in einer kleinen Hütte im Wald, versteckt blieb.
Dort zog sie auch ihren einzigen Sohn auf. Ihn.
Warum sie ein so behütetes und vertuschtes Leben führte?
Maylene Conery, so ihr Name, hatte eine besondere Gabe, welche darin bestand, das sie sich genausten in der Heilungsmedizin auskannte und so schon vielen Leuten das Leben gerettet hatte.
Doch nachdem einer ihrer Patienten das Wunder der jungen “Göttin” in der Welt verkünden wollte, so ging es doch rasch nach hinten los, mit dem tragischen, baldigen Ergebnis, das Maylene als Hexe verbrannt wurde.
Ihren Sohn hatte man allerdings nicht anhaben können, da keine strickten Beweise vorlagen, dass er die Hexenkräfte geerbt hätte.
Ab seinem 6. Lebensjahr wurde Shi Long also von Meister Sattler groß gezogen, der Einzige, der auch in dieser schweren Zeit nicht von Maylenes Seite gewichen war und strickt zu ihr gehalten hatte.
Völlig in Rage geraten, betrat Shi Long schließlich nach Meister Sattler das Haus, in welchem die Beiden notdürftig untergebracht worden waren.
Dies genau deshalb, da mal wieder irgendwelche Christen im Auftrag der Kirche ihr altes Haus nieder gebrannt hatten.
Einen Hexer oder eine Hexe einfach zu ignorieren, war ungefähr genau so schlimm wie selbst eine bzw. einer zu sein.
Manchmal, wenn sich Shi Long wieder in völliger Wut verlor, so trieb ihn doch immer wieder der Wille sich gegen die anderen aufzulegen hinaus aufs Feld, wo er dann sehnsüchtig das nächste Gewitter abwartete.
Bevor dies eintrat, holte Meister Sattler ihn allerdings zurück mit den Worten “Mach es nicht noch schlimmer, als es so wie so schon ist”, was Shi Long inzwischen zum Hals raus kam.
Sollten sie ihm doch ins Gesicht sagen, das sie ihn für das letzte Stück Dreck hielten und ihm am liebsten mit all dem anderen Abschaum und Gesindel in den Kerker zu sperren wollen und dort elendig verhungern zu lassen, anstatt immer diese primitive Getuschel zu starten, so bald er ihnen den Rücken kehrte.
Es war doch immer das gleiche…
“Schau nur der Hexer.” oder “Das man so einen noch frei rum laufen lässt.”
Als Hexer bezeichnet zu werden störte Shi Long an sich nicht.
Er wusste nicht wieso, aber in irgend einer Form, und das mochte er nach wie vor nicht begreifen, fühlte er sich sogar geehrt.
Nein, was den jungen Arzt wirklich aufregte und das konnte er nicht oft genug sagen , war die Respektlosigkeit und Verachtung, die die Anderen gegen ihn aufbrachten.
Natürlich verlangte er nicht, das sie vor ihm auf die Knie fielen oder ihm Goldgaben oder dergleichen ans Bett brachten, aber manchmal wünschte er sich halt einfach ein nettes “Hallo” , anstatt dieser missachtenden und diskriminierenden Blicken.
Aber was sollte er schon ausrichten?
“Ich werde noch einmal die Unterlagen durchgehen, irgendetwas muss ich einfach übersehen haben… Kannst du dich um das Essen kümmern?”
Ohne wirklich zu zuhören nickte Shi Long, ihm war momentan alles Recht, sollte es ihn nur ablenken.

Beim Essen war es , wie üblich, relativ still, bis Meister Sattler das Schweigen schließlich brach:” Ich bin die Forschungsergebnisse ein weiteres Mal durchgegangen und kam zu dem Schluss, das die Pest von einem stäbchenförmigen Bakterium übertragen wird.”
“Welches Menschen anfällt?” Shi Long war leicht verwirrt, noch nie hatte er von einem solch überaus gefährlichen Virus gehört.
“Nicht direkt, sie scheinen sich nur alle an einem Punkt zu infizieren. Es muss einen Zwischenwirten geben, vielleicht sogar mehrere.”
“Zwischenwirte, glaub ich nicht…”, fiel Shi Long seinem Sensei ins Wort, ”Ich bin eher der Meinung, das die Pest eine schlimme Erkältung mit zusätzlichen Symptomen ist, weiter nichts.”
“Dem kann ich wohl oder übel nicht ganz nach kommen, wo raus ziehst du deine Schlüsse?” Meister Sattler ließ von seinem Essen ab und schaute in die glänzenden, goldenen Seen seines Schülers.
“Nun, es verbreitet sich genau so rasch wahrscheinlich durch die Luft. Die üblichen Symptome, Fieber, Husten bis zur Heiserkeit und sogar Blutspucken.”
“Sobald du Blut spuckst ist die Sache gegessen.”, warf der Ältere ohne mit der Wimper zu zucken ein,” Woher erklärst du dir die Beulen, die sich am ganzen Körper verteilen?”
“Du meinst diese ekligen Eiter-Dinger?”
“Genau die.”
“Nun, darüber hab ich mir noch keine all zu großen Gedanken gemacht.”, gab Shi Long schließlich zu,” Aber wie ich vorhin schon sagte eine Erkältung mit mehreren Symptomen wäre wohl am realistischsten, oder?”
“Aber bei einer Erkältung ist doch die Sterberate viel geringer.”, unterbrach der Lehrmeister ihn erneut,” Außerdem habe ich noch nie von solchen Pestbeulen gehört, die Teile sind echt ekelig.”
Shi Long stocherte nun nur noch in seinem nicht mehr so appetitlich wirkendem Essen rum.
Der Gedanke an die Pestbeulen hatte das letzte bisschen Hunger vertrieben.
“Allerdings gibt es auch hier Heilungschancen.
Der Silberschopf ließ fast das Messer fallen.
Was hatte sein Lehrer da vorhin gesagt?
Heilungschancen?
Von der Pest?
“Da guckst du was? Ja, es gibt Heilungschancen auch von der Pest, zumindest habe ich es gehört.”
Shi Long überlegte kurz, so abwegig war es gar nicht, was sein Lehrer versuchte ihm da weiß zu machen.
Denn auch er hatte von Überlebenden gehört, zuerst dachte er natürlich es wäre einfach nur ein dummes Gerücht gewesen, doch jetzt, jetzt schien es wohl wirklich zu stimmen!
Die Pest verlief also doch nicht zu 100 % tödlich.
“Aber wie…?”, wollte Shi Long schon herausplatzen, doch der Ältere kam ihm zuvor:” Du fragst dich , wie so etwas möglich ist?”
“Ja…”
“Nun, es tut mir sehr leid, aber ich werde wohl oder übel auf die Beulen zurück kommen müssen.”
Shi Long war nicht erpicht auf dieses Thema, aber sehr wohl damit einverstanden, wenn es nötig war darüber zu reden.
Immerhin gehörte dies mehr oder weniger zu seiner Doktorarbeit dazu, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, ob das Abenbrot ein guter Zeitpunkt war…
“Wie dem auch sei. So wie ich das mitbekommen habe, sind die Beulen auch der ausgehende Punkt.”
“Ich denke ich kann ihnen nicht folgen…”, gab Shi Long zu und hoffte auf weitere Informationen.
“Wie du sicher schon bemerkt hast , wird bei der so genannten Beulenpest in kürzester Zeit der ganze Körper von ekligen Eiterbeulen bedeckt. Sobald diese Beulen nach innen gehen und dort aufplatzen, werden unglaublich viele Bakterien in deine Blutbahn geleitet, auch bezeichnet als Pestsepsis. Dies bedeutet mehr oder weniger deinen Tod.”
Für einen kurzen Moment herrschte Stille in der Küche, keiner wagte zu atmen, die Welt schien still zu stehen, bis Meister Sattler erneut das Wort ergriff:” Solltest du allerdings das Glück haben, das die Beulen nach außen aufplatzen, so kannst du überleben.”
“Ja?!”, Shi Long konnte es immer noch nicht glauben, wenn das ging so musste es doch,“ Aber wenn das geht, dann gibt es doch auch Heilungschancen für Opfer der Pestsepsis, oder?”
“Nun bestimmt, zumindest ist es nicht auszuschließen.”, verriet der Ältere augenzwinkernd und schenkte Shi Long noch ein Schlückchen Mett ein, Jetzt ist es aber wirklich spät, wir sollten schlafen, immerhin ist morgen Kirche.”
Der Jüngere nickte, auch wenn er nach wie vor keinen Sinn darin sah in die Kirche zu gehen.
Er würde doch sowieso nur wieder irgendwelche Beleidigungen an den Kopf geworfen bekommen und darauf war er nun wirklich nicht scharf.
“Auf die Ärzteschaft…”, murmelte er lustlos und stieß seinen Becher gegen den , seines Meisters.


Shi Long konnte nicht schlafen.
Es war viel zu kalt dafür und er fragte sich, wie sein Lehrmeister, so einfach die Kälte ignorieren konnte.
Dieser schlief zumindest tief und fest und ließ sich nichts anmerken.
Vielleicht war es auch gar nicht die eisige Kälte, die ihm den Schlaf raubte, sondern einfach nur die tausenden, wirren Gedanken, die ihm gerade im Kopf rumschwirrten.
Es gab Heilungschancen!
Von der Pest!
Aber wenn es doch beim Aufplatzen der Beulen, an der Außenseite des Körpers, es auch ohne ärztliche Hilfe möglich war zu überleben, so müsste es doch gewiss, mit dieser Unterstützung auch beim innenseitigen Aufplatzen funktionieren.
Oder?
Fröstelnd zog der junge Mann , die zerflederte Decke bis an sein Kinn, und drehte sich auf die andere Seite.
Vielleicht könnte er das Rätsel lösen?
Vielleicht würde dann auch er akzeptiert und respektiert werden?
Auch als Hexer?
Energisch schüttelte Shi Long den Kopf, in der stillen Hoffnung damit die so absurden Gedanken vertreiben zu können.
“Du bist kein Hexer, wie oft willst du es denn noch hören?”, ermahnte er sich im Stillen und legte sich auf den Rücken.
Das Dach war so undicht, das an manchen Stellen ganze Holzlatten fehlten.
In klaren Nächten, wie jetzt, konnte man dann immer den so geheimnisvoll und weit entfernt scheinenden Sternenhimmel sehen.
Was mochte da draußen wohl sein?
Wie weit entfernt waren die Sterne?
Wo für waren sie da?
Manchmal fragte sich der Praktikant, ob sich die anderen Leute auch solche Fragen stellten.
Denn anscheinend interessierte es sie gar nicht, was in der restlichen Welt so auf sie wartete.
Sie alle wollten nur so schnell es ging sterben, damit sie wie versprochen ins Paradies kamen.
Alles, außer Shi Long…
Ihnen wurde doch immer gesagt, das das Leben ein Geschenk Gottes sei.
Dann hatte Gott doch sicher etwas, wofür er es ihnen gab.
Warum sonst, warum waren sie hier?
Ob er sie testen wollte?
Auf die Probe stellen?
Nein, das glaubte Shi Long nicht, nein, nein wahrhaftig nicht.
Nein, es musste irgendeinen anderen Grund geben, weshalb sie hier waren, irgendetwas… wenn er nur wüsste was…
“Wenn die Anderen wüssten, das ich darüber nachdenke, die würden mich in die Irrenanstalt stecken.”, überlegte der Lehrling und suchte verzweifelt nach weiteren Argumenten, die seine Theorie bestätigten.
Die Kirchenglocken läuteten.
Es musste schon sehr spät sein.
Shi Long wusste er sollte schlafen, aber in dieser eisigen Kälte war dies so gut wie unmöglich.
Nach einer Weile stand er auf und ging rüber zum Schrank.
Durchwühlte ihn, in der stetigen Hoffnung, vielleicht einen Schafspelz, oder irgendetwas dergleichen vorzufinden.
Vergeblich…
Müde ließ er sich auf sein Strohbett zurückfallen und zwang sich dazu die Augen zu schließen.
Es dauerte noch etwa eine Stunde, bis er in einen unruhigen Schlaf glitt.


