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Liebe Leser,

um einen Einblick in das Buch zu bekommen, hier die Zusammenfassung in Form einer Leseprobe:

"Monopoly in Prenzlauer Berg" beschreibt das Brachland Ex-DDR im Jahre 1990, als sich dort jeder austoben konnte, der etwas Geld mitbrachte...


* * *



Der Auftritt vom Fuchs im Hühnerstall mußte was in ihnen ausgelöst haben. Denn anders konnte ich mir nicht erklären, warum sich das Maklerbüro der von Blaubluts in einem häßlichen DDR-Plattenbau einquartiert hatte, der eigentlich von einem Ostberliner Zeitungsverlag als Bürohaus genutzt wurde. Sicher, ich hatte ja nicht gleich ein Schloß erwartet oder eine Villa, aber das Teil vor mir war so abgewrackt, daß es schon wieder auffällig „arm“ wirkte.
Zunächst lief alles ganz normal ab. Ich wurde von den Herren höflich empfangen, setzte mich auf klassische DDR-Büromöbel und ließ mir eine Cola bringen. Die Herren selber waren einheitlich schlicht gekleidet, alle mit schwarzer Hose, weißem Hemd und Schlips. Gut, es gab Kleinigkeiten, die auffällig waren. Das Ding zum Beispiel, das den Schlips an der Knopfleiste des Hemdes festhält, hat sicherlich nicht nur golden ausgesehen, denn es mußte sehr schwer sein, um das Hemd solche Falten schlagen zu lassen. Und ganz offensichtlich stammten auch die Uhren, Brillen und Ringe nicht vom Trödler um die Ecke.
Aber das ist ja auch ganz egal. Darum soll es hier nicht gehen. Ich jedenfalls dachte nicht mal im Traum daran, mich untergeben zu zeigen, sondern behandelte die Herren wie jeden anderen auch. Zumal ich gar nicht wußte, welche Stellung sie in der Hierarchie überhaupt einnahmen.
Ich mußte automatisch an Kafkas „Schloß“ denken und bildete mir ein, daß ich es nur mit Sekretären der zweiten oder dritten Ordnung zu tun hatte. Außerdem war ich nicht „K.“, der mit aller Macht auf das Schloß wollte. Nein, ich wollte weder in ein Schloß eingelassen werden noch hatte ich einen „Barnabas“ als Vermittler nötig.
Mit dieser Vorstellung im Kopf zeigte ich mich also ziemlich unbeeindruckt, als der oberste der Herren endlich zur Sache kam:
„Das nenne ich aber wirklich mutig, Herr Steinert, daß Sie nicht so leblos am Einigungsprozeß vorbeileben, sondern versuchen, selber etwas zu bewegen. Außerdem überrascht mich, daß hier in Prenzlauer Berg gleich 11 Mieter ihre Häuser kaufen wollen. Und ich habe erfahren können, daß die Sache nicht einmal vorher abgesprochen war und Sie sich untereinander nicht kennen. Genau das ist auch der Punkt, weshalb sich unser Unternehmen so für Prenzlauer Berg interessiert. Es gibt hier eine ganz spezielle Atmosphäre, die sich nirgends sonst in der Republik finden läßt, und an dieser Besonderheit möchten wir gerne teilhaben. Wir haben bereits in vielen Städten der neuen Länder Immobilien erworben, aber noch nie kam dort ein Mieter auf die Idee, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Was sicher auch der Grund dafür ist, daß uns die Sache – na sagen wir mal – daß uns die Sache etwas unvorbereitet trifft. Aber ich sagte ja schon, der Prenzlauer Berg hat eben eine eigene Atmosphäre.“
