Der Schöningh Verlag hat 1996 ein Geschichtsbuch für die Gymnasien herausgebracht: Martin Tabaczek/Herbert Prokasky, ‚Europas Weg in die Moderne. Der Prozess der Modernisierung und die Europäisierung der Welt.’ In der Einleitung erklärt das Buch den Oberschülern, daß sich heute ein soziologisches Weltbild (auf der Basis von Max Weber) durchgesetzt habe.
Aber wenn wir in diesem Buch lesen, stellen wir fest, daß da doch tatsächlich von einer „Aufklärung im Mittelalter?" die Rede ist. Und wir erfahren, daß die kirchlichen Bereiche um 1300 in vielen Bereichen moderner (!) waren als die weltlichen. Wenn also in der historiographischen Realität das Christentum offensichtlich eine modernisierende Funktion hatte, warum soll es dann nötig gewesen sein, den Glauben an Gott zu überwinden?
Liebe Schüler bitte stellt keine Fragen, wenn euer Lehrer euch den Modernisierungsprozeß erklärt. Dies ist nämlich ein „komplexer Vorgang“. Eine ganze „Reihe von Bedingungen“ lassen demnach die Industrialisierung in England „zum Durchbruch kommen.“ (Bevölkerungswachstum, Enteignungen der kleinen Bauern (enclosures), keine Abgrenzung von Adel und Bürgertum usw.)
Aber tatsächlich sind wir jetzt eigentlich genauso schlau wie vorher.
Es ist aus heutiger Sicht erstaunlich, aber der Krieg wurde bis ins 20. Jhd. als legitimes Mittel der Politik und als die eigentliche Bewährungsprobe für den einzelnen Menschen und das Staatswesen betrachtet. Andererseits braucht es uns auch wieder nicht zu erstaunen, denn tatsächlich hat der kriegerische Erfolg die entscheidene Rolle gespielt. Englands Sieg über die spanische Armada, vor allem aber die beiden Kriege, die die Engländer mit Hilfe der Franzosen gegen die Holländer führten, und die daraus folgende Herrschaft über die Meere, waren die entscheidenden Grundsteine für das britische Empire.
Kaiser Wilhelm II. dachte deshalb in gewisser Weise nur konsequent, als er den Ersten Weltkrieg ausrief und seinen (nahen) Verwandten in England und Rußland den Krieg erklärte. Und deshalb war die Kriegserklärung auch auf große Begeisterung in der Bevölkerung gestoßen. Die Jugend eilte im Sommer 1914 erfreut aus den Sommerferien an die Front, um andere junge Leuten in Massen zu massakrieren.
Der erste Weltkrieg muß als eine echte Zäsur gesehen werden. Danach verloren Kriege deutlich an Massenpopularität. – Warum? Die neue Form des kriegerischen Tötens hatte seinen sportlichen Charakter verloren und etwas industriell-anonymes bekommen. Und was noch wichtiger war, die neue Art der Kriegsführung hatte das Sterben demokratisiert. (!) Während früher die militärische Elite aus strategischen Gründen natürlich hinter den einfachen Kämpfern stand und während des Kampfes vor allem damit beschäftigt war, die Moral der Truppe aufrechtzuerhalten, bzw. Deserteure zu erschießen, waren jetzt plötzlich alle gleichermaßen bedroht. Vermutlich hat diese Demokratisierung des Sterbens, das sogar die Lieben daheim mit einbezog, den entscheidenden Einfluß auf den Prozeß der erstaunlichen Entpopularisierung des Krieges gehabt.
Dieser Lern-Prozeß hat im Ersten Weltkrieg begonnen, aber er war erst am Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgreich beendet. Noch zu
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2014
ISBN: 978-3-7368-2083-8
Alle Rechte vorbehalten