“Hey! Shi Long? Bist du wach? Los raus aus den Federn!”
Unsicher öffnete Shi Long die Augen, er hatte das Gefühl nur wenige Minuten geschlafen zu haben.
“Wie spät ist es denn?”, gähnte der Schüler und kletterte widerwillig die Leiter runter, die in die Küche führte.
“Kurz nach Sonnenaufgang.”, kam es von draußen.
Shi Long folgte der Stimme, hinaus auf die Straße.
Über der Stadt lag eine dünne Schicht Morgenreif, es musste diese Nacht tatsächlich kalt gewesen sein, wenn es gefroren hatte.
“Los mach dich fertig, wir wollen doch das Morgengebet nicht verpassen, oder?”
Meister Sattler kam mit zwei Eimern frischem Wasser an, die er so eben am Brunnen geholt hatte.
Den einen Eimer drückte er Shi Long in die Hand, den anderen lehrte er in dem Kessel über der Feuerstelle aus.
Es dauerte nicht lange da waren die Beiden auch schon startbereit, das Frühstück hatten sie, Dank Nahrungsmangel ausfallen lassen.

Der Gottesdienst hatte schon begonnen und Shi Long und sein Lehrer, versuchten sich nun so gut wie es eben ging, unauffällig, unter die Teilnehmer zu mischten.
“Wie werden wir weiter forschen?”, raunte Shi Long seinem Lehrer zu, der die ganze Zeit durch teilnahmslos das Kreuz, mit dem daran hängenden Jesus, anstarrte.
“Nun, sicher bin ich mir nicht, aber am besten wäre natürlich, wenn wir selbst mal ein Opfer des schwarzen Todes zu Gesicht bekommen würden.”
“SHHT!”, hörte man aus den hinteren Reihen, worauf hin beide ihr Gespräch einstellten und stumm dem Pastor lauschten.
Der Gottesdienst war wie sonst auch immer, aber heute schien er Shi Long irgendwie besonders lang, da die Vorfreude auf weiter Forschung in Bezug auf die Pest kaum auszuhalten war.
Aber auch der längste Kirchenbesuch geht zu Ende.
Zum Glück von shi Long, da dieser es wohl kaum noch länger ausgehalten hätte und schon ganz ungeduldig auf der Holzbank saß und wartete.
Ganz zum Schluss sagte der Gottesvertreter noch ein paar Worte zu der Pest:” Nun meine lieben Mitgläubigen. Gott, wird über alle Gläubigen seine schützende Hand halten und uns vor der unheilbaren Krankheit besah…”
Plötzlich wurde Shi Long von einer eisernen Wut gepackt, sprang auf und schrie durch die ganze Kirche:” Die Pest ist heilbar!”
Stille legte sich über die anwesenden, bis einer aufstand und schrie:” Hexer raus!”
Es dauerte nicht lange, da brüllte auch schon die ganze Gemeinde im Chor und warfen Sachen nach ihnen.
“Raus hier!” Ohne Vorwarnung wurde Shi Long von hinten gepackt.
Im nächsten Moment zog ihn Meister Sattler hinaus auf die Straße, wo sie gegen zwei verschreckte Frauenzimmer knallten, welche schleunigst das Weite suchten.
“wie kannst du einfach nur den Pastor so respektlos anschreien?!”, tadelte Meister Sattler seinen Schüler, als sie endlich wieder zu Hause, in Sicherheit waren.
“Wieso, wieso…?” Shi Long reichte es.
Ohne ein weiters Wort drehte er um und knallte die Tür hinter sich zu.

Was sollte das?
Nur weil er anders war!
Wütend stampfte er dein steinigen Weg entlang, seine Beine trugen ihn automatisch zum Wald.
Hier war es ruhig und nur das Rascheln der Blätter im Wind, erfüllte die Stille mit einem angenehmen Pfeifen.
Shi Long ging noch ein paar weitere Schritte, bis er schließlich seinen Lieblingsplatz erreicht hatte, einen kleinen Bach, der von einer Quelle in den Bergen ausging und in welchen klares Wasser floss.
Die Luft war hier so herrlich ruhig und Shi Long konnte das erste mal seit langem wieder einen klaren Gedanken fassen…
Ja, er war anders, aber war das so schlimm?
Er könnte trotzdem Arzt werden und es allen beweisen!
Und dafür müsste er nur eins tun!
Ein Mittel gegen die Pest finden.
Plötzlich wurde die idyllische Stille durch einen lauten Aufschrei unterbrochen, der Shi Longs ganze Aufmerksamkeit beanspruchte.
Schnell bewegte er sich in die Richtung, aus welcher er meinte der Schrei gekommen war.
Kurz vor einem Baum blieb er stehen und lugte um den Stamm herum.
Zwei männliche Silhouetten standen vor drei hölzernen Kreuzen, an welche schlaff runter hängende Körper fest gebunden waren.
“Nehmen wir erstmal einen mit zurück. Bevor du mit deinem Geschrei noch den ganzen Wald aufscheuchst.”
Erst jetzt merkte Shi Long, das ein viertes Kreuz umgefallen war und die Leiche wohl kurz neben dem zweiten Mann aufgeschlagen war.
Die beide Gestallten entfernten sich rasch von den restlichen drei Leichen.
Erst als die Stimmen sicher in der Ferne verklungen waren, wagte Shi Long wieder zu atmen.
Vorsichtig sprang er aus seinem Versteck hervor und rannte rüber zu den Kreuzen, die schief im Boden befestigt worden waren.
An ihnen hingen halb verweste Menschen, bei denen an manchen Stellen schon die blanken, weißen Knochen zu sehen waren.
Ekeln tat sich Shi Long nicht.
Als Pestarzt wurde man Tag für Tag mit solch unschönen Anblicken konfrontiert und man gewöhnte sich dran.
Viel mehr interessierte Shi Long, weshalb diese Leute hingerichtet worden waren, denn kein normaler Mensch hin gerne als Leiche im Wald rum.
Neben dem drittem Kreuz war ein Stein in dem folgende Wörter gemeißelt worden waren:

Nieder mit Hexen und Hexer! Verhaart bei dem Teufel im Fegefeuer!

Plötzlich stieg eine enorme Wut in dem Pestarzt auf.
Wegen einem solchen Quatsch mussten also atme, unschuldige Menschen ihr Leben lassen?
Wütend trat er gegen einen Stein, welcher durch die Luft geschleudert wurde und schließlich im Teig landete.
Das ganze war eine schrecklich große Gemeinheit.
Nur wer Macht hatte, durfte die Anderen bestrafen, sogar die Unschuldigen!
Das war einfach… fies!
Plötzlich knackte es hinter ihm im Unterholz, panisch fuhr er herum, bereit zum Kampf.
Doch in dem dichten Gestrüpp von Dornenbüschen und Sträuchern war nicht die geringste Bewegung auszumachen.
Was oder wer war da?
Shi Long wollte gerade den Stein in Richtung Unterholz werfen, als eine ihm wohlbekannte Stimme hinter ihm auftauchte.
“Shi Long, wo bist du denn?!” Meister Sattler kam mit hoch rotem Kopf den Waldweg entlang gerannt.
Shi Long gab es auf.
In dem dichten Gestrüpp war absolut nichts auszumachen.
Vielleicht hatte er sich alles auch nur eingebildet, wie immer…
“Was machst du denn Jung?” Meister Sattler packte ihn an beiden Schultern und schüttelte ihn, “ Ich dachte schon die Kirche wäre gekommen oder weiß Gott was wäre passiert.”
Shi Long verkniff sich einen spitzen Kommentar zum Wort Kirche ihn wegzulassen erschien ihm in Anbetracht der Situation klüger.
“Komm mit. Du bist ja völlig durchgefroren.” Die Sorge um seinen Schützling hatte des Lehrers Zorn verdrängt und erst jetzt bemerkte der junge Student wie kalt es ihm war.
Am ganzen Leib zitternd folgte er nun seinem Meister zurück in die gute Stube wo er sich etwas warme Suppe oder sonst etwas erhoffte.


“Wie wollen wir fortfahren?”, unterbrach Shi Long schließlich das ungesittete Schlürfen, stellte die Suppenschale ab und kuschelte sich tiefer in deinen Schafspelz.
“Womit?”, Der Ältere ließ ebenfalls von seiner Speise ab und schaute in die hübschen Augen seines Schülers.
“Mit unserer Forschung.”, brachte Shi Long es auf den Punkt, das reden war ansträngend zumal es unglaublich in seinem Hals kratzte.
“Nun, ich dachte daran, das wir uns auf die Reise machen.”
“Wohin?”, krächzte der Silberschopf und trank rasch einen Schluck um seinen Hals quasi zu ölen.
“In der nördlichen Richtung Deutschlandes liegt ein Friedhof, ich kenne den Friedhofswärter, er müsste inzwischen so um die 30 sein. Auf dem Friedhof werden ebenfalls Pestopfer begraben und in der Nähe diesem liegt ein Hafen von denen sich genau in Richtung Pestinsel fahren lässt.”
Shi Long nickte, seine Stimme hatte gerade den Geist aufgegeben.
“Vor raus gesetzt es geht dir wieder besser.”, hing Meister Sattler noch schnell hinten rann, bevor Shi Long seinen Hustenanfall starten konnte.
“Mir geht’s gut!”, log der Schüler, nach dem er wieder zu Atem gekommen war.” Echt jetzt.”
Der Blick seines Lehrers war ungläubig und so versuchte Shi Long ihm nicht direkt in die Augen zu schauen, sondern fixierte sich auf eine kleine Fliege, die unschlüssig im Kreis über dem Feuer flog.
“Shi Long, ich will dir doch nichts böse, ich will dich einfach nur schützen… verstehst du?”
“Ja, ja…”, murmelte der Angesprochene.
“Ich habe es deiner Mutter versprochen, weißt du. So viel an dir, erinnert mich an sie, vor allem…”
Shi Long schaute auf.
Noch nie hatte man ihm so etwas gesagt.
Das er so große Ähnlichkeiten mit seiner Mutter hatte, wusste er gar nicht.
Um ehrlich zu sein, und das betrübte ihn zu tiefste, konnte er sich nicht mal mehr richtig an sie erinnern.
Das einigste, was er noch wusste, war wie sie gestorben stand.
An den schmerzlichsten Augenblick seines Lebend konnte er sich erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Wie sie an diesen Pfahl gefesselt war, während sie von den Flammen verschlungen wurde.
Wie sie schrie, schrie vor Trauer und Schmerzen.
Wie sie seinen Namen rief.
Und wie er, im Alter von fünf Jahren, hilflos zu sehen musste, wie seine eigene Mutter, vor seinen Augen auf qualvollste Weiße getötet wurde.
Daran konnte er sich erinnern , seit er fünf war.
An diesen Augenblick, ansonsten hatte er alles vergessen… alles…
“Vor allem?”, wiederholte er.
Er wollte endlich wissen, was ihn und seine Mutter besonders verband.
“Vor allem… deine Augen…” , beendete sein Meister den Satz, den er zuvor so einfach abgebrochen hatte.
“Meine Augen?”, fragte Shi Long ungläubig und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
“Ja, weiß du, wenn ich dich ansehe, dann glaube ich manchmal das da Maylene vor mir steht. Das sie von den Toten aufgestanden ist um uns zu besuchen.”
Shi Long hielt den Atem an.
War das… wahr?

