BookRix

Welches Zuschauerinteresse Du meinst – meines oder das der Filmemacher – ist mir nicht klar. Ich habe mit Freunden im Nachhinein darüber gesprochen, warum man sich solche Dokus ansieht, wo wir doch an derartigen Tatsachen – leider - nichts ändern können. Warum also sich weh tun und sich den eigentlich schönen Tag vermiesen?
Einer antwortete mir, dass solche Dokumente dazu dienen (können), die menschliche Natur in all seinen Ausmaßen zu verstehen. Dass auch das Schreckliche und Grausame in ihm schlummert, „schlage die Zeitungen auf, und Du liest reihenweise Beispiele davon.“
Doch eigentlich ging es mir (das muss ich im Nachhinein sagen) nicht um die Frage, wozu Menschen individuell in der Lage sind. Hier im Camp 14 sind die Menschenverachtung und das Morden System. Sie sind nicht „gewissenlos“, sondern beziehen ihre Rechtfertigung aus der Tatsache, dass es a) von oben verordnet ist, und b) bei Missachtung dieser Anordnung einem Gleiches droht. Autoritätshörigkeit gepaart mit Angst und dem den Menschen innewohnenden Selbsterhaltungstrieb, der, wenn es darauf ankommt, über Leichen geht, und das über Jahre, ja beim Beispiel des jungen Shin Dong-hyuk über das ganze Leben hinweg, macht aus dem Menschen eine mitgefühlslose, pervertierte Bestie.
Das ist beileibe kein „Fasziniert-Sein vom Unmenschlichen“ (wenn Du mich damit meinst), sondern die traurige Feststellung, was ein faschistisches System aus dem Menschen zu machen vermag. Er, der Mensch, wird nicht gut oder böse geboren. Er wird zu dem, was die Gemeinschaft, in der er das Licht der Welt erblickt und die ihn aufzieht und ernährt, macht. Und da sind offenbar alle Grenzen offen.
Hab Dank für Dein aufmerksames Lesen und Deinen Kommentar.
LG
Lothar

Die Frage, die sich mir stellt, ist: Würden wir es denn nicht genau so machen, wenn es uns beträfe? Ich habe den Eindruck, der Mensch geht oft den Weg des geringsten Widerstandes. Es gäbe auch in Deutschland genug zu tun - und, wer engagiert sich tatsächlich? Wie gerne schiebt der Durchschnittsbürger die Verantwortung auf "den Staat" ab? Wie schwer ist es, alleine schon Vertreter im Betriebsrat o.ä. Gremien zu finden? Wer ist heute noch politisch aktiv?
Und in Deutschland wird noch nicht einmal mit der Todesstrafe gedroht - jedenfalls nicht öffentlich. Inwiefern das Einstellen von Hartz IV Leistungen z.B. in diese Richtung geht, darf sich jeder selbst überlegen.

Finde es gut, dass Du diesen Film und dieses Thema vorstellst.

@June.
Ich stimme Dir insofern zu, als es nichts nutzt, das eigene „Leiden“ mit den vielen, vielen anderen, größeren individuellen oder gesellschaftlichen Katastrophen zu relativieren, um zu dem Schluss zu kommen: „Gemessen an dem geht es mir gar nicht so schlecht.“ Dies war in keinster Weise das Bestreben meines Beitrags.
Natürlich sollten wir vor allem vor der eigenen Tür kehren, Du sprichst zu recht einige Themen an – Betriebsratarbeit, Hartz IV oder gar die Einstellung dieses Hungerlohns, welche einer Verurteilung gleichkommt (ich höre schon die Stimmen, die gegen den Missbrauch einer sozialen Hängematte wettern..).
Die eingänglich von Dir gestellte Frage, ob wir es denn nicht genauso machen würden (wie der Wärter, der Offizier und der 23jährige Shin, der Mutter und Bruder ans Messer geliefert hat), ist in der Tat die, die ich mir nach dem Film ebenfalls gestellt habe, und ich denke, in meinem Beitrag und dem w.o. stehenden Kommentar beantworte ich sie. Auch wenn sie, die Antwort, schmerzlich ist, denn im Grunde wollen wir an den guten Kern des Menschen glauben, vor allem an unseren eigenen, und daran, dass dieser uns in einer solchen Lage zu einem Happyend führen würde, in dem das Gute (in uns) obsiegt. Doch die Frage bleibt hypothetisch und die Antwort, zumindest in Bezug auf Nordkorea, fiktiv. Blicken wir hingegen in den Rückspiegel unserer Geschichte, dann mag dies anders aussehen.
LG
Lothar

Hallo Lothar,
nein, den ersten Absatz habe ich so nicht aus deinem Beitrag gelesen.
Ich wollte einfach nur meinerseits zum Nachdenken anregen bzw. finde, dass durch deinen Text zum Nachdenken angeregt wird.
Die eine These war ja, dass ein Mensch, der mit einem solchen System aufwächst, gar nicht auf die Idee kommt, zu finden, dass er unrecht tut.
Ich habe sozusagen nur noch eins draufgesetzt, mit der Frage, ob denn jemand, der in einem demokratischen Staat aufwächst, tatsächlich viel anders in einer solchen Situation handeln würde.
Aber das ist natürlich alles rein theoretisch.
Ich weiß es nicht. Ich hoffe ja, aber das ist wohl auch eine so extreme Situation, das man nie genau wissen kann, wie die Menschen dann reagieren.
Dein Text regt dazu an, Fragen zu stellen und nachzudenken, und das ist gut, finde ich :) .