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Schon wieder ein Esel

Der kleine Pin erblickte diese

Welt auf einer Distelwiese.

Zur selben Zeit, gleich nebenan,

fraß Vater Pindar seine Bahn,

besah ihn kurz und kaute weiter,

bald satter und gesprächsbereiter,

und nach gedeihlich frohen Tagen

begann er Folgendes zu sagen:

„Mein Sohn“, sprach er, „mit Haut und Haar

stellst du den größten Herrscher dar:

den Herrscher über alle Rasen,

Saftwiesen, Felder, Wege, Straßen –

es sei gelobt, nun bist du da,

daß es in diesem Jahr geschah!

    Du brüllst gewiß zu jeder Zeit

am allerschönsten weit und breit,

doch merke dir, mein Sohn, ab jetzt:

Am besten brüllt man stets zuletzt!

    Stolz sei dein Gang, bei deinen Gaben,

dein Wedel hochgestellt beim Traben.

Gib nirgends nach, sei hartgesotten!

Wenn große Tiere dich verspotten,

weis ihnen schnell die Hinterseite,

laß, hohen Haupts, den Schwanz herab

und intoniere einen Trab.

Gewinne möglichst bald das Weite.

    Mit kleinen Tieren sollst du streiten,

an ihrer Wut dich köstlich weiden!

Laß sie bei deinen Ohren schwören.

daß sie in Zukunft auf dich hören.

Du hast die schönsten Eselsohren:

Es sei gelobt, du bist geboren!

Daß es in diesem Jahr geschah,

gepriesen sei’s: Nun bist du da!

    Ein rechter Esel liebt Ideen

und tut, als könnt’ er sie verstehen!

Bedenke, daß du Denker bist,

sofern sie deinen Kopf durchqueren!

Sei mäßig, wenn du mit mir frißt,

denn deine Eltern sollst du ehren!

Doch lern es recht und müh dich zeitig:

Den andern mach das Essen streitig!

Jetzt übe fleißig dein I-A,

denn lernen heißt’s: Du bist nun da!“

 

    Der alte Vater strafft den Rücken

und zerrt und reißt und giert und schlingt

mit kurzen, raschen Seitenblicken:

zu sehn, was er noch unterbringt ...

Doch wie er eine Distel speist,

die ihm schon lang ins Aug gestochen,

schnappt sich der junge Pindar dreist

den Bissen, den er gleich gerochen:

„Mein alter Herr, jetzt herrsch ich hier!

Dies ist ab heute mein Revier!“

    Der alte Esel hört’s und dreht,

bis ihm der Wedel richtig steht.

Er hebt das Haupt, setzt schnell den Huf:

„Ein Esel war es, der dich schuf!“

„Wie wahr!“ brüllt Pin und macht sich groß,

„ach Schicksal: ich bin vaterlos!“

 

 

Der Auserwählte

Am Anfang war der Esel klein,

doch mit der Zeit wuchs er heran.

Und eines Tages fiel ihm ein:

Man sah ihn stets als Esel an.

Bei allen Spielen, allen Taten –

was auch geschah: nur er allein,

ob sie ihn zwangen oder baten:

er mußte stets der Esel sein.

Gewiß, wenn alle auf ihn zählten,

ihn pläneschmiedend auserwählten,

wie war ihm da der Esel lieb!

Doch ganz zuletzt, wenn’s darum ging,

wer dann die größte Dresche fing,

so war’s der Esel, dem sie blieb.

    Weil ihm das sehr zu Herzen geht,

weil er auf gleichem Recht besteht,

ruft er den Schöpfer laut herbei:

Was das für eine Arbeit sei!

„Warum machst du nicht alle gleich?

die einen arm, die andern reich?

Die hassest du, die sind dir lieb!

Und jenem gibst du viel Verstand,

dem andern einen wie ein Sieb!

Nur dem entziehst du deine Hand:

ein Esel ist’s! Das ist bekannt.“

    Wie er so rechtet, trotzt und fleht,

nimmt ihn der Meister ins Gebet,

am Ohr zugleich mit strenger Hand,

führt ihn daran als hoher Richter

ins Reich des Traums, streut in den Trichter

Sinn – und in die Augen Sand:

„An Hoffnung, Glück, an Los und Gaben

willst du sie gleich, gleich elend haben?

Doch sage jetzt: Wer steht zu dir,

wenn dich die Krankheit plagt – und Not!

Wär’s nicht ein Streich, wenn jede Tür

verschlossen stünd, kein Stückchen Brot

der Reiche einem Armen reicht,

weil jedes Tier dem andern gleicht?

Wenn keiner etwas schuldig bliebe,

wer fühlte Leid, wer Nächstenliebe?

Wer wollte helfen, sag: wer bitten,

daß ihn der Bettler freundlich schützt,

falls er einst selbst am Wegrand sitzt?

Was, Esel, wären das für Sitten?“

    Der Esel nickt und „recht und gut“,

meint er beschwichtigt, „mag’s so sein!

Nur frag ich mich, ob’s einer tut!

Wem mir zu helfen, fiel’s je ein?

Sie schlagen mich, statt mich zu schützen,

sie spannen mich vor schwere Wagen

und peitschen los, mich auszunützen,

und noch der Sohn stiehlt mir das Fressen!

     „Weh denen, die sich selbst vergessen!“

Daß er d i e Botschaft überbringe,

im A u f t r a g künde diese Dinge,

bedeutet ihm der Herr und weckt ihn.

    Voll Stolz, daß Gott ihn auserwählt

und große Stücke auf ihn hält,

entschließt er sich zum Dauerlauf

und macht sich zu den Seinen auf.

     Doch als er außer Atem kam,

bald stand, bald selbstbewußt stolzierte,

dann seine Botschaft memorierte:

zum Vortrag einen Anlauf nahm –

da war sie weg! Wie durch ein Sieb!

„Im Auftrag!“ nur noch übrigblieb.

Gar als er humpelnd heimgekommen,

hat man nur noch I-A vernommen.

Und die, die ringsum aufgeschreckt,

von allen Seiten redlich rannten,

die ihn mit Schlägen eingedeckt –

als alten Esel nun erkannten!

Wie lachten sie: „I-A, I-A,

der Sündenbock ist wieder da!“

Wie fühlte er sich unverstanden!

Und Herz und Wedel stark bewegt,

entwich er stolz in seinen Stall,

halbwissend, daß in seinem Fall:

doch irgendwas dahintersteckt.

 

 

Pindar, der Weltverbesserer

Ein Pindar d e n k t. Falls einer kann,

fängt er damit schon zeitig an.

