Zurück vom Soldatenlager

Erzählung Von:
Zurück vom  Soldatenlager

 

Der ehemalige Hauptmann fährt an einer Polizeistation vorüber, stellt bald den Wagen nahe dem Fluss ab und steigt aus.
Er ist in diesen Tagen diesem Versprechen nachgekommen: Jetzt als Heimkehrer, als Zivilist und nicht mehr als Soldat und Teil der Internationalen Koalition in Afghanistan, im Krieg, denkt er kurz.
Bald schreiten sie einige Hunderte Meter weiter den Fluss entlang.

Gleich wird es die für das Mädchen wichtige Vorstellung geben, denkt er, das ist alles fern des Krieges. Es geht hier im neuen Leben in Nordeuropa um eine anständige, gut bezahlte Anstellung und eine Ordnung und wohl Sicherheit, die man wieder leben kann.
Dennoch gab und gibt es den Krieg in jenem Land.
Es gibt das Leid der Völker, die fehlende, demokratische Stabilität und kaum Perspektiven auf ein besseres privates und gesellschaftliches Leben, auf bessere medizinische Einrichtungen und intakte staatliche Infrastrukturen, sichere Zustände, stattdessen, der weiterhin ins Feld geführte Krieg der Fundamentalisten, wenngleich sie dagegen ankämpften.

Zerstörte Städte, Leid, Tod. Zerstörte Straßen, Leid, Tod und die schwache, noch nicht siegreiche Hoffnung auf Veränderung in den Gesichtern des einfachen Volkes. Das hatte er in den Straßen und an den Plätzen gesehen.
Der Krieg herrscht weiterhin und die Minenfelder und Taliban wüten weiterhin in dem Land. Aber jetzt war er wieder in Europa und fern des Krieges und der fehlenden Hoffnungen. Er ist zurückgekehrt und Teil dieser Wirklichkeit und Gegenwart.

Kurz schwadroniert jetzt wieder das sonderbare Gefühl des Krieges, wie ein seltsames schweres Leid. Es gibt die Plätze und oft denkt er an einen Auftrag am afghanischen Kriegsschauplatz, jagen in ihm die Bilder der Trümmer, der Trauerprozessionen wegen eines Kämpfers aus dem Volke für die Demokratie oder wegen eines getöteten, gefallenen Soldaten der Internationalen Koalition.
So vernimmt er es auch in diesen Minuten, vor dem Zirkusbesuch mit der Nichte, zumindest wieder in seinem Bewusstsein.

Unter dem grauweißen Himmel erkennen sie bald die verschiedenen Zelte und Aufmachungen der Veranstaltung. Über einen Parkplatz mit den Wagenkennzeichen aus der Stadt und Region gelangen sie weiter zum Hauptzelt. Sie schreiten über einen Schotterweg, wortlos, nur mit den hörbaren Schritten über den Steinen, weiter zu den aufgeschlagenen Zelten der Schausteller, die von irgendwoher aus der Bundesrepublik oder auch aus Frankreich hierher gereist sind. Es gibt die grellen, großen Werbeplakate und einige Familien, Arbeiterfamilien zumeist, die zum Hauptzelt schreiten.

Sie gehen weiter.
Neben einem Angestellten, noch an der Straße, krümmt sich ein alter, bettelnder Mann, der ein mitgenommenes, schmutziges Gesicht hat, schmutzige Kleidung, als hätte er die Nacht gerade so in der nahen Stadt vor dem Sieg der Kälte überstanden und sich etwas abseits hingesetzt hatte.
Links der Angestellte, der herschreitet. Am Stein weiter hinten der Bettler und bald weitere Besucher.

Sie halten kurz und gehen dann weiter zum Eingang und zur Kasse… Sie gelangen an einem Bierstand vorüber und der Mann denkt, er könne einige Bier trinken, aber schreitet weiter mit dem Mädchen. 

 

Es wird sich woanders mit einem Bier ergeben. Und drinnen wird es ihr wohl gefallen. Vielleicht wird es ihn wirklich ablenken, und unterhalten in dieser neuen Zeit. Eine weitere Leiter ins und Koordinate im Zivilistenleben sein. Im Schatten des Zeltes mit den Pferden hört man leises Reden von Stadtleuten. Sie gehen weiter, ohne zu reden. Er begleitet das Mädchen, weil er es ihrer Mutter und dem Mädchen versprochen hatte und es passt zum wieder ruhigeren Leben und dieser Gegenwart, einige Monate nach seiner Rückkehr aus dem Krieg und den Soldatenlagern in Afghanistan, fern der Gefallenen, umkämpften  Plätze und Strassen, fern der tötenden Minen und Gewehrsalven ...

 

Vielleicht wird es zumindest ihr gefallen, denkt er.
Es wird irgendwelche richtig talentierten Seiltänzer und Tiger geben, die sie zähmen wollen und die man seltener sieht als irgendwelche toten Zivilisten in einem Kriegsland, denkt der Mann. Alles so weit entfernt des Krieges und der Sperrfeuer ... 

 Der ehemalige Soldat und das Mädchen gehen weiter. Er zahlt bald am Kassenwagen und steckt das klirrende Münzgeld zurück in die Tasche. Sie blickt unterdessen zum Plakat am Zirkuseingang, mit einer Abbildung von Betriebsmitarbeitern, Messerwerfern und Tigern darauf, vor einem Feld und Fluss, der irgendwohin (...)


Beiträge und Kommentare
Wichtiger Beitrag
Gelöschter User

Habe es angefangen zu lesen. Schon die ersten Seiten fesseln den Leser. Zum einem wird der Leser von der Zirkuswelt aber auch von der düsteren ganz nebenbei eingebrachten Vergangenheit des Hauptdarstellers gefangen , ja konfrontiert! Genial beschrieben mit tollen Bildern , Vergleichen,.. Absolut lesenswert. Auf einem hohen Niveau verfasst......
Kann nur sagen ...meine Hochachtung!
Liebe Grüsse
Wolfgang

3 Kommentare
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