Vom Leben und Leiden des Esels Pindar
Von: Hartmut LöffelWie kann ein Esel nur „Pindar“ heißen? Was für eine Anmaßung angesichts des berühmten vorchristlichen Dichters! Möchte er sich denn mit ihm messen? Ein verstiegenes Vorhaben!
Andererseits: Hat denn dieser gefeierte Grieche das alleinige Namensrecht? Und wie viele Leute in der Welt heißen nicht auch so? Freilich, manchmal orthografisch etwas abgewandelt. In englischen Sprachgebieten soll es sich ursprünglich um einen Viehtreiber gehandelt haben, der streunende Tiere zurück auf eine gemeinsame Weide trieb oder wegtrieb, wenn sie als Fremde mitfraßen. So ein erlauchter Name ist es also gar nicht. Und überdies: wie sehr einem Esel auf den Leib geschnitten, hört man dem Vokalklang in diesem Wort zu, vor allem lauthals gerufen!
Was für ein sprechender Name also. Und es ist schon so, dass dieses Vokal-Duo auch in den Versen leitmotivisch immer wieder auftritt, ja sogar gleich am Anfang:
„Der kleine Pin erblickte diese
Welt auf einer Distelwiese.
Zur selben Zeit, gleich nebenan,
fraß Vater Pindar seine Bahn.“
Der Einwand gegen diese Verse kann eher daher kommen, dass es sich dabei um ein wenig zeitgemäßes Genre handelt – freilich aber auch um ein schon altes Manuskript, das über fünfzig Jahre im Schreibtischverlies lag.