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Leseprobe

Metainformationen zum Buch

Studentin Manuela lernt die unheimlich wirkende Jimena kennen und läßt sich von ihr zu gefährlichen Spielchen verführen. Neben der Einführung in Risiko-Sportarten führt eine weitere Überraschung ins Rotlichtmilieu mit erotischem Ausdruckstanz und einer Selbsterfahrung im Bereich Fetisch, BDSM.
Für beide entwickelt sich das hin zu einer zentralen Entscheidung: Volles Risiko ohne Absicherung?

Gefährliche Spielchen

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei:
    1. Titelseite
    2. Metainformationen
    3. Epigraph
    4. Vorwort
      1. Zum Inhalt
      2. Technisches
  2. Erzählung:
    1. Am Fluß
    2. Springen
    3. Balancieren
    4. Klettern
    5. Abfahrt
    6. Ruine
    7. Baukran
    8. Vorbesprechung
    9. Etablissement
    10. Spezialbehandlung
    11. Eisprobe
    12. Im Park
    13. Volles Risiko
  3. Anhang: Kurzform des Textes
  4. Anhang: Titelblatt (Vektorgraphik)

Epigraph

Friedrich von Schiller

Wem ist die Sache nicht leichter erschienen, sobald er sie nur anfaßte?
Nicht weil sie schwer ist, wagen wir sie nicht, sondern weil wir sie nicht wagen, ist sie schwer.

Lucius Annaeus Seneca

Es wäre wenig in der Welt unternommen worden, wenn man immer nur auf den Ausgang gesehen hätte.

Gotthold Ephraim Lessing

Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren.

Vincent van Gogh

Wer wagt, gewinnt.

Publius Terentius Afer

Wenn man das Fahrwasser kennt, dann hat die Hoffnung ihr Recht; aber das unbekannte Fahrwasser, in das man sein Letztes lassen muß, das gibt an keiner Stelle Ruhe.

Lily Braun

Leute, die sich die Finger verbrennen, verstehen nichts vom Spiel mit dem Feuer.

Oscar Wilde

Kein Übel wird beweint, dem man entrann.

William Shakespeare

Aus keiner Gefahr rettet man sich ohne Gefahr.

Niccoló Machiavelli

Es liegt in der menschlichen Seele, das Vergnügen da am höchsten zu empfinden, wo es am meisten an Gefahr grenzt. Nichts entwickelt die Fähigkeiten der Seele schneller als Gefahr und Bedürfnis.

Sophie Mereau

Wer aber nicht mannhaft sowie mutig Gefahren bestehen kann, ist ein Sklave eines jeden, welcher ihn angreift.

Aristoteles

Die Gefahr hat einen solchen Reiz für den Menschen, daß ein jeder sich bestrebt, einen geringeren oder größeren Grad derselben in der Nähe kennenzulernen. – Wenn man daher der Jugend die Gefahr zu lebhaft schildert, die mit einer gewissen Handlung verknüpft ist, so erregt man in den edelsten Gemütern nur einen desto stärkeren Trieb, diese Gefahr zu bestehen.

Dorothea von Schlegel

Wer edel ist, den suchet die Gefahr, Und er suchet sie: so müssen sie sich treffen.

Johann Wolfgang von Goethe

Vorwort

Zum Inhalt

Diese fiktive Kurzgeschichte ist vielleicht abenteuerlich, ein wenig erotisch, vielleicht auch eher liebevoll, wobei das eine das andere mitnichten ausschließt oder auch bedingt. Was als abenteuerlich, erotisch oder auch als liebevoll empfunden wird, ist aber auch eine Frage des Geschmackes und der persönlichen Assoziation oder Erfahrung.

Graphiken

Die skalierbaren Vektor-Graphiken im Buch haben eher dekorativen Charakter. Es handelt sich einerseits um abstrahierte Abbildungen von Personen oder Orten der Geschichte. Bei den Personen-Portraits handelt es sich daher nicht um Darstellungen von realen Personen.
Die Vorlagen für die Portraits stammen von unsplash.com, stehen ferner unter einer Lizenz, welche jedwede Nutzung erlaubt.
Ferner gibt es neben eigenen Graphiken auch noch bearbeitete Graphiken von unsplash.com, openclipart.org, commons.wikimedia.org, pixabay.com mit einer entsprechenden Lizenz zur allgemeinen Nutzung. Eine Quellenangabe ist in der jeweiligen Graphik aus fremder Quelle trotzdem als Meta-Information enthalten.

Technisches

Technisch wurden bei diesem EPUB einige Hilfen integriert, um dem Leser besseren Zugang zum Inhalt zu ermöglichen. Insbesondere sind verschiedene Stilvorlagen im Buch enthalten, zwischen denen gewählt werden kann. Bei einem Darstellungsprogramm, welches EPUB komplett interpretieren kann, wird eine solche Auswahlmöglichkeit verfügbar sein. Von daher kann dann leicht zwischen heller Schrift auf dunklem Grund sowie einer dunklen Schrift auf hellem Grund gewechselt werden. Für eigene Einstellungen eignet sich der ebenfalls alternativ verfügbare einfache Stil, welcher lediglich einige Strukturen hervorhebt oder anordnet.

Wem der voreingestellte Stil nicht so zusagt, kann ja einfach zu einem anderen Stil mit einer üblicheren, schlichteren visuellen Hervorhebung von Absätzen durch einen vergrößerten Abstand zum Absatz davor oder danach wechseln oder die Interpretation von Autoren-Stilvorlagen komplett deaktivieren oder eine eigene Stilvorlage verwenden.

Einige Darstellungsprogramme sind allerdings fehlerhaft und bieten keine Wahlmöglichkeit an. Falls der voreingestellte Stil dann nicht zusagt, empfiehlt sich, einfach die Verwendung eines leistungsfähigeren Programmes, welches EPUB korrekt interpretiert.

Verfügbare alternative Stilvorlagen:

  • hell: Dunkle Schrift auf hellem Hintergrund
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  • einfach: Einfacher Stil ohne Farbangaben, besonders geeignet zur Kombination mit eigenen Vorgaben

Autorin sowie Mitarbeiter dieses Buches haben keinerlei Einfluß auf Mängel, Fehler, Lücken in der Interpretation von EPUB durch das jeweils verwendete Darstellungsprogramm. Bei Darstellungsproblemen sollten diese zunächst analysiert, lokalisiert werden. Dazu kann es unter anderem als erster Schritt helfen, mit verschiedenen Programmen auf Reproduzierbarkeit zu prüfen oder auch mit speziellen Prüfprogrammen zu verifizieren, daß insbesondere im Buch selbst wirklich kein Fehler vorliegt.
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Dieses Vorgehen kann gleichfalls nützlich sein, um Probleme oder Fehler zu lokalisieren. Bei Einzeldokumenten sind überdies andere Prüfprogramme verwendbar.

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Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken sowie Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese auch in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket oder KF8) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB und den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.

Am Fluß

Bekanntlich ist Leben das, was passiert, während wir gerade andere Pläne machen oder verfolgen. Ich habe ganz gerne den Überblick, Kontrolle. Aber plötzlich passiert etwas, eine zufällige Begegnung und alles wird ganz anders. Dieser Kontrollverlust prickelt überdies, ist unheimlich, gefährliche Spiele, bei denen ein Sturz, ein Fall droht. Eine Zurückgewinnung des Gefühls der Kontrolle wird mit einem Rausch des Glücks belohnt. Letzteres gibt es nicht, wenn ersteres nicht durchlebt wird. Dies ist die Ambivalenz des Risikos.

