Cover

Prolog

Wer hierher nach Oberschwaben kommt, glaubt im ersten Moment im Ausland zu sein. Die Sprache hier erscheint dem Neuankömmling wie eine unüberwindbare Barriere. Erst nach und nach begreift man was „hudle“ und „hostube“ heißt, und dass hinter jedes Ding ein „-le“ gehört.

Der Schwabe sagt bescheiden: „I han a Häusle baut.“ Wenn man das dann anschaut, ist es ein halbes Hochhaus, also ein „Hochhäusle“. „Jo“, sagt der Schwabe, „Da han i a paar Mark gespart, i kauf mir no a Autole.“ Wenn er dann vom Autokauf heimkommt, dann hat er einen Mercedes oder einen BMW gekauft. Mein billiges japanisches Auto, müsste eigentlich von Rechtswegen ein Autolelele sein. 

Da geht die Frau in den Schuhladen zum Schuhe kaufen. Sie braucht Größe 42 an ihre „Stampfer“. Trotzdem sagt sie zu ihrem Mann: „I gang dann mol und kauf mir nuie Schühle.“

Man braucht schon eine Weile um alles zu verstehen und zu begreifen. Wer sich aber mal eingelebt hat, der will am Ende gar nicht mehr von hier fort.

 

Wenn Du, lieber Leser Dich für dieses Büchlein entschieden hast, dann ist das auf keinem Fall ein Fehler. Ich habe viele Stunden damit verbracht, etwas von dem unendlichen Charme des „Ländles“  zu verbreiten.

Dieses Buch zu lesen braucht’s nicht viel: Eventuell eine gute Lesebrille - Kontaktlinsen gehen notfalls auch - eine gemütliche Ecke zum „na pflätsche“, ja und wenn’s geht, vielleicht einen Keller. Ja, das hast Du schon richtig gelesen, denn der Schwabe geht zum Lachen in den Keller, heißt es, und das stimmt auch.

Da sind wir schon mitten drin. 

Entschuldigung, ich bin fremd hier

Seit 45 Jahren wohne ich in Oberschwaben. Langsam habe ich mich richtig eingelebt. Die Menschen im „Ländle“ haben zwar besondere Angewohnheiten, die man hier „Mödele“ nennt, aber man gewöhnt sich daran. So muss hier „Gut Ding Weile haben“. Das heißt also, der Schwabe ist gemütlich, überlegt gut und arbeitet sorgfältig.

 

Ich möchte meine Leser mit durch unsere Kleinstadt nehmen, angefangen, als ich selber frisch her gekommen bin, und sie nebenbei mit den Schwaben bekannt machen. Keine Angst, ich werde nicht im Dialekt schreiben. Es wird also für jeden verständlich sein.

 

 Morgens gehe ich aus dem Haus, um ein paar Besorgungen zu machen. Meine Nachbarin zupft an den Blumen vor ihrer Haustür. „Guten Morgen“, grüße ich sie. „Ja, grüß Gottle“, erwidert sie, „sind Sie schon auf die Füß?“ Blöde Frage, sieht man doch oder? Brav wie es sich hier gehört, antworte ich: „Ja, und Sie, schon fleißig?“ Frau Nachbarin daraufhin: „A bissele halt.“

 

Zuerst gehe ich zum Bäcker, der heißt hier „Bäck“. An dieser Stelle sollte ich vielleicht auf die Sparsamkeit der Schwaben aufmerksam machen. Der Schwabe spart wo er kann - auch an Buchstaben.

 

Ich betrete die Bäckerei. Nach kurzer Zeit ruft die Verkäuferin: „Und wer isch d'r Nächste?“ Ich trete an den Tresen, „ich glaube ich bin dran.“ Die Verkäuferin schenkt mir einen mitleidigen Blick. Sie hatte nur: „I“ erwartet. Also hatte ich schon wieder zu viel geredet. Nun fragt sie freundlich „Ja was derfs denn sei'?“ „Zwei Brötchen bitte.“  Die Verkäuferin ist unschlüssig und zeigt auf die kleinen runden 500 Gramm Brote. Dann besinnt sie sich und sagt: „Ah, Weckle moinet Sia!“ Ich gebe meine Zustimmung durch ein Kopfnicken zu verstehen. Da legt sie noch einmal los: „Knauzeweckle oder Laugeweckle, Käsweckle oder vielleicht Körnerweckle? Dann hen wir no Wasserweckle und Kaiserweckle.“ Sie holt Luft und ich mache mir Luft: „Ich möchte stinknormale Wecken!“ Verzweifelt greift sie nach den Kaiserwecken und steckt mir 2 Stück in eine Tüte. „Macht oi Mark zeah“, sagt sie und schiebt mir den Zahlteller vor die Nase.