Mir fielen seine gepflegten Hände auf. Mal abgesehen vom goldenen Ring, der goldenen Uhr, dem goldenen Ding, das den Schlips festhielt und der goldenen Brille waren es wohl die Hände, die das Schlichtsein am deutlichsten durchbrachen. Jeder Fingernagel war exakt gleich lang geschnitten. Jede Rundung stimmte, und die Nagelbette wirkten wie gemalt.
„Wissen Sie, die Sache mit dem Vorkaufsrecht haben sich unsere Politiker ausgedacht, um den Einigungsvertrag zwischen der BRD und der DDR so gerecht wie möglich zu gestalten. Praktisch damit es nicht so aussieht, als würden wir Westler Euch arme Ostler aufkaufen. Und sicher, Herr Steinert, diese Idee ist lobenswert. Allerdings hat sie nichts mit der Realität zu tun.“
Der Mann war groß und kräftig gebaut. Vom Alter her mochte er um die 40 Jahre gewesen sein. Sein Haar war schon grau, aber sehr gut frisiert.
„Tatsache ist, daß der Osten am Boden liegt, und zwar komplett am Boden. Um ihn wieder auf die Beine zu stellen, bedarf es Geld, viel Geld. Und das kommt von uns – aus dem Westen. Es muß von uns kommen, denn Ihr habt ja nichts, Ihr seid pleite – und zwar ebenfalls komplett.“
Seine Stimme wirkte ruhig und erklärend, gleich so, als wolle ein Vater seinem Sohn eine Sache begreiflich machen.
„Es ist also völlig egal, wie die Tarnungen im Einigungsvertrag genannt werden, an dem Fakt, daß der Westen für den Osten aufkommen muß, um ihn wieder auf die Beine stellen zu können, ändern die nichts. Und wenn Sie mich fragen, so finde ich das auch nicht weiter schlimm. Schließlich reden wir hier von unserem Vaterland. Wir beide – Sie, genauso wie ich – müssen die unheilsame Geschichte unseres Landes wieder ins Lot bringen. Wer wird in 50 Jahren schon danach fragen, von welcher Seite der Grund und Boden stammte und von welcher das Geld?“
Der Mann richtete sich auf, drückte seinen Rücken in die Lehne und sprach mit härterer Stimme:
„Nein, nein, Herr Steinert, wir Wessis quatschen nicht den ganzen Tag vom Geld, als ob wir nichts anderes könnten. So etwas sagt man hier doch über uns? Oder!? Außer ums Geld geht’s auch ums Können. Es ehrt Sie ja, daß Sie Ihr Haus kaufen möchten und abgesehen vom Geld, stellt sich doch die Frage, ob Sie das Haus auch kaufen können. Ein Mietshaus mit 27 Wohnungen und 2 Geschäften ist schließlich kein Lutscher! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was da alles dranhängt? Notartermine, Rechtsanwälte, Grundbuchamt, Prüfungen durch Finanzbeamte, Gerichtstermine wegen säumiger Mieter, Handwerker, Investitionen, Auflagen durch den Denkmalschutz und wieder und wieder Ärger mit den Mietern. Herr Steinert – ich könnte diese Aufzählung nach Belieben fortsetzen. Aber unberücksichtigt der vielen Arbeit will ich damit sagen, daß sich ein eigenständiger Wirtschaftszweig herausgebildet hat, um sich mit diesem Thema zu befassen. Also bitte, nun kommen Sie und kaufen mal auf die Schnelle ein Mietshaus dieser Größenordnung, auf daß wir Fachleute alle überflüssig sind. Nein, Herr Steinert, da kann und werde ich nicht zustimmen. Die Politik macht ihre blumigen Versprechungen, aber wir sind es, die die Taten machen müssen. Und aus dieser Verantwortung heraus kann ich im Interesse des Stadtbezirkes Prenzlauer Berg sowie im Interesse der betroffenen Mieter Ihrem Kaufangebot nicht zustimmen. Ihnen fehlt dafür das Geld und die Erfahrung.“
