BookRix

Es passiert auch bei mir nicht oft, dass ich ein Werk dieser Länge im Internet bis zum Ende lese. Aber wenn mich die ersten Seiten fesseln, dann bleibe ich natürlich dran, und das ist bei deinem Roman geschehen.
Dass du dich gleich bei deinem ersten Schreibversuch an ein so langes Werk gewagt hast und es zudem noch so gelungen ausgefallen ist, ist natürlich umso bemerkenswerter. Du solltest auf jeden Fall weitermachen.

Dein Punkt, dass die Geschichte ja aus Harrys Sicht geschrieben ist und dadurch die Eindimensionalität der Charaktere gerechtfertigt ist, finde ich nicht ganz zutreffend. Zwar sind die daraus resultierenden Überlegungen aus Harrys Sicht und da ist es tatsächlich passend, dass er den Menschen um sich gar keine Vielschichtigkeit zutraut und sie somit in einfache Kategorien einteilt, aber die Begegnungen und Gespräche an sich sind ja eins zu eins so geschildert, wie sie stattgefunden haben, und da werden die Nebencharaktere genau so einfach dargestellt, wie sie von Harry wahrgenommen werden. Eine interessante Idee wäre es, wenn du von Zeit zu Zeit einen kleinen Hinweis einbauen würdest, dass die anderen Charaktere doch mehr sind, als dieser Stereotyp, als den Harry sie sieht.

Zum Ende habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, eine wirkliche Idee ist dabei aber nicht herausgekommen. Allerdings könnte es sein, dass wir beide das Ende aus den gleichen Gründen für nicht richtig gelungen halten. Ich habe absolut nichts gegen ein offenes Ende. Aber eine Geschichte mit offenem Ende ist nicht einfach eine Geschichte, die plötzlich abbricht. Ich vermisse in der letzten Phase der Geschichte einfach eine gewisse Linie, an der man eine Entwicklung erkennen könnte. Mir kommt es sogar eher so vor, als würden durch den Austausch zwischen Harry und Ottilia viele neue Fragen und Gedanken in alle Richtungen aufgeworfen. Dadurch entstehen für mich bis zum Abschluss zu viele Möglichkeiten, in welche Richtung sich das alles noch entwickeln könnte. Wie gesagt, nichts gegen ein offenes Ende, aber eine gewisse Richtung sollte für mich schon erkennbar sein.

Aber das nur meine Gedanken dazu ...

Es hat zwar aufgrund der hohen Seitenzahl etwas länger gedauert, aber nun habe ich die Geschichte endlich fertig gelesen und möchte gleich auch meine Meinung dazu kundtun:

Was mir gleich schon beim Lesen des Klappentextes gefallen hat, ist die zugrundeliegende Idee. Anfangs hatte ich zwar noch die Befürchtung, die Umsetzung könnte kitschig ausfallen, habe aber dann schnell gemerkt, dass dies bestimmt nicht der Fall sein wird.
So habe ich gerne die Geschichte des "Loosers" und seinen allmählichen Lebenswandel verfolgt. Die verschiedenen Stationen davon sind interessant geschildert und vor allem die geschickte Einbetung von Gedankengängen, Ideen und Ansichten in die Geschichte haben mir sehr gefallen.

Sprachlich ist der Text ebenfalls gut gelungen. Er liest sich flüssig und der hohe Wortschatz des Autors fällt positiv auf. Die verwendete Ausdrucksweise passt auch gut zum Protagonisten. Allerdings habe ich hier auch meinen ersten Kritikpunkt, auch wenn man den sicherlich in den Bereich Geschmackssache einordnen kann: Für mich war die verwendete Sprache zu wenige abwechslungsreich. Ich mag es, wenn in verschiedenen Situationen auf verschiedene Stilmittel zurückgegriffen wird. Zum Beispiel kurze, prägnante Sätze in verzweifelten oder unruhigen Momenten und längere, ruhigere Sätze in entspannten Situationen.
Noch mehr gestört hat mich dies in den Tagebucheinträgen und später auch Briefen von Ottilia, die sich von Stil und Wortwahl her kaum von Harries Ausdrucksweise unterscheiden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich, dass die meisten der Charaktere, auf die Harry trifft, sehr eindimensional rüberkommen. Das ist zwar gut um der Story und den Gedankengängen des Protagonisten klare Impulse zu geben, wirkt für mich aber an manchen Stellen zu unrealistisch.

Aber wie gesagt: Ich habe den Text sehr gerne und mit viel Interesse gelesen. Die Geschichte bedient sich nicht den üblichen Mustern und hält sich auch sonst (bis auf die angesprochenen Nebencharaktere) von Klischees fern. Mir hat sie also sehr gut gefallen.

Das Ende fand ich etwas abrupt. Ist das wirklich schon als Ende geplant oder wird es noch weitergehen?