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E

s war einmal… vor sehr langer Zeit. Da lebte ein Mädchen. Foi war ihr Name. Foi wuchs in einem kleinen Dorf bei ihren Eltern auf. Dort hatte sie Freunde, ein eigenes Haustier (eine kleine Maus, die sie in der Speisekammer gefangen hatte) und fast immer Spaß. Jeden Tag lief sie mit ihren Kameraden in den Wald, um zu spielen.
Es klopft. „Hey Foi! Komm endlich! Wir wollen los!“ Das gerufene Mädchen öffnet die Tür. Sie ist zehn Jahre alt. Normal groß. Nicht dick, nicht dünn. Hat langes rotes Haar und blaue Augen.
„ Schrei mich doch bitte nicht so an! Ich komm ja schon!“ Foi lächelt das Mädchen an das vor ihr steht. Ihre Freundin Marna. Es sind insgesamt vier Kinder in der kleinen Gruppe. Foi, Marna, der dicke Florian und der beinahe magere Mathias.
Die anderen drei stehen vollkommen aufbruchsbereit vor Fois kleinem Elternhaus, während sie noch dabei ist, sich Schuhe anzuziehen. „Auf Wiedersehen Mama. Bis heute Abend.“ Verabschiedet sie sich.
Die Mutter tritt in den Flur und ruft: „Viel Spaß ihr alle. Und komm nicht wieder so spät, sonst sucht dein Vater wirklich noch nach dir!“ Foi lächelt nur und rennt, zusammen mit ihren Freunden, davon.

Im Wald gibt es wieder unheimlich viel zu enddecken. Sie klettern auf Bäume, baden mit den Füßen im Fluss. Suchen essbare Pilze die sie mit nach Hause nehmen wollen und rennen wie gejagt durchs Unterholz. Nun ja, irgendwie jagen sie sich ja auch, denn sie spielen fangen. Irgendwann können sie nicht mehr und alle lassen sich, vollkommen verausgabt, am Fluss nieder. Die Füße ins Wasser steckend liegen sie da und jeder hängt seinen Gedanken nach bis…
„Hört ihr das auch?“ Florian hat gesprochen.
„Was sollen wir hören?“ fragt Marna.
„Also ich hör nichts!“ mein Mathias.
„Seid doch mal still!“ fordert Foi. Alla lauschen. Zuerst hören sie nichts aber dann …
„Pferdehufe!“ flüstert Marna entsetzt.
„Und es klingt nicht nach einem einzigen Pferd“, sagt Mathias, „eher nach so… ich weiß nicht.“
„Klingt nach einer Armee“ hilft ihm Foi auf die Sprünge, die sich inzwischen aufgesetzt hat und sich die Schuhe wieder anzieht. „Schnell! Verstecken wir uns lieber!“
Alle springen auf und laufen in verschiedene Richtungen. In einem großen Kreis verbergen sich die vier Freunde. Hinter einem Baum, in einer Grube, in einer Baumkrone und hinter der Wurzel eines umgefallenen Baumes. Foi ist in die Baumkrone geklettert. Und schon sind die Reiter da. Es ist zwar keine richtige Armee, aber trotzdem mindestens dreihundert Mann. Leider hat einer von ihnen nur einen Schuh mit ins Versteck genommen. Der andere muss runtergefallen sein. Die Reiter enddecken ihn und springen von ihren Pferden. Einer hebt den Schuh auf. „Hier müssen Kinder sein! Seht!“ Er hebt das Fundstück gen Himmel. Foi hat nicht bemerkt, wie einige Reiter auf der Suche nach den Verborgenen auf die Verstecke zu schleichen. Und ihre Freunde offenbar auch nicht. Drei Kinderstimmen schreien gleichzeitig auf, als sie von der Truppe Richtung Dorf gedrängt werden. Florian trägt nur einen Schuh.

