Klaus, du bist doch der Ältere

Die Bahnen aus frühen Kindertagen bleiben immer befahrbar Von:
Klaus, du bist doch der Ältere
Völlig orientierungslos überlegte ich, was ich als Nächstes tun sollte. Sollte ich etwas zu essen vorbereiten? Würde er vielleicht lieber Bier trinken? Ach, alles Quatsch. Auf jeden Fall wollte ich noch duschen und mir etwas anderes anzie­hen. Nachdem ich mich immer wieder im Bad aus allen Perspektiven begutach­tet, und verschiedene Kleideranproben hinter mich gebracht hatte, betrachtete ich intensiv das Gesicht, das aus dem Spiegel zurück schaute. Es sah mich ver­wirrt fragend mit leicht irr flirrenden Augen an, und erklärte eindeutig: „Lisa, bei dir stimmt irgendetwas nicht mehr ganz richtig. Bleib cool und komm zu­rück auf den Teppich!“. Alles klar, also Jeans und Sweatshirt, wie jeden Abend. Ich zog dann doch ein kleines Schwarzes mit umgehängter Weste und Nylons zu Pumps mit hohen Absätzen an. Warum? Ich weiß es nicht. Ich war tatsäch­lich der festen Überzeugung, dass ich mich nur auf die Unterhaltung mit einem Freund aus frühen Kindertagen freute. Alles andere hätte ich für völlig abstrus und undenkbar gehalten. Der Abend wurde für mich zum Horrorerlebnis. Ich saß neben Klaus auf der Couch, und brachte kaum ein Wort heraus. Wann war mir so etwas schon mal passiert? Ich kannte es von mir überhaupt nicht, und erlebt hatte ich es noch nie. Ich war nie aus Verlegenheit sprachlos geworden, und große Anspannung puschte mich eigentlich immer, so dass ich in Prüfungs ähnlichen Situationen und bei neuen ungewohnten Anforderungen besonders konzentriert glänzen konnte. Jetzt saß ich hier mit bibberndem Zwerchfell auf der Couch, und mir fie­len nur alberne dämliche Bemerkungen ein, die ich keinesfalls aussprechen konnte, zumindest nicht hier und heute Abend. Ich saß einfach blöd da, freute mich, dass Klaus neben mir saß, und musste ihn unentwegt leicht grinsend an­starren. Am liebsten hätte ich mal sein Gesicht angefühlt, aber wie konnte ich nur, was sollte das. Klaus hätte mich mit Sicherheit, völlig zurecht, zumindest für leicht durchgedreht gehalten. Ich wollte ja was sagen, aber die Terrains in denen Komponenten für eine geistreiche, humorvolle, interessante Unterhal­tung zu finden waren, schienen völlig versperrt. Wenn ich ihn so übliche Lang­weiligkeiten, wie: „Wo hast du denn studiert? Wann hast du denn geheiratet?“ gefragt hätte, ich wäre jedes mal losgeplatzt vor Lachen. Klaus hatte versucht, die zunehmend peinlicher werdende Situation zu überbrücken, und erzählte fleißig irgendetwas von sich, von dem ich nur soviel vernahm, wie Musik aus Boxen eines vorbeifahrenden Autos. Er schaute mich an und meinte: „Lisa, mir scheint, dass dich das alles überhaupt nicht interessiert. Du sitzt nur da, siehst mich an und lächelst. Findest du mich lächerlich, oder ist das, was ich erzähle für dich albernes Zeug?“ „Nein, nein, Klaus, nichts von dem, überhaupt nichts.“ wies ich seine Mutmaßungen entschieden zurück, „ich freue mich einfach schlicht, dass du heute Abend hier bist, und neben mir auf der Couch sitzt. Ich frage mich nur, ob wir früher bei uns …,“.

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