Diese Nacht schlief er besser als in der Vorherigen, er schlief eigentlich augenblicklich ein und hatte einen tiefen und angenehm ruhigen Schlaf.
Doch während Shi Long seine Zeit so friedlich im Reich der Träume verbrachte, dachte sein Meister nicht mal ans schlafen.
Wohl bemerkt leise, um seinen Schüler nicht zu wecken, schlich er durchs Haus und setzte sich an den Schreibtisch.
Er tunkte die Feder in das Tintenfass und begann eifrig den menschlichen Körper auf ein Blatt Pergament zu skizzieren.
Immer wieder schaute er über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, das der Jüngere von der ganzen Aktion nichts mitbekam.
Nachdem er sein Bild beendet hatte, begann er auf einem weitern Blatt jegliche ihm bekannte Instrumente, wie Messer und Schere aufzulisten.
Nachdem er dies vollendet hatte, steckte er die Aufzeichnungen, gut versteckt in die unterste Schreibtischschublade und stieg zurück in sein Bett.


Am nächsten Morgen waren die beiden schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen und in Begriff ihr Reise zu beginnen.
Mit von der Partie war Kirsche, die schwarze Stute von Meister Sattler.
Sie war schon ein etwas älteres Tier und meist dafür zuständig die Decken, den Proviant und das sonstige Reisematerial von Shi Long und Meister Sattler zu tragen.

Sie hatten gerade den Waldweg verlassen und wanderten nun aufs offene Feld, als ihnen eine sehr vornehme Kutsche entgegen kam. Da der Weg zu schmal war um zur Seite auszuweichen, blieb den drein nichts anderes übrig, als mitten auf dem Feld stehen zu bleiben und zu hoffen, das der Kutscher sie nicht überfuhr.
Ehe sie sich versahen, scheute Kirsche machte einen kleinen Hopser, womit die restlichen Pferde, die der Kutsche angehörten, ebenfalls in Panik gerieten.
Sie stellten sich auf die Hinterbeine, bockten und fingen an schneller zu laufen.
Ein plötzlicher Peitschenknall drang durch diese Rufe und schlagartig beruhigten sich die Tiere.
Der Kutscher sprang von seinem Gefährt, seine Augen sprühten Funken, während er zielstrebig auf Shi Long und Meister Sattler zusteuerte.
“Was zum Teufel machen die währten Herrschaften hier, auf meiner Route?”
Doch Meister Sattler blieb ganz ruhig, was Shi Long persönlich etwas ärgerte, zu gern wäre er auf den Konflikt eingegangen: “Ich nehme an, das es sich hierbei nicht speziell um Ihre Route handelt. Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Ronald Sattler und dies ist mein Schüler Shi Long Iwakori. Wir sind Pestärzte auf der Durchreise.”
“Aha.”, der Kutscher kam auf keinen grünen Zweig, “Und warum bitte schön gehen Sie nicht zur Seite, wenn Sie mich kommen sehen.”
“Es gab hier keine Möglichkeit.”, entgegnete Meister Sattler gelassen und deutete mit einem Kopfnicken auf den Weg vor ihnen.
“Ich habe es zu eilig um mich mit Ihnen auseinander zu setzten. Tut mir wirklich leid.”, der Kutscher strich sich mit einer lässigen Handbewegung, seine langen ,blonden Haare aus der Stirn, wand sich dann doch noch einmal an die beiden:
“ Wie gesagt…”
“Wohin hast du’s denn so eilig?”, fragt Shi Long frech und versuchte hektisch Kirsche zu beruhigen, die wahrscheinlich an einer weiteren Panikattacke sterben würde.
“Du wagst es mich zu duzen?!… Ich muss zum Vatikan, dem Papst etwas überbringen und ich bin ohne hin schon zu spät dran.”
Mit diesen Worten war er verschwunden und in der Ferne war nur noch das regelmäßige Klappern der Hufe zu hören, welches auch bald verklang.
“Pff… Idiot…”, murmelte Shi Long und zog am strick von Kirsche um sie weiterzuführen.
“Warum duzt du ihn auch einfach? Du bist es selbst schuld!”, mahnte Meister Sattler ihn, nach dem er sie eingeholt hatte.
“Dieses Schwein hat es nicht anders verdient!”, murrte Shi Long weiter und sah nicht ein, warum er diesem Typen auch nur das kleinste bisschen Respekt entgegenbringen sollte.
“Er hat uns doch nichts getan.”, versuchte es Meister Sattler ein zweites Mal.
“Nichts getan?! Wegen diesem Schwein währen wir fast drauf gegangen!”, hielt Shi Long fest und blieb stehen, “Wieso bist du immer zu allen so nett? Sie sind es doch zu uns auch nicht, nur weil wir …”
“… anders sind?”, beendete Meister Sattler seinen Satz und zog Shi Long zur Seite, “Hör mal, weder du noch ich sind anders, ist das klar?!”, In seiner Stimme rührte Zorn mit.
“Doch ich bin…” Shi Long wurde von einem Hustenanfall unterbrochen.
Verzweifelt rang er nach Luft und fiel auf die Knie.
“Shi Long!”, Meister Sattler ließ sich neben ihm nieder, ”Ganz ruhig, guck mich an!”
Der Jüngere tat wie ihm geheißen und schaute seinen Lehrer aus tränenden Augen an.
Meister Sattler haute seinem Schützling einmal feste auf den Rücken, woraufhin dieser Blut spuckte, sich aber dann vollständig beruhigte.
Für einen Moment saßen bzw. lagen sie noch auf dem Weg, bis Meister Sattler das Wort ergriff:” Alles wieder in Ordnung?”
Shi Long nickte, wagte nicht zu sprechen, so sehr brannte sein Hals.
“Komm wir sind fast da.” Der Ältere half seinem Schüler wieder auf die Beine und zog ihn mit sich weiter die Straße entlang.
Der restliche Weg verlief ohne weitere Zwischenfälle.


“Dort hinten ist es schon!” Meister Sattler deutete auf ein Eisentor, was am Ende des Waldes, in dem sie sich gerade befanden, auszumachen war, “Dort kannst du bestimmt aus ruhn. Ich kann ja alleine zur Insel fahren. Es wird nicht lange dauern.”
Shi Long hätte gerne gesagt, das er doch mitkommen wollte, doch er war zu müde um auf jeglichen Streit einzugehen.
Stattdessen nickte er nur und zog Kirsche weiter, die leicht nervös geworden war, wegen dem Wetterumschwung.
Am Morgen hatte die Sonne noch geschienen, doch inzwischen war der Himmel grau, fast schon schwarz und ein Gewitter lag in der Luft.
Als sie das Eisentor erreichten, begannen schon die ersten Tropfen Shi Longs Nasenspitze zu berühren und es dauerte nicht lange, da schlug auch dies in strömenden Regen um.
In der Mitte des Friedhofes, im Schutz eines alten Kieferbaumes lag ein kleines Häuschen, in welchem ein Licht angemacht worden war.
Völlig durchnässt klopfte Meister Sattler an die hölzerne Tür.
Ein junges Mädchen, im Alter von 12 Jahren, öffnete sie.
Es hatte dunkelblonde, am Ende gelockte Haare, grün, blaue Augen und unglaublich blasse Haut, so als wäre sie noch nie ans Tageslicht gekommen.
“Sie wünschen?”, fragte es mit leiser Stimme.
Es war in völligem schwarz gekleidet, ihr Kleid, ihre Schuhe und in ihrem Haar war eine merkwürdige schwarze Strähne, woraus sich Shi Long keinen Reim machen konnte, da er nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie an diese gekommen war.
“Du bist Yana, richtig?”, fragte Meister Sattler freundlich und schenkte der Kleinen ein Lächeln.
Yana nickte ängstlich und wich einen Schritt nach hinten, als erwartete sie, das Meister Sattler sie entführen wolle.
“Ist dein Vater zu Hause?”
Yanas Blick war leicht verschleiert und ein trauriger Schatten legte sich über ihre Augen:” Nein, er ist vor einem Jahr verstorben.”
“Oh, das tut mir sehr leid mein Kind, wo ist denn deine Mutter?”
“Ebenfalls tot.”, hauchte sie heiser und starrte zu Boden.
“Du armes Kind, sag mal lebst du hier denn ganz alleine?”, hing der alte Mann alarmiert dran.
“Nein ich lebe hier mit…”
Plötzlich kam aus der hintersten Ecke des Hauses eine raue, männliche Stimme: “Ich verlange zu wissen, wer ihr seit und was ihr hier wollt.”
“Jamie… Ich denke das sie Vater gekannt haben.”
Yana wurde von der Tür weggezerrt, sanft aber bestimmt und ein Junge, wahrscheinlich genau in ihrem Alter, stand im Rahmen.
Er hatte etwas längere, rabenschwarze Haare, die auf der einen Seite sein ganzes Auge verdeckten.
Es war kaum zu glauben, aber er war noch blasser als seine Schwester, ebenfalls in vollkommenem schwarz gekleidet und besaß Kristall blaue Augen.
“Sind eure Eltern also verstorben? Beide?”, legte Meister Sattler nach.
“Ja.”, kam es kalt und ohne jegliche Emotionen zurück.
“Nun, ich bin ein alter Freund deines Vaters…”, bei dem Wort Vater schnaubte der Junge und seine Miene wurde noch härter, ”…und bitte um die Erlaubnis bei euch eine Nacht zu verbringen.”, fuhr Meister Sattler fort, ohne auf die Reaktion des Jungens weiter einzugehen.
Es herrschte eine weitere Minute Stille, bis der Junge stumm zur Seite trat und ihnen so mit gestattete einzutreten.
Shi Long betrat nach Meister Sattler vorsichtig die kleine Hütte, in der nichts weiter, als ein Tisch, eine Feuerstelle mit Kessel und einem Bett war.
“Wie kann man hier nur leben?”, schoss es dem immer noch müdem Shi Long durch den Kopf.
“Entschuldigung, aber meinem Schüler geht es sehr schlecht, dürfte er sich hier ein Weilchen ausruhen?”, fragte der Ältere für ihn.
Jamie zeigte ohne jegliche Emotionen auf das etwas morsche Bett, wo Shi Long sich ohne groß zu überlegen rein fallen ließ.
Es war ziemlich unbequem und er hätte schwören können, das sich da etwas unter ihm bewegt hatte, doch momentan war ihm das ziemlich schnuppe, das einzige was er wollte war schlafen… und das tat er auch…