Am besten nämlich, wenn das Ohr

nicht allzusehr den Kopf beschwert

und dieser nicht, so kommt es vor,

gewichtig, das heißt umgekehrt,

das Denkprodukt zu träg entleert.

Kurzum er denkt: „Wenn man mich gerbt,

mir einst die Haut vom Leibe zieht,

wie wird es schmerzen, wenn’s geschieht!

Die Welt ist bis ins Fleisch verderbt:

Sie fressen sich’s mit Lust vom Leibe,

als Kugel, Würfel, Streifen, Scheibe,

und schneiden sich ins eigne noch:

Der eine ist des andern Koch.

Uns Eseln geht’s am allerschlimmsten,

die Tugendsamsten sind die Dümmsten.

Wo Wolf und Löwe sich verkriechen,

ist unsereins gar leicht gefressen:

Es heißt, sie könnten uns nicht riechen –

und sind doch recht auf uns versessen!

Versteh’s wer will! Der Mensch am Werke

frißt sich durch ganze Eselsberge!

Wie? War ein Esel je vermessen,

bei Menschen sich so durchzufressen?

Wer sich mit Gras und Heu bescheidet

und alle Arten Disteln weidet,

der wird zuletzt, so scheint es heute,

dem Bösen eine freche Beute!

Mich dünkt, die Welt ist schlecht geraten:

Am meisten werden wir gebraten!“

     So ging er hin, die Welt zu bessern,

dem Zahn zu wehren und den Messern,

und dachte, sie entstünde neu

aus Lust an Disteln, Gras und Heu.

Und sah den Wolf mit Wasseraugen

behaglich frischen Schweinschmer schmatzen,

das Mark mit seinen Krallen kratzen

und aus den Knochen lustvoll saugen.

„O Mörder!“ rief er, „halte ein!

Klopft dir nichts Inneres im Wanst?

Daß du frei von Gewissenspein

so herzlos weiterfressen kannst!“

 

„Merk dir, ich fühl’s schon innen klopfen,

was mich da drückt! Mit Magentropfen

geht’s allemal; doch sag ich dir:

Gewissen haben Mensch und Tier,

besonders ich! In jedem Falle

gewissenhaft freß ich sie alle!“

 

„O fräßest du wie ich nur Gras

und tote Halme, die nichts leiden!“

 

„Wohl gönnte ich mir diesen Fraß,

jedoch weißt du, von welchen Weiden?

Zuviel von euch steht auf den Wiesen,

ihr tretet platt, ihr tretet breit:

Wie sollten mir da Gräser sprießen?

Ich sage dir, drum bin ich’s leid –

und fresse sie vom Gras herunter,

und manchmal sind auch Esel drunter,

Prachtstücke, sag ich dir, wie du!“

Er sprach’s und schnappte gierig zu.

„Welch feines Gras! So frisch, so roh!

So bleib nur stehn!“

                            Doch Pindar floh –

und traf den Löwen, der versonnen

sich an Gazellenfleisch erquickte,

das Blut war ihm im Bart geronnen,

als er den Trabenden erblickte:

„Was rennst du so“, sprach er, „sieh her!

Verweile nur: Es gibt noch mehr!“

 

„Du Mörder! Oh, du wagst den Raub,

die Tugendreichste ist dir Speise,

du tötest sie! Dein Herz ist taub!“

 

„Genug, mein Freund, du redest weise,

tritt nur heran, ich lausche gern

und lerne manches von dem Herrn,

den ich nach menschlichem Ermessen

beliebe nachher aufzufressen!

Du tadelst mich, man tadelt viel

und denkt sich oft nicht viel dabei!

Ob niedrig, ob mit hohem Ziel:

ihr Fleisch schmeckt trotzdem einerlei!“

 

„Arglos war sie, fromm und scheu,

hättst du ein Herz, du fräßest Heu!“

 

„Arglos? fromm? Du liebe Zeit,

von Herzen fromm fraß ich sie auf,

denn daß mich’s weiter hätt erfreut,

ich wette meinen Magen drauf:

Davon ist nun kein Wörtchen wahr!

So wenig, wie sie arglos ist!

Ich finde es recht sonderbar,

daß man Hals über Kopf und Haar

die Flucht ergreift, gar sich vermißt

und laut, als wäre ich ein Schuft,

um Hilfe und weiß ich was ruft!

Man sagt, ein ruhiges Gewissen,

das sei ein sanftes Ruhekissen!

Und sie rennt fort? Ja ist das Treue?

Treu hat mit standhaft viel gemein,

daß man das helle Licht nicht scheue!

Gazellen sollten standhaft sein?

Doch sieh, ich will dich gern erproben,

wenn du nur tüchtig stehenbleibst,

und dich mit allem Feuer loben,

wenn du die Treue richtig treibst.

Des Treuen Los ist es auf Erden

nicht unbedingt, verspeist zu werden.

Die Probe sei: Beweg dich nicht!“

     Ist auch des Esels Langmut groß,

wenn dieser schlägt und jener sticht,

jetzt widerstand er nicht dem Stoß

und stürzte, blutend aufgerissen,

davon und hinterließ den Bissen.

„So bleib nur stehn!“ Doch Pindar floh

und traf den Menschen. Tief verwundet!

 

Nur, was den Tieren schließlich mundet,

dem Menschen schmeckt's oft ebenso,

doch ist er Mensch und lindert sittlich:

ist jetzt im Helfen unerbittlich

und näht den gut durchwachsnen Speck –

wie bald sind Schmerz und Wunde weg!

 

Und Pindar sprach: „Wie man’s betrachtet,

daß ihr so gut seid und mich heilt

und trotzdem meine Brüder schlachtet,

in Därme stopft, zu Wurst zerteilt:

Ob ihr die Zunge doppelt führt,

wie ihr der Wurst zwei Zipfel schnürt?“

 

„Mein lieber Esel, es gibt Dinge,

die wir hienieden nicht verstehn.

Selbst wenn’s ein Weilchen nach uns ginge,

daß einem nun ein Coup gelingt

und er’s auf hundert Jahre bringt:

Auch ungefressen muß er gehn.

Wär’s da, ganz nebenbei, nicht besser,

man stirbt für andre unterm Messer?

Versteh mich recht, nur angenommen,

du wärst für andre umgekommen:

Wär das nicht sittlich, wär’s nicht wert,

daß man dich denkmalartig ehrt?

Das Leben ist schon wunderlich,

darüber nun beklagst du dich?

Daß unsre Hände doppelt walten?

Zwei sind auch eins, das läßt sich halten!

Ja, Kunst betreibt der Mensch allein:

ein metaphysisches Beginnen!

Denn alles muß zuletzt zerrinnen,

packt er es nicht in Häute ein,

als Stückchen Dauerwurst! genauer:

Dem Augenblick verschafft er Dauer.

