Meisterdieb Captain Kitty
Ich gebe zu, ich hatte etwas gänzlich Anderes erwartet bei diesem Titel. Eine spannende, vielleicht witzige Abenteuergeschichte über eine katzenhafte Figur mit dem Namen Captain Kitty. Stattdessen bekam ich eine Liebesgeschichte, in der ein Mann einen anderen erobert und sich von diesem sein Herz stehlen lässt. Das ist stellenweise ganz nett, mehr aber leider nicht.
Ich fange mal mit ein paar... mehr anzeigen
Meisterdieb Captain Kitty
Ich gebe zu, ich hatte etwas gänzlich Anderes erwartet bei diesem Titel. Eine spannende, vielleicht witzige Abenteuergeschichte über eine katzenhafte Figur mit dem Namen Captain Kitty. Stattdessen bekam ich eine Liebesgeschichte, in der ein Mann einen anderen erobert und sich von diesem sein Herz stehlen lässt. Das ist stellenweise ganz nett, mehr aber leider nicht.
Ich fange mal mit ein paar stilistischen Dingen an, die mir aufgefallen sind.
Es muss Buchhändler heißen, nicht Bücherhändler.
„beklaut werden“ – kein sehr eleganter Ausdruck
Auf Seite 6 hast du wiederholt das Wort Nerv/Nerven/nerven verwendet. Das nervt! Das eine oder andere Synonym wäre hier schön.
Dieses „dem anderen die Lippen verschließen“, um einen Kuss zu umschreiben, scheint so ein Lieblingsausdruck von dir zu sein. Er ist ganz reizvoll, ja, doch er nutzt sich schnell ab und wird meiner Meinung nach zu oft in dieser Kurzgeschichte verwendet.
An einer Stelle verwendest du das Wort Cosplayer. ICH weiß, was es bedeutet, aber sicher nicht jeder deiner Leser. Ein anderer allgemeingültiger Begriff wäre vielleicht passender…?
Dann komme ich mal zum Inhaltlichen:
Wozu diese ausführliche Beschreibung seiner äußeren Erscheinung? Ist sein Äußeres tatsächlich so wichtig für die Handlung? Solche Selbstbeschreibungen klingen auch immer sehr eitel und unnatürlich. Wenn jemand sich selbst beschreibt, ist er eigentlich immer eher kritisch und mäkelt an sich selbst herum. Einen Makel hätte dein Protagonist ja haben können, so klingt er zu „perfekt“.
Jeder wohlhabende Mensch also kennt den Meisterdieb Captain Kitty und hat Angst vor ihm? Woher kennen die ihn denn? Hinterlässt er ein Zeichen oder sowas in der Art? Woher wissen die Postboten, wo sie Briefe, die an „Captain Kitty“ adressiert sind, abzuliefern haben? Da fehlt mir irgendwie Info.
Warum wird der nervige Mitarbeiter Martin überhaupt erwähnt? Er spielt doch in der restlichen Geschichte keine Rolle mehr?
Wenn Christian seinen Mitbewohner Michael beschreibt, kommt als allererstes „im Gegensatz zu mir eher unscheinbar“. Dein Protagonist kommt so eitel rüber, dass er mir spätestens jetzt sehr unsympathisch ist.
Die ganze Szene mit dem Gezanke um diesen Erdbeerpudding empfinde ich leider auch nicht als besonders witzig, sondern als kindisch und albern. Welchem Zweck soll diese Szene überhaupt dienen? Der Einführung des zweiten Charakters Michael? Du beschreibst Christian als Buchhändler, der auch Mitarbeiter führt und „nebenbei“ als Dieb arbeitet. Sollte er da nicht viel cooler sein? Ich weiß auch nicht… Überhaupt beschreibst du Michael so, dass ich annahm, er sei heimlich in Christian verliebt und himmele ihn an. Einige Seiten später aber erzählst du, er sei hetero und Christian fände es immer witzig, ihn durch Gesten oder Küsse in Verlegenheit zu bringen. Für mich passt das nicht.
Als Christian den Rothaarigen in dem Club anbaggert, bin ich verwirrt. Bis jetzt kommt er total arrogant und selbstsicher rüber. Auch seine tatsächliche Anmache wirkt zielgerichtet und selbstsicher. Wieso denkt er aber vorher einmal, dass er kein großes Selbstbewusstsein hat und direkt danach, dass er ja Realist sei und der Rothaarige bestimmt nach ihm suchte? Vielleicht ist es einfach nur holprig formuliert. Jedenfalls fürchte ich, es ist nicht so bei mir angekommen, wie du es eventuell gemeint hast.
Und dann: ein heterosexueller Mann, der nur zufällig in der Schwulendisko ist, nimmt das Angebot eines an ihm interessierten schwulen Mannes an, ihm einen Drink zu spendieren, indem er sagt „Das wäre lieb“?! Und nennt ihm direkt seinen Namen?! Überhaupt kommt mir sein Outing/sein Sinneswandel, nur weil ihm der hübsche Christian über den Weg läuft, nicht so richtig glaubwürdig vor, besonders weil er ja später, als er Christian in Verkleidung wiedersieht, betont, dass er vorher „eigentlich hetero“ gewesen sei. Etwas mehr Zögern, Unsicherheit hätte es nachvollziehbarer gemacht. Finn übernimmt viel zu sehr die Initiative, als hätte er es darauf angelegt, einen Kerl zu kriegen.
Was die Bettszene angeht, bist du ja tatsächlich einigermaßen behutsam mit den Worten umgegangen. Du hast vieles nur angedeutet und nicht explizit beschrieben. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass dein Beitrag dem Wettbewerbsveranstalter zu explizit ist und nicht konform mit dessen Erwartungen und Ansprüchen.
Als Michael den Eilbrief an Christian übergibt, erzählst du eindeutig, dass „Captain Kitty“ auf dem Umschlag steht. Trotzdem erzählst du kurz danach, dass Michael nicht ahnt, wer sein Mitbewohner in Wirklichkeit ist. Dicker Logikfehler…
Mein Fazit:
Ich erinnere mich noch an deinen Beitrag zum Drachengold-Wettbewerb. Im Vergleich dazu ist dir dieser Text hier wesentlich besser gelungen. Er liest sich reifer. Liegt vielleicht auch an der Thematik, kann ich schlecht einschätzen.
Was mich aber vor allen Dingen davon abhält, dir hier einen Pokal zu geben, ist die Frage, die sich mir beim Lesen die ganze Zeit aufgedrängt hat: Was hat das mit dem Wettbewerbsthema zu tun? Wieder einmal beschleicht mich das Gefühl, du hast eine Geschichte genommen, ihr an einigermaßen passender Stelle den Begriff „Captain Kitty“ untergejubelt und fertig. Ich weiß, dass Captain Kitty alles sein kann und dass jedes Genre und jedes Thema erlaubt ist. Dennoch sollte deine Geschichte mich als Leserin und später die Jury/Entscheider überzeugen, dass sie zu diesem Wettbewerb und dem Ziel, auf einem Tablet-PC für tausende User zugänglich gemacht zu werden, passt. Mich hat deine Geschichte jedoch nicht überzeugt.