Ängstlich sitzt Foi noch auf der Baumkrone als ihr plötzlich ein seltsamer Geruch in die Nase dringt. Sie schnuppert. Ihre Sinne kehren langsam zurück. Sie kann sich allmählich wieder bewegen. Ihre Sicht wird klar. Das Gehirn beginnt wieder arbeiten. Es riecht nach Rauch. Und Rauch bedeutet – Feuer!!! Sie schaut in Richtung Dorf. Was sie sieht, vergisst sie ihr Leben lang nicht mehr. Eine dicke schwarze Rauchwolke steht am Himmel. Schluchzend klettert sie vom Baum und rennt los. In Tränen aufgelöst erreicht sie kurze Zeit später ihr Dorf. Oder das was davon übrig ist. Überall liegt verkohltes oder ganz abgebranntes Holz. Kaum ein Haus steht mehr. Viele qualmen noch. Der Boden ist von Pferdehufen aufgewühlt. An manchen Stellen liegen tote Körper. Nichts ist zu hören. Außer das leise knistern der kleinen Feuer die hier und da noch kurz brennen, bevor sie verlöschen. Wimmernd und weinend läuft sie den Überresten ihres Hauses entgegen. Der Türrahmen steht noch. Darin liegt der Körper eines Menschen. Mit dem Rücken nach oben. Unter großen Anstrengungen dreht Foi ihn um – und blickt in die weit aufgerissenen Augen ihres Vaters. Sie schreit! Lang und gequält. Das Tischtuch über dem Papa ausbreitend sieht sie aus der geöffneten Speisekammer eine Hand herausragen. Eine weibliche Hand. Schon an der kleinen weißen Narbe auf dem Handrücken kann sie erkennen, dass es ihre Mutter ist. Weinend schleift sie den Vater in den Hauptraum und die Mutter, mit einer anderen Tischdecke abgedeckt, daneben. Sie kann die beiden nicht begraben, aber sie kann dafür sorgen, dass sie zusammen dort liegen. Vater lag in Türrahmen. Sicher wollte er Mutter schützen. Einige Zeit noch steht Foi in dem verwüsteten Dorf. Sie weiß nicht wo sie hin soll. Aber sie glaubt fest daran, dass ihr jemand helfen wird. Noch einmal geht sie durch das zerstörte Haus. In ihrem Zimmer liegt der Käfig, in dem ihre kleine Maus wohnte, auf dem Boden. Er ist geöffnet und das Nagetier verschwunden. Foi wendet sich ab und setzt sich vor das Haus. Den Sonnenuntergang betrachtend sinkt sie erschöpft und von Trauer und Angst gepeinigt in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen wacht sie steif und frierend auf. Menschen laufen durch das zerstörte Dorf und … Moment! Menschen? Tatsächlich. Sie müssen woanders her sein. Foi stöhnt leise. Jemand hört es und schon ist sie umringt. Man bringt das erschöpfte Mädchen auf einen Karren und schon bald spürt sie wie er sich in Bewegung setzt. Die Ereignisse haben ihr schwer zugesetzt. Außerdem hat sie weder gegessen noch getrunken. Bald sinkt sie in tiefe Ohnmacht.
Der Untergrund ist weicht. Ihr ist warm. Nichts tut ihr mehr weh. Es fühlt sich alles so leicht an. Als ob sie schweben würde. Ich bin tot! denkt sie. Aber das kann nicht sein. Denn mit den Fingerspitzen kann sie so etwas wie ein Bettlaken ertasten. Davon hat Mutter nie etwas erwähnt, wenn sie vom Paradies sprach. Der Kopf fühlt sich an, als wäre er mit Watte gefüllt. Es summt irgendwo in der Ferne. Foi öffnet die Augen. Es ist dämmrig im Zimmer. Der Nebel in ihrem Kopf verschwindet. Und das Summen wird zu Stimmen.
„Was sollen wir nur mit dem armen Kind machen?“ fragt eine Frau.
„Verkaufen! Was sonst?“ Erwidert ein Mann barsch. Foi erschrickt.
„Verkaufen? Bis du denn des Teufels? Das kannst du ihr doch nicht antun!“
„Hast du etwa eine bessere Idee? Wem nützt sie etwas?“
„Vielleicht kann sie irgendwo auf dem Hof helfen.“
„Aber essen will sie auch und wir können nicht noch ein Maul stopfen. Von mir aus muss sie weg!“
„Wir könnten auch Dives fragen. Womöglich hat er noch Platz.“
„Der Alte hat immer Platz! Fragt sich nur, ob er das kleine Gör auch haben will!“
„Er kann sie sich ja wenigstens ansehen.“ Foi hat alles mit angehört und weiß, sie wird weggegeben. Sie würde nie wieder in ihr Dorf zurückkehren können. Das will sie nicht akzeptieren. Dennoch glaubt sie fest daran, dass es eines Tages passieren würde.
Irgendwann am Abend geht die Tür auf und eine rundliche Frau mit braunem Harr tritt ein. Hinter ihr im Türrahmen steht ein älterer Mann und schaut Foi aus kleinen dunklen Augen an. Es verursacht ihr eine Gänsehaut. „Mädchen, wie geht es dir?“ fragt die Frau freundlich.
„G – ut“ krächzt Foi, denn ihr Hals ist ganz trocken. Aber ansonsten hätte sie sich wirklich nicht besser fühlen können. Die Frau lächelt und schiebt dem Mädchen einen Becher mit Wasser zu. Geduldig wartet sie bis er leer ist. Dann fragt sie erneut: „ Wie heißt du Mädchen?“
„Foi“
„Ein schöner Name.“ Sie schaut den Alten fragend an. Er nickt. „Foi das ist Dives, er wird dich morgen zu sich nehmen. Du kannst bei ihm wohnen.“ Dives trägt einen grauen Anzug und einen schwarzen Mantel, der fast so dunkel ist wie seine Augen. Sein Haar ist eher auf seinen Anzug abgestimmt.
Foi blickt Dives schüchtern an. Bei dem soll sie wohnen? Aber besser als verkauft zu werden.

