BookRix

Eine mitreißende, spannende und flüssig erzählte Geschichte, wenn auch hie und da das Setzen einiger Absätze, vor allem beim mitunter doch recht abrupten Wechsel der Gefühls- und Stimmungslage der Protagonistin - von Begeisterung über den Anblick der Höhle zu plötzlicher Angst zu Verzweiflung, Müdigkeit, Wut etc. - dem Lesefluss nicht schaden würden.

Das meiste wurde ja schon öfter angesprochen, wie etwa die Fachausdrücke und die Textlogik und charakterliche Motiviertheit und Nachvollziehbarkeit.
Die meisten der hie und da eingeflochtenen Fachausdrücke wie "Insufflement", "Kowalski", "Duckfins", "Tarierjacket", "Lufttrimmen" und "Gerödel" finde ich im Lesefluss nicht so störend, die geben der erzählerischen Stimme eher ihre charakteristische Charaktertönung - allerdings wird es mir dann bei dem Satz bzw. Halbsatz mit den "Sinterfällen", "Speläothemen", "Excentriques", "Boxwork" und "Mondmilch" doch ein wenig zu viel des Guten. Es stimmt schon, eine Geologieprofessorin würde sich wahrscheinlich beim Anblick einer solchen Höhle so oder ähnlich ausdrücken, aber bei fünf Fachwörtern auf einem Raum von fünfundzwanzig Wörtern (also ein ganzes Fünftel davon), die bis auf "rot" und "abenteurlich" mit keiner konkreten und anschaulichen Beschreibung verbunden sind und bei denen ein Durchschnittsleser daher gar kein bis nur ein vages und spekulatives Bild vor Augen hat, wenn er nicht den Lesefluss unterbrechen und zu einem Fachwörterbuch greifen will, ist die Grenze des einem Nichtfachpublikum Zumutbaren für mich dann doch erreicht. ;)
Die Pracht der Höhle ist aber dennoch nach diesem Halbsatz sehr gut und anschaulich beschrieben, sodass beim Lesen - auch in Verbindung mit dem sehr beeindruckenden Coverbild - sofort der Wunsch in mir wach wurde, selbst in dieser Höhle sein und dieses Wunder der Natur mit eigenen Augen sehen zu können.

Bezüglich der Textlogik hat Fabi einige Dinge in Worte gefasst, die mir ohne Taucherfahrung beim Lesen nur vage ins Bewusstsein getreten sind, ohne dass ich sie benennen hätte können - etwa dass die ruhige idyllische Höhle irgendwie so im Kontrast zu der Außenwelt stand, dass sich der Wolkenbruch nicht ganz real anfühlte und dank Fabis Kommentar über die fehlende Wasserströmung und das klare Wasser wurde mir auch klar warum.
Apropos real anfühlen, die derbe Sprache der Protagonistin kam mir mitunter ein bisschen zu ausgeprägt männlich vor. Gut, es kommt sicher auf die individuelle Persönlichkeit an, es gibt sicher auch solche Frauen, aber ich weiß nicht so recht, ob eine Akademikerin, eine Universitätsprofessorin selbst in Wut und Verzweiflung wirklich mit Schimpfwörtern wie "bullshit" um sich werfen würde, und ob es ein "Ihr könnt mich alle mal kreuzweise" ohne Götz-Zitat nicht auch täte. ;)

