Dichter Nebel ließ das Begräbnis an jenem späten Novembertag auf dem kleinen Waldfriedhof bizarr wirken. Vier Schatten trugen einen riesigen Sarg durch den Nebel zu einer schwarzen Gruft. Vor dem Sarg schritt der Priester, in stillem Gebet. Kein Trauernder folgte.
"Sie gehen zu der alten Gruft der Van Helsings", sagte eine alte Frau, die sich schnell bekreuzigte.
"Tepes, Hilde, die Gruft gehört jetzt einer Familie Tepes",... mehr anzeigen
Dichter Nebel ließ das Begräbnis an jenem späten Novembertag auf dem kleinen Waldfriedhof bizarr wirken. Vier Schatten trugen einen riesigen Sarg durch den Nebel zu einer schwarzen Gruft. Vor dem Sarg schritt der Priester, in stillem Gebet. Kein Trauernder folgte.
"Sie gehen zu der alten Gruft der Van Helsings", sagte eine alte Frau, die sich schnell bekreuzigte.
"Tepes, Hilde, die Gruft gehört jetzt einer Familie Tepes", antwortete eine Alte neben ihr. "Es ist kühl", fügte sie hinzu und band sich ihr Kopftuch neu. "Wer mag nur auf die Idee gekommen sein, die alte Gruft schwarz zu färben? Sogar die neue Eingangstür ist schwarz. Der Friedhofswärter erzählte mir, sie ließe weder Geräusche noch Licht in ihr Inneres. Das ist mir unheimlich."
"Da hast du Recht, Anna. Seltsame Leute sind das. Stecken so viel Arbeit in die alte Gruft, aber niemand ist da zum letzten Geleit. Da wird es einem schon seltsam."
Eine vermummte, schwarze Gestalt lauschte den Worten der beiden alten Frauen. 'Kein Licht hinein, kein Schrei hinaus. Gibt es denn ein schöneres Heim?', dachte er, während ein Lächeln sein verdecktes Antlitz überkam. 'Wie seltsam doch das Schicksal spielt. In der Gruft meiner einstigen Jäger werde ich mein Unleben von Neuem beginnen.'
Die Tür zur Gruft stand offen. Die vier Männer stellten den Sarg in ihrer Mitte ab, dort, wo einst der Sarkophag Ludwig Van Helsings gestanden hatte, dem ältesten Sohn Abraham Van Helsings. Der Sarg war riesig und aus schwerem Holz. Er wog so viel, dass die vier Männer nicht wissen konnten, ob er einen Leichnam beinhaltete. Und so geschah es, dass der Priester, nachdem die vier Männer aus der Gruft getreten waren, das letzte Gebet vor einem leeren Sarg sprach. Hiernach verließ er die Gruft, deren Tür einer der Männer sanft schloss, ohne sie zu verriegeln.
Eine hagere Gestalt näherte sich der Tür. Nur sie allein hatte den Schlüssel, mit dem sie sie alsbald von innen verschloss.
"Ja leck mich in de Täsch. Das ist ja Vlad, der alte Halunke", flüsterte Ludwig empört zu seinen Geschwistern.
"Jetzt wissen wir, warum die Gruft verkauft und umgebaut worden ist", schloss Yolanda. "Was sagst du Rüdiger?"
"Ich sag gar nichts. Mit euch beiden rede ich nicht mehr. Reingelegt habt ihr mich, ihr zwei Geilen, vor Hundert Jahren genau wie vor zwei Monaten."
"Nu hab dich nicht so, Brüderlein", sagte Ludwig. "Du weißt nicht, wie scharf es ist, es mit Yolanda zu treiben, und ich weiß nicht, wie scharf es ist, seine Geschwister abzumetzeln. Ich finde, das ist schon brüderlich geteilt."
Rüdiger dachte nach. Ludwig hatte zwar die längeren Nasenhaare, aber auch das größere Kleinhirn. Also gab er nach.
"Ok, ich stimme euch zu, Vlad ist ein Arsch."
"Gut, dann geben wir es ihm doch ein für alle Mal. Ich hab einen Plan, den überlebt kein Vampir. Dafür brauchen wir nur die 'Drei'."
"Sag an, Bruderherz. Dafür werde ich dir auf Ewig verzeihen", freute sich Rüdiger.
Ludwigs Geist lächelte bei diesen Worten und eine innige Umarmung der drei Geschwister brachte ihnen Seelenheil bis zum jüngsten Tag.
Nach elf Jahren wurde die Gruft geöffnet, da Zahlungen an den Friedhof trotz mehrmaliger schriftlicher Mahnung ausblieben. Die Tür wurde aufgestemmt; dem Wärter bot sich ein entsetzlicher Anblick: Der Sargdeckel war geöffnet. Aus dem Herzen der Leiche ragte der Schlüssel empor, der zur Gruft gehörte.