Denkt sie sich und schläft plötzlich einfach ein.
Vormittags kommt Dives und nimmt Foi wortlos mit sich. Beide laufen einen langen schmalen Weg entlang. Raus aus dem Dorf. Zusammen laufen sie bis zum Mittag. Dann machen sie Rast, bevor es bald wieder losgeht. Ein paar Stunden später ragt vor ihnen ein prunkvoller Palast empor. Das ist ja der Wahnsinn

, denkt Foi. Dives nimmt sie bei der Hand und führt sie hinein.
In den nächsten Jahren lebt Foi mit Dives im Palast. Es stellt sich heraus, dass er König über das Land ist. Aber er hält sich mit dem Regieren zurück, so lange alle glücklich sind und niemand eine Straftat begehet.
Foi kommt gut mit ihm zurecht. Er sorgt für ihre gute Schulbildung. Sie bekommt Essen und Trinken im Überfluss, ein wirklich wunderbares Zimmer in dem es vor Edelsteinen, Gold und Silber nur so glänzt und er lässt ihr genügend Freizeit um die Gegend zu erkunden. Allerdings sind die anderen Gleichaltrigen alle im Dorf und sie würde jedes Mal dort hinüber laufen müssen, um sich mit ihnen zu verabreden. Man braucht circa einen halben Tag bis dorthin und das war nun wirklich etwas zu lang. So läuft sie allein im Wald herum. Klettert auf Bäume, badet im Fluss und manchmal glaubet sie die Stimmen ihrer Freunde zu hören die rufen: „ Anschlag Foi auf dem Baum!“