Als er wieder aufwachte, kam es ihm vor, al hätte er ewig geschlafen.
Dabei waren es höchstens zwei Stunden gewesen, die er in dem ihm nicht ganz geheueren Bett verbracht hatte.
Er setzte sich auf und schaute sich im Zimmer um.
Auf dem Feuer kochte irgendetwas und verteilte einen herrlichen Geruch im Raum.
Jamie, saß am Tisch und las während Yana neben ihm begann mit einem Messer irgendetwas auf die Tischplatte zu ritzen.
“Wisst ihr wo mein Lehrmeister hingegangen ist?”
“Der ist zur Pestinsel aufgebrochen, er sollte, er sollte gleich wiederkommen…”, murmelte Yana, stand auf und ging zu ihm hinüber, ”Geht es dir wieder besser?”
“Ja…” Shi Long wollte aufstehen, doch schon wieder tat sich ein unglaublich starker Schmerz in seiner Brust auf und zwang ihn dazu sitzen zu bleiben.
“Ruh dich lieber noch etwas aus.”, bot Yana freundlich an und schenkte ihm ein Lächeln.
“Ja…” Shi Long wollte sich gerade wieder hinlegen, obwohl er stock sauer war, da sein Lehrer ihn einfach hier gelassen hatte, als ihm das Buch ins Auge stach.
“Du kannst lesen?” Jamie schaute nicht auf, an seiner Stelle antwortete Yana: “Unsere Mutter hat es uns gelehrt bevor sie starb…”
“Aha. Das ist interessant, nicht viele Menschen können es… wisst ihr?”
“Ja, wir sind ihr deswegen auch mehr als dankbar!”, warf Yana ein, doch in dem schwachen Feuerlicht meinte Shi Long so etwas wie Tränen in ihren Augen aus zu machen.
“Sie könnte uns noch weiter ausbilden…”, das war das erste mal, das Jamie sich an diesem Gespräch beteiligte.
Sein Gesicht blieb dabei so emotionslos wie immer, allerdings schien es noch eine Stufe bleicher geworden zu sein.
“Jamie… wann vergisst du das endlich?” Yana legte ihre Hand auf die Schulter ihres Bruders, welcher sie allerdings weg schlug und sich mit den Rücken zu ihnen gewand, zum Feuer hin stellte.
´”Was vergessen?” Shi Long rutschte an die Bettkante, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte und sich danach sehnte liegen zu bleiben.
“Unser Vater hat sie … umgebracht…”, murmelte Yana und senkte den Blick.
Kleine Wassertropfen begannen den Boden unter ihr zu befeuchten und Shi Long machte Anstallten aufzustehen, doch Jamie hielt ihn zurück:” Fass sie nicht an!”, zischte er bedrohlich und seine blauen Augen sprühten Funken.
“Jamie, beruhig dich…”, versuchte es Yana, doch Jamie fiel ihr ins Wort: ”Weißt du warum er sie getötet hat?!”, brüllte er Shi Long ins Gesicht und vor Zorn färbte sich sein Gericht ganz rot.
Shi Long sagte nichts, den so wie es aussah würde er die Antwort eh gleich erfahren, ob er nun wollte oder nicht, schien in diesem Moment keine Rolle zu spielen.
“Weil sie eine Hexe war und dieser Idiot hat das doch tatsächlich geglaubt!!!”
Plötzlich klopfte es gegen die Tür worauf hin alle verstummten.
“Wer kann das sein?”, hauchte Yana nervös und stellte sich in sekundenschnelle hinter ihren Zwillingsbruder.
“Meister Sattler?”, versuchte es Shi Long, doch Jay ließ nur einen bedrohlichen Zischlaut von sich hören um ihn zum Schweigen zu bringen.
“Es wäre verrückt, wenn er schon nach zwei Stunden zurück kehren würde.”, murmelte dieser, mehr zu sich selber, statt zu Shi Long.
“Warum das denn, er wird wohl kaum über zwei Stunden auf einer muffigen Insel verbringen, oder?”, Shi Long drehte seinen Kopf rasch in Jamies und Yanas Richtung, so das es wieder anging, sich zu drehen.
“Alle die auf der Insel waren…”, schluchzte Yana, ”Kamen nicht mehr zurück…”

Die Stille legte sich wie ein seidiger, schwarzer Umhang über alle Anwesenden, drohe jenen die wagten sie zu brechen.
“Was meinst du mit… nicht mehr zurück?”, hauchte Shi Long nach ein paar Augenblicken des Schocks.
“Sie sind tot.”, traf Jamie den Nagel auf den Kopf.
“Tot?”, hakte der Student ein weiteres mal nach, nicht bereit den unglaubhaften Worten des Zwölfjährigen Glauben zu schenken.
“Tot.”, wiederholte Jamie schon leicht genervt und schaute ihm trotzig ins Gesicht.
Ein weiteres Mal legte sich Stille über die Versammelten, welche shi Long nutze um seine kompletten Gedanken neu zu ordnen. Wenn alle die auf die Insel gegangen waren nun tot sind hieß das nicht im Klartext… das Meister Sattler auch nicht lebend von eben jener wiederkommen würde.
Gerade als er sich einen leicht einfältigen Plan ausdachte, der darin bestand zur Insel zu fahren und Meister Sattler zu retten unterbrach ihn Jamie erneut in seinen Selbstkonflikten: “Man erzählt sich das Satan selbst auf der Insel lebt. Und allen denen, die nicht ebenbürtig sind müssen sterben.”
Das war so ziemlich der größte Quatsch, den Shi Long je gehört hatte und so zögerte er nicht lange und setzte seinen Weg , hinaus in den strömenden Regen, fort.
“Danke das ich hier bleiben durfte.”, presste er noch kurz hervor, trat nach draußen und landete ehe er sich versah wieder auf dem Boden der Tatsachen.
Der junge Mann rappelte sich langsam wieder auf und wollte gerade nachschauen über was er da gestolpert war, als Yana einen entsetzlichen Schrei von sich hören ließ.
Anscheinend hatte sie die Leiche schon bemerkt.
“Sag ich’s doch.”, murrte Jamie mehr zu sich selber anstatt laut hinaus.
Shi Long beugte sich vorsichtig über den leicht müffelnden Leichnam. An Haaren und Kleidung war schon abzusehen, das es sich um Meister Sattler handelte, doch ein weiter Schock folgte, als er ihn richtig rum, sprich mit dem Kopf nach oben, drehte.
Er hatte kein Gesicht mehr.

Für einen Moment sagte keiner etwas, dann brach Yana vollkommen in Tränen aus.
Beherrscht hievte Shi Long den Leichnam seines ehemaligen Lehrers hoch und schaute in Jamies immer noch emotionslose Augen.
“Ich bitte um Erlaubnis ihn hier zu bestatten.”
Für einen Moment sagte keiner etwas, doch dann nickte Jamie kaum merklich und führte Shi Long und seine Schwester zu einem bereits ausgehobenen Grab.
Shi Long wusste nicht wieso, aber auf irgend eine Art und Weise, die er sich nicht erklären konnte bereitete ihm der Anblick dieses Loches Unbehagen.
Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen… warum war ihm diese Frage nicht schon vorher gekommen, wobei sie doch so offensichtlich schien…
Warum war das Loch schon ausgehoben?
Während er die Leiche vorsichtig ins Loch legte tat sich schon ein ungutes Gefühl in ihm auf.
Was war hier los? Seine klitschnassen Haare lagen ihm umständlich im Gesicht, doch er hatte keine Lust sie wieder in die richtige Position zu bringen.
Zu groß war die Trauer um seinen letzten, verlorenen Halt.
“Julius Martin Sattler, in aller Ehre, wir denken an dich und hoffen der Messias und Gott werden dich hinter den Pforten des Himmels willkommen heißen.”
Langsam und ohne jegliche Emotionen, ließ Jamie ein Tuch über den Leichnam legen.
Den Tränen nahe lies Shi Long sein Kettchen mit dem christlichen Kreuz ins Grab gleiten.
“Lass uns gehen.”, raunte Jamie seiner völlig verängstigten Schwester wütend ins Ohr.
Er drehte um und seine Schwester machte Anstallten ihm zu folgen, doch wurde sie sogleich von Shi Long am Arm gepackt um ihr weiteres Vorhaben zu verhindern.
“Was ist denn …?”, murmelte sie leise , so das Shi long Mühe hatte sie überhaupt zu verstehen.
“Warum war das Loch schon ausgehoben?”
Endlich wurde er diese Gott verdammte Frage los, was seiner Meinung nach , inzwischen mehr als nötig war.
“Ich versteh nicht ganz…” In der Stimme des jungen Mädchens lag Panik.
Fühlte sie sich ertappt, oder wusste sie wirklich nichts?
Shi Long bekam keine weitere Zeit darüber nach zu denken, denn plötzlich stand Jamie, wie ein schwarzer, dunkler Schatten hinter ihm.
Der Lehrling hatte nicht die leiseste Ahnung wann und wie er dahin gekommen war.
“Was geht hier vor?”, fragte er kühl.
“Nichts.”, entgegnete Yana hastig, riss sich von Shi Long fort und gesellte sich zu ihrem Bruder.
“Ich nehme an, du wolltest uns gerade verlassen, oder?”
Shi Long gelang es einfach nicht, irgend einen Ansatz von Gefühlen oder etwas Derartigen in Jamies Gesicht auszumachen, wobei ihm dies doch sonst immer so leicht fiel.
Sein Blick wanderte zu Yana, die sich schüchtern hinter ihrem Bruder versteckte.
Er seufzte, doch dann gab er es auf. Was sollte es schon?
Sein Meister war tot und er… er war alleine…
Ihm war bewusst, dass er alleine nicht nach Prag zurückkehren könnte, da er ,ohne den Schutz seines Lehrers, elendig auf dem Scheiterhaufen verrecken würde.
“Ja.”