Ich muß wohl weiter zur Erklärung jener Umstände ausholen, wie ein ganz neuer Aspekt in mein Leben geschlichen ist, es im Weiteren belebt, bestimmt hat. Derlei ist allerdings nie eine einseitige Sache.
Begonnen hat es am Fluß …

Also, mein Befund war, einstweilen genug gelernt zu haben, hinreichend über Übungszettel gegrübelt, endlich eine Pause folglich mein Beschluß, also hinaus an die frische Luft.
Gleich am Beginn eines Studiums, gleich im ersten Semester stellt wohl jeder fest: Studieren ist wahrlich deutlich anders, als die vorherige Vorstellung davon, es fordert, so es ernst genommen wird.

Nachdem meine Jacke angezogen war, schlenderte ich also raus aus dem Studentenwohnheim, gemeinhin Silo genannt, unter der Autobahnunterführung durch und daraufhin eine Böschung hinan, hinter welcher an Steilufern unten der Fluß mäandert.
Hier gab es durch die Masch des Flusses fast Wildnis innerhalb der Stadt, dazu Weiden, allerhand Gestrüpp und Wildwuchs, zur anderen Richtung sogar eine Allmende mit Obstbäumen, kurzum Überflutungsgebiet und Naherholung.
Gerne machte ich hier einen Spaziergang oder saß lediglich an einem schönen Platz am Steilufer des Flusses, entspannte ein wenig im Sonnenschein oder im Wind, je nachdem. Seit meinem Umzug in diese Stadt ist ja Herbst oder Winter. Meine Freude zielte allerdings schon auf den Sommer. Jede Jahreszeit hat ihre Reize sowie Möglichkeiten.

Heute steuerten meine Füße beinahe automatisch meine Lieblingsstelle an. Zu meinem Erstaunen erkannte ich aus einigen Metern Entfernung, daß da bereits jemand saß. So schräg von hinten gesehen erst einmal keineswegs so genau zuzuordnen. Die Kleidung jener Person war abgenutzt, aber sauber. Der Anblick des Kopfes verunsicherte mich, nicht nur kahlgeschoren, da schienen gleichfalls Tätowierungen drauf zu sein, jedenfalls war das keine Frisur.

Mir war unheimlich bei dem Anblick. Also wollte ich mich leise, möglichst unbemerkt zurückziehen auf den Weg, keinen Ärger riskieren. Es war zu spät, jene Gestalt hatte mich wohl bemerkt, drehte sich so halb herum, eine Frau, ein wenig androgyn, burschikos. Dieser Eindruck mochte allerdings auch allein an den fehlenden Haaren liegen. Ihr Blick wirkte irgendwie ebenfalls unheimlich, obendrein faszinierend wie jene Muster auf ihrem Gesicht. Meine Füße hatten unwillkürlich einen Schritt zurück gemacht, da lag allerdings etwas wie ein Bann auf meiner Bewegung, letztlich gar Erstarrung unter jenem durchdringenden Blick.

Sie meinte mit ruhiger Stimme: „Hey, keine Panik!
Werde dich nicht gleich auffressen!“
Sie lachte kurz und scharf, ein wenig bitter. Ich schluckte, sie winkte mich mit einer lockeren Geste ihrer Hand heran. Diese wies ebenfalls Muster auf. Ich konnte mich der Wirkung nicht entziehen, machte beinahe automatisch unsichere Schritte auf sie zu.
Sie musterte mich, nickte, meinte: „Habe dich hier schon einmal bemerkt. Du hast mich aber wohl übersehen.
Egal.
Wohl ebenfalls aus dem Studentenwohnheim?
Tippe auf neu zugezogen, Frischling, erstes Semester, was?“

Ich war jetzt nur noch so circa zwei Meter von ihr entfernt, stand da unsicher, nickte nur.
Sie stellte sich vor, winkte abermals: „Mein Name ist Jimena, gleichfalls Studentin, bin schon etwas länger dabei, wohne ebenfalls dort im Silo. Kannst dich ruhig setzen, tue dir nichts.“

Unsicher war ich noch immer, das war eine Studentin?
Ich ermahnte mich: Nur keine albernen Vorurteile!
Auf geheimnisvolle Weise hatte sie eine Wirkung auf mich, welche automatisch dazu führte, daß ich mich ebenfalls an das Steilufer hockte, so einen knappen Meter neben ihr, nickte dazu, erwiderte: „Manuela, wirklich erstes Semester.
Woran hast du das erkannt?“
Sie schaute mich kurz an, erwiderte: „Habe dich erstmals diesen Herbst hier gesehen. Zudem wirkst du noch ein bißchen verloren, noch nicht so richtig angekommen, wie ins kalte Wasser geworfen …“
Bestätigung von mir: „Ist noch alles neu. Indessen, komme schon irgendwie klar.
Du studierst auch?
Hätte ich gar nicht gedacht …“
Sie sah mich wieder an, ein stechender Blick aus diesen Augen mit der eigenartigen Wirkung, als wolle er sich durch meine Augen ins Hirn fressen. Die Iris war gänzlich schwarz, daran lag dieser Eindruck wohl, ein gefährlicher Abgrund.
Sie erwiderte ernst: „Hmmmm.
Vorurteile?
Schließt du gerne von der äußeren Erscheinung auf mehr?“
Ich atmete tief durch, antwortete verlegen: „Ist mir so rausgerutscht, war dumm von mir.
Ist ja nichts dabei, kann jede halten, wie sie will!
Ungewöhnlich siehst du schon aus.“
Sie zuckte ihre Schultern, erwiderte: „Naja, du wirkst so angreifbar wie ein angeschossenes Reh, deine Klamotten, naja, Frischling eben, gerade so weg von der Schule, noch von Muttern fein ausstaffiert sowie herausgeputzt, nahezu wie zur Einschulung. Meine Erscheinung – hat so seinen Grund. Jedenfalls eigentlich nicht zum Erschrecken kleiner, sensibler Mädchen gedacht, eher etwas, um Leute respektvoll auf Abstand zu halten.
Derzeit liegt mir nicht so viel an munterem Beisammensein!“

Meine Anmerkung dazu kam sofort: „Wollte dich ja gar keineswegs stören, diese Wirkung an sich kann ich bestätigen!“
Sie lachte kurz, schüttelte den Kopf: „Ist ein freies Land, hier kann jeder sitzen, den Tag genießen. Zudem habe ich dich ja herbeigewunken, mache dir also keine Gedanken über meine Stimmung.“
Meine Feststellung daraufhin: „Habe ebenfalls nicht so viele Kontakte, bin nicht so kontaktfreudig, eher Einzelgängerin. Obendrein mitnichten so einfach, am Beginn des Studiums Freundschaften zu schließen.“
Jimena sah mich zweifelnd an, zog ihre Augenbrauen hoch, während sie mich mit nach unten geneigten Kopf sowie schrägem Blick musterte: „Gerade da laufen doch reichlich Kommilitonen herum, denen es genauso geht, im ersten Semester ist es am einfachsten.
Und so fein herausgeputzt und hübsch, wie du bist, da sollten dich doch schon ein paar Typen angegraben haben?
Müßte mich schon sehr täuschen, wenn dem nicht so sein sollte!
Du siehst ferner sowieso genau so aus, wie jede Mutter gewiß eine Lieblingsfreundin empfehlen würde.
Da schlafen die Eltern ruhig, da ist gewiß: Da kommt kein Skandal hinterher!“
Sie grinste angriffslustig, betonte ihre kleine Stichelei weiter mit einer abschätzenden Musterung.