Ja, sie vermisst ihre Freunde sehr. Und ihre Eltern erst. Am Anfang hat sie sich jede Nacht in den Schlaf geweint. Aber sie glaubt fest daran, dass sie einmal in ihr Dorf zurückkehren wird. Möge kommen was wolle!
Aber doch weiß sie, dass ihr etwas bei Dives fehlt. Sie ist so allein. Am liebsten würde sie manchmal, trotz der weiten Entfernung, einfach loslaufen und schauen was in dem kleinen Dorf los ist. Aber leider ist Dives dagegen. „Warum eigentlich?“ fragt sie ihn eines Tages als beide in dem prächtigen Garten stehen und er ihr das Bogenschießen beibringt. „Warum darf ich nicht ins Dorf?“
„Das ist zu gefährlich“, antwortet er trocken.
„Was soll daran gefährlich sein?“
„Die Menschen.“
„Die Menschen? Was meinst du damit?“
„Die Menschen können grausam sein.“
„Ich verstehe nicht.“
„Kinder sind billig. Auf dem Sklavenmarkt kosten sie nicht viel.“
„Du meinst sie würden mich wegfangen und dann verkaufen?“
„Einige hatten das vor als du hier angekommen bist. Und ich bin sicher, dass du es mitbekommen hast.“ Da hatte er recht.
„Dives, was soll das eigentlich?“ Auffordernd dreht sich Foi zu ihm um. „Du hast mich aufgenommen und gibst mir alles was ich brauche. Warum? Ich meine, wie du eben sagtest, du hättest auch zulassen können, dass sie mich verkaufen.“
„Komm“, sagt er leise. Sie gehen wieder in den Palast. Und Dives nimmt Foi mit. Ganz nach oben. In die oberste Kammer, wo sie nie hineindurfte. Sie ist sehr dunkel. Licht spendet nur eine einzige kleine Kerze an der Wand. Im hinteren Teil stehen so etwas wie zwei kleine Tische. Beim Näherkommen sieht Foi, dass auf jedem ein Bild steht. Links lächelt ein Kind, rechts eine junge Frau daraus heraus. Sie sehen sich sehr ähnlich. Vor jedem Bild liegt eine verwelkte Blume. Offenbar war ihr lange niemand mehr, denn überall liegt eine dicke Schicht Staub. „Das“, sagt Dives und deutet auf das Kind, „ist meine Tochter Gwen. Und das ihre Mutter und meine Frau Elisabeth. Beide wollten nur mal kurz ins Dorf, um einzukaufen. Und auf dem Weg dahin wurden sie gefasst. Frauen kosten nur wenig mehr als Kinder. Beide sind irgendwo auf einem Sklavenmarkt gelandet. Ich weiß nicht wo sie sind oder wie es ihnen geht. Oder ob sie überhaupt noch leben. Verstehst du mich jetzt Foi? Ich wollte nicht, dass dir das gleiche passiert. Gwen war zehn Jahre alt als sie mir weggenommen wurde. Und wie alt warst du als ich dich aufnahm?“
„Zehn Jahre.“ Flüstert die inzwischen dreizehnjährige Foi.
„Seitdem die beiden weg sind habe ich mir geschworen, dass in meinem Land nie wieder jemand verkauft wird. Leider gelang es mir nicht. Vor vier Jahren kamen sie erneut ins Dorf. Die Menschen hatten keine Chance. Und das obwohl dort sehr gute Kämpfer leben. Bitte versuche mich zu verstehen, Foi. Ich möchte auf keinen Fall, dass auch du mir mit Gewalt genommen wirst.
Eigentlich geht es Foi bei Dives so richtig gut. Dives redet zwar nicht oft und wenn, dann auch nicht wirklich viel, aber sie weiß jetzt, dass irgendetwas fehlt. Sie hat es im Gefühl. Und so trifft sie eine Endscheidung.
„Dives, ich möchte dich um etwas bitten.“ Sie sitzen am Tisch und essen zu Abend.
Der Alte schaut stumm zu ihr herüber und wartet auf eine Erklärung. „Ich möchte fortgehen!“ erläutert sie ihm knapp.
„Warum?“ ist sein einziges Wort
„Weil ich alt genug bin, um meinen eigenen Weg zu gehen!“
„Findest du?“
„Ja!“
„Wie alt bist du inzwischen?“
„Siebzehn.“
„Du bist wirklich groß geworden.“
„Eben. Und deswegen möchte ich gehen. Nicht, dass es mir hier nicht gefällt, aber ich bin eben anders aufgewachsen. Ich hoffe du verstehst mich.“
„Natürlich tue ich das. Lass dich nicht von mir abhalten.“
„Ich hoffe du siehst es nicht als Verrat an.“
„Wie könnte ich? Gwen sehnte sich auch nach der großen weiten Welt.“
„Ich darf also gehen?“
„Ich will dich nicht davon abhalten. Geh wann immer du willst.“
„Darf ich dich um noch etwas bitten?“
„Was?“
„Bekomme ich deinen Segen?“
„Den sollst du haben.“
„Danke Dives. Für alles.“
Er grunzt nur. Aber Foi glaubt ein leichtes Lächel auf seinem Gesicht zu sehen.

Bei Sonnenaufgang geht sie los. Ihr Zimmer ist aufgeräumt und nichts erinnert mehr an ihre lange Anwesenheit. Ein ganzes Jahr wandert sie durch die Welt und irgendwann kommt sie wieder in das Waldstück wo sie früher mit ihren Freunden gespielt hat. Eine Zeit lang steht sie einfach nur da und lässt die Tränen herunterlaufen. Dann wäscht sie sich das Gesicht im Fluss, der noch genauso schön ist wie früher. Wenn nicht gar noch besser. Foi sitzt da und lauscht mit geschlossenen Lidern den Geräuschen des Waldes. Sie weiß dass es bis zum Dorf noch ein ganzes Stück ist. Von links hört sie etwas kleines durch das Unterholz rennen. Über ihr muss ein Eichhörnchen sein und dort hinten - Moment! Sie hört etwas. Ein leises Stöhnen. In Alarmbereitschaft schlägt sie die Augen auf. Tatsächlich. Irgendwo hinter ihr muss jemand sein. Rasch springt sie auf und läuft in diese Richtung. Mit jedem Schritt wird der menschliche Schmerzenston lauter. Und bald sieht sie einen Arm, der unter einem großen Strauch hervorragt. Unangenehmerweise taucht in Fois Gedanken wieder ein Bild auf. Die Hand der Mutter, die aus der Speisekammer ragte. Foi schüttelt den Kopf so als wollte sie eine lästige Fliege loswerden. Dann hebt sie so viele der kleinen Blätter an wie sie nur kann. Das blasse und Blutüberströmte Gesicht eines circa zwölfjährigen Jungen schaut sie voll Hoffnung an. Hilf mir! Bitte hilf mir!