Vatikan, 16 Oktober 1347:


“Ehrenwürdiger Vater, ich entschuldige mich untertänigste für die Störung, aber das Volk wäre bestimmt erfreut über ein aufmunterndes Wort, von Ihnen.”, der Mönch kniete zitternd vor seinem Gebieter, dem Papst, oder auch einfach dem höchsten Stand im Klerus.
Er war der “Bote” zwischen Himmel und Erde, was sich zu der Zeit der Pest, als höchst hilfreich erschien, doch bis jetzt hatte dies wohl noch nicht viel gebracht.
“Es bringt nicht Lautius.”, entgegnete der Papst mit leichtem Kummer in der Stimme, doch seine wahre Betrübtheit überspielte er gekonnt vor der Öffentlichkeit.
Immerhin war er der Papst, da konnte er doch nicht den Kopf hängen lassen, obwohl er dies manchmal sehr gerne tun würde.
“Die Pest ist eine Strafe Gottes und deswegen wird gegen sie auch nie ein Heilmittel gefunden werden.”
“aber Herr…”
Den Rest konnte die junge Dame, die das Schauspiel durch einen Spalt in der Wand mit angeschaut hatte, leider nicht mehr weiter verfolgen.
Eine Hand kam plötzlich aus der Dunkelheit geschossen und zog sie zurück in die Sicherheit der Schatten.


Die Warmzeit neigte sich ihrem Ende zu, was man in den letzten Tagen hatte deutlich spüren können.
Shi Long stapfte lustlos den verlassenden Waldweg entlang, nicht wissend wohin er sich nun am besten begeben sollte.
Im Hintergrund war Donnergrollen auszumachen und es dauerte auch nicht lange da zuckten auch schon die ersten Blitze.
Shi Long ließ sich davon nicht weiter stören und setzte seinen Weg in einer Seelenruhe fort.
Nach einer Weile begannen Regentropfen seine glänzenden Haare zu durchtränken und fraßen sich tief durch seine Kleidung, bis auf die Haut durch.
Wie in Trance getaucht, suchte sich Shi Long einen kleinen Unterschlupf, eine Höhle, in der früher, zu geraumer Zeit, mal hätte ein Bär oder vielleicht ein Rudel Wölfe leben können.
Jetzt allerdings war sie verlassen.
Der vermeintliche Hexer machte es sich in einer Windgeschützten gemütlich wo er es sich mit Kirsche dann gemütlich machte.
Jetzt sind wir wohl nur noch zu Zweit.”, nuschelte er betrübt und brach ein Stück von seinem Brot ab um es seiner Freundin zu geben.
Die Stute wieherte zustimmend oder wo zu immer dies auch dienen sollte.

“Wach auf! Los, jetzt wach auf!”
Benommen öffnete Shi Long die Augen, er musste tatsächlich eingeschlafen sein, doch das plötzliche Donnern von draußen verriet ihm, dass das Unwetter nach wie vor anhielt.
“Jamie.”
“Bitte, du musst uns helfen. Yana, sie ist plötzlich zusammengebrochen und wacht nun nicht mehr auf! Bitte!”
Shi Long hielt für einen Moment inne, das war das erste Mal, das Jamie Gefühle zeigte.
Und zwar Angst. Angst um seine Schwester.
War dies also seine Schwachstelle?
“Beeil dich!” Jamie stand kurz davor zu weinen.
“Los, Kirsche.” Der junge Mann schnappte sich den Knaben und galoppierte mit ihn in Windeseile zu der besagten Stelle.
Während sie durch den Wald ritten, fiel Shi Long erst das Ausmaß der Situation richtig auf.
Der Sturm hatte ganze Bäume entwurzelt, die wie Dominosteine, andere Bäume, während ihres Umfallens, mitgerissen hatte, Flüsse waren über die Ufer getreten, Zweige und Blätter wurden durch die Luft geschleudert, als wären es Federn.
“Da! Yana!”
Shi Long musste die Augen zusammenkneifen, um den zierlichen Körper zwischen all dem umher fliegenden Gestrüpp überhaupt auszumachen.
Jamie sprang noch während des Ritts von Kirsches Rücken und raste hinüber zu seiner Zwillingsschwester.
Um ein Haar hätte ihn eine Fichte erwischt, die ebenfalls aus dem Boden entrissen wurde.
Doch dies hielt den Jungen nicht auf, er kletterte geschickt über den dicken Stamm des Baumes um so zu seiner Schwester zu gelangen.
Shi Long war ihm dabei selbstverständlich dicht auf den Fersen.
“Yana!” Jamie warf sich neben sie auf den Boden und drückte sie, als wäre sie Jahre über verschollen gewesen.
“Jamie…”, nuschelte sie benommen und guckte ihren Bruder durch halb geschlossene Augen ängstlich an.
“Yana.” Jetzt ließ sich auch Shi Long neben den Geschwistern nieder und begann an ihrem Hals zu fühlen.
Jamie schien das nicht zu stören , was Shi Long in irgendeiner Form als Bestätigung seiner Angst auffasste.
“Ganz ruhig, ich werde jetzt deinen Puls messen, in Ordnung?” Keine Reaktion.
Eilig suchte Shi Long die Stelle am Hals, genau so wie es ihm sein Meister geleert hatte.
“Und?” In Jamies Stimme lag Panik.
“Erhöht.”, stellte Shi Long nach ein paar Sekunden fest, ”Was aber völlig normal ist da sie Angst hat.”
“Du brauchst keine Angst zu haben, hey… Yana…” Der Zwilling drückte seine Nase in ihre Haare und Tränen rannen über seine Nasenspitze bis hinunter auf den Boden… oder war es doch nur Regen?
Shi Long beobachtete für ein paar Herzschläge gerührt diese Szene, doch dann rief er sich in Erinnerung, in welcher Gefahr Yana nach wie vor schwebte.
“Komm.”


Es war anstrengend Kirsche richtig zu führen und nebenbei auf zwei Kinder aufzupassen von denen Eins halb tot war.
“Shi Long…” Yana drückte ihre Nase gegen seinen klitschnasse Brustkorb.
“Alles okay…”, entgegnete er ruhig ohne sie auch nur anzuschauen.
Er musste sie hier sicher raus bringen, koste es was es wolle.

“Wir haben’s geschafft!” im Endeffekt hätte er sich diesen Ausruf des Triumphes auch sparen können, denn noch ging alles plötzlich rasend schnell. Ein Blitz, blendendes Licht und ein ohrenbetäubender Knall.
Kirsche stellte sich auf die Hinterbeine, bockt, scheute… “Ruhig, beruhige dich!”, schrie Shi Long durch den Regen auf sein Pferd ein.
Wenn er doch nur etwas sehen könnte! Doch er war immer noch viel zu geblendet von dem Licht.
Auf einmal hörte er etwas knacken und glühende Hitze schien direkt hinter ihm zu sein.
Natürlich war er inzwischen alt genug um eins und eins zusammen zu zählen.
“Der Blitz muss hier irgendwo in der Nähe eingeschlagen sein.”, sprach Jamie seine Gedanken schließlich laut aus.
Endlich begann sich wieder ein Bild vor Shi Longs Augen zu bilden.
Und dies gerade zum rechten Zeitpunkt, ansonsten wären er und die restliche Truppe ins lodernde Feuer hineingerannt.
“Dreh um!”, schrie Jamie, was Shi Long irgendwie als kränkend empfand, immerhin hätte er diesen Gedanken auch selbst schon gehabt.
“… mir ist… schwindelig…”, murmelte Yana plötzlich und schloss die Augen.
“Nein, Yana, bleib wach!”, schrie shi Long ihr ins Gesicht.
Jetzt begann auch er panisch zu werden.
Die Stute bockte immer noch, der bloße Anblick des Feuers ließ sie noch nervöser werden.
“Kirsche! Ruhig!”
Egal wie sehr sich Shi Long bemühte, egal wie sehr er schrie, das Tier wollte einfach nicht auf ihn hören.
“Yana stirbt. Versuch Kirsche zu beruhigen!”, sagte er hastig an Jamie gewand und gab sich alle Mühe das Pferd dazu zu bewegen sich von den Flammen zu entfernen.
“Kirsche. Ich befehle dir, beruhig dich.”
Augenblicklich stand das Tier still. Als hätte man es eingefroren, stand es dort mit hängenden Kopf, als würde es schlafen oder grasen in mitten einem Meer aus Flammen.
“Und jetzt höre auf Shi Long und führe uns hier hinaus.”
Shi Long konnte Jamies Stimme nicht identifizieren. Sie hatte nichts mehr von dem panischem, nichts trauriges, je doch war sie auch nicht emotionslos.

“Los, altes Mädchen!” Der Praktikant gab dem Tier hastig die Sporen und schon schossen sie in einem Affenzahn durch den Wald, wobei ihnen das Feuer bedenklich näher rückte.
“Jamie…”, murmelte Yana im Halbschlaf und hustete kränklich.
“Jamie, hatte sie das schon öfter? Das Husten meine ich?”
Natürlich war es ein unpassender Zeitpunkt um jetzt über Yanas Husten zu reden, aber wenn sie es jetzt nicht taten, so war es vielleicht zu spät.
“Ja, aber nicht so stark wie heute.”, kam die Antwort wie durch dichten Rauch zurück, ebenfalls gefolgt von einem Husten, welches allerdings , wie Shi Long wusste, einen anderen Ursprung hatte.
“Jamie, halte dir Mund und Nase mit dem Saum meines Umhangs gut verdeckt.
Es kam keine Antwort, je doch merkte der Lehrling wie plötzlich jemand an seinem Umhang zog.
In Gedanken nahm er noch mal alles zusammen, was er nun über seine Patientin wusste. Aber was hatte sie …? Um ehrlich zu sein sah es tatsächlich aus wie eine einfache Influenzagrippe, die jedoch schon ziemlich weit fortgeschritten war.
Shi Long berührte vorsichtig seine Nase mit Yanas Stirn. Fieber. Also doch.
Aber, was tun?
“Jamie! Siehst du diese Pflanzen, die hier überall wachsen?”
“Ja?”, hustete der Jüngere.
“Versuche dich so weit wie möglich von Kirsche runterzubeugen und schnapp dir so welche , okay?”
“Okay!”
Jamie klammerte sich krampfhaft an dem Riemen , des Sattels feste, doch er rutschte ab.
Im letzten Moment konnte er sich noch retten und wieder hoch ziehen.
“Pass auf!”, raunte der Ältere ihm zu, “Mach’s langsam, tu es für deine Schwester.”
“Jamie…”, pruste diese ängstlich und Tränen bildeten sich in ihren Augen.
Durch den dichten Rauch wusste Shi Long fast gar nicht mehr wo lang es ging… hatte er sich etwa verlaufen?
Jamie zog sich ein weiters Mal gerade noch zum rechten Zeitpunkt hoch.
Was für ein Drama… wohin nun?
Zum zweiten Mal in Folge wurde Shi Long die sicht genommen, dieses Mal war allerdings der Rauch der Übeltäter.
Wohin jetzt…? Wohin…?
Shi Long rann der Schweiß von der Stirn, Nervosität, Panik, Hitze , alles kam zusammen, sie waren des Todes… aber nein!
Was war das dort für ein Licht?
“Los! Kirsche, zu dem Licht!”
In der Ferne war tatsächlich ein kleines Licht auszumachen, welches sich aber ebenfalls zu bewegen schien.
Ein weiteres Mal zog sich Jamie ruckartig am Sattel hoch.
“Ich hatte es fast!”, fauchte er wütend.
“Es will uns was zeigen…”, schoss es Shi Long durch den Kopf.

