Die bunte Blume (La fleur bariolée)

Eine sentimentale Reise Von:
User: Aubertin
Die bunte Blume (La fleur bariolée)

Ich komme nach Hause. Im Flur brennt Licht. Habe ich es bei der Abreise vergessen auszuschalten? Doch ich spüre, daß sich jemand in der Wohnung befindet. Wer? Isaac, die einzige, die einen Schlüssel zur Wohnung hat, kann es nicht sein, da sie gerade in Peking chinesische Artisten umturnt. Oder ist sie vorzeitig zurückgekehrt? Vermutlich ist es so. Denn ich drehe vor dem Verlassen der Wohnung immer drei Kontrollrunden. Ich rufe mit gespieltem Ernst: »I-s-a-a-c, was schleichst Du Dich hier ein? Hast Du keine Wohnung?! Gefällt Dir besser hier, oder wie? Kannst Du mir nicht wenigstens einen Funk schicken?!« Keine Antwort. Ich werde ungehalten. Keine Regung. Das ist nicht Isabella. Isabella von Wyler, von mir Isaac genannt. Isa-AC oder Isa-ac getauft. Je nach Lust und Laune – Isa à conto, Isa à Condition, im besten Fall Isa-Appellation Contrôlée, oder auch, im schlimmsten Fall Isa-Actinium, dieses eher seltene radioaktive metallische Element, das zählebigste Isotop mit einer Halbwertzeit von 21,8 Jahren. Mir schwant nichts Gutes. Ich raffe dann jedoch meinen Mut zusammen und gehe in Richtung des größeren Zimmers. Tatsächlich sitzt jemand auf dem Stuhl am Arbeitstisch, raucht und schaut in meine Richtung. Die Straßenbeleuchtung und das Licht aus dem Flur geben nur Schemenhaftes frei. Doch daß es eine Frau ist, ist deutlich zu erkennen. Sie hat reizvolle Konturen, soviel ist auch im schummrigen Licht zu erkennen.

»Salut, Didier.«

Niemand nennt mich Didier. Es gibt zwar viele, die diesen Namen kennen, den ich von denen habe, die Dietrich nicht aussprechen können oder wollen und schreiben ebensowenig, und auch die korrekte Übersetzung Thierry nicht mögen. Aber hier käme niemand auf die Idee, mich so zu nennen. Ich kenne die Frau nicht. Mit brüchiger, verwackelter Stimme frage ich: »Wer sind denn Sie? Was machen Sie denn hier? Und wie kommen Sie hier rein?!«


»Du erkennst mich nicht?« Sie hat einen französischen Akzent. Auch das noch! Bin ich im Kino? Meine ohnehin zügellose Francophilie will mit mir durchgehen.

»Du erkennst Deine Frau nicht?«

 

Nach einem anhaltenden Redegefecht zwischen den beiden Protagonisten, seinerseits mit Ironie und Sarkasmus und von ihrer Seite aus mit Sanftmut geführt, wird Didier mit dem urkundlichen Nachweis konfrontiert: Er sitzt tatsächlich seiner Ehefrau gegenüber. Das haut ihn vom Stuhl.

 

Vor drei Jahren war er weniger vor ihr als vielmehr vor einem Großfamilienleben davongelaufen, das er in dieser Enge nicht mehr ertragen hatte. Im Lauf seiner Flucht unterlag er einer Fehlschaltung des Gehirns, die eine Amnesie zur Folge hatte. Nach einem mehrwöchigen Klinikaufanhalt war er in seine alte Wohnung in München entlassen worden, die er nach seinem Umzug nach Marseille beibehalten wollte, solange er nicht sicher sein konnte, ob er überhaupt in diesem Melting Pot kurz vor Afrika bleiben wollte.

 

Und nun fahren die beiden gemeinsam dorthin zurück: Eine sentimentale Reise.


Stichwörter: 
Gesellschaft, Kulturen, Liebe, Politik
Beiträge und Kommentare
Wichtiger Beitrag
Aubertin

Ich danke allen, die bisher so reges Interesse an meiner sentimentalen Reise gezeigt haben und sie gar favoritisert haben. Das stellt durchaus eine angenehme Überraschung für mich dar. Es würde mich freuen, wenn Sie alle auch einmal einen Blick in meine anderen Bücher hineinwerfen würden. Ich habe schließlich nicht nur Feuilletons verfaßt, auch das Erzählerische hat seinen Anteil.

Wichtiger Beitrag
Gelöschter User

Wahnsinn das Buch - erst ein paar Seiten gelesen und kann es nicht mehr ausschalten...

1 Kommentar
Aubertin

Darüber freue ich mich. Aber zwischendrin essen und trinken nicht vergessen, um durchzuhalten, denn es ist sehr umfangreich. Ich wünsche weiterhin viel Vergnügen.

Wichtiger Beitrag
Aubertin

Ich habe soeben, nachdem ich mir das eBook heruntergeladen habe, festgestellt, daß alle meine Kursivsetzungen hinfällig sind, da, zumindest in der mir vorliegenden Version, alles kursiv gesetzt ist – sowie auch einiges weitere formal nicht meinen Vorstellungen von Typographie bzw. Spationierung entspricht). Es wäre sehr freundlich, gäben mir die freundlichen Menschen, die sich das Elektrobuch ins Haus geholt haben, Nachricht,... mehr anzeigen

13 Kommentare | Ältere Kommentare anzeigen
M.d.S.

Also ich habe mal herumgesucht und den Hinweis gefunden, dass man beim Firefox die Sonderfunktionstaste F10 drücken kann, um die Anzeige der Menüleiste temporär zu aktivieren, da kann man dann entweder das gewünschte Menü auswählen oder aber auch mit der rechten Maustaste ein... mehr anzeigen

Aubertin

Ich werde alles ausprobieren. Danke. Allerdings meinte ich in erster Linie die hiesige teilweise unschöne Spationierung; sie wird offensichtlich in der Software von Firefox übernommen.

An de Sade interessiert mich primair die Umgebung der Aufklärung. Es wäre angenehm, entdeckte... mehr anzeigen

M.d.S.

Was du als Spationierung bezeichnest, ist die Stilvorlage (einschließlich wildem Skript), die BookRix für die HTML-Variante verwendet.
Klar, wenn man Firefox nicht daran hindert, interpretiert das Feuerfüchsen das natürlich.
Prinzipiell kann auch jeder Nutzer eine eigene... mehr anzeigen

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