So einfach wollte ich mich nun doch nicht einschüchtern lassen, aber auch keinesfalls geradezu zum Gegenangriff übergehen, besser nichts riskieren, dennoch standhalten, war meine Überlegung.
Nun zuckten meine Schultern: „Sind sicherlich alle genug mit den Vorlesungen, den Übungen beschäftigt. Da passiert derlei nicht, habe ferner nicht darauf geachtet …“
Sie schaute wieder in die Ferne, ließ damit offen, ob meine Person ihre Musterung bestanden hatte. Immerhin hatte sie meine Erwiderung nicht zu einer weiteren Provokation ermutigt.
Sie gab schlicht den Tip: „Gerade am Anfang lohnt sich gemeinsame Gruppenarbeit besonders, sonst wird solch ein Studium wirklich hart. Solltest dich also umsehen, deswegen Kontakte knüpfen. Ich bin Hiwi, korrigiere Übungen, kenne also dieses Drama gut.“
Ich staunte, erwiderte ohne nachzudenken: „Du als Hiwi – da wäre ich noch unsicherer, etwas nachzufragen!“
Bei ihr blitzte kurz ein Grinsen auf, ihr Blick traf mich abermals musternd: „Tja, siehst du, mir kommt im Übrigen keiner dumm. Natürlich bespreche ich Fragen gleichwohl ganz sachlich, da kann also jeder persönlich nachfragen, wer bei den Übungen von mir betreut wird, wenn was unklar ist. So ist es gedacht.“

Jimena hatte ihre Augen geschlossen, sich mit den Armen nach hinten abstützend zurückgelehnt, ließ sich einfach die Sonne ins Gesicht scheinen. Ich hockte da einfach schweigend, betrachtete sie fasziniert, schaute verlegen zum Fluß hinunter sowie auf die Landschaft.

Jimena schien in eine Art Meditation versunken zu sein, bewegte sich erst wieder nach einer Weile, öffnete ihre Augen, schaute mich an, sinnierte: „Geht es dir auch so?
Der Fluß ist eine Metapher. Wir sind wie Steine, welche hineingeworfen werden, beeinflussen wenig, manche auch mehr den Fluß, werden allerdings ebenso mitgerissen, geformt im andauernden Strom. Alles fließt, alles ist in Bewegung, verändert sich, heißt es doch. Mäandern durch den Landschaft, hin- und hergeworfen oder -gedrängt, lediglich gemächlich voran, dies bloß dem Gefälle unterworfen, mitnichten einem freiwillig gewählten Ziel zustrebend. Wir sind mittendrin, hineingeworfen, können uns treiben lassen, herumrumpeln, anecken, kollidieren, jedoch genauso agieren, steuern, kontrollieren, ohne doch je alles unter Kontrolle zu haben. Die Steine, die Ufer leiten, formen den Verlauf des Flusses, doch dieser wirkt auf Ufer sowie Steine, verändert diese. Eine komplexe Dynamik und Interaktion ergibt sich aus solcherlei Wechselwirkungen. Nichts ist zurückzudrehen, zurückzunehmen. Alles fließt, ändert sich immer weiter. Unser Sein, unser Jetzt löst sich in Vergangenheit auf, in Vergessen.
Auch jener Fluß kennt keine Erinnerung, Veränderung, das Jetzt ist seine Essenz!
Unweigerlich strömt dieser Fluß schlängelnd dem Meer entgegen, wenn auch so manches und mancher auf der Strecke bleibt, während wiederum anderes mitgerissen wird. Doch diese Verluste oder Gewinne sind Nichts für den Strom.“
Ich nickte nachdenklich, erwiderte: „Ja, eine schöne, gleichzeitig nachdenkliche Metapher, ein anschauliches Gleichnis auf unser Leben. Eventuell zieht es mich deswegen von Zeit zu Zeit gerne wieder her, um zuzuschauen, wie dieser Strom wirkt, metaphorisch wie konkret. So, wie du dies Bild beschreibst, klingt alles sehr schön, es kann ganz friedlich sein …“
Sie unterbrach: „Ebenso kann es turbulent werden, fatal, zerstörerisch, daß man kämpfen muß.
Stürzt man sich selbst geradewegs mitten in jene wilde Strömung, wo die Turbulenzen Wirbel bilden, um es wild sowie heftig zu erleben, oder wird man hineingeschubst?
Manchmal können wir wählen, oft allerdings auch nicht, alsdann kostest es viel Kraft, wieder im regulären Fluß den Kopf über’s Wasser zu bekommen, um wieder luftholen zu können!“
Diese Überlegungen konnte ich gut nachvollziehen. Philosophie am Fluß. Philosophie im Fluß gewissermaßen ebenfalls, wenn alles fließt, so auch unsere Überlegungen darüber.
Sie fragte: „Gehen wir ein Stück?“
Ein Nicken von mir als zustimmende Erwiderung. So standen wir auf, spazierten den Weg entlang. Wir schlenderten diesen Weg für Fußgänger sowie Radfahrer, mehr oder weniger entlang des Flusses.

Ein bißchen Mut oder Zutrauen mehr hatte ich nun schon. Sie klang ruhig, überlegt, auch Traurigkeit meinte ich herauszuhören, hauptsächlich aber Gelassenheit, ein Rückzug auf sich selbst, tief hinein in ihr eigenes Ich.
Nun waren wir schon nebeneinander unterwegs, so war meine nächste Frage von Neugier geleitet: „Ist das tätowiert?
Hast du gleichfalls etwas mit deinen Augen gemacht?
Was sind das für Muster, so abstrakt, einerseits modern anmutend, andererseits überdies mystisch, archaisch, dazu diese größeren, komplett gefüllten Flächen …“
Jimena erläuterte bereitwillig: „Was meine Augen betrifft: Das sind bloß farbige Effekt-Kontaktlinsen. In meinem Falle schwarz. Beeinträchtigt nur im Dämmerlicht im geringen Umfange meine Sehfähigkeit, denn innen ist ein Stück der Pupille frei. Die Linse paßt sich nicht der Umgebungshelligkeit an. Habe mich schnell daran gewöhnt, notfalls wären sie zügig draußen, kommt nachts draußen schon vor, dann sind die Pupillen ja ohnehin weit. Habe zwar eine relativ dunkle Iris, ganz so dunkel allerdings auch wieder nicht.
Diese gefüllten Flächen auf der Haut werden klassisch blackouts genannt. Bei mir sind sie allerdings eher Bestandteil des gesamten Musters, stehen nicht für sich. Diese Muster selbst sind zwar von verschiedenen Traditionen inspiriert, aber ich gehöre nicht den Völkern mit derlei Traditionen an, bin da ferner eindeutig eher für mich, daher sind es letztlich individuelle Muster nach eigenem Konzept.
Was deine erste Frage anbelangt: Sieht zwar echt aus, ließe sich allerdings notfalls innerhalb von ein paar Tagen mit geeigneten Mitteln entfernen. Ohne dauert es deutlich länger, bis es blasser wird, ganz verschwunden wäre. Eine ganz traditionelle Henna-Bemalung sind diese Muster also nicht, schon widerstandsfähig, geht hingegen mitnichten dauerhaft unter die Haut. Tätowierung wäre durchaus eine Option, wenn derlei langfristig bleiben soll, mein Entschluß dazu wie der zum Haarescheren war allerdings ein psychischer Tiefpunkt, für niemanden der richtige Zeitpunkt zum Treffen endgültiger Entscheidungen …“