Ein letztes Mal ließ sich Jamie nach unten fallen, griff nach der Blume und zog sich wieder hoch.
“Ich hab sie…”, hustete der Vollwaise und sein Blick wandert ebenfalls zu dem sich stetig fortbewegendem Licht.
“Was ist das?”
“Ich weiß es nicht, aber egal was es ist ich glaube es will uns helfen.”, rief Shi Long genervt über die Schulter zurück.
“Du traust einfach so einem seltsamen Licht? Findest du das nicht etwas leichtsinnig?”
Shi Long ließ ein aggressives Schnauben von sich hören und hetzte weiter durch den Wald, während die Flammen ihnen nun immer näher auf die Pelle rückten.
“Deine Schwester liegt im sterben, wir sind mitten in einem Waldrand und unsere einzige Chance ist dieses Licht. Ich würde es in Kauf nehmen!”
Jamie antwortete nicht.
Das Licht blieb stehen, es blieb stehen.
Shi Long trieb Kirsche zu einem Sprint an, er konnte sich nicht erinnern das er mit ihr jemals so schnell unterwegs gewesen war.
Das Licht kam näher, näher…. Ein erstickter Schrei war zu hören und statt dem üblichen Satz es wurde alles schwarz so wurde alles … weiß…


Miau… Miau… Was war das für ein Geräusch, woher kam es? Konnte es nicht in irgendeiner Form beseitigt werden… bitte?
Wie es aussah musste sich der junge Pestarzt wohl selbst um die Angelegenheit kümmern.
Seine Augenlieder waren schwer und es war anstrengend sie offen zu halten, doch er zwang sich mit aller Kraft dazu.
In seinem silbrig, glänzendem Haar hatten sich Zweige und Blätter verfangen, doch im Moment gab es Wichtigeres als sich seiner Haarpracht zu widmen.
Jamie, Yana und Kirsche lagen ein Stück weiter entfernt von ihm, alle samt bewusstlos.
Shi Long rappelte sich auf, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte.
In diesem Moment landete eine kleine, pechschwarze Katze vor seinen Füßen und schmiegte sich an seine noch immer zitterigen Beine.
“Lass das.”, zischte der Student verärgert und stieß sie hart weg.
Doch das Tier rappelte sich erneut auf um sich wieder an seine Beine zu schmiegen.
“Verzieh dich.”
Der Jüngling stolperte zu Yana hinüber und fühlte ihren Puls… “Mist…”, murmelte er und stieß ein letztes Mal die Katze von sich weg.
“Jamie… Jamie!”
Langsam kam auch der Junge wieder zu sich:” Ja?”, fragte dieser benommen und öffnete langsam, eins nach dem anderen, die Augen.
“Hast du das Kraut noch?”
Jamie zog unter seinem Shirt das heil gebliebene, wenn auch etwas zerrupft aussehende, Pflänzchen hervor.
“Super, danke. Kümmerst du dich um Kirsche?” Mit einem hektischen Blick zu dem langsam wieder zu sich kommendem Pferd fuhr er schließlich fort:” Ich suche irgendwo nach einem Unterschlupf, dort drüben steht ein Gutshof, siehst du ihn, ich werde dort nachfragen. Komm dann nach.”
Shi Long rannte geschwind in Richtung Gebäude, obwohl Jamie noch Wörter der Widerrede und Argumente hatte vorbringen wollen.

“Entschuldigen sie! Bitte machen sie die Tür auf, es ist ein Notfall!” In völliger Panik hämmerte Shi Long gegen die morsche Tür.
Yana wurde von Minute zu Minute, schlimmer noch, von Sekunde zu Sekunde kränklicher und musste umgehend behandelt werden.
Endlich öffneten sich die Forte für den jungen Mann und das Mädchen und ihm Türrahmen stand ebenfalls ein Mann ungefähr in Shi Longs Alter.
Er hatte schulterlange braune Haare, die zu einem lockeren Zopf zusammengebunden waren. Seine Augen strahlten eine gewissen positive Energie aus.
“Was denn?!”, fauchte er gehässig und funkelte Shi Long wütend an.” Was fällt dir ein?”
“Mein Name ist Shi Long und das hier ist Yana sie ist sehr krank und wir bitten um Unterschlupf, wenigstens für diese Nacht… bitte…”, setzte er leise nach und schlug einen verzweifelten Tonfall an.
Der junge Mann schaute von shi Long zu Yana und wieder zurück.
“Nun ja, mein Chef ist gerade nicht da und…”
Donnergrollen war in der Ferne auszumachen. “Shi Long…”, hustete Yana schwach und begann zu zittern, ”Mir ist kalt..”
“Bitte…”, murmelte Shi Long untertänig.
“Na gut, kommt rein…”
Der Mann trat zur Seite und gewährte ihnen Eintritt.
“Danke…”, keuchte Shi Long und hüpfte über die Schwele.
“Hey!”, kam es von hinten und Jamie jagte auf Kirsche zu ihnen den leichten Anstieg rauf.
“Was? Die auch noch?”, seufzte der Wirt und zeigte auf den Stall der neben dem Hof lag.
Jamie stellte Kirsche unter und gesellte sich dann zu ihnen in die gute Stube.
“Leg sie hier hin.” Shi Long legte seinen kleinen Schützling vorsichtig auf das ihm zugewiesene Bett und fiel auf die Knie. In Windeseile hatte er die pflanze zerstückelt und mischte sie nun mit Wasser. “Jamie, hat sich Yana in letzter Zeit häufiger übergeben?”
Jamie nickte schwach, und sank neben den Stundenten auf die Knie.
“Keuchhusten also…”
Yana hustete erneut.
“Keuchhusten?”, wiederholte Jamie ungläubig und schaute zu seiner Schwester, ”Ist es sehr schlimm?”
“Es ist noch im Anfangsstadium jedoch müssen wir vorsichtig sein, es könnte sich zu einer Lungenentzündung entwickeln.
“Was… nein, Yana..”
“…Jamie…”, plötzlich schnappte Yana panisch nach Luft und krallte ihre Finger in das Betttuch unter ihr.
“Yana, ruhig…” Der vermeintliche Hexer half ihr sich auf zu setzten.
“Einatmen, ausatmen, einatmen…” Yana beruhigte sich wieder und legte den Kopf an Shi Longs Brustkorb. ”Sehr gut.”, flüsterte dieser ihr ins Ohr und drückte sie an sich.
“Oh, oh jemand einen Tee?” Der Wirt kam erneut ins Zimmer gehopst und grinste breit.” Das hier halten Sie jetzt nicht ernsthaft für eine passende Tee-Zeit oder?! Meine Schwester stirbt vielleicht!” Jamie sprang auf doch Shi Long pfiff ihn zurück.
“Jamie beruhige dich, damit hilfst du ihr auch nicht weiter außerdem wird ihr Tee , so fern er aus Kamille ist gut tun. Das ist Kamille ,oder?”
Der Wirt nickte und reichte einen dampfenden Krug an Shi Long, welcher augenblicklich die Kräuterfitzel rein streute und es Yana in den Mund kippte.
Das Mädchen hatte nicht einmal mehr Kraft sich zu wehren, wobei Shi Long aus eigener Erfahrung heraus wusste wie Eckel erregend dieses Gemisch schmeckte.
Yanas Atem ging wieder ruhiger und ihr Blich wurde ein klein wenig klarer.
“Was hast du gemacht?”, wollte Jamie erstaunt wissen und strich seiner Schwester über die Wange:” Das hast du gut gemacht.”
“Dieser Stoff zerstört den Erreger und sorgt dafür das sich das Immunsystem wieder regenerieren kann.”, entgegnete Shi Long ruhig und strich seiner Patientin über den Kopf.
“Aber sie hat immer noch Fieber.”, Jamie zog vorsichtig die Hand zurück und schaute in Shi Longs goldene Augen.
“Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Das Fieber hilft dem Körper wieder gesund zu werden.”
“Wie das…?”, hackte Jamie weiter nach.
“Das erklär ich dir ein anderes Mal, du solltest schlafen du siehst sehr erschöpft aus und deine Schwester braucht ebenfalls Ruhe.” Shi Long betete Yana zurück auf die Kissen und fühlte zur Sicherheit noch einmal ihre Stirn:” Aber ich kann dich beruhigen, so wie es aussieht wird sie sich wieder erholen.”
Jamie legte sich zitternd neben seine Schwester und drückte sie feste an sich.
“Yana… versprich es mir… ja…?”
Shi Long stand auf, löschte die Kerze und trat hinunter in das Hauptzimmer.
Im Kamin prasselte ein gemütliches Feuerchen und die Atmosphäre war ausgesprochen ruhig.
“Na schlafen die beiden?”
Der junge Mann trat hinter der Theke hervor und streckte Shi Long seine Hand hin:” Ich heiße übrigens Kinari. Also, Kumpel das sind deine Geschwister, süß.”
“Oh, nein, nein das sind nur die Kinder eines Freundes meines verstorbenen Lehrmeisters.”
Wie ein Pfeil bohrte es sich durch sein Herz, als die Erinnerungen an Meister Sattler wieder hochkamen.
“Was? Wie kompliziert ist das denn, einigen wir uns auf Freunde?”, Kinari schmiss sich auf den Sessel neben dem Feuer. Shi Long nickte Gedanken verloren.”
“Komm schon, setz dich macht mich irgendwie nervös wenn du da so dumm rum stehst, komm schon pflanz dein Gesäß neben mich, Kleiner.”
Shi Long lachte nervös auf und setzte sich auf den ihm zugewiesenen Platz.