Und was ein wenig halten soll:

wird präpariert, dann hält es wohl.

Fließt dabei manchmal etwas Blut –

wie sie auch sei, die Welt ist gut,

und was du mußt, das sei dein Wille,

drum wolle, daß der Schlachter kommt,

entscheide frei, wie man dich fülle

und welche Form der Wurst dir frommt.

 

So bleib nur stehn!“ Doch Pindar floh,

die Prozedur schien ihm zu heilig –

und traf den Wolf! – Ja irgendwo

vielleicht hat man es nicht so eilig.

 

 

 

Der Vorsatz

Einst hat sich Pindar dies gedacht:

Wie klug, ich fresse Tag und Nacht,

so werd ich erst – ich will’s mir gönnen –

das Leben ganz genießen können!

Wer schläft, versäumt die besten Speisen,

vergißt vor Schlaf, ins Gras zu beißen.

Er lobt die unerhörte Tat

und frißt sich eifrig voll und satt.

Nun, wie die Schatten langsam nahten,

die Sonne sich im See verkroch,

da hielt er es doch für geraten,

als er den Stall von nahem roch,

ein wenig nur sich hinzulegen,

zwei Nasen voll der Ruh zu pflegen.

„Denn“, sprach er, „um mich kurz zu fassen:

Ich will auch andern etwas lassen!“

Und schlief beruhigt bis zum Morgen:

Der sah ihn ungeduldig sorgen,

wie es dem Arbeitsamen frommt,

daß er den Hals auch vollbekommt.

Und wütend, weil er sich vergessen,

begann er doppelt schnell zu fressen.

 

 

Pindar und die Katze Lüsticrü

 Kaum ist der letzte Schnee getaut,

ist Pindar unterwegs und kaut.

Beim Anblick der verjüngten Ranken

kommt er in Gang und auf Gedanken.

Gedanken – ach, Gedanken dann ...!

Kurzum, er fängt zu denken an

und denkt, er fängt sich eine Braut –

und zarter noch als Distelkraut.

     Der Teufel will’s: Schon seit der Früh

fängt er herum! Da endlich, spät,

verfällt er auf die Lusticrue,

die Katze auf der Abfalltonne,

die sich zur Höhensonne dreht.

„Ei, mehr als nichts“, so denkt er heiter,

„man macht mal fest und sucht dann weiter.“

Doch als er trabend heimlich schielt,

wie sie mit Schattenkringeln spielt,

da faßt ihn ein so heiß Verlangen,

daß er nicht weiß, wo anzufangen

und wie ihr zu begegnen sei!

 

„Hallo, klein Mieze! Meiner Treu,

ich bin ein Esel und verliebt!“

Er sagt’s und setzt gekonnt den Huf.

 

Sie räkelt sich ...: „Was es nicht gibt!“

und kreuzt zu einem Muff die Pfoten,

„als Gott die Katzen einstmals schuf,

da waren Esel noch verboten!

Wir sind das edelste Geschlecht,

und uns zu dienen, tut man recht.“

 

„Das wohl! Auch wir sind edle Tiere

und sind in unbegrenzter Zahl,

wir sind im Bund mit Pferd und Stiere,

der Wolf liebt uns, selbst der Schakal ...“

 

„Nur wohl so zarte Mäuschen nicht?“

 

Vom größten bis zum kleinsten Wicht!

Selbst die! Wir sind beliebt, geschätzt!

Wir zählen zu der Creme der Welt,

ans Ziel gelangt, wer auf uns setzt,

weil uns Beharrlichkeit erhält.“

 

„Wie schön, daß ihr so stark und groß,

so voller Stehvermögen seid,

wie groß muß euer Herz erst sein!

Ach, nur der Großen Herz ist weit,

der Kleinen Herz so eng und klein!

Mein Gott, was müßt ihr lieben können!“

 

 „Ich kann’s! und könnte dir was gönnen,

denn sieh mich an: wie wohlgebaut!

Wie prall mein Leib, wie dick die Haut,

wie edel dort mein Wedel sitzt,

wie scharf die Ohren angespitzt!

Ach Kätzchen, wahr: mein Herz ist groß,

und Liebe ist sein schönster Schatz!

Ich lieb das Gras auf fetten Wiesen,

ich lieb still vor mich hin genießen!

Wie weit mein Herz! Es hat noch Platz!

Ich lieb, die Distel zu verspeisen,

mich um das beste Heu zu reißen,

auch lieb ich kleine Süßigkeiten,

doch laß ich mich von Kräutern leiten.

Sonst mag ich nichts: s’ist für die Katz,

wie weit mein Herz! Dort hat es Platz!

Und liebe alles dies zugleich!

Mein Gott, was bin ich groß und reich!

Ich hoff, du hast mich eben lieb!“

  

„Ach Esel, sieh: wir armen Kleinen,

wir haben Herzen wie ein Sieb,

zu schmal, zu dünn, daß selbst mit Weinen

noch keine Trauer drinnen blieb.

Und auch die Liebe ist bemessen,

euch ist zu lieben mehr gegeben,

und, Esel, ihr dürft nie vergessen,

daß wir von eurer Liebe leben!

Ihr seid begnadet, sie zu schenken,

den Gönnerblick auf uns zu lenken,

mit eurer Großmut uns zu nähren:

Und deshalb will ich’s dir nicht wehren,

daß du mit kleinen Gunstbeweisen,

mit etwas Milch und fetten Mäusen

von deiner Liebe Zeugnis gibst.

Glaub nicht, ich wolle profitieren

und meinen guten Ruf verlieren!

Nur prüfen, ob du wirklich liebst,

das ist es!“ Darauf schnurrt sie zart

und leckt sich blinzelnd lang den Bart.

  

„Nichts leichter!“ meint der Esel lächelnd,

ihr mit dem Wedel Kühlung fächelnd:

„Hab acht: ein Mäuseparadies

will ich um deine Tonne stapeln,

in dieser Nacht noch soll’n sie zappeln ...

wie feine Disteln: jung und süß!

Doch hoff ich auch auf kleine Gesten

von deiner Neigung, deiner Gunst!“

„Bring mir nur stets die allerbesten,

so ziert dich: Glanz der Fängerkunst.

Man flicht aus Schwänzen dir den Kranz

und krönt dich mit gesalbten Resten.“

     Von Liebesfieber heiß gepackt,

geht Pindar nun auf Mäusejagd.

Er setzt sich vor ein großes Loch.

um auch die dicksten zu erwischen,

dem Liebchen schmackhaft aufzutischen:

Ach Herz, wie bist du weit! ... Jedoch:

so harrt er drei geschlagne Tage,

stellt sich, das Mäusetum in Frage

und resigniert erbost zuletzt.