Jimena hatte abgebrochen, schaute beinahe starr den Weg entlang. Ich wagte nicht nachzufragen, obgleich es kribbelte und juckte, weil ich neugierig war.
Ein paar Minuten später schaute sie mich schräg von der Seite an, zischte förmlich heraus: „Nun frage schon!
Spüre förmlich, daß dich die Neugier umbringt!“
Ich schluckte, schaute kurz zu ihr, daraufhin ebenfalls geradeaus den Weg entlang.
So aufgefordert konnte ich nicht schweigen, meine Frage runterschlucken sowieso nicht mehr: „Also, also gut, warum, warum hast du das gemacht?
Haare ab sowie diese auffällige Kennzeichnung?“

Jimena atmete tief durch, antwortete endlich: „Also gut. Bislang habe ich meine Gründe, Ursachen, Verletzungen dafür ziemlich in mich hineingefressen. Nun ist wohl der Zeitpunkt gekommen, wo es heraus will. Habe nicht darüber geredet, bisher, nur diese äußeren Merkmale meiner Trauer.“
Sprechen fiel ihr nicht leicht. Ich merkte, obgleich sie so stark, unnahbar wirkte, nagte da etwas in ihr.
Ich war nervös, wollte dennoch helfen, ohne eigentlich eine Idee zu haben, wie ich das vermöchte, brachte nur heraus: „Trauer?“

Auf den Stichpunkt hin erläuterte sie ausgewählt ruhig sowie ohne merklich Emotionen: „Meine Freundin Franziska ist gestorben, vor Monaten. Ein Auto hat sie innerhalb der Innenstadt erwischt, mich nicht, befand mich nur Meter entfernt.
Fahrerflucht.
Koma im Krankenhaus erst, später tot.“

Ich war geschockt, wußte nicht, was erwidern, wie ich mit Worten hätte helfen können, wie den gut merklichen, tief eingefressenen Schmerz mildern. Sie erwartete das auch nicht. Sie schaute nur, bemerkte mein betroffenes Gesicht, ich sog heftig den Atem ein.

Jimena fuhr fort: „Eigentlich völlig bescheuert. Wahrscheinlich war das ein Autorennen durch die Innenstadt, wir mit Rädern unterwegs, hatten das Geräusch zwischen den Gebäuden nicht richtig zugeordnet. Der Hall durch diese Häuserschluchten folgt manchmal keineswegs schnell erschließbaren Regeln, wobei wir ja keine Wolkenkratzer in der Stadt haben, schon Reflexe an Kanten, Wänden sowie Ecken, welche sich komplex verteilen können. Dazu kommt die Stadtbegrünung, welche den Schall ungleichmäßig schluckt sowie dämpft.
Plötzlich dann der dumpfe Knall hinter mir, zwei Autos, rasen ungebremst weiter die Straße entlang, sogar ihre Nummernschilder sind unkenntlich gemacht. Franziska hatte das eine Auto zwar nur seitlich erwischt, sie wurde allerdings dadurch herumgewirbelt, traf unglücklich mit dem Kopf auf. Eigentlich völlig idiotisch, denn wir sind darauf trainiert, nicht blödsinnig auf den Kopf zu schlagen, ging jedoch wohl erheblich zu schnell, keine Zeit für angemessene, selbst instinktive Reaktionen …“

Ich schaute sie fragend an: „Trainiert?“
Sie war in Erinnerungen versunken, erläuterte bereitwillig: „Wir haben eben gerne irre, riskante Sachen gemacht, gefährliche Spielchen. Wir wollten unser Leben richtig spüren, uns Gefahren stellen, um das Leben in uns richtig pulsen zu spüren. Dies Gefühl von Freiheit, Befreiung, dieser Rausch des Glücks, ein Abenteuer, Risiko überlebt, riskiert, gemeistert sowie geschafft haben. Erst kommt der Adrenalin-Kick einer Gefahrensituation; wenn es überstanden ist, kommen Endorphine, Glücksgefühle, Rausch. All dies war einfach gut, irre gut. Wir waren Adrenalin-Junkies, kann man so sagen. Jedoch keinesfalls doof. Wir waren vorbereitet, hatten beinahe jedes Mal einen Plan B oder C, wenn etwas schieflaufen würde.
In jener Nacht waren wir nur noch müde, wollten Heim. Dieser Heimweg auf den Rädern war folglich keine Aktion, hätte so und an dem Ort dort auf der Straße in der Stadt jeden erwischen können. Wir dachten nicht an Gefahr, haben so den Moment verpaßt, wo es wirklich drauf ankam. Wo wir hätten aufmerksam sein müssen, wo wir es hätten spüren müssen. Wir haben versagt, Franziska hat es deshalb erwischt. Nichts mehr zu machen. Das Leben ist anders als diese lächerlichen Computer-Spiele. Es gibt mitnichten ein paar Leben extra sowie im Übrigen keinen Neustart.
Aus …“

Wir schwiegen ein paar Meter des Weges. Neugierig war ich schon, obendrein ein wenig fasziniert. Jimena wirkte durchaus so, als würde sie erzählen wollen, allerdings erkennbar nicht über den Unfall.
Ich riskierte es, fragte nach: „Was für gefährliche Spiele?“

Wir waren bei einer Brücke über den Fluß angekommen, hielten darauf. Sie schaute mich an, kniff ihre Augen kurz prüfend zusammen, musterte mich schweigend. In aller Ruhe schloß sie die Taschen ihrer Jacke, nachdem sie ebenso ihr Mobiltelephon umsortiert hatte. Sie nickte, worauf sie mit einem Schwung auf das Geländer jener Brücke zuschritt, sich hochstemmte, darauf einen Handstand machte, sich dabei drehte, wieder umgriff, balancierte so anders herum auf dem Geländer.
Sie stieß hervor: „Einfaches Beispiel!“

Ich war erstarrt, hatte den Mund aufgerissen und schaute nur. Das war doch Wahnsinn, da ging es einige Meter herunter. Und der Fluß ist dort weder breit noch tief.
Sie erläutere jedoch ganz sachlich, ruhig: „Immer fokussiert bleiben, einen Plan B haben, wenn etwas danebengeht, so etwa!“
Ich sah fassungslos, wie sie kippte, also von der Brücke weg in die Tiefe. Sie blieb allerdings keineswegs steif ausgestreckt, ich weiß nicht genau wie, aber anschließend hing sie nur noch mit einer Hand am Geländer, pendelte, setzte kurz darauf bereits einen Fuß auf die Kante jener Brücke, stemmte sich elegant hoch und wirbelte mit einer geschmeidigen Eleganz über das Geländer, um vor mir aufzukommen, wonach sie sich wieder aufrichtete.
Sie ergänzte, wobei ihre Stimme kaum angestrengt klang: „Plan C bei dieser Höhe ist, unten gekonnt abrollen zu können. Prellungen und Knochenbrüche keineswegs ausgeschlossen. Dazu kommst du, um einen Notruf abzusetzen.
Nur ein Beispiel – ohne Übung nicht nachmachen!“

