Nachdem ich am 29.03.1983 endlich den begehrten grauen Lappen in den Händen halten konnte, galt es für mich als glücklicher Führerscheinbesitzer nun auch ein Auto zu erwerben. Zwei meiner Freunde hatte das schon einige Zeit zuvor geschafft und sich beide für einen Opel Kadett entschieden. Danach stand mir nicht der Sinn. Ich wollte unbedingt einen VW Golf haben. Dieses Modell hatte ich auch in der Fahrschule gefahren und es gefiel mir sehr gut.
So begab ich mich mit meinem Bruder Achim zum „Autoland“ in der Vahrenwalder Straße, einer der großen Ausfallstraßen in Hannover. Das war seinerzeit eine große Verkaufsfläche, wo sich vier hannoversche Autohändler zusammengetan hatten und dort Gebrauchtwagen verkauften. Daher stand an den Schildern auf den Autos nicht nur das Modell, Erstzulassung, Preis und andere Details, sondern auch das jeweilige Autohaus.
„Das ist aber ganz schön unübersichtlich“, bemerkte ich, als wir das Gelände betraten. Mein Bruder nickte. In der Tat standen die Autos bunt durcheinander, auf den ersten Blick weder nach Preis noch nach Hersteller geordnet. Ratlos durchstreiften wir die Gänge. Ein kleinerer Mann mit Anzug und Hornbrille kam auf uns zu und fragte freundlich: „Kommen Sie zurecht? Kann ich helfen?“ Mein Bruder antwortete: „Wir suchen einen preiswerten Gebrauchten.“ Ich ergänzte: „Möglichst einen Golf.“
Der Verkäufer führte uns drei Reihen weiter, dort standen drei Golf im guten Zustand, allerdings deutlich teurer als 3.000 Mark. So viel wollte ich nicht ausgeben. Das schien der Mann zu bemerken und ergänzte leicht enttäuscht: „Wenn es denn nicht unbedingt ein Golf sein muss, wir hätten dahinten noch einen sehr schönes Angebot. Ein idealer Wagen für Anfänger.“ Er führte uns ganz hinten zum Gelände. Dort standen die „Schnäppchen“, mehrere Enten, zwei Peugeot und ein orangerotes Vehikel, das recht gut aussah.
„Ein Fiat 127, Erstzulassung 1972, nur 80.000 Kilometer gelaufen“, erklärte er. Achim erkannte sofort etwas, was ich nicht bemerkte: „Das ist aber gar kein Fiat.“ Das stand ganz klein vorne auf dem Motorrost. „Richtig. Es ist ein Seat, in Spanien gebaut, in Lizenz“, antwortete der Verkäufer und nickte.
Wir betrachteten uns das Fahrzeug näher. Er sah gepflegt aus und sollte nur 2.990,-- DM kosten und lag damit in meinem vorgesehenen Preislimit. Ohne zu handeln, erwarb ich das Gefährt und unterschrieb die Papiere. Eine Woche später konnte ich das Auto bei dem zuständigen Autohaus, das in der gleichen Straße war, aber gut einen Kilometer entfernt, abholen. Ich war stolz wie Oskar, mein erstes eigenes Auto!
Aufgeregt fuhr ich nach Hause und musste mich an einige Besonderheiten gewöhnen, die ich vom Golf nicht kannte, gewöhnen. Der Seat hatte einen Choke und musste mit Zwischengas gefahren werden. Besonders der Choke sollte mir später noch einige Male zum Verhängnis werden.
Natürlich wollten meine Freunde unbedingt wissen, was ich da erworben hatte, insbesondere die beiden Kadett-Fahrer. Ingos Spruch kam prompt: „Der sieht aus wie ein Kohlenschütter.“ Uwe lachte und ergänzte: „Fehler in allen Teilen.“ Ich ignorierte die Böswilligkeiten. Das zumindest Uwe Recht hatte, ahnte ich damals noch nicht.
Glücklich fuhr ich am Montagmorgen wieder zurück nach Munster. Das Wochenende war zu Ende. Ich musste wieder zu meiner Kaserne zurück. Die Bundeswehr-Kameraden meiner Kompanie wussten natürlich alle, dass ich mir ein Auto gekauft hatte, und überhäuften mich mit gutgemeinten Ratschlägen. Da war zum Beispiel Gefreiter Krause, ein Panzerfahrer. Er behauptete steif und fest: „Du musst unbedingt Zucker in deinen Tank einfüllen, dann läuft der Motor besser!“ Er sagte das im vollen Ernst, aber ich merkte gleich, dass er mich vorführen wollte. Ich tat aber so, als ob ich ihn glaubte.