Er trabt zurück zu ihrer Tonne:

Sie nimmt, wie täglich, Höhensonne

und, wie er schon von weitem schätzt,

scheint sie im Innersten verletzt.

Sie wälzt sich träge bis zum Rand,

doch selbst das Drehen tut ihr weh,

und blinzelnd, halb wie nie gekannt,

schielt sie nach einem Mausfilet.

Dann zeigt sie ihm in ganzer Breite

die schwarzbehaarte hintre Seite.

   „Ich bring sie noch, ich bring sie noch!“

So schreit der Esel tief erbittert –

und sucht sich abermals ein Loch,

vor dem er nunmehr Wochen wittert:

Mit Wehmut, voller Liebesmüh

gedenkt er seiner Lüsticrü.

Und magernd jagt er wild umher

und fühlt, wie seine Liebe leidet:

Sein Herz wird eng und klein und leer!

Nur manchmal, wenn es in ihm streitet,

sieht er sie heimlich: ferne sitzen,

im Bad auf ihrer Tonne schwitzen

wie eine schwarze Königin ...

Treibt ihn dann neu der Sinn nach Mäusen,

entzieht er ihr beherzt die Gnade

und sucht sich eilends zu beweisen,

wie ordinär sie war im Bade.

     So schwand nicht nur der Liebesgrund,

sie nahm auch eines Tags Reißaus,

mit einem Kater jetzt im Bund!

Der Teufel will’s, zur selben Stund –

fängt er die erste tote Maus!

 

 

 

Pindar und der Regenwurm

 Ein Regenwurm, der lang umnachtet,

durch einen ganzen Garten kroch,

kommt endlich stolz, doch kaum beachtet,

aus einer Erdenpore hoch:

Es wurmt ihn sehr nach dieser Qual,

daß niemand hier erschienen ist,

der diesen neuen Bohrkanal,

den Bohrer selbst mit „Hoch!“ begrüßt.

Schon wochenlang, tief in der Erde,

hat er sich täglich vorerzählt,

wie er am Schluß empfangen werde

und stolz zum Oberwurm gewählt;

wie vor der neu erschaffnen Pforte

mit Vivat und mit Schnätträttäng

bei reich berittner Staatseskorte

die Lobeshymne laut erkläng.

     Wie er nun traurig Ausschau hält,

ob er den langen Zug nicht seh,

den er sich drunten vorgestellt,

durchzuckt ihn plötzlich die Idee:

Vielleicht war er zu früh erschienen,

fürwahr, er kam zu zeitig hoch!

und schlüpft, den Lorbeer zu verdienen,

beseligt schnell zurück ins Loch.

     Ein Pindar, der dem Stall entwichen

und sich mit viel Geduld langweilt,

naht tänzelnd auf den Schattenstrichen,

indem er an den Sprüngen feilt.

 

– „Hurra, sie sind’s! Hierher, Geselle!

Berittner, halt! Nur hier heran!“

schreit jäh der Wurm, „sie sind zur Stelle!

Gott Lob und Dank! Es ist getan!“

 

„Ist das ein Grund, daß du so brüllst

und mir mit Lärm die Ohren füllst?

Ich will mich hier ergehn – genießen!“

 

„Es ist vollbracht! Gelobt, gepriesen!

Hier bohrte ich an einem Bande

und baute den Canale Grande!“

 

„Ein Bandwurm, seht! Und welch Geschrei!

Nun sage bloß, was ist dabei?“

 

„Ich hab gerungen, nicht geruht,

durch diesen Garten ihn gezogen!

Bis zu dem Kohl dort ging es gut,

doch schwierig war der letzte Bogen!“

 

Wie lachte da der Esel los:

„Wem nützt es denn, du Gernegroß?!

Und denk dir nur: mit drei vier Sprüngen

kann ich den gleichen Weg bezwingen!“

 

Ja, so besehn, gewiß im Flug:

Dein Maßstab ist ein Wahn: der Wind! –

wie alles Schnelle eitler Trug,

und auch die Helligkeit macht blind!

Hier unten, wo die Erde brütet,

aus Kernen Keim und Stengel schafft,

wo jeder sein Geheimnis hütet

und Wurzeln schlägt mit ihrer Kraft:

Dort ist das Reich, das lohnt zu graben,

zu grübeln, bohren und zu ringen!

Und was wir ihm entrissen haben

durch einen Spalt ans Licht zu bringen.

So hab ich dieses hier gebaut

und warte nun am Ausgang ab.

Ich seh, ich hab zu früh geschaut

und steige besser noch hinab.

Doch hoff ich auf den Ruhm beizeiten,

dann werden sie sich um mich streiten.

Und ich bin sicher, daß sie kommen:

Die große Tat wird leicht vernommen.“

 

„Das klingt nicht schlecht! Um Ruhm in Ehren

war es mir immer schon zu tun;

doch hab ich Grund, mich zu beschweren:

der rechte wollte nicht geruhn ...!

Obwohl ich tänzeln kann und traben!“

 

„Du mußt nur bohren, wühlen, graben!“

 

„Klingt auch nicht schlecht!“ meint Pindar heiter

und stößt das Haupt mit Macht in Erde,

wühlt bis zum Ohr und heftig weiter

und wühlt und stößt und steigt im Werte,

holt wieder Luft, schraubt sich hinein,

er rennt sich fest und bohrt und dreht,

wächst an, schlägt aus, steckt fest – zu spät:

Schon haut der Bauer auf ihn ein

und drischt und zieht ihn aus dem Boden,

verflucht ihn derb als hartgesotten

und schlägt den Zuchtstock kurz und klein.

Doch Pindar stürzt, streckt alle vier’,

liegt ächzend da, vom Graben blind.

 

„Ha, siehst du wohl, so geht es dir,

wenn’s hagelnd tobt – bei scharfem Wind!

Ihr habt der Helle euch verschrieben,

von andern werdet ihr getrieben!

Nur drunten ist man ganz allein!“

    

Die Amsel pfeift: „So wird’s wohl sein“

und packt den Wurm von hinten keck,

die zweite zieht: gleich ist er weg –

dann werden sie, die sich drum reißen,

ihn in den höchsten Tönen preisen.

 

 

 

Pindars Kampf mit dem Schatten

Pindar pirschte tief im Hafer:

kühn als Feldherr, der wohl nascht,

doch den Feind auch überrascht.

Der lagert listig in der Quer,

als Hindernis im Haferreiche

 – im Rücken eine dicke Eiche –,

ganz so, als ob er König wär,

und hinter ihm das Militär

deckt ihn bei seinen dunklen Taten.