Ich atmete hörbar sowie tief durch, war jedoch fasziniert, wie sie sich bewegt hatte, wie gleichfalls bei mir erst Panik hochstieg, als sie kopfüber stand, abzustürzen schien. Wie, nachdem sie wieder vor mir stand, jedoch dieses Glücksgefühl der Erleichterung durch meinen Leib strömte. Sie machte abermals einen eleganten Satz, balancierte dabei auf dem Geländer, ging diesmal allerdings dabei weiter, daß ich folgen mußte, beinahe wie hypnotisiert.
Nebenbei führte sie weiter aus: „Derlei haben wir also gemacht. Des Weiteren Fassadenklettern ohne Sicherung, Baukräne besteigen, auf den Auslegern und ebenso auf Gebäudedächern balancieren.
Franziskas Familie hat Geld. Somit haben wir genauso harmlosere Sachen ausprobiert: Bungee, Fallschirmsprung.
Riskanter: Skiabfahrten innerhalb ungesicherter Gebieter, Fahrradabfahrten (downhill); Kajak im Wildwasser; Wellenreiten am Riff im Sturm; der Tanz auf dem Vulkan, also einem aktuell halbwegs aktiven; Sprünge aus größerer Höhe ins Wasser, allerhand mehr!
Was sich eben so in die vorlesungsfreie Zeit pressen sowie jeweils günstig kombinieren läßt. Klettern in den Bergen ebenso, also ohne Hilfen, meist immerhin mit Sicherungsseil, manchmal demgegenüber ohne, wenn es besonders gekribbelt hat.
Ich bin erst durch Franziska ans Reisen gekommen, so im Rückblick war insbesondere die Fliegerei rücksichtslos sowie unbedacht. Dabei ist es keine Entschuldigung, wenn gleichfalls viele andere Leute durch Urlaubsflüge unsere Umwelt gnadenlos verpesten.
Harmlosere Sachen, eher Mutproben für Franziska waren so Sachen wie Strippen innerhalb einschlägiger Lokale, nennen wir es einmal allgemein erotischer Tanz an Stangen, Tischen, Menschen. Ich hatte derlei sowieso gemacht, primär zur Finanzierung des Studiums. Franziska hat diese Spielchen anschließend ebenfalls mitgemacht, nachdem wir erst in Streit geraten waren wegen der Finanzierung. Bei ihr haben ihre Eltern ihr Studium finanziert, Franziska mehr oder weniger unsere Eskapaden vom Taschengeld. Wenn wir innerhalb der vorlesungsfreien Zeit unterwegs waren, fehlten wiederum eigene Einnahmen zur Finanzierung meines Studiums. Wollte mich indessen keineswegs vom Geld ihrer Eltern abhängig machen. Daher hat Franziska beim erotischen Ausdruckstanz sowie verwandten Aktionen mitgemacht, aber gleichermaßen, weil es ein Kick war, eine Mutprobe, sich vor alkoholisiertem Publikum, dubiosen Gestalten präsentieren, sich Geld zustecken lassen. Dieser oberflächliche, sexuell aufgeladene Firlefanz hat sie ähnlich fasziniert wie unsere anderen Aktivitäten. Für mich war derlei bloß notwendig, um schnell ausreichend Geld zu bekommen, um in Ruhe studieren zu können, ohne jemanden außer mir selbst verpflichtet zu sein.“
Am Ende der Brücke angekommen, war sie ein weiteres Mal mit einem Wirbel abgesprungen, stand neben mir.

Ich war immer noch betäubt, angespannt, gleichzeitig erschreckt, genauso über meine Faszination. In meinem tiefsten Inneren steckt eigentlich ein Schisser. Alleine ihre Aufzählung, meine Vorstellung davon ließ mich frösteln. Dazu ihre erneute Vorführung auf dem Geländer.
Jimena hatte meine Faszination bemerkt: „Interesse an gefährlichen Spielchen?“

Seufzen kam als meine Reaktion, ihre Hand hatte inzwischen eine elegante, richtungsweisende, vorschlagende Geste gemacht, wir gingen weiter.
Endlich kamen bei mir die Worte zurück: „Da hätte ich viel zuviel Angst. Kann gleichwohl nachvollziehen, daß man dabei das Leben in sich spüren muß, eine große Erleichterung, Triumph, wenn es gut überstanden ist!“
Jimena nickte, schaute mich prüfend an: „Siehst ganz fit aus.
Vermute, im Schulsport wenigstens kamst du ganz gut durch?“
Mein Nicken kam als Bestätigung.

Sie fuhr fort: „Jene Balance eben war nur ein harmloser Spaß, allerdings auch nur, weil ich auf solchen Geländern balancieren kann. Nach Franziskas Tod war meine Psyche so fertig sowie am Ende, da wirbelte mir das alles durch den Kopf in einer reflektiven Dauerschleife.
Was hatten wir davon?
Es ist dumm anzunehmen, daß man etwas verpaßt hat, wenn man dies und das nicht macht. Der Rausch, das Adrenalin, der Kick – im Grunde alles Kurzweil, Mummenschanz, Mumpitz, Kinkerlitzchen, Nichtigkeiten, Kiki, Pillepalle, Nonsens, Larifari, um sich immer wieder bis zur Überforderung lebendig zu fühlen.
Dieser Rausch, diese Emotionen sind für den Moment gut, intensiv, aber insgesamt?
Was hat man damit erreicht?
Nichts!
Darum habe ich aufgehört mit den komplett hirnrissigen Aktionen, dem Schmu, Schnickschnack, Tinnef, Stuß, Fez, Quatsch, Hokuspokus, Flachs, Mätzchen, Heckmeck, Humbug, Schmarren, Kappes, Trara, Tamtam – bemerkenswert, wieviele Synonyme gerade dafür gebildet wurden. Ohne Franziska hatte das ohnehin keinen Sinn mehr, wenn es je einen gehabt hat. Mit ihr hatte es wenigstens Inhalt, Spaß, Intensität. Alleine wäre es schal, morbide.
Wenn du allerdings Lust hast, also mit Sicherung oder harmlose Sachen – könnten wir machen!“

Springen

Am Wochenende darauf fand ich mich zu meiner eigenen Überraschung innerhalb eines Hallenbades wieder, zusammen mit Jimena. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich offensichtlich spontan Interesse bekundet. Jimena wiederum hatte eine Idee für ein relativ harmloses Spielchen. Bislang hatte sie mir allerdings nicht verraten, um was es geht. Neben den Vorlesungen und Übungen hatte meine Woche mit geschätzten mindestens vierzig weiteren Stunden Rechnerei sowie Büffelei reichlich Aktivitäten geboten, um keinerlei Langeweile zuzulassen. Jetzt war bei mir unverkennbar das Bedürfnis aufgekommen, mit ein bißchen abzulenken, körperliche Aktivität, etwas Adrenalin dabei.
Oder wollte mein Ego etwa Jimena beeindrucken, kein Schisser sein?
Warum?