 

Nun überlege ich kurz: Soll ich jetzt noch nach einem Brot fragen, oder lieber in eine andere Bäckerei gehen? Dann frage ich mutig: „Kann ich vielleicht auch ein Brot bekommen?“ „Ja“, erhaben lächelnd erklärt sie, dass das Brot alles zum Verkaufen da sei. Was ich denn gerne hätte. "A Laible oder an Kipf?“ Geduldig zählte sie die mindestens 12 verschiedenen Brotsorten auf und endete mit: „Oder solls a Vollkornbrot sei'?“ „Vollkornbrot bitte nicht, davon bekomme ich Schluckauf“, höre ich mich sagen. Fragend schaut sie mich an: „Was isch denn des?“ Ich mache „hicks“ darauf sagt sie: „Ach so, sie moinet en Häcker.“ Ich zeige auf ein langes Brot, weil die Scheiben, die man da schneidet, gleichmäßiger werden. „A jo, a Kipf went Se!“, seufzt die Verkäuferin.

 

Auf Kaffeestückchen verzichte ich jetzt lieber, denn der Laden füllt sich langsam. Ich zahle und bekomme eine Münze. „Des isch a Brotmärkle, wenn Se 10 Stück gsammelt hent, gibts dafür a Pfund-Laible.“ Die Münze stecke ich zögernd in den Geldbeutel. Am Ausgang sage ich: „Auf Wiedersehen“, woraufhin alle Frauen ihren Kopf zu mir umdrehen. Ganz nebenher höre ich die Verkäuferin: „Bi Gott“, nachrufen.

 

Daheim erzähle ich meinem Mann wie es mir ergangen ist, und verlange von ihm in Zukunft selbst einzukaufen.

Mein Mann ist hier geboren, er ist also ein „Eingeborener“. „Ich werde mit meiner Schwester reden und sie bitten, Dich das nächste Mal zu begleiten“, verspricht er mir und fügt hinzu: „Einkaufen ist Weibersache.“  

 

Ich muss nicht lange warten, schon am nächsten Tag kommt meine Schwägerin und holt mich zum Einkaufen ab. Sie wirft einen kurzen Blick auf meinen Einkaufszettel und meint: „Das kriegen wir alles beim Gaismeier.“ (Supermärkte wie Lidl und Aldi usw. sind erst später über uns gekommen.)

Wir machen uns auf den Weg und mir kommt es vor, als ob der Weg nicht enden will.  Es geht durch das ganze Städtchen und an jedem Schaufenster bleibt meine Begleiterin stehen. Sie schaut nicht nur ins Schaufenster, sie schaut auch wer alles in dem Laden ist. Dann erklärt sie mir auch, was man hier bekommt und was nicht. Ich verstehe nicht alles, aber durch die Auslagen kann ich es mir zusammen reimen. Meine Schwägerin weiß auch wer darin als Verkäuferin arbeitet, wo diese wohnt und mit wem sie verheiratet oder befreundet ist.

 

 Wir kommen an mehreren Gasthäusern vorbei. Da schaut sie doch tatsächlich in die Fenster. „Mensch, bist Du neugierig“, bemerke ich ein wenig genervt. Hiltrud, so heißt meine Schwägerin wehrt sich gegen meinen Verdacht. „Noi, gar itte, i guck blos wer do dinne is.“

Endlich sind wir angekommen. Dort gibt es Einkaufswägen, ohne Chip sogar. Ich nehme einen Wagen und wir kaufen ein, was auf meinem Zettel steht. Ausgiebig werde ich nebenbei unterrichtet, wie die einzelnen Lebensmittel auf schwäbisch heißen.