Und der tiefgreifende Sinneswandel von Caro im steinernen Uterus und die finale Loslösung von allem Alten, das Sprengen der alten Fesseln und der Start in die Freiheit eines neuen und selbstbestimmten Lebens - das ist ja alles schön und gut und auch ein sehr hoffnungsvolles Ende, allerdings stehen die Gedankengänge, die sie in dieser Extremsituation überkommen und dazu bewegen, allem den Rücken zu kehren, in so starkem Gegensatz zu der anfänglichen Charakterisierung der handelnden Personen, dass die finale Entscheidung nur aus ihrer momentan verständlicherweise etwas überreizten nervlichen und emotionalen Verfassung motiviert scheint und daher die Frage aufkommt, ob ihre Entscheidung wirklich so weise war. Jedenfalls drängte sich mir der Gedanke "Jetzt komm mal wieder runter und red dir nicht selber so einen Blödsinn ein" auf, als sie mit ihren Eifersüchteleien wegen der Tauchschülerinnen anfing und ihren Mann bezichtigte, sie mit voller Absicht in der Höhle ersaufen lassen zu wollen, um freie Bahn zu haben und sich in aller Ruhe an ihre Lebensversicherung ran machen zu können. Und obwohl ihre diesbezügliche Annahme sich am Ende als falsch herausstellt, zögert sie keinen Moment, dennoch ihre vorgefasste Entscheidung in die Tat umzusetzen und ohne einen Blick zurück ihren Mann zu verlassen, auch wenn sie ihm doch ihre Rettung verdankt.
Seit ich die Geschichte das erste Mal gelesen habe, habe ich mich eines gefragt - was hätte ich an ihrer Stelle gemacht? Hätte ich ihm noch eine Chance gegeben? Gut, zugegeben, es wirkt schon etwas sonderbar, dass er bei der Rettung nicht da ist, und dass auch sein Auto weg ist - also so verletzt kann er auch wieder nicht sein, wenn er noch selber mit dem Auto fahren konnte. Aber wenn ihm nichts an ihr gelegen wäre, hätte er sie ja nicht retten lassen müssen.
Wie auch immer, im Grunde kann wohl niemand Außenstehender beurteilen, ob ihre Entscheidung aus ihrer bisherigen Beziehung mit Steffen nun wirklich nachvollziehbar, gerechtfertigt und letztlich auch weise ist, denn der Leser erfährt aus diesem früheren und angeblich doch nicht so rosigen Leben wie anfangs angenommen ausschließlich aus ihren überreizten und somit höchst unzuverlässigen Gedanken in der Höhle und kann nicht objektiv beurteilen, ob sie sich nur in ihrer Verzweiflung und Enttäuschung in irgendwelche Wahnvorstellungen hineinsteigert oder ob sie der Wahrheit vielleicht doch näher kommt als es den Anschein hat.

damit es noch durchkommt vor Torschluss, Kommentar folgt.

und schweren Herzens hier mein Kommentar:

So flüssig, so fachlich versiert, so unterhaltsam, so exakt am Thema ... das wäre die volle Punktezahl, hättest du mich nun auch noch von der Logik her überzeugt.
Und die bekam einen ersten schweren Knacks in dem Moment, als sie die Führungsleine zu Boden gleiten ließ. Auf Grund meiner 18 Jahre Taucherfahrung sage ich: Niemals! Und wer taucht auf, ehe er sich vergewissert hat, dass sein Buddy ebenfalls gut durch den engen Gang gekommen ist?
Wenn das Wasser durch den Wolkenbruch mit solcher Macht in die Höhlengänge dringt, warum sieht sie nicht das Wasser steigen, während sie am Strand sitzt? Spätestens beim Wiedereinstieg ins Wasser hätte sie es merken müssen. Wo ist die Strömung die auf dem Hinweg mit ihr und auf dem Rückweg gegen sie arbeitet? Warum bleibt das Wasser in der Haupthöhle glasklar, wenn die eindringenden Wassermassen den kleinen Strand überfluten, während vorher vorsichtige Bewegungen schon Bodenablagerungen aufwirbeln?
Du fängst so stark an und auch während der Seiten, auf welchen ich etwas ungläubig dreingeschaut habe, hat mich dein Schreibstil noch bestens unterhalten. Aber der Schluss, da hast du es dir zu einfach gemacht. der ist, selbst wenn man verschiedene Möglichkeiten durchgeht, nicht logisch nachvollziehbar.

Du weißt, ich bin ein Fan von dir und deinen Geschichten, aber hier fehlt mir an einigen Stellen die Logik, deshalb leider nur 3 Punkte.

Ich bin äußerst fasziniert, wie viel Menschenleben du in diese wenigen Seiten gepackt hast! Und wie viele Fremdwörter! XD
Im Gegensatz zu anderen haben die mich nicht negativ gestimmt. Ich habe sie zwar teilweise nicht verstanden, aber in meinem Kopf formten sich eben die wildesten, kreativsten Gesteinsformationen. Die fremden Worte habe ich sozusagen einfach "überlesen". Sie machten die Geschichte für mich aber dingfest. Da kennt sich jemand aus (oder hat gut recherchiert). Das lässt mich mehr in einer Geschichte versinken, als in einer, wo ich jedes Wort verstehe, aber alles nur mit Allgemeinwissen an der Oberfläche kratzt. Mehr hätte es allerdings nicht sein dürfen! Dann wäre ich mir wohl dumm vorgekommen. XD
Das Tauchen war sehr gut beschrieben. Ohne Ahnung vom Tauchen zu haben, konnte ich mir alles wunderbar vorstellen und nachfühlen. Caros Gedankengänge allein in der Höhle waren faszinierend realistisch. Was mich gestört hat, war das Ende. Wenn Steffen doch nun nach ihr suchen ließ, weshalb hat er sich dann schließlich doch verdrückt. Für mein Empfinden hätte es besser gepasst, er hätte sie höchst erleichtert in die Arme geschlossen und sie hätte dennoch gesagt: "Hau hab! Ich fang' jetzt ein neues Leben an." Ich kann mir schlichtweg nicht erklären, wo er ist.
4 Punkte

Die Einleitung bietet einen Blick auf Carolins bisheriges, schnörkelloses, erfolgreiches Leben. Sie selber erkennt erst in der Höhle, dass sie sich verschwommen hat: Ihre Lebensbahn endet vorerst in dieser Tropfstein-Höhle, in der ihr das Wasser beinahe wortwörtlich bis zum Halse steht.