Immerhin, diese Woche hatte ich etwas riskiert, war ihrem Tip gefolgt, versuchte mein Glück bei den Übungszetteln einmal mit Gruppenarbeit, Erfahrungsaustausch mit Kommilitonen. Derlei war formal für mich nicht sonderlich wichtig, weil ich sowieso nahezu alles alleine geschafft hatte, es ging hauptsächlich darum, Kontakte zu knüpfen. Es muß ja nicht immer alles so gut klappen, ein Austausch zum Studium ist sowieso prinzipiell interessant. Bei einem Problem war zudem eine Diskussion samt anderer Ansätze von ein paar verschiedenen Leuten wirklich interessant. Derlei Interaktion hatte uns alle weitergebracht, letztlich sogar zu einer eleganten Lösung einer Aufgabe. Meine Lösung dagegen war eher umständlich gewesen, immerhin war ich anders als die meisten anderen überhaupt zum Ziel gekommen. Gemeinsam hatten wir jedoch noch diesen eleganten Weg entdeckt, demzufolge zweifelsohne eine Bereicherung.

Zurück zum Hallenbad:
Es war noch früh, also nicht viel los. Mein Kopf grübelte, welch heikle, wenn auch nicht sonderlich gefährliche Spielchen wir hier veranstalten könnten.
Tauchen?
Jimenas gesamter Körper war übrigens mit diesen sehr dunklen, abstrakten Mustern überzogen. Sie trug dazu einen farblich passenden, knappen Bikini. Ihr Körper war sichtlich durchtrainiert, sportlich, athletisch. Dazu bewegte sie sich agil, fließend, katzenartig elegant sowie geschmeidig. Ihr gesamtes Erscheinungsbild beeindruckte sehr. Mich zierte dagegen lediglich ein ziemlich braver Bikini, zudem ohne Verzierung auf der Haut wirkte meine Erscheinung somit als Kontrast, eben harmlos sowie lieb gegenüber dieser unheimlichen Wildkatze.

Endlich ungeduldiges, neugieriges Nachhaken meinerseits: „Welches Spielchen hast du denn nun mit mir vor?
Zum Beispiel tauchen, bis mir die Luft ausgeht?“
Jimena schaute mich an, schüttelte den Kopf: „Abnoe-Tauchen bis beinahe zur Ohnmacht meinst du. Expertin bin ich darin mitnichten, es gab einmal eine Gelegenheit, wo ich einen Einblick bekommen habe, ein wenig üben konnte. Tief ins Meer abgetaucht, ist da schon Nervenkitzel dabei. Hier im Schwimmbecken müßtest du dich schon irgendwo verhaken, damit es richtig kribbelig wird. Also derlei war mir keineswegs in den Sinn gekommen. Bis du Abnoe-Tauchen kannst, würdest du vermutlich erst einmal Wasser schlucken, eher unschön, unappetitlich bei dem reichlich gechlorten Wasser hier, also nein.
Aber so als Tip …“
Ihre Hand zeigte auf mehrere Sprungtürme im anderen Bereich des Hallenbades.
Mir blieb die Spucke weg, da runter?
Zunächst zogen wir ein paar Bahnen im normalen Becken, wobei mir allerdings aufgefallen war, daß jenes Becken mit dem Sprungtürmen abgesperrt war, Hinweisschilder. Sah nicht so aus, als würden wir dort eine riskante Aktion durchziehen dürfen, folglich atmete jener Schisser im Innersten meines Seins erst einmal erleichtert auf.

Jimena wies bald unbeirrt auf den Ausstieg, schwamm voran, gefolgt von mir. Draußen neben dem Becken unterhielt sie sich noch kurz mit Bernd, dem Bademeister; wie sich herausstellte, war dieser ein flüchtiger Bekannter von ihr sowie Franziska.
Dieser hatte tatsächlich jenes andere Becken mit den Sprungtürmen für uns reserviert!
Plötzlich zitterten meine Knie doch leicht, allein jene Aussicht wirkte bereits. Schwimmen ist für mich zwar keinerlei Problem, bin zuvor hingegen nicht einmal vom Beckenrand ins Wasser gesprungen, was ja meist überdies nicht erlaubt ist.

Wir gingen mit Bernd hinüber zum anderen Becken, woraufhin gleich ein paar Jungs hinzukamen, neugierig fragten. Diese wollten ebenfalls gerne springen, wie Jungs eben so sind. Bernd reichte von irgendwoher Jimena eine Badekappe mit der Aufschrift ‚Aufsicht‘, meinte kurzerhand an jene Jungs gerichtet, Jimena sei verantwortlich, ihre Entscheidung. Wenn sie sich dahingegen nicht benehmen würden, würden sie rausfliegen. Bernd schloß eine Sperrvorrichtung zum großen Sprungturm auf, dieser hatte zwei Absprungmöglichkeiten, die höchste fast unter der Decke, die zweite ungefähr auf halber Höhe. Dazu gab es noch kleinere Sprungbretter auf zwei weiteren Höhen. Die mittleren Typen waren sogar elastisch sowie schwingfähig. Bernd zog sich zurück, wieder zum anderen Bereich mit dem großen Becken, die Jungs bettelten bei Jimena.

Diese nickte letztlich gnädig, tat kund, zentraler Punkt sei, mich dazu zu bringen, gekonnt vom höchsten Sprungbrett zu hüpfen, quasi als Mutprobe.
Die Jungs waren scharf darauf, wollte ebenfalls von dort springen.
Bei mir hingegen herrschte plötzlich ein sehr flaues Gefühl im Magen, welches zweifelsfrei aussagte: ‚Auf gar keinen Fall.‘
Andererseits kam Kneifen vor Jimena irgendwie keineswegs in Frage. Eine Zwickmühle, welche schon jetzt den Puls in die Höhe trieb.
Wenn kneifen ein ebenso großes Wagnis erscheint wie mitmachen, was tun?

Jimena tat bereits ihre Bedingungen kund, sie würde alle Sprünge kurz erklären, wonach wir alle vom niedrigsten Brett drei Sprünge gut absolvieren müßten, also einmal mit den Füßen voran, danach ein Kopfsprung sowie eine Wasserbombe, also mit Po und angezogenen Beinen voran ins Wasser, um eine maximale Verdrängung zu bewirken. Die vorlauteren Jungs hielten Sprünge vom niedrigsten Brett für Kinderkram, dies schien für mich immerhin machbar. Jimena erklärte diese Sprünge allerdings zur bloßen Vorbereitung, denn wenn wir nicht anständig herunterkämen, könnte das von den beiden höheren Absprungmöglichkeiten herunter schmerzhaft werden, von Hautrötungen über Krankenhaus bis Genickbruch beim höchsten Brett. In ihrer Art machte Jimena sowieso Eindruck. Wie sie derlei Gefahren sachlich sowie schlicht vorbrachte, dabei schaute, dies machte gleichfalls bei den Jungs Eindruck. Weil diese springen wollten, maulten sie also nicht weiter, versprachen stattdessen artig, sich an ihre Anweisungen sowie Regeln zu halten.