„Du, Schwarzer, möcht dir raten,

mach Platz, ich bin der Herr!“

zürnt Pindar laut, „und darum weiche!“

   Der Schatten aber bleibt und schweigt,

wächst noch ein wenig haferwärts,

bis Pindar seine Zähne zeigt:

„Soso“, schnaubt er, „soso“,

das ist ein schlechter Scherz!“,

greift rasch ins nahe Stoppelfeld,

bedeckt den schwarzen Kerl mit Stroh

und stichelt: „So, dir gab ich’s, Held!“

Hoch trabend und mit scharfen Tritten

und stolz, daß ihm die Tat geglückt,

hat ihn der Esel überschritten

und sich ins nächste Feld verdrückt.

 

Ein Rabe, der den Streit besehen,

fing lustig nun zu krächzen an,

sodaß es über Wipfelhöhen

zum Nachtigallensingen drang.

Der Künstlerin erstarb die Kehle

ob solch bejammernswertem Sang,

entrüstet stürzt sie auf der Stelle

in wildem, wirren Flug heran:

 

„Was störst du allen Weltenfrieden

mit deinem bitterbösen Laut,

kein Vogel kann in Ruhe brüten,

und jeder kriegt die Gänsehaut!

Sei still und mach dich nicht so wichtig!“

 

Der Rabe spricht mit Seelenruh:

„Wie ich es sing, so ist’s schon richtig,

du hörst mir, Beste, nur falsch zu!“

Und munter krächzt er drauf ein Lied –

als Sänger und als Störenfried.

 

 

Pindar und die Schnecke

 Es kreuzten sich auf ihrem Wege

der Esel Pindar und die Schnecke.

 

„Was schleppst du da auf deinem Rücken?

Lad ab! Du holst dir einen Bruch:

Das muß dich schlechterdings erdrücken!

Du schmuggelst wohl? Sag deinen Spruch!“

 

„Der Ton, mein Herr, wer wird denn gleich!

Ich bin ein adeliger Sproß,

von zartem Leibe, glatt und weich!

Dies ist mein Haus: Ich baute groß,

ich schulde solches meinem Stande,

im Unterschied zu solchen Schnecken,

die würdelos am Waldesrande

sich auf die Nacktkultur verlegen –

und rot vor Scham und schwarz vor Schande

gemeiner, roher Sitten pflegen!

Gerade tat ich ein paar Schritte,

mich vor der Tür zu amüsieren,

und es ist edle, hohe Sitte,

in meiner Gangart zu spazieren.“

 

„Das ist wohl reichlich übertrieben:

Wer eilt, nur der erfährt die Welt!

Und Sklave ist stets der geblieben,

der sich mit Lasten rücklings quält.

Der Freie nur – wie ich – lebt edel,

vergnügt sich tags auf breiten Straßen,

macht Reisen, putzt sich, schwingt den Wedel,

kann hungernd Heu und Disteln grasen!

Kurzum, er lebt nach seiner Wahl,

und abends kehrt er in den Stall.“

 

„Wie nichtig, pöbelhaft, gemein:

auf Straßen reisen, Disteln weiden!

Seht nur den Schneckenkodex ein:

‘Du sollst gemeine Speisen meiden,

sodann die vielbereisten Orte!

Die zarten Blätter schmecken gut

und Beeren von der besten Sorte:

Nur so gewinnst du blaues Blut

und Adel von dem besten Saft!

Salat sei deine Leidenschaft!

Geh nur zwei Schritte vor das Haus!

Vergiß dich nicht beim besten Schmaus!

Du sollst dich nachts nicht unterkühlen!

Trag züchtig stets dein Aug auf Stielen!

Droht dir Gefahr, schnell mach dich klein,

zieh dich zurück ins Haus hinein!

Beherzigst du d i e zehn Gebote:

So wächst dein Haus, du trotzt dem Tode!’“

Die Schnecke sagt’s, hat sich geschneuzt,

und grüßend Pindars Huf gekreuzt.

 

Der stand und sann, begann zu traben,

ergrimmte bis ins Innere tief:

die Lebenskunst verkannt zu haben,

verfehlt, wo war sein Adelsbrief?

Er haschte hier und da ein Blatt

und fraß an der und jener Beere,

verspeiste einen Kopfsalat –

und fühlte seine Erdenschwere:

wie fern ihm noch der Adel war,

sein Eselsgang der Hoheit bar.

Jedoch gelang es mit den Tagen,

sich bei Gefahr recht klein zu machen,

die schmale Kost nun zu vertragen,

das blaue Blut zu überwachen,

die Augen züchtig und auf Stielen

mit Maß und Sitte zu verdrehen,

um heimlich forschend zu erschielen,

ob rücklings sie ein Häuschen sähen:

den Adelsbrief! – und übte strenger!

Sein Mut war lang, die Zeit noch länger,

am längsten war sein Gramgesicht:

Auf seinem Rücken wuchs es nicht! –

   Und wie er auf die Straße blickt,

die er so oft mit Lust bereist,

wo er – als freier Herr – vergnügt

am Rand geschmaust, getrabt zumeist,

sieht er an einer Distelecke

entseelt und nackt die tote Schnecke.

Und wie er sinnt, da ist ihm fast,

als hab er lange nicht gegrast!

 

Pindar und der Igel

 

Dem Igel Schmirz, der sich ergangen,

um hier und da was einzufangen,

fiel plötzlich und aus freien Stücken

ein großer Apfel in den Rücken.

Noch größer war jedoch der Schreck,

der Schmirz in seiner Not durchfuhr:

Der Attentäter ging nicht weg

und stak in seinen Stacheln stur!

Er wand und wälzte sich ein Stück –

Umsonst! Der Kerl saß im Genick!

Wie klein war Schmirz, wie groß sein Jammer!

    

Ein Pindar sah’s mit wachem Auge

und fragte, was der Rucksack tauge.

 

„Nun, Esel, schau: die Speisekammer

nützt nur, wenn sie auch greifbar ist,

das eigentlich ist meine List!

Ich drehe meinen Kopf – und esse!

Und Esel ... daß ich’s nicht vergesse:

Ich wollt dich längst dank deiner Taten,

die mich aufs äußerste begeistern,

zu einem leckern Apfel laden!

Es fragt sich nur, ob wir ihn meistern!“

 

Der Esel lacht: „Wir? – Ich allein!

Gib her! I-A! Er ist schon mein!“

und stieß sein Maul ins Stachelkleid,

wohl ziemlich fest – nicht allzuweit!

Denn dieses Obst, zum Aberwitze,

bot seiner Zunge eine Spitze

und lehrte sie in dieser Lage,

wie klein sie war, wie groß die Klage!

