Cover




Spuren im Eis




"Gehe nicht, wohin der Weg führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist, und hinterlasse eine Spur."



Wenn jemand je wirklich versucht hat,
Jean Pauls Worte in die Tat umzusetzen,
dann waren es die, von denen diese
Geschichte erzählt.





-1-



Die Sonne stand tief und blinkte nur wie eine trübe Kerze durch den Dunst aus Schneetreiben und gefrierendem Atem. Der Wind kam direkt aus Süden und war mörderisch.
Titus Oates schwitzte, dass der Schweiß in Strömen über sein Gesicht und in die Augen lief und gleichzeitig zu messerscharfen Kristallen erstarrte. Immer wieder rutschten seine Skier weg, immer wieder gefroren die verdammten Kufen des verdammten Schlittens am gottverdammten Schnee fest. Man-hauling

– was für eine blödsinnige Idee!
Oates fluchte wieder innerlich und warf sich ins Geschirr, das schon tiefe Scheuerwunden auf seinen Schultern hinterlassen hatte. Er blickte kurz zur Seite zu seinen Kameraden. Natürlich ging's denen keinen Deut besser.

Captain Robert Scott an der Spitze, daneben Doctor Edward Wilson, dann, leicht nach hinten versetzt der Seemann Edgar Evans, welcher schon deutliche Schwächen zeigte und oft seine Zugleine hängen ließ, und hinten am Schlitten mühte sich – und das wusste Oates ohne sich umzusehen – der zähe, kleine Henry Bowers, den sie alle 'Birdie ' nannten ohne Skier mit der Fuhre ab. Seine Schneeschuhe waren im vorletzten Camp geblieben, weil geplant war, dass nur vier Leute die letzte Etappe zum Pol in Angriff nahmen.
Doch der Captain hatte wie so oft, selbstherrlich die Planung über den Haufen geworfen.
Acht Leute waren sie zum Schluss noch gewesen. Am letzten Stopp vor dem Ziel sollten die Vorräte verteilt werden und vier sich auf den Rückweg machen. Aber Scott hatte beschlossen, einen 5. Mann mitzunehmen.

Oates fluchte innerlich. Der verdammte Eigner! In der Crew hieß Captain Scott nur 'der Eigner'.
Er war zäh, ungeheuer ehrgeizig, ein ständig Getriebener und ein gewaltiger Egoist. Titus Oates hasste und bewunderte ihn gleichzeitig.
Scott hatte spontan, wie es seine Art war, beschlossen, den kleinen, kräftigen Birdie als Zug- und Schubpferd mit zum Pol zu nehmen und die drei übrig gebliebenen Kameraden allein zurück zu schicken.
Oates bewunderte Scotts Überredungs- und Überzeugungsgabe zutiefst. Die drei machten sich dankbar auf den Rückweg in tiefstem Glauben, Helden zu sein und alles zur höheren Ehre des Empires zu tun.
Und Birdie stapfte nun zufrieden und geehrt ohne Skier im Schlittengeschirr nach Süden. Immer nur nach Süden.
'Selbst schuld'

, dachte Oates etwas boshaft. 'Birdie' Bowes war es ja schließlich gewesen, der immer getönt hatte, dass es die einzig wahre Methode sei, einen Schlitten zu bewegen.

"Letzten Endes wird es eine feine Sache, das Plateau mit Man-hauling zu meistern, in dieser Zeit angeblicher Dekadenz der britischen Rasse.",

hatte er großmäulig an Scotts Frau geschrieben.
Ach ja, das Plateau zu meistern … Titus Oates' Gedanken schweiften zurück, wie so oft bei der stumpfsinnigen Schinderei.


-2-



Schon die Anreise war eine elende Sache gewesen.
Scotts Schiff, die Terra Nova

, ein umgebauter Walfänger, war alles andere als einer der Ozeanclipper, die seit einiger Zeit mit reichen Leuten an Bord die Meere durchpflügten. Nur so zum Spaß.
Die Terra Nova war eng und schmutzig, durchs Vorderdeck tropfte die gelbe Pisse der Ponys in die Kombüse, der Kohlenstaub der Dampfmaschine legte sich über alles, aber sie war stabil für Eisfahrten. Zum Glück, denn über drei Wochen lagen sie im Packeis fest, bevor sie sich unter Lebensgefahr weiter nach Süden tasten konnten.
Als sie endlich übers Ross-Meer

die Bucht der Wale

erreichten und die gewaltige, noch vor kurzem unüberwindbar erscheinende Wand der Großen Eis-Barriere

erblickten, erlitten sie einen weiteren, noch gewaltigeren Schock: An der Polareiskante lag bereits ein Schiff. Und es war kein Walfänger.