Wenn man nur funktioniert - der Ideal-Linie folgt - wie viel Eigen-Impuls ist dann in solch einer Lebens-Bahn enthalten? Wie viel Ich-Potential hat sich darin verwirklicht? Es wäre vorhersagbar gewesen - unüberraschend. Eigentlich verplant.

Dieser Tauchgang bietet ihr die Chance zur zweiten Geburt. Der Titel Uterus weist darauf hin - und das Sicherungsseil, was unauffindbar bleibt und das man deuten könnte als Nabelschnur in dieser geistigen Geburt: sie ist unversorgt, abgeschnitten von ihrer bisher vertrauten Welt; und in der Tat ist man in Extrem-Situationen wesentlich eher bereit, sämtliche Werte und Menschen in neuem Licht zu sehen - so wie bei einer Pointe oder bei einer guten Story, wo der Schlussteil ein völlig neues Bild entstehen lässt vom Bisherigen: alles ist verwandelt durch eine andere Sichtweise. Schlagartig.

Es geht nicht darum, ob ihr bisheriges Leben erfolgreich oder erfolglos war - sondern es geht um ihren Eigen-Anteil: wie viel hat sie daran selbst mitgewirkt und inwieweit wurde sie und ihr Leben gemodelt und modelliert, geformt von äußeren Kräften und ihren inneren Kräften, die unreflektiert, un-ichig sind?

Es spricht nichts dagegen, sich beeinflussen zu lassen - doch sollte man in einem bewusst gelebten Leben diese Fremd-Anteile transformieren zu Eigen-Anteilen, indem man sie wirklich versteht, ihre Dynamik erkannt hat.

Carolin möchte die Magmaströme untersuchen rund um den Globus, will die Dynamik verstehen, die unter der Oberfläche sich abspielt. Für mich ein Symbol für ihr Bedürfnis, aufgrund erkannter Zusammenhänge sich wirklich gezielt und selbstgewählt entscheiden zu können - einerlei ob das kleine oder große Lebensziele betrifft.

Ich finde die Idee besonders gut, einen Menschen zweifeln zu lassen an seinem bisherigen Leben, obwohl er eine fabelhafte Erfolgsbilanz vorweisen kann. Man könnte behaupten, solch einem Menschen fehlt das Krisenhafte, das, woran sich eine signifikante Veränderung heranbilden, kristallisieren könnte.

Die Krise nutzen, um sich mental eine Ebene, eine Etage hinaufzubefördern: aus höherer Warte die Dynamik des eigenen Lebensverlaufs verfolgen.

"And when you loose control" - der Liedtext von Pink Floyd drängt sich ihr auf - in dem Moment, wo sie äußerlich keinerlei Kontrolle mehr hat über ihr Leben, gewinnt sie enorm an innerlicher Kontrolle über ihr Leben.

Spannende, mit viel Sachkenntnis verfasste Story.

Gibt 5 Punkte dafür.

LG
Phil Humor

Spannende Geschichte und flüssig geschrieben, passender Titel. Dem Tod näher als dem Leben, Dunkelheit und Stille ... DER Moment, um über sein bisheriges Leben nachzudenken. Für mich keinesfalls ein zu plötzlicher Sinnenwandel, ebenso wenig spielt es keine Rolle ob Steffen bei ihrer Rettung anwesend war oder nicht. Ein bis dato dahin plätscherndes Leben, beide gehen ihrer Arbeit nach. Caro "funktionierte" so wie es von ihr erwartet wird und schon immer wurde. Völlig nachvollziehbar, wie Caro entscheidet, denn wenn nicht jetzt etwas ändern, wann dann? Wahrscheinlich nie.
5 Punkte

