Schatten aus der Vergangenheit
Es war ein kein Traum wie jeder andere, den ich in dieser Nacht hatte. Er war realer, klar und verfolgte mich über Monate.
Ich stand auf einer Wiese mit alten Bäumen, eine Park ähnliche Anlage. Doch irgendwas war hier anders.
Da waren Grabsteine.
Auf Säulen standen Vasen und zwischen den Steinen und den Vasen standen Bänke. Das alleine war noch nicht das was mich so lange verfolgt, sondern viel mehr die Tatsache dass dieser Park von einer Mauer umgeben war. Diese Mauer hatte Gewölbe, welche so groß wie eine Doppelgarage waren. In diesen Gewölben standen auf Holzböcke gestellt, Särge. Sie waren dort aufgebahrt. Manchmal nur einer pro Gewölbe, oft aber zwei oder drei. Wobei einige Särge schon stark verrottet waren und andere in ihren ganzen Glanz erleuchteten.
Ich stand vor so einem Gewölbe in dem ein dunkelbrauner Sarge auf zwei Holzböcken stand. Neben dem Sarg standen Kerzenleuchter mit brennenden Kerzen, auch an Blumenschmuck fehlte es nicht. Die Griffe des Sarges waren aus Messing und blank poliert. Der Sarg sah auch recht neu aus und glänzte als hätte man das Holz mit einer Politur bearbeitet und es so zum Glänzen gebracht.
Vor diesem Gewölbe stand eine Bank auf der ein Mann eine Zeitung las. An dem Weg der vor der Mauer entlang verlief stand alle paar Meter vor einem Gewölbe eine weitere Bank auf der Menschen saßen. Zwischen den Bänken war ein Verkaufstand der Kreuze und Blumen verkaufte.
Welch seltsamer Ort, dachte ich als ich am nächsten Morgen aufwachte und mich erstaunlicher Weise an alle Details erinnern konnte. Ich schrieb ihn auf, weil ich diesen Traum auf keinen Fall vergessen wollte. Das war der Beginn meines Traumtagebuches in das ich jetzt regelmäßig schrieb.
Doch so sehr mich der Traum auch beschäftigte, irgendwann geriet er in das Grau des Vergessens.
Bis an diesen fraglichen Tag Ende Oktober.
Da saßen wir bei einer Freundin die eine Gothic Queen war. Auf Ihrem Sofatisch stapelten sich haufenweise Zeitschriften aus der schwarzen Szene. Ich weiß nicht warum, aber ich zog eine Zeitung heraus die nur mit einer Ecke aus dem Stapel hervorschaute. Sie lachte mich irgendwie an, stach aus den Gewühle von Zeitungsecken einfach hervor.
Alleine die Themen Übersicht die ich kurz überflog lies mir den Atem stocken.
Thema: Friedhof des Monats der Stadtgottesacker in Halle an der Saale.
Das Bild der Engelsstatur die daneben abgebildet war, war es die diese Gefühle auslösten. Ich blätterte hastig zu der angegeben Seiten.
Da waren sie!
Die Gewölbe mit den Sargen!
Die Bänke, die Bäume und die Vasen.
Ich lass die Geschichte des Stadtgottesacker in Halle an der Saale und erfuhr dass er nördlich der Alpen einzigartig war. Die Särge wurden tatsächlich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts offen in die Gewölbeartigen Gruften gestellt. Erst als die Stadt bis an den Friedhof herangewachsen war und der Verwesungsgeruch so stark war das man ihn überall in der Stadt riechen konnte, erst da ging man dazu über die Särge in der Erde zu bestatten. Hierzu wurden dann auch die Böden in den Gruften ausgehoben die dann auch wieder verschlossen wurden.
Damals hatte ich eine Freundin in Halle die ich schon lange mal besuchen wollte. Wie von Blitz getroffen rief ich sie noch am selben Abend an.
„Hast du am Wochenende Zeit mir deine Couch zu leihen? Ich muss dringend nach Halle kommen.“
„Wir haben auch ein Gästezimmer mit einem Bett, du brauchst aber also nicht auf dem Sofa schlafen.“ Lachte die Freundin und fügte hinzu: „Was ist denn so wichtig das du jetzt unbedingt kommen musst, nicht das ich mich nicht freuen würde, aber neugierig bin ich schon.“
„Ich muss auf den Stadtgottesacker, wie und warum erkläre ich dir dann wenn ich da bin.“
„Ach der … der liegt hier ein paar Straßen weiter.“
Am kommenden Wochenende machte ich mich auf nach Halle an der Saale. Und es dauerte nicht lange da waren meine Freundin, Ihre Verlobter, meine Frau und ich auf dem Weg zum Stadtgottesacker.
Als ich das große Eingangstor durchschritt, lief ich wie vor eine Wand. Ein Gefühlsausbruch nie gekannten Ausmaßes übermannte mich. Freude, Schmerz, Heim- und Fernweh waren nur einige der Gefühle die mich durchströmten.
Alleine lief die einzelnen Gruften ab. Wie in Trance, irgendwas was ich nicht beschreiben kann und was ich nie wieder so fühlte führte mich zu einem Gewölbe vor dem ich wie angewurzelt stehen blieb. Es war eine Urnengruft, in die Wände waren Nischen gebaut worden um Urnen zu bestatten. Ich war mir sicher das es die Gruft aus meinem Traum war, auch wenn dort seit gut 80 Jahren Urnen beigesetzt wurden. Die Urinschrift bezeugte ein Grab von 1776.
An dieser Stelle hatte ich das Gefühl als würde ich zurück kommen, zurück nach langer Reise auf der ich etwas gesucht aber nie gefunden hatte. Jetzt musste ich feststellen das dass was ich da so lange gesucht hatte eigentlich immer da war und ich hätte nie ausziehen müssen es zu suchen. Ein absolutes Glücksgefühl durchfloss mich. Ich war wieder zuhause und ein Teil der mir verlorengegangen war, war wieder da. Dieses Gefühl lässt sich nicht anders beschreiben.
Da ich in meinem Leben vorher nie in Halle war, den Stadtgottesacker auch nicht kannte und sonst keine Beziehung zu dieser Gegend habe glaube ich das ich hier auf dem Stadtgottesacker in einem früheren Leben begraben wurde.
Ich bin seit dem nie wieder in Halle gewesen aber an diese Erlebnis und die damit verbundenen Gefühle begleiten mich noch heute.
Ich kann auch sagen das ich seit dem die Welt mit anderen Augen sehen und bewusster durch den Alltag gehe.
Nennt mich ruhig einen Spinner, ich aber glaube daran das ein Stück von mir oder sogar meiner Seele dort verschollen war und es zu mir auf merkwürdige Art zurück gefunden hat.
So einen Traum hatte ich nie wieder. Obwohl ich ähnlich klare Träume immer mal wieder habe und in einem spielt ein Markt und ein Brücke eine Rolle. Ich bin mir sicher das ich irgendwann diesen Platz und die Brücke auch finden werden.
Texte: Alle Rechte bei Autor
Tag der Veröffentlichung: 22.11.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Danke an Harald und Merle die mir den Aufentalt in Halle an der Saale ermöglichten.