“Du bist also Arzt sagst du?”, Kinari hickste einmal laut auf und stellte die Flasche Met wieder zurück auf den Tisch.
“Ja, also sagen wir ich wäre einer geworden.”, stellte shi Long richtig und beschloss ein paar Meter Sicherheitsabstand von dem bekifften Mann zu nehmen.
“ Ah verstehe, mein Beileid Freundchen.” Der Wirt legte die Füße neben die Flasche auf dem Tisch ab und wand seine lachende Fratze ein weiteres Mal Shi Long zu.
“Weißt du, ich hasse es hier. Meinem Chef kann ich eh nie was recht machen, ich meine Hallo?! Ich meine nur so WUMM! Und ich: Ey mach mal halt lang!”
Zu seiner sehr energiegeladenen Erzählung fuchtelte er wild mit den Armen und gestikulierte ziemlich übertrieben.
“Was mich wundert ist, das ein einfacher Gutshof wie eurer über Tee verfügt, wie kommt ihr daran? Ich selbst habe noch nie nur an einem Teeblatt schnuppern können, ich habe nur von Wanderern gehört das dieser Tee im asiatischen Bereich bereits sehr in Mode ist.”
“Meine Cousine kommt von dort, sie ist im September letzten Jahres wieder heimgekehrt und brachte massenweise von dem Zeug mit.”
“Deine Cousine? Heimgekehrt?”, Shi Long verstand nur Bahnhof.
“Ach frag mich nicht, auf einmal war sie mit ihrer Familie Puff, verschwunden Dings da und Ninja dann kam sie letztes Jahr hier bei uns vorbei brachte uns das Teezeug und…”
Kinari brach ab und schaute betreten zu Boden.
“Und?” Nun war shi Longs Neugierde geweckt, was meinte dieser komische Kauz mir “Und”?
“Und ist wieder verschwunden, kein Mensch weiß wohin.” Kinari fixierte sich eisern auf das inzwischen sehr geschrumpfte Feuerchen.
“Mh, wirklich keiner?” Es war schwer nachvoll zieh bar wie die eigene Cousine einfach so, wie vom Erdboden verschluckt, verschwinden konnte, zu Mal Shi Long sich nicht entsinnen konnte überhaupt so etwas wie eine Cousine zu haben.
“Weißt du, ich würde so gerne den ganzen Dreck hier hinter mir lassen und mit euch ziehen. Das würde mir gefallen.” Kinari gähnte herzhaft und kuschelte sich tief in seinen Sessel.
“Dann komm doch mit.” Der Gedanke mit einem so verrückten Typen an seiner Seite durch die Welt zu ziehen behagte Shi Long zwar nicht so ganz, allerdings wäre es ihm eine sehr willkommene Abwechslung und natürlich könnte Kinari ihm helfen sich um die beiden Waisenkinder zu kümmern.
“Das ist schön. Mach ich dann…” Kinari schloss die Augen und murmelte noch etwas in sich hinein, ehe er eingeschlafen war.
“Aber ich muss dich warnen, ich bin ein Hexer.”
… Was? Kein panischer Aufschrei?
Shi Long schaute in die schlafende Grimasse und musste lächeln, dann halt nicht.
Er zog eine von motten zerfressene Decke aus dem Korb der neben dem Feuer stand und legte sie über den Schlafenden.
Er sollte auch schlafen gehen, morgen würde bestimmt ein anstrengender Tag werden.
Ein plötzliches Miauen lies ihn herum fahren.
Hinter ihm saß, auf der Theke die kleine, schwarze Katze und fixierte ihn mit ihren seltsamen, orange, gelben Augen.
“Du schon wieder.”, schnaubte Shi Long genervt und machte einen Schritt auf die Katze zu.
Zu seiner Verwunderungen bewegte sie sich nicht von der Stelle sondern… lächelte. Zumindest sah es so aus.
“Hast du Hunger?” Shi Long wühlte in einem der oberen Schränke und konnte ein halbes Stück Wurst ausfindig machen.
“Mehr kann ich dir leider nicht geben.” Er legte es auf der Tischplatte ab und sah der Katze beim fressen zu. Ihr Fell war ungewöhnlich sauber und glänzend für eine streunende Katze.
Überhaupt fühlte sich Shi Long in Anwesenheit dieses Tieres sehr unwohl.
“Jetzt komm mal runter, das ist doch nur ne’ streunende Katze.”, versuchte er sich selbst zu beruhigen,” Du tust ja so als wäre es der Satan höchst persönlich.”
Bei dem Wort Satan verstummte das mechanisch klingende Schmatzen auf der Stelle. Die Katze hob den Kopf und funkelte Shi Long aus ihren komisch, gefärbten Augen an.
“Na, ich schätze die Nacht kannst du auch hier verbringen. Schlaf gut.”
Der ehemalige Schüler konnte es nicht länger ertragen dieses Raubtier anzusehen, er huschte die Treppe hoch und zu seiner Erleichterung blieb die Katze unten auf dem Tisch sitzen, obwohl sie jeden Schritt von ihm verfolgte.

Oben angekommen entledigte sich Shi Long seines Mantels und ließ sich in das Bett, in dem Zimmer neben dem von Yana und Jamie fallen.
Falls etwas war wollte er sofort zur Stelle sein, doch er hoffte inständig das dieser Fall nicht eintraf.
Sein Herzschlag hatte sich wieder beruhigt und jetzt wo er hier oben im Bett lag kam es ihm lächerlich vor im Angesicht einer einfachen Katze eine solche Panikattacke zu kriegen.
Er legte sich auf die Seite und schloss die Augen. Jetzt hieß es erst mal schlafen…

Shi Long fuhr aus dem Schlaf, irgendetwas hatte ihn geweckt. Er lauschte angestrengt in die Nacht hinein doch außer dem gleich mäßigem prasseln des Regens war nichts zu hören.
Shi Long stand auf, ein lautes Rumms, ließ ihn zusammenfahren. Es gewitterte wohl immer noch.
Er trat auf den Flur hinaus und schaute sich um. Die einzige Lichtquelle war ein kleines, quadratisches Ende des Ganges.
Plötzlich hörte er seine eigene Stimme durch den Raum hallen: “Du tust ja so als ob es der Satan wäre.”
Das Herz klopfte ihm bis zum Hals er wollte wegrennen doch er war wie gelähmt.
Dann plötzlich ein weiterer Blitz alles wurde hell.
Als Shi Long wieder richtig sehen konnte hätte er sich gewünscht er hätte es doch nicht gekonnt.
Am Ende des Flures, durch das kleine Fenster leicht beleuchtet, da stand er.
Der Satan.
Shi Long wollte schreien doch das Wort blieb ihm in der Kehle stecken.
Der Satan wand seinen Ochsenförmigen Kopf ihm zu und funkelte ihn aus orange, gelben Katzenaugen an. Das waren sie. Die Augen des Satans!

Shi Long öffnete die Augen.
“Shi Long… ist alles okay?” Yana hustete und schaute ihn aus wässrigen Augen an, “Du hast im Schlaf geschrieen.”
“Yana!” Shi Long schnappte sich das Mädchen und zog es mit unter seine Decke, ”Oh Gott Yana was machst du denn? Hab ich dir nicht verboten aufzustehen?”
“Aber du hast geschrieen.”, wimmert Yana und drückte ihre Nase an Shi Long.
“Ist ja gut, schläft Jamie noch?” Sie nickte kaum merklich.
“Warum hast du geschrieen?”
“Ich hatte nur einen Alptraum.”, murmelte Shi Long und legte seinen Handrücken auf ihre Wange. “Immer noch warm.”, dachte er verbittert.
“So schlimm?” Yana hustete erneut und kuschelte sich noch doller an Shi Long.
Shi Long nickte ebenfalls und sah zu wie Yana es sich bequem machte.
“Shi Long…”, flüsterte sie nach einer Weile,” Jamie und ich wir wollen bei dir bleiben.”
“Seit ihr mir deswegen gefolgt?” Shi Long drehte den Kopf in Richtung des Mädchens. Dieses nickte nur.
Einen langen Moment herrschte Schweigen dann brach Yana in Tränen aus.
“Bitte Shi Long, ich hab Angst vor dem allein sein, außer dem, außer dem bist du doch auch ein Hexer, oder?”
Der Ältere fiel aus allen Wolken:” Woher weißt du das?”
“Ich kann es fühlen. Wir können so etwas.”
“Verstehe, deswegen konnte Jamie Kirsche so schnell beruhigen und auf ihr reiten.”, bemerkte Shi Long möglichst beiläufig.
“Genau des…” Yana wurde von einem weiteren Hustenanfall unterbrochen,”… Shi Long… dürfen wir denn mit dir kommen…?”
In dem Mondlicht wirkten ihre Augen wässrig und flehend.
“Natürlich.” Shi Long strich ihr beruhigend über den Kopf, ”Aber nur unter einer Bedingung.” Yana schaute ihn erwartungsvoll an, mit großen Kulleraugen.
“Du musst jetzt schlafen.”
Yana nickte, drückte ihren Kopf an Shi Longs Brust und schlief langsam ein. “Danke…”, murmelte sie noch bevor sie vollständig weg war.
Shi Long hatte sich inzwischen beruhigt von seinem Traum, doch noch immer schlummerte in ihm dieses ungute Gefühl.
Er legte einen Arm um Yana, warum auch immer er hatte Angst um sie und versuchte dann wieder zu schlafen, was ihm, nach langem hin und her wälzen auch gelang.

“Los!!! Aufstehen!!!” Kinari sprang bei ihnen ins Zimmer und riss damit alle aus dem Schlaf.
“Kinari… was ist denn?” Shi Long reckte sich und setzte sich auf.
“Bei Sonnenhoch kommt mein Chef zurück wer gut wenn wir bis dahin verschwunden wären.”
“Wir,…?”, murmelte Shi Long verwirrt, dach dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte Kinari ja angeboten mit ihnen zu ziehen.
Jetzt wo er so darüber nachdachte musste er feststellen, das er gestern Abend vielleicht doch ein paar Krüger Met über den Durst getrunken hatte, allerdings änderte das jetzt an der Situation überhaupt nichts.
“Wer ist das?”, wollte Yana wissen ohne sich aufzurichten und verkroch sich ängstlich hinter Shi Long.
“Das ist Kinari, er wird mit uns reisen.”, erklärte er hastig und versuchte verzweifelt bei Yana irgend einen Temperaturunterschied festzustellen.
“Oh, ist die kleine My Ladie wieder wohl auf?”
“Fast.”, antwortete Shi Long für sie und wickelte sie in die Decke ein.
“Ich sehe schon, du bist ein guter Arzt, nun dann muss ich ja keine Angst haben wenn ich mit dir unterwegs bin um meine Gesundheit ist ja dann bestens gesorgt.”, lachte Kinari wie ein Wahnsinniger und wuschelte Yana durchs Haar. “Ach, wie goldig!”, flötete er und sprintete hinunter in die Küche.
“Was ist denn mit dem los?” Jamie stand genervt im Türrahmen.
Als sein und Yanas Blick sich trafen so wurde er weich.
“Da steckst du also, habe mir schon gedacht, das du Shi Long aufgesucht hast.” Der Junge ging zu seiner Schwester und strich ihr über die Stirn.
“Sie ist immer noch warm.”, stellte er fest und drehte um,” Im übrigen, hast du dieses Vieh da rein gelassen?”
Jamie deutete angewidert auf die sich putzende Katze.
“Eine Katze.”, staunte Yana und streckte vorsichtig die Hand nach ihr aus.
Die kleine Schwarze huschte über den Boden hinweg und platzierte sich in Yanas Armen.
Das Mädchen kicherte vergnügt und strich dem Tier über das mackelose Fell.
Shi Long musste sich augenblicklich an seinen Traum erinnern und hätte die beiden am liebsten fallen gelassen und die Kurve gekratzt, aber wie sah das denn aus?
“Wir könnten ihn Devil nennen.”, kam es plötzlich von Yana worauf hin die Katze bzw. der Kater ein wohlwollendes Schnurren ertönen ließ.
“Woher weißt du das es ein “er” ist?”, verlangte Jamie zu wissen und fixierte den Kater misstrauisch.
“Erinnerst du dich nicht mehr? Mama hat uns das mal beigebracht, du musst sie nur umdrehen.”
“Ja, ist schon okay, pass aber auf so rumstreunende Viecher bringen eine Menge Krankheiten mit sich.”
Das war es! Das Argument wo nach Shi Long gesucht hatte.
“Genau.”, bestätigte er und versuchte einen ruhigen Tonfall zu behalten, ”Lass sie laufen.”
“Nein…”, schluchzte Yana und drückte das Tier an sich, welches sich lieb schnurrend an ihre Wange schmiegte.
“Yana.”, mahnte Shi Long sie doch Jamie griff schon ein.
“Lass sie doch spätestens in zwei Wochen ist das Viech so wie so tot. Die Winter sind kalt und sie dir mal an wie dürr es ist.”
“Na gut…”, gab sich Shi Long schließlich geschlagen und trat mit dem Rest der Crew den Weg in die Küche an. ”Hoffentlich…”, fügte er leise an.

