1.
Sie wussten nicht, ob der Mann, den der Andere rechts neben ihm wenige Minuten zuvor aus dem Fluss gezogen hatte, und der nun an dem Mauervorsprung lehnte, sich umbringen wollte oder wegen des Trinkens von einer der Fussgaengerbrücken gestürzt war, die über den Fluss führten.
Ein Taxifahrer war zu den beiden Personen am Fluss hinzugelangt. Er war am Stadtcasino, Cafe Del Sol und einigen Polizeistreifen vorüber und zwischen den Bankgebäuden hergefahren und dann nach flüchtiger Zeit so zum Parkplatz an der Brücke gelangt. Dann hatte er es sehen können. Der Taxifahrer schritt die Stufen von einer der Brücken hinab und stellte sich dann nahe der beiden Schwimmer und Personen auf, die über die matschige Ufererde, den Sand und die unförmigen, größeren Steine am Uferbeet gekrochen waren, wie geschlagene Tiere, Hunde oder beinahe besiegte Schwimmer in einem nächtlichen, widerspenstigen Wettkampf gegen den Tod und das Besiegt werden. Er kniete sich zu dem Mann an der Mauer, der kaum Kraft mehr gehabt hatte zum Schwimmen und dem die Hoheit und Widerspenstigkeit der Strömung beinahe das Leben gekostet hatte. Und der, so sollten sie in Erfahrung bringen, überrascht worden war von den Entwicklungen und Widerspenstigkeiten in der Kunststofffabrik, in der er gearbeitet hatte und die mächtig genug waren, seine Welt niederzuringen.
Er muss jemand von der Kunststofffabrik sein, dachte der Taxifahrer, als er sich zu ihm kniete und das abgekämpfte, blasse Gesicht erkannte.
Er sagte nichts weiter. Es roch nach dem Fluss, Schweiß, Rasierwasser, nach den Brenesseln nahe des Ufers und dem seltsamen Wetttkampf gegen den Tod inmitten dieser angebrochenen Nacht.
Über der Brücke war der Mond und manchmal hörte man Fahrzeuge über die Brücke kommen.
Der Mann, der aus dem Fluss gefischt worden war, lehnte noch an der niedrigen Mauer. Es hätte Minuten später ein Toter sein können. Als ob ein Fischer einen unseligen Menschen und Arbeiter in einer Reuse aus dem Wasser gefischt hatte statt eines verlierenden Fisches, der sich verfangen und beinahe vergeblich gekämpft hatte. Er lehnte barfüßig an der gebrochenen Mauer, und konnte sich nicht wie der Mann zur linken Seite des Taxifahrers erheben.
Die Stromschnellen des Flusses klangen noch immer gewaltsam und aggressiv. Der Mann, der den Anderen aus dem Fluss gerettet hatte, Aaron, blickte über das Wasser, aber er hörte kein Boot kommen, keine Rettungswache, keine Passanten und sah auch nicht das Profil seiner Freundin. Es würde keine feierliche Prozession der Rettung werden, dachte er kurz und lächelte nur kurz, als er wieder den zehrenden, langen Kampf im Wasser in seiner Muskulatur und seinem Atem bemerkte.
Doch ehe er erneut zum Mann am Mauervorsprung blickte, glimmte etwas Zuversicht in seinen Augen auf. Sie waren nicht ertrunken. Es war jemand hinzugekommen und der Taxifahrer begann davon zu sprechen, dass er den Mann, der noch still und wie ein geschlagener Hund am Mauervorsprung lehnte, kannte.
Es hatte in den Vorwochen zwei Selbstmordfaelle gegeben in der Region, bei den Toten handelte es sich um zwei ehemalige Mitarbeiter der Kunststofffabrik, die wegen der Schliessung eines Standortes entlassen worden waren und deren Taten wenige Tage nach den Entlassungen erfolgten, berichtete die regionale Presse. Dann spräche die Belegschaft über einen Vergiftungsfall, so der Taxifahrer weiter. Jemand hätte sich in der Mensa mit Arsen vergiften wollen.
Er kannte ihn von der Kunststofffabrik aus dem westlichen Industriegebiet der Stadt und hatte einiges über die Vorkommnisse dort gehört.
"Das war sehr riskant, gerade zu dieser Zeit und bei der scheiß Strömung", sagte der Taxifahrer, der nach Schweiß und Tabakqualm stank.
„Er muss sich vom Rausch ausschlafen", sagte der Andere und blickte in die Gesichter beider Männer.
"Ja".
Der Taxifahrer erhob sich und wischte mit einem Taschentuch und beim Insektensurren nahe der Brenesseln und der Böschüngen über sein verschwitztes, grobschlächtiges Gesicht.
"Heiliger Strohsack! Gesoffen hat er aber auch, aber trotzdem müssen wir zu einem Doktor mit ihm", sagte er dann. "Vielleicht wirft er sich von der nächsten Brücke."
(...)