Der Esel voller Schmerz und Rache

verfocht noch einmal seine Sache,

jedoch: er stach sich nur recht wund,

denn Apfelschmirze schloß sich rund.

     So hatte jeder seinen Zorn:

der Igel hinten, Pindar vorn.

 

Fortsetzung für friedliebende Gemüter

 

War’s durch die Heftigkeit der Stöße?

Der Apfel gab sich eine Blöße

und trat den Rückzug eilig an:

fiel seitwärts weg und rollte dann.

     Schnell war der alte Zwist vergessen,

jedoch: wie teilten sie das Fressen?

Dem Esel bliebe nur ein Happen,

schon wollte er sich alles schnappen,

worauf der Igel freundlich sprach:

 

„Wie siehst du aus? Dort, geh zum Bach

und wasch dir schnell die Wunden aus!

Ich kümmre mich um unsern Schmaus,

kommst du zurück, ist er bereit,

vermeiden wollen wir den Streit:

Wer dich zum Herrn, zum Freunde hat,

wird schon durch deine Großmut satt,

denn nichts trägst du uns Kleinen nach ...“

 

Stolz wendet Pindar sich zum Bach.

Kaum ist der Esel außer Sicht,

verdrückt der Igel das Gericht:

zuerst das Fleisch, den Kern zuletzt.

     Man denke sich den Esel jetzt,

wie er gleich auf den Igel fährt,

wenn er vom Bach zum Schmausen kehrt.

 

 

Fortsetzung für noch Friedliebendere

 

Ist es nun Schicksal – oder Glück?

Der Esel kommt nicht mehr zurück.

 

Pindar, der Denker

... kurzum, er gab sich einen Stoß

und wölbte Stirne, Bauch und Schweif

und dachte stolz: „Ich will nun denken,

denn stattlich bin ich: daher reif,

mich in Verborgnes zu versenken!“

Er schloß ein Aug, ein Nasenloch

und hielt den Kopf besonders hoch:

 

„Was ich bis jetzt gedacht, getan,

war mittelmäßig und profan.

Doch nunmehr will ich mich besinnen

und so den rechten Ruhm gewinnen!

Ich bin begabt und hab was los:

im Wurzel-Ziehen bin ich groß,

ich lös beim ersten Mal zumeist,

wo andre sich vergebens schinden;

ich stoße zu den tiefsten Gründen,

denn unersättlich ist mein Geist.

Ich beiß mich fest – verzage nicht!

Wenn etwas schmeckt, ich zieh’s ans Licht!

Leicht faß ich auf, ich schließe scharf,

beharrlich kau ich bei Bedarf!

Mein Geist trennt Hafer von der Spreu,

selbst fettes Gras von dürrem Heu.

Wo’s Rechte sich zum Maule kehrt,

da ist das Leben lebenswert!

Was also ist noch auf der Welt,

das sich vor mir verborgen hält,

dem Herrscher über alle Weiden?

Wer will mir dieses Recht bestreiten?

Und doch hat es mir oft geschienen,

daß mir zu wenig Tiere dienen!

Es mangelt mir an Untertanen,

und dazu muß ich sie ermahnen!“

     Mit Spürsinn und mit schnellen Schritten

verfolgte er die nächste Fährte

und trabte wachen Auges mitten

ins Lager einer Schweineherde.

Es war recht schwer, Gehör zu finden

und sich als wahrer Herr zu zeigen,

doch als er seinen Wedel steigen,

an ihren feisten Backen hinten

die Kümmerlinge fallen sah,

wie überlegen schrie er da:

 

„Was hier auf meiner Weide grast,

ihr Untertanen aufgepaßt!

Ich herrsche hier von Gottes Gnaden!

Das Gras ist fett und gut geraten,

ich seh’s mit Freude und erlasse,

daß weiterhin kein Schwein hier grase!

Zum Besten ist es euch erdacht,

daß ihr euch aus dem Staube macht,

denn eurem König sollt ihr dienen!“

    

Die Oberschweine pufften sich,

und finster wurden ihre Mienen.

Das dickste sprach: „Wie ärgerlich!“

Das größte grunzte fürchterlich,

und eines quiekte bös zur Seite:

„Ihr hört’s: wir bleiben auf der Weide!“

„Jaja, wir bleiben, ganz genau!“

frohlockten Ferkel, Eber, Sau.

   Aborstulus, ein greiser Baß,

der Grunzbejahrte in der Meute,

stieß ihn von hinten halb zum Spaß,

und alles quietschte laut vor Freude.

 

„Wer bin ich denn!“ schrie Pindar, „wehe!

Ihr setzt aufs Spiel, daß ich gleich gehe,

ich habe nichts mit euch gemein!“

 

„Das eben ist’s!“ schnob wild ein Schwein

und knuffte mutig ihn von hinten:

„Was wär es auch, ich kann’s nicht finden!

Und du willst unser König sein?

Wo ist dein Bauch? Wie kurz dein Bein?

Wie prall dein Leib voll feisten Fetts,

wie groß die Zahl der Koteletts?!“

 

„So ist’s!“ schrie eine Sau verwegen,

„kann er ein Borstenkleid vorlegen?

Hängt er den Rüssel nach dem Winde?

Wo hat er denn sein Angebinde?

Wie will er schnüffeln, wie denn wühlen,

wie sich im Grunzen glücklich fühlen?

Er mit dem hagern Clownsgesicht!“

Und alle schrien: „Er kann es nicht!“

„Was hat er unter uns verloren,

er mit den spitzen, magern Ohren!

Dies ist nicht sittlich, denn was gilt,

entscheidet stets die Überzahl!

Für Ferkel ist’s ein schlechtes Bild

und fördert ihre Unmoral!

Weil man sich vor ihm hüten muß:

ist es gerecht: Schleift ihn zum Fluß!

Wer weder Sau ist noch sie ehrt,

den töten wir, er ist nichts wert!“

 

Und abermals rief Pindar: „Wehe,

verflucht sei, wer sich ausgedacht,

daß ich mich unvollkommen sehe!“ –

und spitzte schon sein Maul mit Macht

und quiekte, ach, so weich und süß:

noch schöner als ein Schwein gewiß!

Und länger noch, kaum mit Akzent,

genug, daß man Genie erkennt!

Er wölbte seinen Bauch zur Glocke

und ging, bestrebt sich zu erweitern,

die Fleischbezirke zu verbreitern,

das Bein zu kürzen – in die Hocke.

 

„Den Herrscher hab ich nun gezeigt,

der sich zu euresgleichen neigt

und der es gern vom Volk erleidet,

daß es sich seine Gunst erstreitet.