Unten angekommen war schon alles für die Abreiße vorbereitet.
Kinari huschte von einem Schrank zum nächsten und ließ alles mögliche Essbare was er finden konnte mitgehen.
“Hast du alles?”, fragte Shi Long, nachdem er Yana auf dem Rücken von Kirsche sicher platziert hatte.
“Ja, ich bin klar so weit. Wir können gehen, pardon müssen gehen, los Leute schwingt eure Ärsche und nichts wie weg hier.”
Schon jetzt wusste Shi Long das es ein Fehler gewesen war Kinari mitzunehmen.
Er regte ihn mit seiner respektlosen, großkotzigen Art nun mal auf und sein Umgang mit anderen Menschen, ins bezüglich ihm selbst brachte ihn auf die Palme.
“Ja, ja ich komm ja schon.”, murrte er lustlos und packte das Pferd am Zügel, ”Alle dabei? Dann kann es ja los gehen.”

Es war noch vor Sonnenaufgang gewesen und inzwischen war der Winter deutlich zu spüren.
Sie schleppten sich die einsamen Waldwege entlang ohne auch nur auf eine Menschenseele zu treffen.
Nach ca. zwei Stunden drosselte Kinari das Tempo, der bis vor kurzem noch ziemlich weit vor ihnen gelaufen war um dominant den Weg anzugeben, bis er mit Shi Long auf eine Höhe kam.
“Sag mal, gestern haben wir ja beide nicht mehr klar denken können, ne?”, zischte er dem Arzt ins Ohr.
“So weit ich mich erinnern kann warst das nur du.”, erinnerte ihn Shi Long ohne auf zu blicken.
“Ja, wie dem auch sei… du sagtest du wärst ein Hexer?”
Also hatte er es doch noch mitbekommen.
“Ja. Das sagte ich.”
“Also du… Moment mal das war dein Ernst?!”, erschrocken wich der Wirt ein paar Schritte zur Seite.
“Natürlich, die beiden sind auch welche.” Shi Long zeigte ziemlich desinteressiert zu Yana und Jamie,” Aber keine Angst wir tun die nichts.”
Er lächelte, doch Kinari kam auf keinen grünen Zweig.
“Hexer, ich reise mit Hexen…?”, endlich schien er es kapiert zu haben.
“Genau.”, murrte Shi Long.
“Okay…”
Stille.
Shi Long fand es tatsächlich ein bisschen schockierend das Kinari tatsächlich für mehrere Minuten ruhig sein konnte.
“Dahinten ist eine Stadt.”, kam plötzlich Yanas Stimme von vorne.
“Dann machen wir dort Rast.”, erwiderte Shi Long und schaute noch einmal kurz zu Kinari um sich zu vergewissern das dieser ihnen auch noch folgte und nicht, weiß Gott wohin verschwunden war.
“Wenn ich jetzt abhaue und euch anklage werdet ihr mich töten, oder?”, fragte plötzlich Kinari, der nun doch leicht ins Schwitzen kam.
“So sieht’s aus.”, antwortete Jamie ohne mit der Wimper zu zucken.
“Jamie.”, zischte Yana und funkelte ihren Bruder böse an.
Kinaris einzige Reaktion war ein Schlucken und für den Rest des Weges war er still, was Shi Long als durch aus angenehm empfand.


Als sie das Stadttor erreichten stießen sie auf keinerlei Wachen, was mehr als verdächtig war.
Vorsichtig schnupperte Devil in der Luft und sträubte das Fell.
“Vielleicht sollten wir zur nächsten Stadt?”, versuchte Yana es vorsichtig und hielt sich die Nase zu, ”Hier stinkt es ja fürchterlich.”
“Das ist der Gestank des Todes. So riecht das nun mal wenn hunderte von Menschen an einer Krankheit sterben und darauf hin verwesen.”.
Jamie lächelte, auch wenn keiner der Restlichen wusste was genau daran so amüsant war.
“Aber ihr seid doch Hexer!”, platzte Kinari heraus.
Eine alte Bettlerin am Wegesrand hob langsam den Kopf und schaute sie aus trüben, blutunterlaufenen Augen an.
Shi Long lief es eiskalt den Rücken runter, doch er riss sich zusammen und trat seinem Reisegefährten einmal heftig gegen das Bein.
“Autsch!”, jauste Kinari und sprang fluchtartig zur Seite, ”Was sollte das?!”
“Willst du das jeder das weiß?”, zischte Shi Long und schaute den Wirten aus bösen Augen an.
“Nein… nein natürlich nicht…”, murmelte dieser und senkte den Kopf.
“Dann sei gefälligst ruhig.” Jamie drehte sich nach hinten.
Sie tappten noch ein bisschen weiter durch die Stadt, ohne auch nur auf einen einzigen Menschen zu treffen.
“Wo sind sie nur alle?”, fragte sich Yana.
Devil machte einen Buckel und sprang maunzend aus ihren Armen. ”Devil!”
Panisch rutschte sie von Kirsches Rücken und machte Anstallten ihm zu folgen doch Jamie packte sie am Arm und hielt sie fest.
“Ich gehe.” Wütend schaute er in die Richtung, in die der Kater verschwunden war.
“Ihr geht schon mal vor, ein Nachtlager suchen.”
Mit diesen Worten war er verschwunden.
“Keine Angst.”, versuchte Shi Long seine Schwester zu beruhigen, ”Wenn er vor Anbruch der Dämmerung nicht wieder zu uns gestoßen ist werde ich ihn suchen.”
Yana nickte und ließ sich ohne Murren von dem Pestarzt wieder auf das Pferd setzen.


Immer noch keine Menschen. Die Stadt war wie eine Geisterstadt.
Leer und einsam.
“Es wird beginnen zu regnen.”, stellte Kinari fest und holte zum Rest der Truppe auf, ”Sollten wir uns nicht doch irgendwo nieder lassen?”
“Dort hinten ist eine verlassene Hütte, dort können wir bleiben bis sich der Sturm gelegt hat.” Shi Long führte die Truppe weiter durch die verlassenen Gassen, tiefer hinein in die Stadt, oder das was noch davon übrig war.

Während Kinari versuchte inmitten der Hütte bzw. der Ruine ein Feuer an zu zünden konnte Yana nicht umhin sich um ihren Bruder zu sorgen.
“Du wolltest ihn doch suchen, bald geht der Mond auf.”, sagte sie an Shi Long gewand, welcher über einem dicken Buch bezüglich Krankheiten hing.
Er schaute auf.
“Ja, ich schätze ich sollte mich wirklich mal auf den Weg machen.”
Shi Long erhob sich und ging langsam zur Tür, blieb allerdings auf dem Absatz noch einmal stehen um sich zu Yana um zu drehen.
“Keine Angst.”, beruhigte er sie und lächelte, ”Ich werde deinen Bruder schon finden.”
“Wenn du das sagst…”, entgegnete das Mädchen scheu und sank den Blick.
“Lass den Kopf nicht hängen, Süße. Der Herr da vorne wird schon wissen was er macht, immer hin ist er doch ein Arzt, oder? Die handeln immer besonnen, auch wenn ich nicht genau weiß was das heißt.”, warf Kinari ein.
Yana lachte und auch Shi Long musste einstimmen.
Dankbar warf er Kinari einen letzten Blick zu, dann wand er sich ab und saß auf.


Vorsichtig trabte er auf Kirsche durch die Geisterstadt.
Jeder einzelne Schritt halte wieder und gab ihm das Gefühl von Unsicherheit.
“Warum bist du so unruhig?”, fragte er das Tier obwohl es ihm lächerlich erschien.
Kirsche schnaubt, auch wenn sich Shi Long sich war, dass er die Antwort ohne hin schon wusste.
Der Mond stand schon lange am Himmel und immer noch keine Spur von Jamie.
“Kinari und Yana machen sich bestimmt Sorgen…. Bestimmt weint Yana.”, sagte er zu sich selbst.
Quasi im selben Moment unterbrach Kirsche ihren gemächlichen Trott und trat ein paar Schritte zurück.
“Was ist, was hast du?” Shi Long beugte sich hinab zum Kopf des Tieres und hauchte ihm ein paar beruhigen Sätze zu.
Doch Kirsche rührte sich nicht.
“Ah, du dummes Ding.”, zischte der junge Mann verärgert und rutschte beleidigt aus dem Sattel.
“Dann warte hier, du Feigling.” Wütend kettete er den Gaul an einen Zaunpfahl, der praktischer Weise gerade mitten auf dem Weg stand.

Mit jedem Schritt, wuchs die Angst in ihm und er wusste nicht mal wo vor.
Die Stille war fast unerträglich nur seine eigenen Schritte waren zu hören.
Oder…? Waren da etwa noch andere Schritte?
Shi Long machte Halt und dreht sich ruck artig nach hinten.
Doch da war nichts. Nichts außer einer staubigen Straße und ganz am Ende dieser Kirsche die ihn aus misstrauischen Augen fixierte.
Trotzdem überkam Shi Long plötzlich die Panik und er sprang in den Schutz des Hauses, neben ihm.
Zitternd kauerte er vor der Tür und versuchte die Schritte wieder auf zu nehmen, doch sie waren verklungen.
Im nächsten Moment fiel ihm ein, wie lächerlich er sich gerade machte.
Er war ein erwachsener Mann und die Schritte wahrscheinlich nur ein Hinrgespinst.
Immerhin war er Arzt und kannte den menschlichen Körper besser als manch anderer.
Da war nichts. Wircklich nichts.
Er wartete noch ein paar Herzschläge lang bis sich sein Atem beruhigt hatte, dann stand er auf und drehte sich um.
Ein Schrei überkam seine Lippen als er inmitten des Zwielichtes eine Dämmerliche Gestalt ausmachte.
Es war eine Frau und sie starte ihn aus ausdruckslosen Augen an.
Ohne Pupille, einfach nur aus grünen ausdruckslosen Augen.
Hastig griff der Praktikant unter seinen Umhang und krallte seine Finger um den Griff seines Messers.
Er wartete.
Doch die Frau bewegte sich nicht.
Er wartete noch etwas länger, immer noch nichts.
Nun traute er sich näher zu treten und am liebsten hätte er gelacht als er merkte das es sich dabei nur um ein Bild handelte.
“Shi Long du bist echt ein Narr.”, lachte er und trat näher an das Bild heran.
Jetzt, bei genauerem Hinsehen fiel ihm auf, dass die Frau wirklich hübsch war.

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Tag der Veröffentlichung: 19.08.2011

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