Jimena hatte sowieso ihre ganze Aufmerksamkeit. Dies lag nicht nur an ihrem bestimmten Tonfall, ihre ganze Erscheinung beeindruckte.
Meiner beiläufigen Beobachtung wegen fiel mir auf, daß da deutliche Ausbeulungen der Badehosen jener Burschen erkennbar waren, teils wurden verschämt die Hände davorgehalten.
Jimena hatte diesen Umstand ebenfalls bemerkt, flüsterte mir ins Ohr: „Mir scheint, wir haben Bewunderer, haben für Anregung, gar Aufregung gesorgt.
Nun sind unsere armen Buben ein wenig in Not, ihnen wird ihr Höschen eng!
Bin sowieso die Aufsicht, folglich von solcherlei anstößigen, eindringlichen Möglichkeiten suspendiert. Aber solltest du einen ganz süß finden, kannst ruhig mit einem kurz verschwinden, dem Badehosenphänomen auf den Grund gehen!
Mag ja immerhin sein, daß sich da allerhand Kurzweil sowie Vergnüglichkeit entpuppt, wenn dem Drang mehr Raum gegeben wird.
Wette mit dir, da wartet eine stramme Überraschung auf dich!“
Ich schaute sie verblüfft an, wisperte zurück: „Das gilt nur dir!
Diese Burschen beachten mich doch gar nicht!“
Jimena lachte, erwiderte: „Unfug, siehst du nicht, diese Knaben haben Schiß vor mir, du hingegen bist süß, deine Erscheinung ist voller Anmut sowie Liebreiz, wirkt gleichfalls ein wenig wie die Versuchung der Unschuld, da hätten sie schon Lust!“
Meine Stirn runzelte sich bei derlei wohlwollenden Worten über meine Erscheinung.
Meine Antwort: „Ist keineswegs meine Angelegenheit, dem auf den Grund zu gehen, mich damit auseinanderzusetzen, was diese Burschen hormonell drängt, bestimmt nicht!“
Jimena sah mich an, schmunzelte einen Moment, entgegnete: „Och, kein süßes Knuffelchen für dich dabei?
Kleine Nascherei, Rubbelei, Schleckerei nebenbei am Rande, vielleicht sind diese Schnuckelchen ja ganz zungenfertig, wirst derlei erst erfahren, wenn du sie durchprobierst.
Diese Burschen wirken doch ganz kernig sowie stramm, potent, willig, stets bereit, einer Dame in Not diesbezüglich beizustehen, haben einen natürlichen Drang, könntest du gut für ein kleines, aufregendes Intermezzo nutzen!“
Sie grinste, daß meine Vermutung nunmehr schon dahin ging, daß diese Kerle ihre eigentliche Herausforderung sei. Meine Kopf schüttelte sich schüchtern bezüglich dieser Option. Sie zuckte nur ihre Schultern, strich mir bloß so eben mit ihrer Hand über meine Schulter. Diese Berührung fühlte sich an, als hätte meine Haut in dem Augenblick einen britzelnden Schlag bekommen, ein eigenartig kribbelndes Gefühl. Zuvor hatten wir uns noch nicht berührt, fuhr mir als Gedanke durch den Kopf. Trotz der Sanftheit dieser Berührung hatte es geknistert, ein ganz merkwürdiges Gefühl, welches meinerseits mitnichten eingeordnet werden konnte. Egal, unsere aktuelle Situation lenkte mich ohnehin gleich wieder ab. Sie wendete sich den Jungs zu.

Somit ging unsere Springerei also los. Mit den Füßen voran bekamen alle den ersten Sprung ganz gut hin, teils nicht derart akkurat, wie Jimena diesen vormachte, wozu sie erläuterte, daß Wasser aus der Höhe des großen Turmes hart sei, ein gekonnter, geübter, koordinierter Eintauchvorgang also vor Schmerzen sowie Verletzungen bewahre. Bei meiner bescheidenen Art wurde selbstredend den anderen der Vortritt gelassen. Obwohl dies erste Sprungbrett nicht hoch war, machte dies trotzdem Eindruck bei mir, trotzdem wurde der Sprung von mir bewältigt, genauso die Landung im Wasser derart gut, wie von Jimena vorgemacht. Diese war zufrieden.

Somit folgte als zweiter Sprung der Kopfsprung, schon deutlich schwieriger. Jimena machte vor, zwei unserer Jungs hatten es ohnehin drauf. Von ihren Erklärungen hatten die anderen hinreichend profitiert, vollführten ähnlich geschickt einen Sprung, welchen Jimena gelten lassen konnte. Ich traute mich eigentlich nicht, so mit den Händen, den Kopf voran. Dies war immerhin eine halbe Drehung, mit Schwung voran, sonst würde es bei der geringen Höhe nicht reichen.
Ich nahm meinen Mut zusammen und sprang!
Besonders bedenklich erwies sich auch dieser Sprung letztlich nicht, jedenfalls nicht, nachdem er überstanden war. Jimena nickte, gab noch ein paar Hinweise.

Eine Wasserbombe aus dieser Höhe ist ziemlich harmlos, derlei bekamen wir passabel hin, ein Spaß eben, aber ebenso ein erster Hinweis an unempfindlicherer Stelle, daß Wasser hart sein kann. Besonders den Jungs galt ihr Hinweis, ihre Füße dicht an den Körper zu drücken, um den Bewegungsablauf einzuüben, um bei größeren Höhen ihre empfindlicheren Teile vor dem Aufschlag zu schützen. Unsere Jungs lachten verlegen, achteten allerdings sorgfältig auf den Hinweis.

Alle hatten sich immerhin benommen, so entschied Jimena, zum nächsthöheren Sprungbrett zu wechseln. Wir sollten es ohne Anlauf probieren, eventuell mit Wippen mehr Schwung herausholen. Zwei der Jungs wollten obendrein lernen, einen Salto zu meistern, der eine gab an, dies schon versucht zu haben, sei wiederum aus dieser Höhe falsch aufgekommen. Jimena sagte zu, sie würde nach unseren drei Sprüngen vormachen sowie erklären, wer möchte, könne es im Anschluß probieren.

Die Höhe war mir noch deutlich unheimlicher.
Immerhin erfolgte unser erster Sprung mit den Füßen voran, trotzdem zitterte mein Körper vor dem Absprung, wollte mich allerdings nicht blamieren, so ging es also plötzlich Abwärts und ziemlich schnell Platsch!
Automatisch hatte mein Körper jene Haltung angenommen, welche Jimena vorgegeben sowie abermals vorgemacht hatte. Es war etwas mehr Zeit, diese Haltung wirklich einzunehmen, so klappte der gesamte Ablauf des Sprungs erstaunlich gut. Der Schisser in mir faßte etwas Mut.

Dies Mehr an Zeit war überdies beim Kopfsprung von Vorteil, so meine Feststellung, weil meine bescheidene Art erneut den Jungs den Vortritt ließ, welche die Sprünge bei dieser größeren Höhe besser hinbekamen als beim kleinsten Sprungbrett zuvor.
Unsere Jungs waren lustig dabei, hatten Spaß!
In mir machte sich ordentlich Respekt breit, als ich dort so alleine stand, unentschlossen wippte. Mein Blick traf den von Jimena. Dieser zog mich förmlich vom Brett. Einmal in der Luft ging beinahe alles von selbst. Zu meiner Überraschung tauchte mein Körper ziemlich genau so ein, wie sie es erklärt sowie vorgemacht hatte.