Gerüstet bin ich zum Applaus!“

 

Doch wieder grunzten sie ihn aus

und hielten sich die fetten Flanken,

und Ferkel, die zu Boden sanken,

die wälzten sich vor Heiterkeit.

Zugleich erstritten sie voll Neid

die große Gunst, den hohen Herren

am langen Quastenschwanz zu zerren.

 

Und „weh!“ schrie Pindar, „dreimal wehe,

daß ich so wenig Achtung sehe!

Verflucht sei, wer mich zu euch rief,

ihr dankt es eurem König schlecht!“

 

„Du siehst die Sache reichlich schief,

hier bin ich König, du bist Knecht!“

schreit plötzlich eine dreiste Sau.

 

„Misch dich nicht ein! Und schweig als Frau!

Ich bin’s!“ ergrimmt Aborstulus:

„Wer hat denn hier den dicksten Bauch?!

Und wer, sagt mir, den plattsten Fuß?!“

„Was!“ quietscht ein Ferkel, „auch! Ich auch!“

Und alle strecken ihren Wanst

und zeigen den geballten Speck,

 

und wie die ganze Meute tanzt,

da stiehlt sich Pindar leise weg.

Zu Berge standen Haar und Ohren!

Doch schließlich fand er’s wunderbar,

daß er am Ende ungeschoren

ein Esel blieb, ein Esel war!

 

 

 

Pindar und die Fliege

Ein feister Esel von Format

lag lustlos kauend, träg und satt,

bedächtig sinnend tief im Grase

und rümpfte genial die Nase:

„Was hab ich doch“, begann er richtig

und schwenkte lässig seinen Schwanz,

„vollbracht im Leben, ja allmächtig ...

    Wie unverschämt! Da: eine Fliege

macht sich auf seiner Nase wichtig,

übt sumselnd einen Solotanz –

 

„Du freches Biest, wenn ich dich kriege,

paß auf, ich gerbe dir das Fell!“

Er sagt’s und redet sich in Rage.

 

„Mein Herr, der Tanz ist aktuell“,

meint taktlos trippelnd das Insekt

und klettert emsig zur Etage,

wo sich das Röhrenwerk erstreckt.

„Was er nur will, fang er mich doch!“

neckt sie mit Mut aus sichrem Loch.

 

„Ich warne dich!“ Genial im Grase

zerstößt er schreiend seine Nase.

„I-A! A-I! Wenn ich dich kriege!“

 

„Versuch es doch!“ narrt ihn die Fliege

und tänzelt höher auf der Stiege.

    

    Doch was zuviel ist, ist zuviel,

wer sich erhöht, der fällt auch bald

und oft in einen Hinterhalt.

Er holt tief Luft und: „Du bist mein!“

zieht er sie weit und hoch hinein.

„Jetzt hab ich dich!“ höhnt er ... und niest!

Und niest heraus das dreiste Biest

und niest ins Gras und niest ins Feld

und niest, auch wenn er an sich hält,

niest mit Charakter, mit Gefühl,

mit Zorn, ins Blaue und mit Ziel,

und niest, bis er vornüberfällt.

    Ein Pindar, der vorbeigetrabt

hat das Histörchen aufgeschnappt

und unversehens sich beeilt

und ein Gedicht zurechtgefeilt.

 

 

Pindar und Pindarette

 „Zur Neige geht nun bald mein Leben“,

sprach Pindar traurig und erschrak,

„es ist bei meinem hohen Streben

ein ungewöhnlich harter Schlag!

So bleibt mir, wenn auch reichlich spät,

das Alter würdig zu beschließen:

mit einer schlanken Pindarette

den Lebensabend zu genießen.

Wer altert, bleibt nicht gern allein,

und besser ist’s, versorgt zu sein.

Auf meine Haut will ich mich legen.

laß mich verwöhnen, hegen, pflegen

und gönne in den greisen Tagen

vom Besten nur dem alten Magen.“

     So hielt er Umschau und erspähte

die allerliebste Pindarette:

Noch schlanker als ein Eselsohr

und zarter als betautes Gras

roch sie bescheiden hier am Rohr

und naschte da und dort zum Spaß.

Und Pindar rief: „Welch Augenspiel!

Das Fell so grau! Das Haar so seiden!

Sie frißt bestimmt nicht allzuviel –

es sei gelobt, ich kann sie leiden!

Bedenkt man’s gründlich, tief wie recht,

ist sie aus edelstem Geschlecht.

Potzblitz, wie will ich renommieren,

hab ich sie erst im Eheeisen!

Sie werden den Verstand verlieren!

Es sei gelobt: ich muß sie preisen!

Welch süße, ungeahnte Beute!

Ach Schicksal ...! Wie beginn ich’s ? Wie?

So lebt sie letztlich mir zur Freude,

es sei gelobt: Ich liebe sie!“

    

   Sie schlug die Wimpern sanft zur Erde

und barg die großen dunklen Augen

in einer fraulichen Gebärde,

eh sie dem Fremdling mehr gewährte

und Zutritt seinem dreisten Huf.

 

Und Pindar sprach: „Du hohes Wesen,

ich bin ein Mann von bestem Ruf,

an Ohr und Schwanz gleich auserlesen:

Kaum war’s ein Esel, der mich schuf,

denn sieh nur meine Stirn von Rang,

dahinter klassische Ideen ...:

Du tätest gut, ein Leben lang

die Ehe mit mir einzugehen!

Mein Gang ist stolz, mit Kunst geziert –

Wie könntest du d e n Schritt bereuen?!

Mein Nackenhaar ist graumeliert:

D e r Anblick soll dich stets erfreuen!

Ich bin von ungestümer Kraft:

In allem bin ich Leidenschaft!“

    

Und Pindarette, die so nah,

den wilden Freier – schüchtern – sah,

bedachte heimlich, guter Dinge,

was er ihr in die Ehe bringe:

„Ist er ein Denker, mag er denken

 – was mir so äußerst unbequem –,

wie er mir Leckerbissen schenken,

mich nähren will! Wie angenehm!

Ach Schicksal, welche Augenweide:

So lebt er letztlich mir zur Freude!“

Und lächelnd hob sie ihre Lider

und ließ sie langsam züchtig nieder:

 

Im Augenblick, nur sie im Sinn,

schmolz Pindar mit „I-Ah!“ fast hin,

doch seufzend fand er nichts dabei,

zu wissen, was die Mitgift sei:

 

„Ich habe Haare auf dem Schwanz“,

begann sie zaghaft ihre Rede,

„ein Schwanz mit Pointe: Voll und ganz

besteh ich drauf: das hat nicht jede!

Mein Fell ist taubengrau und weich,

die Wimpern lieblich, lang und schmal!

Nun sage mir, bist du nicht reich?