Die Polizei, welche davon ausging, dass die Gruft mit einem gleichen Schlüssel von außen verschlossen wurde, sah hierin einen weiteren Akt von Vandalismus und erstattete Anzeige gegen unbekannt.
Nie sollte jemand erfahren, dass es nur eine Schlüssel gab, der gestohlen und einem im Unbeholfenen, bereits sich im Wahnsinn befindlichen Schreienden in die Brust gestoßen wurde. Vlad Tepes, der letzte seiner Art, verlor die Vernunft dank Stimmen, die er unentwegt hörte und die ihn nicht mehr ruhen ließen. Stimmen, die in nur für Fledermäusen hörbaren Frequenzen Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, sprachen, stritten, den untoten Zuhörer quälten. Und immer begannen sie aufs Neue mit: "Lass uns ein wenig an die frische Luft gehen ..."
"Anzeigen über Anzeigen", polterte der Staatsanwalt und schob genervt einen Stapel Akten beiseite.
Er griff zum Telefon und wählte die Nummer der Friedhofsverwaltung.
Baggerführer Horst schob sich den Helm in den Nacken und grinste Zufrieden. Zwar hatte ihn der Aftrag, eine... mehr anzeigen
"Anzeigen über Anzeigen", polterte der Staatsanwalt und schob genervt einen Stapel Akten beiseite.
Er griff zum Telefon und wählte die Nummer der Friedhofsverwaltung.
Baggerführer Horst schob sich den Helm in den Nacken und grinste Zufrieden. Zwar hatte ihn der Aftrag, eine Gruft abzureißen und die Grube aufzufüllen, ziemlich erstaunt, aber was ging es ihn an.
Außerdem hatte der Friedhofswärter was von 'Anweisung von ganz Oben' gefaselt.
Irgendwer hatte wohl seine Pacht seit Ewigkeiten nicht gezahlt und wäre auch nicht aufzufinden. Also entschied man sich für den Abriss, um den Vandalen endgültig beizukommen.
Horst blickte noch ein letztes Mal kritisch auf sein Werk, dann schwang er sich ins Führerhaus und zuckelte davon.
Ein paar Monate später:
"Mach Dich doch mal dünne, oder noch besser: verdünnisiere Dich endlich ganz!"
Nanu? Diese keifende Stimme kennen wir doch?!
"Aber, mein geliebtes Nobelgerippchen, wo soll ich denn NOCH hin rutschen? Kann ich was dafür, dass die Banausen unser schönes Heim
zugeschüttet haben?!
Auch diese jämmerliche Stimme ist dem geneigten Leser sicher noch vertraut.
"Freut euch, dass uns wenigstens noch dieser kleine Hohlraum geblieben ist und haltet doch endlich mal das Maul ihr zwei Idioten!"
Wenn ein Friedhofsbesucher auf die Idee kommen würde, sein Ohr ganz fest auf den planierten Boden zu drücken, könnte er hin und wieder ein gelangweiltes:
"Lass uns ein wenig an die frische Luft gehen ..." hören.
Sechs Geister auf sehr kleinem Raum,
komprimierter geht es kaum,
lagen sie dem Mensch zu Füßen,
vertrieben sich die Zeit mit Grüßen.
Kein Aas sich um die Sechse schert',
was war dies ew'ge Leben wert?
Hier unten in der Erd Gestein
versauern sie, tagaus, tagein.
Bis irgendwann ein... mehr anzeigen
Sechs Geister auf sehr kleinem Raum,
komprimierter geht es kaum,
lagen sie dem Mensch zu Füßen,
vertrieben sich die Zeit mit Grüßen.
Kein Aas sich um die Sechse schert',
was war dies ew'ge Leben wert?
Hier unten in der Erd Gestein
versauern sie, tagaus, tagein.
Bis irgendwann ein kleiner Fratz,
Klein-Robert hieß er, dieser Schatz,
mit Zitrus-Eis den Ort beschritt,
es bald schon seiner Hand entglitt.
"Plumps", da klebt's auf dem Asphalt,
versüßt sechs Leben, doch schon bald
tritt Klein-Roberts Schuh ins Eis,
nachdem er rannt' durch Hundescheiß.
Doch Glück ist uns'ren Sechsen holder,
ein geklonter Köter schnuppert fein,
uriniert zum Boden, bis dieser sauber,
von sechs Geistern befreit nun scheint.
"Durch diesen Tag seid ihr gereinigt",
sagt Petrus zu der Sechse Schar,
"meine Wege sind oft steinig,
das Ende stets die Pforte war.
Jawohl, ihr habt es nun begriffen,
ein Fegefeuer die Gruft euch war,
nicht ganz wie Alighieri schrieb,
auch ihm war mein Humor nicht klar.
Nun lebet hier im Paradies.
Ein Handel aber, wenn ihr bleibt!
Nie wieder geht es in den Kies,
wenn ihr dafür für ewig schweigt!"