Als Titus Oates die plumpen Umrisse sah, wusste er sofort, dass es die Fram

war. Sein Informant hatte Recht gehabt. Der lügnerische Hurensohn Roald Amundsen hatte also tatsächlich alle belogen: seinen Mentor Friedjof Nansen, der ihm geholfen hatte, sein eigenes altes Forschungsschiff restaurieren zu lassen, seine Crew, ja sogar seinen eigenen König. Alle waren der Meinung, dass die Fram zum Nordpolarmeer unterwegs war. Doch beim Zwischenstopp im Hafen von Funchal teilte Amundsen seiner Mannschaft mit, dass er plante, als erster den Südpol zu erreichen.

Auf der Terra Nova

hatte außer Oates keiner damit gerechnet, und entsprechend groß war die Bestürzung. Dieser verfluchte Wikinger hatte plötzlich aus einer wohldurchdachten Forschungsreise ein Wettrennen gemacht!
Entsprechend frostig war die Begegnung der beiden Mannschaften, und schon nach wenigen Tagen verließ die Terra Nova

die Bucht der Wale mit Amundsens komfortablem Holzhaus 'Framheim'

, umrundete immer entlang der Großen Eis-Barriere Ross Island, fuhr unter Dampf in den McMurdo-Sund

ein und legte bei Cape Evans

an der Packeiskante an.

Als Oates die wunderbare Fram

mit ihrem neuen Dieselmotor und Amundsens 116 wohlgenährte Grönlandhunde gesehen hatte, war ihm schlagartig klar geworden, dass Scotts Mannschaft den Wettlauf zum Pol schon verloren hatte.
Amundsen hatte sich bestens vorbereitet. Er hatte lange bei den Eskimos gelebt, hatte ihre Überlebensstrategien gelernt und die richtigen Zugtiere gewählt. Und er hatte offensichtlich genau berechnet, wann, wie viel und welche Hunde er schlachten würde, um sie an die anderen und an sich und seine Polstürmer zu verfüttern. Oates war ein Tierfreund, Rittmeister der Army, aber er akzeptierte die Genialität Amundsens und sein gnadenloses Kalkül.
Und der Norweger war eindeutig ein Abenteurer. Es ging ihm nicht um Wissenschaft. Er hatte kein meteorologisches Labor dabei wie Scott, keine Magnetometer, keine Tierforscher, keine Steinsammler. Er wollte nur eins: am Südpol die norwegische Flagge hissen und den Ruhm für sich und den noch jungen Staat ernten.

Und in diesem Augenblick, noch als die Terra Nova

und die Fram

scheinbar friedlich neben einander lagen, wurde Titus Oates zum Verräter.


-3-



Die Crew der Terra Nova

errichtete ihr Hauptlager auf Cape Evans und nannte es 'Mietskaserne'

, weil die Hütte reichlich eng war. Aber die übliche Trennung von Offiziers- und Mannschaftsmesse wurde dennoch gewahrt – durch einen Vorhang.
Sie waren sehr gut vorbereitet. 'Birdie' Bowers war ein begnadeter Staumeister und Lagerist und Scott ein ebensolcher Rechenkünstler. Alles war da, was sie brauchten. 'Was wir nicht haben, brauchen wir nicht' war ihr Motto. Die Zeit bis zum Winter nutzten sie, um möglichst weit nach Süden vorzudringen und Depots anzulegen.
Captain Scott war schon 1907 mit Shackletons British Antarctic Expedition

hier gewesen und bis 88°23' S vorgestoßen; er glaubte also, die Gegend gut zu kennen. Auch diesmal würden sie die Große Eis-Barriere bezwingen und auf dem Plateau schließlich bis zum Pol vordringen. So war sein Plan.