Somit erfahre ich, dass Kartoffeln Bodebiere oder Krumbiere sind, Erdbeeren sind Breschtling und Gurken Gogommere. Warum sich die Sachen in meinen Ohren wie Krankheiten anhören, weiß ich nicht. „Jetzt brauchen wir noch Marmelade“,  bemerke ich. „Des nennt ma Gsälz“, verbessert mich Hiltrud. „Was isch met Butter?“, fragt sie mich. Das habe ich nicht auf dem Zettel, denn Butter hatte ich mir ja nie leisten können, bei mir steht immer Margarine auf dem Tisch.

 Nach kurzem Hin und Her, erfahre ich wo die Butter zu finden ist. Gleichzeitig lerne ich, dass Butter in Oberschwaben „männlich“ ist. Hier heißt es „der Butter“, und der Butter gehört in jeden Kühlschrank, für alle Fälle, falls Besuch kommt.

Zum Schluss gehen wir noch an die Metzgertheke. Hier lässt sich Hiltrud 2 Paar „Soiten“ geben. Das sind Saitenwürstle. Ich frage meine Schwägerin, was mein Mann denn gern am Sonntag isst. „Rindsrouladen“,  erfahre ich spontan. Somit kaufe ich Rindsrouladen und Speck dazu. Bei der Metzgerin stellt sie mich vor, als die Frau ihres Bruders. Auf die Frage woher ich denn komme und wieso mein Mann so schnell geheiratet habe, gebe ich keine Antwort. Stattdessen schaue ich auf die Uhr und versichere jetzt wirklich dringend heim zu müssen, da die Kinder von der Schule kommen und keinen Schlüssel haben. In drei Tüten schleppe ich meinen Einkauf. Hiltrud ist da besser dran, sie hat ja nur 2 Paar Würstchen zu tragen.

Sie schlägt mir vor, den Weg durchs Krankenhausgelände abzukürzen. Mindestens zehn Leute begegnen uns, und meine Schwägerin kennt alle und hat auch immer was Wichtiges mitzuteilen.  Mir kommt die Abkürzung weiter vor. Mit lang gezogenen Armen, komme ich schließlich mit meinen 3 schweren Tüten zu Hause an.

Das Essen schmeckt nicht!

Der Sonntag kommt und ich mache die besten Rindsrouladen, die jemals das Licht der Welt erblickt haben. Hm, wie das duftet. Die Kinder decken den Tisch in der Stube und ich trage das Essen auf. Ihnen kann ich die Begeisterung ansehen, es  schmeckt ihnen offensichtlich. Da mein Mann keine Mine verzieht, erlaube ich mir zu fragen, ob das Essen schmeckt. Darauf hin beugt sich mein Göttergatte tief über den Teller, schnuppert an dem Essen und antwortet prompt: „Noi, des schmeckt itte, wenn`s schmecken dät, denn tät i´s net esse.“

Ich bin wie vor den Kopf gestoßen, stehe auf und laufe in die Küche zum Heulen.

Nie wieder werde ich mir solche Mühe machen, soll er doch in der Krankenhauskantine essen!

 

 Mit einem drohenden Blitzen in den Augen und Gewitterwolken auf der Stirn, erledige ich den Abwasch. Wir haben noch Reste vom Essen, die wird es morgen geben.

Dann stürze ich mich auf die Bügelwäsche. Nach ca. 2 Stunden kommen die Kinder in die Küche und verkünden, dass wir jetzt einen Besuch bei der Oma machen. Das macht mich auch nicht glücklich. Wenn da alle in der Stube sitzen und reden, komme ich mir vor wie im Ausland.  Schließlich ziehe ich mich doch um und gehe mit. Da treffe ich Hiltrud wieder.

Als die mich fragt, wie die Rouladen geworden sind, erzähle ich ihr, wie es mir heute Mittag ergangen ist. Sie bemüht sich Hochdeutsch mit mir zu sprechen, das hört sich an, als ob sie jetzt ihre Fremdsprachenkenntnisse preisgibt. „Wenn Du gefragt hast schmeckt es, dann riecht er daran ob das Fleisch nicht verdorben ist. Weil dann stinkt es und das heißt auf Schwäbisch: Es schmeckt. Wenn es verdorben wäre, dann würde er es nicht essen.“ Dann fügt sie noch abschließend hinzu: „Ezzet woischt wa er moint!“

Bei der nächsten Gelegenheit werde ich mich besser ausdrücken, nehme ich mir fest vor.