Der Mann öffnete die neben ihm liegende Mappe und holte ein Blatt hervor, auf dem ich die Namen der 11 Mieter mit Kaufinteresse erkennen konnte. Ich sah ihn an und sagte kurz:
„Sie wissen doch gar nicht, wieviel Geld ich habe und meine Erfahrungen in der Verwaltung bzw. Vermietung kennen Sie auch nicht. Außerdem bin ich nicht hier, um mir Ihre Zustimmung zu holen, denn die Zustimmung gibt mir das Altschuldenhilfegesetz und nicht Sie!“
Seine freundliche Art verflog mit einem Augenschlag und Ernsthaftigkeit legte sich in sein Gesicht.
„Sie haben doch keinen Schimmer davon, was Sie da tun, Steinert. Sie richten in Ihrer Unwissenheit enormen Schaden an, für den unser Unternehmen geradestehen muß, weil wir da zwangsläufig mit drinhängen. Bitte begreifen Sie das endlich und lösen Sie sich von Ihrer Sturheit! Die bringt uns beiden nichts. Und vergessen Sie dabei nicht, was das für ein Streß ist, der Sie da erwartet. Warum wollen Sie sich das antun? Die Alternative ist eine schönere. Sie bleiben in Ihrer Wohnung, bekommen diese von uns vollkommen saniert und – und weil wir Geschäftspartner sind – verzichten wir in Ihrem Falle auf eine Mieterhöhung nach der Sanierung. Ein besseres Geschäft kann es doch für Sie nicht geben – Herr Steinert.“
„Hören Sie!“ unterbrach ich ihn verärgert. „Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen Geschäfte zu machen. Und meine Wohnung kann ich auch selber sanieren.“
Ein Fausthieb ging auf die Tischplatte nieder. Die Cola schwappte aus dem Glas. Die Gesichtshaut des Mannes verfärbte sich rot.
„Jetzt reicht’s aber! Was bilden Sie sich eigentlich ein, wer Sie sind? Und wissen Sie eigentlich, wer wir sind? Ist Ihnen überhaupt klar, wen Sie vor sich haben? Nein - natürlich wissen Sie nichts. Wie denn auch? Sie haben doch von Tuten und Blasen keine Ahnung und wagen es, uns zu erpressen. Welche Summe hatten Sie denn im Kopf, als Sie auf dem Weg hier her waren? Na – nun sagen Sie schon – 10.000 Mark, 50.000 Mark oder wieviel?“
Mit einem Stift umkreiste er wie besessen meinen Namen auf dem Blatt Papier.
„Sagen Sie endlich, was Sie von uns wollen, damit Sie bereit sind, von Ihrem Vorkaufsrecht zurückzutreten!“
Mir wurde die Sache nun echt zu blöde. Ich war doch nicht bei der Armee! Was wollten die von mir?
Ich stand in aller Ruhe auf und ging zur Tür. Von allen Seiten starrte man mich fassungslos an, aufgehalten hat mich jedoch niemand. Ich drehte mich noch einmal um und meinte zu dem Mann am Tisch:
„Wer hier wohl nichts von der Sache versteht! Ich will das Haus und nicht Ihr Geld!“