Doch Titus Oates versuchte plötzlich, Scott, wo es nur ging, davon abzubringen. Er war bei der Expedition dabei, weil er als Rittmeister der Army als Einziger wusste, wie mit Pferden umzugehen war. Doch was hatte er erhalten? Oates bezeichnete die Herde als den 'übelsten Haufen alter Klepper', bösartig wie Teufel, bockig zum Erbrechen. Aber er behandelte sie trotzdem gut und versuchte die anderen, vor allem seinen Chef, davon abzubringen, auf sie mörderisch einzuprügeln, wie sie es auch mit den Hunden taten. Vor allem Scott hatte keinerlei Gefühl dafür, wie man Tiere behandeln musste. Alles Flehen, Betteln, Erklären seitens Oates hatte null Erfolg.
"Wissen Sie nicht, dass uns Amundsen im Genick sitzt? Für Sentimentalitäten ist da kein Platz!", schnauzte er Oates an, und der sah sich in seiner Entscheidung bestätigt.

Ja, das war die Crux. In Ruhe, wie ursprünglich geplant, hätte die Expedition auch mit widerborstigen Ponys, bissigen Hunden und trotz der mangelnden Skierfahrung der Crew klappen können. Aber die Begegnung mit dem Rivalen Amundsen hatte alles auf den Kopf gestellt.
Und so brach, getrieben von der Furcht, der Norweger könnte vor ihnen sein, Scotts Expedition im zeitigen Frühjahr auf. Viel zu früh.
Aber Scott glaubte, eine Trumpfkarte zu haben.
Auf der Terra Nova

hatten sie die absolute Novität dabei, und wenn Scott gewusst hätte, wie sehr sich Amundsen darüber Sorgen machte, hätte er sich tierisch gefreut. Es waren drei Motorraupen, jede 16 Pferdestärken stark, genug, um das gesamte Futter der Tiere und die Ausrüstung der Menschen über die Große Eis-Barriere zu schleppen und weit darüber hinaus.
Aber Oates hatte vorausgesehen, dass sie ein gewaltiger Flop sein würden. Eine ging bereits beim Ausladen über Bord und die beiden anderen gaben nach kürzester Zeit unter Schnauben, Röcheln, Qualmspucken und grauenhaften Endzeitgeräuschen den Geist auf.
Die Pferde waren der dadurch höheren Traglasten, dem harschigen Eis und der gnadenlosen Kälte der Jahreszeit nicht gewachsen und mussten reihenweise erschossen werden.. Und da hatte die Expedition die Eisbarriere noch nicht einmal erreicht. Es war ein Desaster.
Noch hätte Oates zurückbleiben können.
Der verdammte Südpol interessierte ihn einen Dreck. Er konnte das Fieber sowieso nicht verstehen. Den magnetischen Pol hatte die Schackleton-Expedition schon 1909 entdeckt, und der geographische wäre nur ein weiterer fiktiver Punkt in der Eiswüste ohne Bedeutung. Er fragte sich oft, ob das eine Art von Religion sei, das Vermessen, das Erforschen, das In-Besitz-Nehmen, das Fahnenaufziehen um jeden Preis, mochte er noch so hoch sein.
Wo blieben die Menschen, wenn sie nicht zu Helden hochstilisiert wurden?
Oates war Angehöriger der Army. Und mehr wollte er nicht sein. Dort gab es wenigstens keine Frauen. Scott war zwar verheiratet, aber auch er fühlte sich unter Männern wohler. Richtige Freundschaft konnte es nur dort geben. Auch wenn man sich nicht leiden konnte. Man war schließlich Engländer.
Oates hatte versagt. Das wurde ihm spätestens klar, als sich Scotts Mannschaft hinter dem Punkt befand, den damals Shackleton erreicht hatte. Der Point of no Return

war überschritten.


-4-



Sie waren dem Ziel nahe, sehr nahe. Captain Scott wurde immer aufgeregter. Sie hatten bisher keine einzige Schlittenspur gesehen, und die Chance, dass Amundsen sich hinter ihnen befand, wurde immer wahrscheinlicher.
Doch dann, nach weiteren 20 Meilen unbeschreiblicher Plagen, sahen sie in der Ferne der Eiswüste einen dunklen Fleck.
Oates bekam einen hysterischen Lachanfall, während Scott voller Entsetzen darauf zu stapfte.
Und dann war es Gewissheit: Das Zelt, die norwegische Flagge – sie hatten verloren.
Im Zelt lag ein Brief mit der Bitte an Scott, ihn an den norwegischen König weiterzuleiten. Oates lachte wieder verzweifelt. Wenn schon der gerissene Wikinger, der hier vor vier Wochen gewesen war, Bedenken hatte, sein Schiff wieder zu erreichen, wie sollte seine abgerissene, halbverhungerte, völlig erschöpfte Truppe das jemals schaffen? Der Winter war schon gekommen!
Die Erkenntnis, versagt, verloren zu haben, saugte die letzten Energiereserven aus den Männern.
Als sie sich auf den Rückweg machten, waren sie innerlich bereits tot.