sagt sein Blick. Foi zögert nicht lange. Vorsichtig und mit geschickten Handgriffen, wie sie es bei Dives gelernt hat, holt sie den Jungen aus dem Gebüsch. Sein linker Arm ist gebrochen. Foi schient ihn notdürftig mit einem Ast und Lederbändern. Dann stillt sie die Blutung an seinem Kopf und Bein. Einer seiner Knöchel scheint verstaucht. „Bist du aus dem Dorf?“ fragt sie ihn leise. Er nickt. Einen Moment fühlt sich Foi wie betäubt. Das Dorf… es ist wieder bewohnt. „Komm. Ich bring dich zurück!“ Es ist nicht einfach einen verletzten und schon ziemlich großen Jungen zu tragen, wie Foi nach kurzer Zeit feststellt. Aber irgendwie schaffen beide es doch. Rasch geht sie in Richtig des alten Dorfes, den Jungen unter den Schultern und in den Kniebeugen haltend. Es ist Hochsommer geworden. Noch einmal um die Ecke und… sie glaubt, sie sieht nicht richtig! Das Dorf ist wieder aufgebaut worden. Natürlich!

denkt sie sich. Das muss ja so sein, wenn der Junge hier lebt.

Vorsichtig betritt sie es. Die Menschen schauen sie misstrauisch an. Einige mustern sie und scheinen zu überlegen. Dann sehen die den Verletzten in ihren Armen und zwei Männer kommen rasch auf die zugelaufen, um ihr das Kind abzunehmen. Eine Frau, die offenbar die Kräuterfrau ist, staunt über die sorgfältige und wirkungsvolle erste Hilfe, die Foi geleistet hat. Doch diese hört schon gar nicht mehr zu. Sie sieht ein Haus. Das Haus, in dem sie einmal lebte. Vorsichtig macht sie einen Schritt nach vorn. Dann noch einen und noch einen. Und mit jedem weiteren Schritt beschleunigt sich ihr Herzschlag dramatisch. Dann steht sie genau davor. Sie klopft. Ganz vorsichtig. Ein junger Mann öffnet. Er hat dunkelbraunes Haar und ein nettes Gesicht.
„Ja bitte?“ fragt er höflich.
„Ich, ich, “ stottert Foi, „ich hab hier mal gewohnt und wollte einfach mal schauen kommen, was aus dem Haus geworden ist.“
„Komm doch rein“ lächelt er sie an. Über ihre Schulter hinweg sieht er den Verletzten, der nun richtig versorgt wird. „Meine Güte! Wie ist das passiert?“ ruft er aus.
„Er muss von einem Baum in den Strauch bestürzt sein“, flüstert Foi ganz perplex von den vielen Erinnerungen, die auf einmal alle wieder kommen, als sie sich im Haus umsieht.
Es ist etwas größer als sie es in Erinnerung hat. Sie denkt an ihre Kindheit, die sie hier zum größten Teil verbracht hat. Und an den Tag der alles veränderte. Foi kann nicht mehr anders. Sie spürt wie ihre Augen zu brennen beginnen, immer stärker. Bis die erlösenden Tränen ihr Gesicht entlang laufen. „Was ist denn los?“ fragt der junge Mann besorgt. Er hat die Tür inzwischen geschlossen und wohl anhand ihrer blutverschmierten Hände erkannt wer den Jungen gebracht hatte.
„Ich, ich hab mich erinnert!“ schluchzt sie an seine Schuler gelehnt. „Ich weiß noch genau wie es hier ausgesehen hat. Vor und nach dem Unglück. Es ist alles einfach etwas viel.“ Er drückt sie eng an sich.
„In dem Haus, “ beginnt er zögernd, „ das waren deine Eltern oder?“ Sie nickt. „Es war wirklich grausam“, erzählt er weiter. Sie ist immer noch in seiner Umarmung, „ Als unsere Leute nach der Katastrophe hier ankamen haben wir natürlich dich gefunden. Ja, wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich dich eigentlich wiedererkennen müssen. Aber gut. Ich war damals noch ein Junge, so zwölf Jahre alt. Wie er da draußen. Du hast ihn versorgt oder?“
