„Aber Bertold mit h schreiben“
(Matthias Geissler rezensiert OINOWSKI)
„Wir sind wieder wer.“
„Endlich. Hab ich lang geschlafen?“
„Halbe Stunde. Höchstens.“
„Was verpasst?“
„Nein.“
Die Sachlage ist eigentlich ganz einfach: Der Autor, Urbanski, der seinen Erzähler nach sich selber benennt und in seiner eigenen Wohnung hausen lässt, schafft sich ein Alter Ego nach seinem Angesicht, einen Kumpan, der ihn wecken soll und am Durchdrehen... mehr anzeigen
„Aber Bertold mit h schreiben“
(Matthias Geissler rezensiert OINOWSKI)
„Wir sind wieder wer.“
„Endlich. Hab ich lang geschlafen?“
„Halbe Stunde. Höchstens.“
„Was verpasst?“
„Nein.“
Die Sachlage ist eigentlich ganz einfach: Der Autor, Urbanski, der seinen Erzähler nach sich selber benennt und in seiner eigenen Wohnung hausen lässt, schafft sich ein Alter Ego nach seinem Angesicht, einen Kumpan, der ihn wecken soll und am Durchdrehen hindern: Oinowski.
Die beiden sind einander sehr ähnlich. Sie verstehen sich auf eine ruppige Weise und veruntreuen ihre gottgegebene Sendezeit mit der Gewinnung beziehungsweise Aufbereitung von Substantiven. Bildlicher gesprochen: Sie hacken Rohfloskeln aus den Stollen der Informationsgebirge, also aus allem, was man so mitkriegt aus Zeitung oder Gedächtnis.
Das klappt so weit ganz gut. Da sind so zeitlos schöne Wörter wie „Industrie“. Dann: „Slam gehört zu Deutschland“, und „Oier Kuno von Oiten schüttelt seine Oiter. Es gibt Milchrois“. Parole: „An alle selben Stränge: Ich schlage euch bald über.“
Munter geht's zu im Tagebau der Spontanunion, der Flüchtlingsstrom ist von Vattenfall und das Wort „Salafistfucking“ musste doch auch mal benannt werden.
Als ginge es um Bold, Silben und Schmonze. (Tschuldigung, ich wollte auch mal.) Aber der Dichter und sein Avatar schreiben nebenbei sogar noch ein Buch (wahrscheinlicher Titel: „Oinowski“), möglichst noch vor dem endebringenden sechzigsten Geburtstag des Verfassers. Und das, obwohl zeitweise der Computer kaputt ist und man also trocken schreiben muss.
Dazwischen Endlosschleifen konzentrierter Erledigung, Briefe an die Hausverwaltung und Behördenkram, durch den der Wille kleiner und der Blick trüber wird, „mit umständehalber abzugebenden Grüßen“.
Zählerstand ablesen, Zugang zum Zählerraum. Alles dreht sich im Kreis.
„Alles würde wieder hochkommen; nicht, das es vergessen ist, im Gegenteil, schließlich geht es um das halbnackte Überleben im Hoch- und Spätsommer, dennoch, wir scheuen den Abstieg in die Niederungen der Scham, wir müssten sämtliche Unterlagen beibringen, den Fall detailliert schildern und erklären, was uns so unendlich schwerfällt. Wir wollen nirgends hin. Nicht zu den Mietern, den Mietern helfen Mietern, doch das müssten wir, denn telefonischer Vorkontakt ist das eine, die Durchführung wiederum bedarf eines persönlichen Gesprächs, wenn nicht gar mehrerer. Gut, am Ende hätten wir es eventuell von der Backe, müssten noch eine Rechtschutzversicherung abschließen, so es denn zum Prozess kommt, und das ist nicht auszuschließen. Deren Anwälte vertreten zwar subkulturelle Hochkaräter wie die Rote Flora, deren Anwälte sind zwar bissig, sie setzen sich mit Nachdruck für die Interessen Benachteiligter ein, sie hassen das Establishment. Dennoch, Schanzenchöre hin, Heilige Drei Könige her, ist uns nach den Gesängen der eher unchristlichen Art.“
Da fällt einem Pessoa ein, das Buch der Unruhe mit seinem vereinsamten Buchhalter und seiner bitteren Geläutertheit:
„Ich schreibe wie ein Schlafender, und mein ganzes Leben ist eine zu unterschreibende Quittung.“
Aber so weit ist der Urbanski nicht, er kann noch nicht nachlesen warum er verloren hat. Und solange spielen sie noch Flipper mit ihm als depressiver Kugel und diesem absichtlichen Geschwafel. Und überhaupt: Welcher war er denn jetzt noch mal?
Und es geht wieder los. Namen sind Schall und Ramsch: Tilman Tuttlewski, Currypulverkünstler. Oder bei Trost einziehen, sich Bernie Bublanski nennen und dann am Telefon melden mit: Bernie Bublanski bei Trost?
Man könnte auch Steffen Salutski heißen oder Max Baal (der den Gartengeräten zum Opfer gefallen ist) (Heckenscheren!) (ja, es tat weh), wo Aal drin ist, und Baal war ein Fockbeker Fruchtbarkeitsgott der da bumste die Aale im örtlichen See, bis die Aalversuper kamen und - oié, der Baal und was nicht noch alles, von Baal III ist sogar die Rede. Aber Bertold mit h schreiben.
OINOWSKI ist wieder inhaltlich verlinkt mit der Facebook-Welt. Diesmal rückt ihm ein Kritiker auf den Pelz, und der Verfasser tut gut daran, seine Figuren zu warnen und zu sammeln. Denn auch dieses Buch ist offen, im Prinzip könnte es jeder Leser bereichern oder zerschießen.
Naja, nicht ganz: Denn er wäre dann ja kein Leser mehr sondern eine der Figuren, und irgendein Idiot ist doch immer dabei.
Tja. Der Kritiker bin ich. Hätte ich mir eigentlich auch denken können. Aber wann ist man schon mal Teil eines Romans?
Genörgel: Wie wär's statt der ewigen Nazi-Assoziationen mal mit einem launigen CDU-Bashing? Zu fein dafür?