* * *



Zunächst hielt ich das alles für Blödsinn. Ich wollte der sein, der ich immer war und niemand sollte daherkommen, um mir zu erklären, daß ich nun ein anderer sei. Das wäre ja noch schöner gewesen, daß ich mit den von Blaubluts den Inhalt des historischen Vortrags von der großen Masse der Besitzlosen und der kleinen Gruppe von Besitzenden teile.
Nein, das Ganze nicht mit mir. Nein, so wollte und so werde ich nicht sein!
Soviel zu meiner Theorie.
In der Praxis bin ich dann zur Mieterberatung gegangen. Denn bei Mietfragen wurde mir dort immer weitergeholfen, und ich brauchte dringend den Berliner Mietspiegel, damit ich die Mieten der Ulmenstr. 9 richtig zuordnen konnte. Aber der junge Mann bekam nur einen roten Kopf, zischelte unter äußerster Beherrschung zwischen seinen Lippen hervor, daß ihm eine solche Frechheit noch nicht begegnet sei und schrie mich schließlich noch an, ob ich ihn verarschen wolle, da es ja wohl noch so wäre, daß er für die andere Seite arbeite, und wenn ich nicht augenblicklich verschwinde, dann kriege ich eins auf die Schnauze.
So was Unfreundliches aber auch. Möchte nur mal wissen, was ich Falsches getan habe und schob die Sache der schlechten Laune dieses Mitarbeiters zu, die uns schließlich alle einmal erwischen kann.
Aber derart naiv konnte es mit mir nicht weitergehen. Denn nur wenig später, nach dem die Mieterberatung mitbekommen hatte, daß in der Ulmenstr. 9 ein Eigentümerwechsel vollzogen war, schrieb sie alle Hausbewohner an – nur mich nicht.
Die Mieter wurden noch mal über ihre Rechte aufgeklärt und vorsorglich darauf hingewiesen, daß sie sich von mir nicht alles gefallen lassen müssen. Sollte ich zu viel Streß machen, so hätten sie außerdem die Möglichkeit, sich an das Büro der Mieterberatung zu wenden. In diesem Sinne sei auch der beigefügte Fragebogen aufzufassen, der - ausgefüllt zurückgeschickt – den Mitarbeitern hilft, die Ausstattungen der Wohnungen mit den verlangten Mieten zu vergleichen und damit Mietwucher zu entlarven.
Na, das sind ja tolle Methoden.
Da ist immer von der Vermeidung der Zwei-Klassen-Gesellschaft die Rede. Ich dachte allen Ernstes, die von Blaubluts hatten in ihrem Vortrag die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt, aber scheinbar wird doch alles getan, damit die Klassen schön erhalten bleiben, jeder seiner Kaste zuordnungsfähig ist, und viele Leute ihr täglich Brot mit der Klassenverwaltung verdienen können.
Und ich wurde nun in eine andere Kaste gesteckt und hatte gefälligst dort zu bleiben und durfte nicht nach Belieben hin- und herspringen, wo gibt es denn so was?
Und plötzlich fiel mir da ein Mann auf. Einer mit Vollbart und Anzug. Ich hatte ihn neulich schon mal durch die Treppenhäuser schleichen sehen, will aber nicht jeden Unbekannten ansprechen, da die Mieter auch viel Besuch bekommen.
Nun tat ich es doch, und der Mann wies sich als Mitarbeiter des Wohnungsamtes aus, der den Auftrag habe, zu überprüfen, wer alles in der Ulmenstr. 9 wohnt. Ich sagte ihm, daß ich von einem solchen Auftrag nichts wisse und er meinte, daß das Sinn und Zweck der ganzen Aktion wäre. Kaum, daß es mir gelungen war, diesen Beamten loszuwerden, erwischte ich ihn wenige Tage später wieder, als er gerade dabei war, eine Namensliste mit den Schildern an den Briefkästen zu vergleichen.
Diesmal wurde er ziemlich deutlich: Ich solle ihn gefälligst nicht bei seiner Arbeit stören, schließlich sei der Hinweis eingegangen, daß in der Ulmenstr. 9 eine Zweckentfremdung von Wohnungen stattfindet und das habe er zu überprüfen.
Ich versicherte ihm, daß in der Ulmenstr. 9 kein Puff betrieben wird und wollte wissen, wer mich denunziert habe. Doch der Name desjenigen, der einen Hinweis bei den Behörden einreicht, ist geschützt, so daß er ihn mir nicht nennen dürfe.
Wieder war es mir gelungen, den Beamten etwas unsanft abzuschieben, was ich aber nicht hätte tun sollen. Gerade ich mit meiner beruflichen Vergangenheit sollte wissen, daß sich niemand mit einem deutschen Amt anlegen darf.
Zunächst wehrte ich mich noch und schrieb an den Amtsleiter, daß ich mich an die Medien wenden werde, wenn das Theater nicht sofort aufhört. Aber ein Amt läßt sich nicht unter Druck setzen.
Ich mußte alle Mieterakten lückenlos kopieren und einreichen. Und dann haben sie das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Als sie nichts fanden, haben sie sich entschuldigt. In der Ulmenstr. 9 gibt es tatsächlich keinen Puff – Verzeihung!

