Die Tage vor und nach dem Internierungslager

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Die Tage vor und nach dem Internierungslager

 Er blickte über das Feld und dann ging er mit ihr auf das Restaurant zu und in Richtung Parkplatz des Fluggeländes.  

 Gabriel dachte kurz daran, wie es sich weiter mit ihr und ihrer Beziehung entwickelte, und an seine als Korrespondent für eine Zeitung bevorstehende Reise in ein italienisches Internierungslager für die Boatpeople. Es würde bald anstehen. Er würde dahin reisen und über das Kämpfen der Menschen auf dem Mittelmeer berichten, über die Fahrten in den Booten der Armen und profitierenden Schlepper, die sich wie zwischen gewaltigen Verschiebungen und Ozeanen, an Kälte, Hunger, Schakale, an die Tore Europas wagten, die Reise mit den Schleppern und die Hoffnungen in den Booten und dreckigen Baracken würden zum Bestandteil seiner Berichterstattung werden.

Sie schritten weiter. 

 

 Schon vor dem Hinaufklettern in die Kabine hatte er dem Piloten, der im Schatten der Cessna stand und die Maschine inspizierte, die 52 Euro für den Flug überreicht. Bald ging er mit der Frau neben einigen Schaulustigen, die zum diesem Tag der Flugformationsshow der Doppeldecker gekommen waren, auf das Restaurant zu.

 

Es war jetzt später Nachmittag, aber die Sonne erhellte noch einen erheblichen Teil des Geländes. Es gab wohl noch genügend Licht über der Welt.

 

Sie gingen weiter über den Flugplatz, der an Weizenfeldern und einer Militärkaserne lag. Am Feldrand hörte man einen Militärwagen zum Flugplatzrestaurant fahren, aus dem ein Hauptmann ausstieg und zur Terrasse schritt. Auf der Terrasse gab es Leute vom Flugsportverein, eine Kellnerin, zwei Beamte der Stadtverwaltung, einige Zuschauer der noch anstehenden Flugformationen, die Kaffee tranken. Sie stakten über den Rand des Flugfeldes. Gabriel blickte kurz zum Kasernenzaun und dann wieder zu seiner Begleitung: Eine schöne Frau, eine Tänzerin, die er kennengelernt hatte und vor denen eine wichtige Prüfung wegen seiner Reise nach Italien, zum Lager der Kriegsflüchtlinge, ehemals Hungernden und Verfolgten, bevorstand.

 

Einige Wolken waren am Himmel, schwebten über dem Feld und ebenso flach über dem Gebirge, ehe sie dort zerrissen. Sie hatten einen Flug über der Region hinter sich: Stunden, die ihnen eine heile Welt abseits der Stadt vormachten und ihnen gefiel, dachte Gabriel. 

 

Entfernt vernahmen sie bald die Gesprächsfetzen des Wirtes vor der Restauranttür, der den Militärangehörigen zu einem Tisch wies. Sie näherten sich der Terrasse, auf der die Gäste aßen und Bier tranken. Noch immer schien ihn nichts aus diesem schönen, merkwürdigen Zustand mit ihr herauszuholen, dachte er. Schon während des Fluges der Cessna über den hellgrünen Gebirgskämmen, der Pension, einer ausgebrannten Lagerhalle und fast toten Landstraße, neben der sich Rapsfelder und Weizenfelder reihten, zum Flugplatz hatte er mehr über ihre weitere Beziehung bereden wollen. Aber das wird sich wohl entwickeln, sagte er sich. Sie mochte es auch mit ihm zu sein. Sie fragte ihn zu seinem Beruf, seinen Beziehungsvorstellungen, und schien es alles noch ungefährdet zu sein in ihrem Leben. 

 

Vor kurzem hatte es jedoch einen Zwischenfall gegeben: Er hatte jemandem in einer Straße einen Faustschlag ans rechte Auge verpasst, einen Bluterguss mitgeschickt, und das war wegen der Unverschämtheit gegenüber Chayenne, als sie abends zusammen durch eine Straße an einer  Bar entlang gingen. Der Andere hatte sie mit besoffenem Kopf beleidigt, weiter beleidigt und er hatte ihm eine Antwort gegeben.

 

Jetzt dachte er auch an die herausfordernde Reise als Reporter, an seinen Auftrag der Berichterstattung in Süditalien - zu den aus etlichen Ländern und Regionen von Marokko bis Indien aufgebrochenen und internierten Menschen. Sie hatten feste Vorstellungen und sicherlich auch Illusionen bezüglich Europas, dachte Gabriel.

 

Vermutlich würde er da Starke, Schwangere, Getretene und Kriegsgeschundene treffen, die, anders als viele andere, dem Meer und den Lagern in der todbringenden Dürre und Wüste entkommen waren. Das Mittelmeer, die Wüste, die abgenutzten Boote mit den Menschen und ihren Hoffnungen, von denen viele die Strecke über das Mittelmeer unterschätzt hatten, Fabrikler, Ärzte, Studenten, Träumer, seltsame Schicksale gehörten in dieser Zeit sehr oft zusammen. Wie Synonyme eines Wortes, die zu einem Oberbegriff gehörten und Teil der globalen Flüchtlingskrise waren. Menschen, die bleiben durften und andere, die abgewiesen werden würden. 

(...)


Beiträge und Kommentare
Wichtiger Beitrag
Hamburger

Wunderschön! Wirkt sehr echt! Grüße aus Hamburg

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