Ayşe Die deutsche Frau
Zur Liebe verdammt Von: Carmen Sevilla
Die Geschichte mit dem Schlüssel erzählte ich ihr und dass ich auf Trixis Anruf warte. „Oh, das tut mir aber leid. Ja, Schlüsseldienst ist sehr teuer.“ erklärte Ayşe und ihr Gesicht sagte, dass sie nachdachte und überlegte, wie sie mir wohl helfen könne. „Und warum ruft deine Freundin nicht an?“ fragte sie plötzlich. Ich lachte und Ayşe auch, weil ihr wohl ebenso der Unsinn dieser Frage aufgefallen war. „Ist deine Freundin auch Studentin?“ erkundigte sich Ayşe. „Trixi ist eine gute Bekannte. Ja, sie studiert auch. Eine richtige Freundin habe ich nicht.“ antwortete ich. Ayşe sagte nichts, blickte sinnierend auf die Straße mit einer Mimik, der die sonst üblichen, freundlichen Züge fehlten. „Ist etwas falsch? Stimmt etwas nicht?“ fragte ich sie. „Nein, nein, alles o. k. Nur ich kann das alles nicht. Ich bin kein Türkenmädchen, ich bin eine deutsche Frau und will wie eine deutsche Frau leben, aber man lässt mich nicht.“ erklärte Ayşe und wusste selbst, dass sie es näher erläutern musste. „Deutsche Frauen in meinem Alter arbeiten in der Fabrik, oder im Büro oder studieren. Ich darf das alles nicht, brauche überall Zeugnisse, Unterlagen, Belege, und die habe ich nicht. Meine Eltern haben mich als kleines Kind zu meinen Großeltern in die Türkei gegeben. Natürlich bin ich da zur Schule gegangen, aber das wird nicht anerkannt. Nichts wert, mein Zeugnis. Hier bin ich wie eine, die überhaupt nicht zur Schule gegangen ist. Wie soll ich dann wohl im Bistro die Kasse machen können. Aber außer Bedienung hier, gibt es nichts. Vielleicht ginge auch noch Putzfrau oder Müllarbeiterin, aber sonst brauchst du für alles immer Zeugnisse, Unterlagen, Belege.“ beklagte sich Ayşe. Jetzt tat sie mir leid. Ich kannte Ayşe ja überhaupt nicht, und ich kann auch den Grund gar nicht genau benennen, aber dass sie eine kluge, intelligente, junge Frau sein musste, stand für mich fest.
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