Braucht es noch mehr zu deiner Wahl?

Mein Leu-mund, den ich täglich pflege,

ist einer von den allerbesten:

Wie ich mich schinde, mühe, rege,

um diesen Nimmersatt zu mästen,

sitz ich nicht täglich z u  G e r i c h t?

Nun, werter Herr, genügt das nicht?“

    Kurzum, weil beide so verschossen,

so war die Ehe schnell beschlossen.

 

     Die erste Zeit der Flitterwochen

war heiter und im ganzen treu,

verlief, wie vorher abgesprochen,

mit Reisen, Fressen und im Heu.

Sie neckten sich und trieben Späße

und rauften sich um fettes Gras,

nur – daß sie manchmal zuviel fresse,

ja täglich etwas übers Maß!

bemerkte Pindar tolerant

und jagte täglich angespannt:

die allerbesten Leckerbissen

vor ihrem schmalen Huf zu wissen.

     Und dann geschah’s, verstohln jedoch,

kam über sie das Ehejoch

und legte beide an die Kette:

den Pindar und die Pindarette.

Sie saß den Tag lang „zu Gericht“

und opferte sich ganz der Pflicht,

den Leu-mund dick und fett zu pflegen,

 – mit Kräutern, Bissen, die er jagte –,

sich auf die faule Haut zu legen,

wie’s ihr nach Herzenslust behagte.

Gefräßig stets, doch stets auch heiter,

nahm sie ihm bald das Denken ab:

trieb morgens schon zu schnellem Trab

und dehnte sich und wurde breiter.

Er aber lief die Hufe dünn,

verlor die Fassung rund ums Kinn

und wurde schmal und willenlos

mit dunklen Augen, sanft und groß ...

 

Pindar und sein Schatten

 

Der alte Esel, weis und grau,

dreht sich herum und – wie entsetzlich:

ein Schwarzer Wurm! Er sieht’s genau,

liegt ihm am Leibe: nah und plötzlich!

Er schließt die Augen fest und bang

wohl eine Schrecksekunde lang.

Jedoch der Schatten – längs, auch quer –

schmiegt sich nur enger an ihn her.

Der Esel sinnt, wie er’s erreiche,

daß er dem Drachen heil entweiche,

und hadert – nicht von ungefähr –,

wie alt und was er im Vergleiche

zu frühern Zeiten jetzt noch wär:

Sein Eselsohr knickt mehr und mehr.

Doch faßt er heldisch den Entschluß,

daß etwas nun geschehen muß:

Denn sieh: der Lindwurm – längs, auch quer –

schmiegt sich noch enger an ihn her.

„So wahr ich hier der Esel bin!“

schreit er in wild getanztem Trabe,

„und weil ich Mut und Stärke habe,

setz ich auf dich nunmehr den Fuß!“

Er sprach’s und tat’s mit Heldensinn.

Und wie er sich den Mut erschuf:

bekam das Vieh er untern Huf.

Jedoch: das währte bis zur Nacht,

sie brach bald seine Übermacht!

    Doch: lebt er noch am nächsten Tag:

dann holt er aus zum Gegenschlag ...!

 

 

   

E N D E

 

 

Der Autor: Großen Dank für den Applaus! Eine Zugabe? Gewiss, doch ganz anderer Art: nämlich das Porträt eines Vorfahren. Als Mensch hätte er vielleicht noch eine Perücke getragen. Vermutlich war außer seiner herausragenden Stellung auch die seiner Ohren anders und sein Kopf wirkte des steiferen Halses wegen etwas überheblich. Ja, er spricht anders als Pindar, eben ein bisschen altväterlich. Hören wir ihm einfach zu: –

 

          

 

Zugabe: Der Esel als Gastgeber

Der Esel als Gastgeber

 

Wenn der Esel den Gastgeber spielt,

lädt er gewöhnlich die Kleinsten ein:

die Krähe, die hackt, und den Maulwurf, der wühlt,

und den Igel, dessen Freundschaft er fühlt.

Er bittet die kleinsten und brävsten Gesellen,

aus seinem Garten das Beste zu wählen

und aus dem Keller den süßesten Wein.

Sie schmausen und trinken, besiegeln den Schwur

und schwatzen über die Gartenkultur.

 

„I-A“, spricht der Esel, „das alles ist mein, und gepflanzt  hab es ich:

Kohl dort, Spinat hier, auch Wein! Blüht’s nicht, und  adelt es mich?“

Krähe, so sprich nun und – wäge dein Wort!“

 

„Krah! Ist der Kohl auch verdorrt,

der Spinat arg geschossen und klein,

ist doch sonst alles schmackhaft und fein.“

 

„Ei sieh“, sagt der Esel, „ei sieh nur die Tücke!“

Und stampft ergrimmt die Krähe in Stücke!

 

„Maulwurf, nun urteile du; wünsch ich’s, befehle es fast!“

wendet der Esel mit fordernder Miene hin sich zum Gast.

 

„S’ist alles so dunkel... ach bin ja so blind

und seh nur die Pflanzen: wie finster sie sind ...“

 

„Ei hör“, sagt der Esel, „ei hör nur die Rede!“

zerstampft den Maulwurf im Gartenbeete.

 

„Bruder Igel, du weißt, was dir winkt, nun schenke mir ein:

Wenn es dir besser gelingt, will ich dein Schuldner nicht sein!“

 

Der Igel kratzt sich weis am Ohr

und spricht: „Es kommt mir einfach vor:

Das Leben legt es nur drauf an,

daß man den Abstand wahren kann!

Ein jedes Ding enthüllt sein Wesen,

doch nur von ferne kann man’s lesen.

So dein Spinat: geschossen? Nein!

Beschau’s von weitem: zart und klein

streckt er die Blätter hin zur Sonne,

und schlank ist er, hach, diese Wonne:

An jedem Pflänzchen prangen Blüten,

nicht jedem sind sie so beschieden!“

 

Der Esel hört’s und steht gebannt:

Sein Blick streift stolz das Gartenland,

und heiter läßt er sich herbei,

die Schuld zu zahlen: „Igel, ei“,

spricht er, „du darfst dich bücken,

den Lohn dir selbst vom Beet abpflücken:

Ich schenke dir die schönsten Blüten

von meinem weiten, reichen Land!“

Der Igel nickt und pflückt zufrieden,

was ihm die Großmut zuerkannt!

Und weil ihm Großes zuerteilt,

dankt er mit Ernst und strenger Würde

und schultert freudig seine Bürde.

 

Dann ist er wie ein Blitz enteilt!

 

 

Impressum

Texte: Hartmut Löffel, ISBN 9783980014175
Cover: Frauke Löffel
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2020

Alle Rechte vorbehalten

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