* * *



Im Sommer, wenn es draußen heiß ist, flüchte ich mich noch immer aufs Dach unseres Hauses.
Hier oben ist es schön windig, die Schornsteine werfen ihre langen Schatten aufs Dach, und die Kugel des Fernsehturms glitzert golden in der untergehenden Sonne.
Nur eben ist es einsam geworden. Feten gibt es schon lange keine mehr. Und das Reich der Dächer ist von Grenzen des Eigentums eingeengt.
So bleibe ich auf unser Dach eingeschränkt, weil ich Angst habe, daß meine Nachbarn nur darauf warten, mich wegen eines falschen Schrittes an den Pranger stellen zu können.
Aber das Dach der Ulmenstr. 9 kann ich betreten, so viel ich will und kann das jederzeit beruflich begründen.
Manchmal auch im erweiterten Sinne, wenn ich beispielsweise mit den Fotografen zusammentreffe, die beinahe alles tun würden, nur um dieses Dachmotiv für ihre Aufnahmen nutzen zu können.
Die GbR-Kasse freut das und mich freut besonders das Interesse von Modemagazinen, deren Fotoleute eine Menge Technik und kistenweise Klamotten aufs Dach schleppen – und – viele, viele hübsche Mädchen.
Das ist vielleicht eine Augenweide in der Tristesse des Häuserbetons einer Großstadt. Nur leider zum Umziehen suchen sie sich die größten und dicksten Schornsteine als Versteck aus, so daß ich bisher nicht einen einzigen Blick erhaschen konnte. Was für ein Leid!
Aber dieses Schicksal muß nicht nur ich ertragen, sondern der ganze Prenzlauer Berg. Äußerlich ist er nach der Wende sehr schick geworden, aber ein Blick hinter seine Fassade ist nicht mehr möglich, denn die, die ihn einmal ausgemacht haben, haben ihn verlassen – vielleicht nicht alle, aber viele.
Jan übrigens auch. Er konnte die Beengtheit von Prenzlauer Berg nicht mehr ertragen und ist in den Friedrichshain gezogen.
Er meint, daß die reichen Säcke aus dem Westen ganz PrenzlBerg zu einer Schickimicki-Puppenstube für die Touris aus der ganzen Welt gemacht haben und daß dadurch sein urbanes Leben vertrieben wurde.
Die Künstler, Intellektuellen und Andersdenkenden der Stadt haben deshalb in Friedrichshain ein neues Zuhause gefunden.
Nein, ich glaub es nicht! Friedrichshain! Einen toteren Flecken ließ sich zu DDR-Zeiten in ganz Ost-Berlin nicht finden. Wo man hinsah nur Industrieeinöde und vergammelte Proletenwohnviertel.
Aber das Leben findet seinen Weg.
Inzwischen gilt es als oberkultig, wenn es jemanden gelingt, in Friedrichshain einen der ausgebauten Fabrikräume mit Spreeblick zu kriegen. Das ist das absolut Größte, und Jan hat das geschafft.
Er arbeitet dort als Rechtsanwalt mit Schlips und Kragen. Den Zickenbart hat er nicht mehr und seinen Zopf auch nicht. Dafür trägt er jetzt einen Igel und ich finde, daß er ganz schön komisch aussieht. Sicherlich rät er heute seinen Mandanten davon ab, Häuser zu besetzen – könnt ich mir jedenfalls so vorstellen.
Immer, wenn ich ihn treffe, redet er vom Krieg zwischen PrenzlBerg und Friedrichshain. Und manchmal frage ich mich, ob es bei Jan nicht ständig um Kriege geht, ob gegen die DDR-Bonzen, die Hausbesitzer oder PrenzlBerg.
Aber auch kein Krieg kann den Lauf der Zeit aufhalten, allenfalls ändern.
Das Reich der Dächer von Prenzlauer Berg ist groß wie einst, und ich hänge in den Grenzen der Ulmenstr. 9 fest. Mein freier Blick geht in die Ferne von West-Berlin mit der abgestorbenen Grenze, die jetzt in neugeborener Nähe ums Überleben ringt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
in memoriam Dieses Buch ist Achim Bimschas gewidmet, einem Arzt aus Ludwigshafen, der sich durch sein Internetforum zur DDR-Alltagskultur in besonderer Weise um den deutschen Einigungsprozeß bemüht hat und dessen Leben am 15. Mai 2003 von einem amoklaufenden Patienten beendet wurde.

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