Sie nickt. Er erzählt weiter: „Und wie ich da so durch die kleinen Gassen lief sah ich Kinder. Da lagen drei Kinder mitten auf dem Weg und einem fehlte sogar der Schuh.“ Foi schluchzt auf. Er sprach von Florian.
„Habt ihr sie begraben? „
„Ja.“
„Alle?“
„Ja. Möchtest du zu den Gräbern?“
„Gern.“
Die Gräber liegen im Wald. Foi fällt beim Verlassen des Dorfes auf, dass es größer geworden ist. Einige Häuser sind neu dazugekommen. Und dann, nach kurzem Lauf, sind sie da! Der riesige Friedhof erstreckt sich über eine weite Fläche. „Wir konnten die gefunden Kinder später ihren Familien zuordnen. Nur bei deinen Eltern wurde uns klar, dass du es sein musstest. Das Mädchen das gleich weggebracht worden ist. Eine ganze Weile sitzen beide vor dem Grab von Fois Eltern, bevor es schließlich zu Marnas, Florians und Mathias Eltern geht. Doch zum Schluss kehren sie noch einmal zum Anfangsgrab zurück. „Meinst du sie sind froh dass ich überlebt habe?“ fragt sie leise ihren Gefährten.
„Ist es dir denn schlecht ergangen dort wo du warst?“ fragt er
Foi muss lächeln und schüttelt unter Tränen den Kopf. „Nein, auf keinen Fall!“
„Ich glaube dass sie stolz auf dich sind was du im Leben erreicht hast. Und sie sind glücklich, dass du sie nicht vergessen hast.“
„Wie könnte ich auch?“ Stille. Lang aber leicht. „Was hab ich denn erreicht im Leben?“ fragt sie ihn plötzlich.
„Du hast eben einem Menschen das Leben gerettet indem du großartige Erstversorgung gleistest hast. Ich bin sicher, dass einige von uns noch davon lernen können. Foi überlegt. Dann sagt sie: „Ich weiß, was ich noch getan habe.“
„Was denn?“
„Ich habe geglaubt!“
Foi beschließt für immer im Dorf zu bleiben. Wohnen darf sie bei dem netten jungen Mann. Mit ihrem vielen Wissen kann sie dem Dorf helfen. Die medizinische Versorgung verbessert sich ziemlich. Und auch die Jagd sowie die Ernte auf dem Feld werden durch ihr großes Wissen vermehrt.


Fünf Monate später wird groß die Hochzeit von Foi und ihrem Mann Nice gefeiert. Neun Monate später bringt Foi einen gesunden Jungen zur Welt, bevor ein Mädchen folgt.
Und nun wusste Foi endlich was ihr bei Dives gefehlt hatte, die Liebe.


Impressum

Texte: Text von karinaweine
Bildmaterialien: Coverbild mit freundlicher Erlaubnis von Robin Becker. Auf der Seite http://www.google.de/imgres?imgurl=http://timibecker.de/assets/images/db_images/db_Palast-Robin1.jpg&imgrefurl=http://timibecker.de/html/robins_galerie_10.html&usg=__IrIWAyk1s-uRVowkOna6AA5_EgA=&h=372&w=497&sz=31&hl=de&start=3&zoom=1&um=1&itbs=1&tbnid=cZk6BjYXQYc9DM:&tbnh=97&tbnw=130&prev=/images%3Fq%3DPalast%26um%3D1%26hl%3Dde%26sa%3DN%26tbs%3Disch:1Bild im inneren des Buches mit freundlicher Erlaubnis von Patrizia Dähmlow.Auf der Seite http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.patschwork.org/Daten/julia/ende.jpg&imgrefurl=http://www.patschwork.org/Daten/julia/ende.html&usg=__o3OXlzC5RxXygsco-voUogARem0=&h=850&w=567&sz=284&hl=de&start=7&zoom=1&um=1&itbs=1&tbnid=dw5E8k099jaJ9M:&tbnh=145&tbnw=97&prev=/images%3Fq%3Dm%25C3%25A4dchen%2Bwald%26um%3D1%26hl%3Dde%26tbs%3Disch:1
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2010

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