Herrn Rühlkes grauer Rohrstock

Von:
User: KlaRaMar
Herrn Rühlkes grauer Rohrstock

Als ich 1944 zur Schule kam, war das Schlagen mit einem Rohrstock als Erziehungsmaßnahme noch erlaubt. Und unser Klassenlehrer machte davon regen Gebrauch. Er war mit seinem Schicksal sehr unzufrieden und ließ seinen Seelenzustand an uns Kindern aus. Als Soldat an der Ostfront hatte er seinen rechten Arm verloren, „für den Führer geopfert“, wie er dazu sagte, und musste deshalb wieder in seinem Ursprungsberuf als Lehrer arbeiten, obwohl er viel lieber Soldat geblieben wäre.

 

Wenn er bei seinen langen Vorträgen durch die Bankreihen im Klassenzimmer schritt, tat er das stets mit dem grauen Rohrstock in seiner linken Hand. Damit schlug er häufig völlig grundlos auf die Schultische, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und bei jeder Kleinigkeit, die ihm nicht passte, mussten wir eine oder beide Hände vorhalten, und er schlug mit dem Rohrstock auf die ausgestreckten Finger. Nach jeder „Missetat“ verkündete er, mit wie vielen Schlägen sie geahndet wird. Der „Missetäter“ musste dann laut mitzählen, wie oft der Rohrstock auf die ausgestreckten Finger niederprasselte. Stöhnen oder gar Weinen war untersagt, denn „ein deutscher Mann weint nicht“, war seine Redensart.


Stichwörter: 
Rohrstock
Beiträge und Kommentare
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Margo Wolf

Das waren wirklich noch ganz andere Zeiten, aber wie man sehr gut an deiner Geschichte sehen kann, von Streichen wurde man deshalb noch lange nicht abgehalten!
Lg Margo

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KlaRaMar

Gerade in autoritären Strukturen kann man sich nur mit Streichen äußern
LG Klaus-Rainer

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katerlisator

Zum Glück habe ich das mit dem Schlagen nicht mehr kennen gelernt. Mein älterer Bruder jedoch schon.

Die Streiche sind sehr fantasievoll und interessant, besonders das mit dem Zwiebelsaft.

Sehr gut geschrieben.

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KlaRaMar

Danke für Dein Lob. Ja, das mit dem Zwiebelsaft muss man sich merken, das wirkt bei so manchem.

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Gitti

Das interessantes Zeitdokument berichtet von einer Epoche, in der ich noch im großen Teich schwamm. Meine Mutter hatte mir ebenfalls vom Rohrstock ihres Lehrers erzählt. Den auf die Finger zu bekommen, muss sehr geschmerzt haben.
Die Kinder in deiner Geschichte haben sich mit ihren Mitteln gut zur Wehr gesetzt. ((Schmunzel))
Derartige Erziehungsmaßnahmen waren furchtbar und sollten für immer verdammt bleiben.
Du schreibst sehr... mehr anzeigen

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KlaRaMar

Liebe Gitti,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
Ja, es ist so. Auch meine Enkelkinder staunen, wenn ich ihn was vom Rohrstock erzähle. Sie können sich gottlob gar nicht mehr vorstellen, dass das mal eine Erziehungsmethode war.
LG Klaus-Rainer

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Gelöschter User

Grauenhafte Erziehungsmethoden waren damals "in Mode". Aber Werners Idee war Klasse! Gut, dass er nicht aufgeflogen ist!

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KlaRaMar

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar
LG Klaus-Rainer

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Tierfreundin

Habe deine Geschichte mit meiner grösstmöglichen Verachtung gelesen. Musste schnell dein Alter nachsehen. OK, bei uns war es bereits ein Stückchen besser, aber schallende Ohrfeigen waren ebenso an der Tagesordnung. Ich habe nie eine abgekriegt, aber die Jungs... Ich war scheinbar der Liebling unseres Lehrers. Nein, nicht wie du jetzt denkst. Er ist mir nie zu nahe getreten, aber ich durfte oder eher musste die... mehr anzeigen

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KlaRaMar

Auch ich bekam nie etwas ab, denn mein Vater war bei den Nazis ein Funktionär. Und an Kinder von Nazi-Funktionären wagte sich der Lehrer nicht ran.
LG Klaus-Rainer

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schnief

Eine ganz tolle Erzählung und der Streich half!
Klasse verfasst!
Liebe Grüße Manuela

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KlaRaMar

Liebe Manuela,
herzlichen Dank für Dein Lob
LG Klaus-Rainer

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