Das "Ding" in der Anfangssequenz ist wohl das Seil, die Nabelschnur zum bisherigen Leben. Die Protagonistin, in einer abgeschlossenen, nur durch einen in der Tiefe liegenden Gang mit der Außenwelt verbundenen Höhle wie in einem Uterus festsitzend, sucht das rettende Seil verzweifelt aus eigener Kraft. Nach erfolgloser Suche hofft sie auf Hilfe, zunächst aus der Nähe, von Steffen, dann aus der Ferne, von Gott. Flashback: Wer ist die Protagonistin? Dieser Teil wird im Zeitraffer erzählt. Carolin heißt die flehende Dame; eine glückliche Kindheit, in der es ihr an nichts fehlte, eine sie liebende Mutter, ein verständnisvoller Vater, der seine Ziele den Neigungen seiner Tochter hintenan stellte. Erfolge erarbeitete sie sich mit Eifer, die große Liebe hingegen flog ihr zu. Professur mit 30, zufriedene Eltern, ein sie liebender Ehemann. Aus dem Beschriebenen schließt der Leser: Sie hat sich ihr Leben nach eigenen Wünschen gestaltet und ist glücklich. Kein Wort bezeugt das Gegenteil. - Gegenwart: Eine mitreißende Schilderung der dramatischen Umstände. Dann aber überkommen die Protagonistin Gedanken und Zweifel, die meines Erachtens nicht im Einklang mit dem bislang vermittelten Bild von ihr stehen. Sie spuckt Gift und Galle und auf alles und jeden. Ein Bruch, der den Leser irritieren könnte. Dies hätte durch einen weniger rosaroten Eingangspassus vermieden werden können, der andeutet, dass die Protagonistin sich in ihren Lebensentscheidungen unfrei und konditioniert gefühlt, sowie die Sorge ihrer Eltern als Belastung empfunden hatte. Außen vor: Steffen, den sie gemäß Text aus Liebe, nicht aus sozialem Druck heiratete. Auch hier entspringen die aufkeimenden Zweifel einem unfruchtbaren Boden. Hätte der Leser hingegen bereits eine Protagonistin vor Augen, die ihr Leben aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und bewerten gewohnt war, wären ihre plötzlich auftretenden Zweifel nachvollziehbarer. Der Schluss hat mich verblüfft: Die bis dato als rational beschriebene, ihre Zweifel aus Annahmen nährende Carolin erfährt, dass ihre Vermutungen in der von ihr bislang angenommenen Form nicht zutreffen - ihr Mann hatte die Rettung eingeleitet und somit ihren Tod nicht geplant, war vielleicht abwesend, weil er sich verletzt hat - , beharrt aber ohne Verifizierung auf der Richtigkeit ihrer auf de facto unzutreffenden Annahmen getroffenen Entscheidung. Das ist nicht sehr wissenschaftlich; bei der Dame möchte ich keine Vorlesung besuchen. :) Der Mittelteil ist wirklich stark. Jacob [3 Punkte]

In diesem Buch wird das Thema sehr realistisch und knallhart angegangen.

Ein krasser Unterschied zu "Versunken", aber sehr spannend und packend geschrieben.

Meint Klaus

... ist sicherlich lohnend, aber so leider nicht.

Zu geschwätzig, zu viel Klischee im Nebensächlichen, zu wenig Essenz, Angst und Emotion.

Die Worte Uterus und Wiedergeburt allein genügen nicht, das Gefühlsfeuerwerk der Befreiung einzufangen.

Lediglich die ordentliche Form (Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung) retten die Bewertung:

3 Punkte

Ich muss zugeben, der erste Absatz mit Caros Gedanken hat mich doch beim Lesen etwas abgeschreckt - ein kleiner Teil von mir wollte das Buch an der Stelle zuklappen.
Ein Glück, das ich es nicht getan habe!
Auch wenn die Geschichte ein wenig langsam ins Rollen kommt, sobald sie ihren Start hinter sich gebracht hat, blüht sie richtig auf.
Du hast diesen Tauchvorgang schön lebendig beschrieben, man kann sich das ganze Prozedere, den Ablauf der Handlung sehr gut vorstellen.
Man merkt, das du dich in jedem Fall mit dem Thema Tauchen beschäftigt hast, sonst wäre das alles niemals so real herüber gekommen.
Den Wandel, den Caro in der Höhle durchlebt, ist meiner Meinung nach zwar glaubhaft, aber es geht mir ein klein wenig zu schnell.
Ich finde, so etwas sackt langsamer in die Köpfe von Menschen, die die Tatsachen jahrelang geleugnet haben - wobei es natürlich eine Ausnahmesituation ist, in der sie sich befindet, von daher ist das schwieriger zu beurteilen.
Den Vergleich mit dem Uterus am Ende fand ich eigentlich sehr passend - und er hat auch die Frage geklärt, warum die Geschichte eigentlich diesen Titel trägt, das habe ich mich die ganze Erzählung über schon gefragt ^^
Alles in allem eine ziemlich gute Umsetzung des Themas, die 4 Punkte von mir bekommt ^^

Gruß jastra