Diese lässt nicht lange auf sich warten. Ich habe einen wunderbaren Kartoffelsalat gemacht, nach westfälischer Art, mit selbst gemachter Majonäse. Dazu noch etwas grünen Salat, sehr delikat mit Zitrone und Sahne angemacht, natürlich mit ein wenig Zucker. Zusammen mit den von Schwaben so beliebten Saitenwürstchen, bin ich mir sicher, ein perfektes Abendessen auf dem Tisch zu haben. Unter den Kartoffelsalat habe ich das restliche Eiweiß steif geschlagen, damit er leicht und luftig ist. Tina und Bernd, schmeckt es sichtlich. Mein Mann füllt seinen Teller, und probiert von dem Salat. Im gleichen Augenblick spuckt er es wieder in den Teller, wirft die Gabel auf den Tisch und schreit: „Des ka ma jo it fresse, des isch jo sias!“

Er verlangt ein Stück Brot zu seiner Wurst und guckt verächtlich zu den Kindern, die sich den Appetit dadurch nicht verderben lassen. Bernd, der ja der Sohn meines Mannes ist, benahm sich seiner Meinung nach wie ein Verräter, weil er aß, was ein Schwabe nicht essen kann. Als ich den Tisch abräume, gibt er mir den Rat seine Mutter zu fragen, wie man Kartoffelsalat und grünen Salat macht. Das Rezept bekomme ich am nächsten Morgen von meiner Nachbarin. Das Geheimnis ist also, nur Essig und Öl und etwas Fleischbrühe, so einfach, ohne aufwendige Majonäse.

 

Nun vermehre ich langsam meine Kenntnisse in der schwäbischen Sprache. Das Wort Essen ist dem Schwaben wohl bekannt, aber wenn’s ihm nicht passt, dann ist es ein Fraß, den man nicht fressen kann.  Langsam verstehe ich alles, aber sprechen kann ich es nicht, das wird auch wohl immer so bleiben.

Ich bewundere die Schüler, die in der Schule hochdeutsch schreiben und lesen lernen. Sobald sie das Klassenzimmer verlassen wird wieder „geschwäbelt“. Sie wachsen sozusagen zweisprachig auf.

 

Der Schwabe an sich, ist von einem anderem Menschen nicht zu unterscheiden. Erst wenn man sich mit ihm bekannt gemacht hat, stellt man die kleinen Unterschiede fest:

So haben die Schwaben keine Beine, sie haben Füße, die bis zu den Schenkeln gehen. Ebenso fragt man vergeblich nach den Armen, die Händ sind so lang, die reichen bis zu den Schultern.

Der Kopf ist ein Schädel, aus diesem Grund hat er auch keine Kopfschmerzen sondern „Schädelweh“.

Da wo der Mund ist, hat der Schwabe eine Gosch, ein Göschle oder ein Maul. Das richtet sich wohl nach der Größe, nehme ich an.

Ein Rücken heißt hier Buggel, auch wenn er gerade gewachsen ist, das was im Buggel manchmal weh tut, ist das Kreuz. Den Hintern suchst du vergebens. Der normal gewachsene Schwabe hat ein Fiedele. Bei den etwas dickeren ist es ein Arsch und wenn man die Kleidergröße 50 und mehr  braucht, dann hat man einen Arsch wie ein Brauereigaul. Einen Bauch nennt man Ranzen, entweder du hast einen Ranzen oder keinen.

 

 Hier trägt man auch keine Jacke, hier trägt man einen Kittel und das, was meiner Meinung nach, ein Kittel ist, das ist hier ein „Schuuz“. Der Schwabe geht nicht, er „läuft“. Wenn er dann aber läuft, dann „springt“ er. Das Springen heißt hier „Jucken“, und wenn’s den Schwaben juckt, dann „beißt“ es.

 

 Ein typischer Schwabe hat nur gute Eigenschaften. Die wichtigste ist die Sparsamkeit. Da wird mehr gespart wie man verdient, hat man den Eindruck. Die schwäbische Hausfrau sorgt dafür, dass vom Haushaltsgeld immer ein

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Die Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Personen sind rein zufällig.
Bildmaterialien: Cover: Sweder van Rencin
Lektorat: Sieglinde Holewecky
Tag der Veröffentlichung: 26.03.2014
ISBN: 978-3-7368-2589-5

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