Am 17. Februar starb Edgar Evans. Er war völlig verwirrt, litt an Skorbut, hatte Finger, Zehen, Nase und Ohren abgefroren und eine Gehirnerschütterung nach dem Sturz in eine Gletscherspalte. Und eine entsetzliche Handwunde, die er Scott verschwiegen hatte, als er das Team für den Polvorstoß zusammenstellte. Er wollte unter allen Umständen zum Pol, und das hatte er auch geschafft. Vorher hatte er Scott noch versichert, mit ihm durch die Hölle gehen zu wollen. Auch das hatte er geschafft.


-5-



Terribilis est locus iste. 9. März 1912

Es war vorbei. An ein Weiterkommen war nicht mehr zu denken. Irgendwo musste das nächste, rettende Depot sein, doch es zu finden, war in diesem Schneesturm aussichtslos. Er tobte, wütete und forderte von Scott, Wilson, Bowers und Oates das absolut Letzte.
Als sie schließlich völlig entkräftet unter der Zeltplane lagen, den fast letzten Pemmikanrest kalt in sich hinein gewürgt hatten, zog Captain Scott die Petroleumlampe näher an seinen Biwaksack und öffnete sein Tagebuch. Der Brennstoffvorrat spielte keine Rolle mehr. Wenigstens sollte die Chance bestehen, dass irgendwann einmal jemand seine Aufzeichnungen fand.
In seinem Seehundsfell richtete sich 'Birdie' Henry Bowers ächzend auf und spuckte einen Schwall Blut aus.
"Doc", sagte er schließlich zu Wilson, "es ist soweit."
Wilson sah die anderen an, und als alle nickten, zog er seinen Medikamentenkoffer heran, nahm die Opiumtabletten und das Morphiumröhrchen heraus und verteilte alles brüderlich an seine Kameraden.
Doch dann fragte Oates:
"Warum? Sollen wir nicht warten, bis Er uns ruft? Was haben wir zu verlieren?"
Jetzt nickten alle und ließen die Tabletten aus den Fingern gleiten. "Und", fuhr Oates fort, "ihr habt noch eine winzig kleine Chance. Es ist nicht mehr weit zum Depot. Wenn der Sturm nachlässt und ihr den Rest des Proviants nur durch drei teilen müsst …"
"Was meinen Sie, Rittmeister?", fragte Scott. "Wir bleiben zusammen, egal wie. Wir sind Freunde!"

"Sorry, Sir", antwortete Oates. "Ich war nie ihr Freund, nein. Und dann bin ich auch noch ein Verräter geworden."
Schweigen herrschte im Zelt. Im Licht der Petroleumlampe sahen die vier Gestalten wie Leichen aus. Schließlich fuhr Oates fort:
"Ja, ich bin ein Verräter. Ich bin es, seit ich erkannt habe, dass wir den Wettlauf nicht gewinnen können. Den Wettlauf zum Mordpol." Er kicherte irre. "Das ist gut – es gibt einen Nordpol und einen Mordpol. Und wir waren am Mordpol!" Wieder kicherte er und fuhr dann fort: "Ich habe alles versucht, das zu verhindern. Ich habe Sie verraten, Sir, aber ich war ein schlechter Verräter. Ich habe nicht geschafft, den Aufbruch zum Pol zu verhindern, ich habe Sie unterschätzt. Der Motorschlitten war mein erster Versuch. Nein, der ist natürlich nicht so einfach aus Versehen ins Meer gestürzt. Ich wollte die beiden anderen auch noch sabotieren, aber sie haben sich so verhalten, wie ich befürchtet hatte. Sie sind einfach verreckt.
Die Probleme beim Anlegen von Safety Camp

, von Corner Camp

und von One Drop Depot

– ja, die habe ich verursacht. Und glauben Sie mir, am Schlimmsten war für mich, die Ponys so zu schwächen, dass wir sie erschießen mussten. Ich leide noch immer wie ein Hund daran. Aber es hat alles nichts genutzt, Sir. Sie waren unbelehrbar. Ihr verdammter Sturschädel wollte unbedingt weitermachen."