Mit einer vollen Zuckertüte begab ich mich zum Parkplatz, der vor unserer Kaserne lag. Mit einer leeren kehrte ich zurück und sagte zu meinem Kameraden: „Vielen Dank für deinen Tipp. Ich hatte soviel Zucker, dass ich auch noch etwas in deinen Tank kippen konnte.“ Dazu muss man erklären, dass es damals noch keine Tankschlösser gab. Man kam also problemlos an den Tank eines anderen Autos heran. Gefreiter Krause glaubte mir und wollte schnurstracks zu seinem Wagen laufen. Ich klärte ihn aber gleich auf, dass ich mir nun meinerseits einen Spaß erlaubt hatte.
Am nächsten Wochenende, als ich wieder zu Hause bei meinen Eltern war, klingelte am Samstagmorgen ein Nachbar bei uns. Herr Lehmann, ein freundlicher älterer Herr erklärte mir: „Da läuft Öl aus Ihrem Wagen raus!“ Ich ging sofort raus – und tatsächlich: Da war ein riesengroßer Ölfleck unter dem Auto. Das Problem sollte sich als Dauerärger erweisen, es stellte sich heraus, dass die Ölwanne undicht war. Nachdem der Ölverbrauch ständig stieg, fuhr ich verärgert zum Autohaus und beschwerte mich. Dort wurde meine Reklamation nicht Ernst genommen. Es sollte „Gekauft wie besehen“ gelten. Das gilt aber nur für Privatverkäufe, nicht bei Firmen. Leider schluckte ich diese Ausrede aber. Meine Ausbildung zum Kaufmann lag nicht lange zurück, ich hätte es besser wissen sollen.
Zwei Wochen später regnete es im Strömen, als ich zum Dienst fuhr. Mitten auf der Autobahn flog plötzlich zu meiner größten Verwunderung das linke Scheibenwischerblatt weg! Ich musste rechts ranfahren und über die Notrufsäule den ADAC rufen. Der Gelbe Engel kam auch innerhalb einer halben Stunde und montierte als Notbehelf das Wischerblatt der Beifahrerseite auf der Fahrerseite an, denn so ein Ersatzteil führt üblicherweise auch der ADAC nicht mit sich. Bei der Gelegenheit bin ich dann auch gleich Mitglied in dem Automobilclub geworden, was mir aber noch viele Male zu Nutzen wurde.
Im September 1983 endete mein Grundwehrdienst, ich kehrte ins Arbeitsleben zurück, aber nicht bei meiner Ausbildungsfirma, sondern bei der Firma Woolworth in Osterode im Südharz, wo ich mir ein kleines Zimmer bei einer netten Pensionswirtin nahm. Das Haus lag an einer steilen Straße, nicht unüblich in der Gegend. Als Flachlandtiroler war ich es nicht gewohnt, dass es doch dort empfehlenswert war, beim Parken die Handbremse anzulegen. Nach dem ersten Wegrollen trotz einlegten Gang, zog ich danach immer die Handbremse an, bevor ich ausstieg.
Diese Sicherung funktionierte ausgezeichnet, allerdings zu gut, denn an einem eiskalten Morgen im Oktober sprang mein Seat zwar an, aber ich kam trotzdem nicht vom Fleck, denn die Bremse war festgefroren! Ich musste zu Fuß zur Arbeit gehen, und kam natürlich zu spät, was mir großen Ärger einbrachte. Am nächsten Tag war die Handbremse zwar wieder aufgetaut, nun meinte aber die Kupplung des Autos, mich ärgern zu müssen. Mitten auf einer Kreuzung ließ sich kein Gang mehr einlegen. Die anderen Autofahrer hupten wie verrückt. Nicht einer kam auf die Idee, mir zu helfen. Ich musste alleine den Wagen an den Straßenrand schieben, mich wieder als Fußgänger durchschlagen und verspätete mich erneut.
Das Problem mit dem Ölverlust sowie viele weitere Ärgernisse hielten weiterhin an, so dass ich mich im Frühsommer 1984 nach einem letzten erfolglosen Reparaturversuch einer kleinen Werkstatt in Hannover, wo ich inzwischen wieder lebte und wohnte, entschloss mich, von dieser blöden Karre zu trennen, und dann doch einen gebrauchten VW Golf kaufte. Mit dem gab es zwar auch gelegentlich Ärger und einige Liegenbleiber, aber im Verhältnis bei Weitem nicht so viel wie bei meinem ersten Auto. Mit Uwe habe ich auf Grund seiner zutreffenden Prognose einige Biere getrunken.
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Tag der Veröffentlichung: 01.01.2019
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