Endlich reagierte Captain Scott. Er hustete ein Stück Lunge aus, würgte und flüsterte dann:
"Und, Rittmeister, was hat Ihnen Amundsen dafür bezahlt?"

Oates stieß ein freudloses Lachen aus.
"Ach Eigner, Captain, Sir. Sie wissen, wie sehr ich Ausländer hasse, weil alle Ausländer uns Engländer hassen. Glauben Sie wirklich, ich hätte mich an einen verfluchten Wikinger verkauft? Ja, ich habe euch alle verraten. Aber ihr seid eine verflucht zähe Bande, hol's der Teufel!" Oates spuckte einen Schleimpfropf aus und wischte sich die Eisbrocken vom Bart.
"Sir, Sie haben ums Verrecken nicht auf mich hören wollen. Pferde waren ein grober Fehler an sich. Aber diese abgewrackten Zossen zu kaufen war ein Kardinalfehler! Und nur, weil Sie mit Hunden noch weniger zu Recht kommen, als mit Pferden. Und dann die völlig verblödeten, unausgereiften Motorraupen. Bei 50 Grad Minus! Waren Sie da wirklich noch bei Trost? Dann die Hunde. Sollten auch Pferdefutter schleppen, was für eine Narretei!
Dabei wussten Sie nicht einmal, dass diese Hunde nicht wie blöde Kutschpferde oder Nonnenschülerinnen in Zweierreihen laufen, sondern nur im Fächer.
Amundsen wusste das alles, und ich habe versucht, es Ihnen zu vermitteln. Aber nein, der Herr steht ja im Dienstgrad weit über einem blöden Rittmeister. Aus Ehrgeiz haben Sie alles falsch gemacht, mit Verlaub, Sir.
Ja, Amundsen ist ein Lügner, aber Sie sind ein Narr. Ich habe versucht, Sie aufzuhalten, ich wollte Ihr Leben und das der Männer retten, das war meine ganze Intention. Aber es ist mir nicht geglückt."

Henry Bowers meldete sich mit schwacher Stimme zu Wort:
"Warum, Titus, liegst Du dann bei uns hier im Grab, du Verräter?"

"Ach Birdie", antwortete Oates nach langer Pause und quälte sich einen tiefgefrorenen Seufzer aus der Seele, "als ich erkannte, dass ich den Wahnsinn nicht stoppen kann, weder mit Worten noch mit Sabotage, war für mich klar, dass ich mitkommen muss auf den Todesmarsch. Ich bin Teil der Army, ich gehorche einem Ehrenkodex, das musst du doch verstehen, Birdie, oder?"

Lange Zeit herrschte tödliche Ruhe im Zelt, trotz des wütenden Tobens des Schneesturms. Endlich sagte Captain Robert Scott leise:


"Gehen Sie mir aus den Augen, Oates."

"Ja, Sir", antwortete Oates und schälte sich aus seinem Seehundsack. "Ich gehe eben mal nach draußen, und vielleicht bin ich eine Weile weg."


***


EPILOG



Es war Freitag, der 10. oder Samstag, der 11. März 1912.
Scotts letzte Tagebucheintragung lautete:

"Um Gottes Willen, kümmert euch um unsere Leute."




NACHWORT DES AUTORS



Diese seltsame Geschichte um Titus Oates – ist sie nur reine Fiktion von mir? Der Brief, den er am 1.November 1911 an seine Mutter schrieb, könnte Auskunft geben, aber keiner hat je danach gesucht.
Es bleibt die andere, entscheidende Frage:
War Oates ein Verräter oder ein Held? Waren alle Polarforscher Helden? Oder waren sie hirnverbrannte Idioten, Anhänger einer hirnverbrannten Pseudoreligion, deren Confiteor lautet: citius, altius, fortius?
Aber das zu entscheiden überlasse ich Dir, verehrter Leser.


©BRieser14112

Impressum

Texte: Coverbild nach Kaweyka,pixelio
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Monirapunzel, die die entscheidende Frage stellte

Nächste Seite
Seite 1 /