Unsere Wasserbomben aus dieser Höhe ließen deutlich spüren, daß es schlecht ist, aus noch größerer Höhe völlig unkontrolliert mit empfindlichen Stellen aufzukommen. Jimena meinte, dies sei für uns eine letzte Chance für einen Freiversuch mit schmerzhaftem Aufschlag. Sie machte es beherzt vor, klatschte nach einem spektakulären, irren Wirbel leicht seitlich, mit einer Schulter zuerst, daraufhin mit dem Rücken auf. Dieser gewaltig platschende Einschlag hörte sich schon unangenehm an, verteilte dabei reichlich Wasser über das Becken. Wieder aus dem Wasser heraus, zeigte sie uns, wie sich an ihrer Schulter ihre Haut zwischen den Mustern rötete. Die zwei mutigsten Jungs wollten es trotzdem probieren, bekamen dadurch ebenfalls ihre Abreibung. Diese lachten zwar, fluchten jedoch ebenso vernehmlich. Jimena hatte keine Miene verzogen.

Immerhin wußten wir nun, was bei derlei Salto-Übungen drohen konnte. Unsere beiden Kandidaten wollten trotzdem. Jimena machte vor, erklärte. Mit dieser Hilfe klappte es bei dem einen schon ganz gut, der zweite kam nicht so ideal auf, fluchte erneut seinen Schmerz heraus, ließ sich jedoch keineswegs gleich entmutigen. Vielleicht wollte er sich auch nur vor Jimena und mir keine Blöße geben. Nun machte sogar noch ein dritter Bursche mit, nutzte die Gunst der Stunde. Ich verzichtete, schaute nachdenklich auf die beiden Sprunghöhen, welche noch vor mir lagen. Mir war erst recht flau im Magen, denn bei den Jungs, welche nicht gut aufkamen, war deren Haut sichtbar gerötet.

So wechselten wir also auf den richtigen Sprungturm, zunächst auf seine nächsthöhere Absprungmöglichkeit. Jimena rief zur Disziplin auf. Somit waren wieder Sprünge in jener von ihr vorgegebenen Reihenfolge dran. Die Jungs zogen den einfachen Sprung mit den Füßen voran ohne Zögern durch. Mir ging es gar nicht gut. Dort oben war das Wasser plötzlich ziemlich weit weg, das Becken wirkte deutlich kleiner. Ich wollte bereits kleinlaut den Rückweg antreten. Jimena hatte bemerkt, welche Unsicherheit mich plagte. Unsere Blicke trafen sich, als mein Ego dort oben zögerte.
Bestimmt befahl Jimena nur: „Manuela!“
Dies ging durch wie ein elektrischer Schlag, ohne Überlegung schubste dieser mich in die Tiefe.
Panik!
Dabei ängstlich, automatisch jene geübte Körperhaltung.
Platsch!
Mein Körper war dermaßen angespannt, daß er tief eintauchte. Jimena hatte uns erklärt, wie wir direkt nach dem Eintauchen unsere Körperhaltung ändern könnten oder sollten, um stärker zu bremsen, meinte jedoch, selbst bei der größten Höhe sei jenes Becken tief genug, um nicht unten auf den Boden aufzuschlagen. Näher kam dieser Boden schon, es war allerdings noch ein ganzes Stück bis ganz hinab. Erleichtert tauchte ich auf, grinste sie an. Da war ordentlich Adrenalin freigesetzt worden, jetzt ein Glücksgefühl der Erleichterung, es riskiert zu haben, ein kleiner Rausch, Kick war dies auf jeden Fall. Mein Sprung war wirklich erfolgt, meine Stimmung wurde besser, befreit, klarer, mutiger, anders. Jimena war ebenfalls zufrieden mit meinem Sprung. Als ich aus dem Becken heraus war, streichelte diese sanft lobend abermals meine Schulter, daß es bei mir ordentlich kribbelte.

Den Kopfsprung wagten alle Jungs desgleichen. Die Flugphase war lang genug, um ordentlich einzutauchen, allerdings gleichermaßen für eine Überdrehung. Dieser Ablauf des Sprunges klappte keineswegs bei allen perfekt samt dem akkuraten Eintauchen, allerdings gut genug zur Vermeidung von Blessuren. Unsere Jungs johlten glücklich nach jedem Sprung. Bei mir hingegen herrschte abermals ziemlich Schiß vor, als oben stehend mein nächster Absprung anstand. Erneut zögerte dieser Schisser in mir, mein Körper zitterte ein wenig, mein Ego indes wollte sich jedoch keineswegs blamieren. Diesmal reichte ein Blick von Jimena, ein spezieller Blick, welcher mich hinabzog. Mein Sprung wurde wieder ein fast automatischer Bewegungsablauf, rein aus Angst vor dem Schmerz nur nichts falsch machen. Harter Aufschlag meiner Hände, daraufhin meines Kopf. Wieder mißlang es mir abzubremsen, tauchte deshalb erneut tief ab; noch dramatischer, mit dem Kopf voran den Boden näherkommen sehend. Auch diesmal blieb letztlich immerhin ebenfalls noch reichlich Platz. Wieder aufgetaucht kam von Jimena ein anerkennendes Nicken. Sie hatte genau mitbekommen, welche Angst mir innewohnte. Dies entwickelte einen ordentlichen Rausch, einen richtiger Schub, erst Adrenalin, danach Endorphine, wie Jimena es beschrieben hatte.

Den Rausch hatten unsere Jungs wohl genauso, alle machten heldenhaft ihre Wasserbombe, johlten vor dem Aufprall sowie nach dem Auftauchen, denn aus dieser Höhe merkt man selbst bei korrekter Haltung, daß diese Angelegenheit härter wird. Ermutigt durch den Kopfsprung sowie noch immer berauscht erfolgte mein Sprung ebenfalls, diesmal sogar mit geringfügigem Anlauf, ohne Zögern. Indes, mein Aufschlag war ein kleiner Schock, aber gleichfalls gut, befreiend, ihn riskiert sowie überstanden zu haben.

Salto aus dieser Höhe wollte nur einer unserer Jungs machen, jener, welcher es zuvor schon gut hinbekommen hatte. Jimena machte vor, er zog nach, es klappte gut. Im Grunde ist bei dieser Höhe auch genug Zeit für die Drehung. Es ist allerdings ebenso genug Zeit, um dabei die Orientierung zu verlieren, zuviel zu drehen oder schräg aufzukommen. Jimena machte noch zur allgemeinen Erbauung einen komplizierteren Sprung vor, aus einem Handstand an der Kante des Absprungs in eine Drehung hinein. Sie wollte allerdings nicht, daß dies jemand nachzumachen versucht, mahnte, dabei könne leicht der Kopf gegen jene Kante knallen, derlei Sprünge benötigen folglich deutlich ausführlichere Koordinationsübungen, damit nachher nicht alles mit Blut sowie Gehirnmasse vollgesaut sei. Sie führte ihre Beschreibung noch gruselig fort, daß unsere Jungs allesamt überzeugt waren, wollten den Sprung nun folglich keineswegs versuchen.

Nun war das höchste Sprungbrett an der Reihe. Jimena betonte gegenüber den Jungs, wer genug habe, solle einfach passen, dies sei keine Blamage, dafür müsse sich niemand schämen. Ich hatte so im Gefühl, sie wußte, so formuliert würde keiner verzichten, stattdessen mit ziemlich viel Schiß trotzdem springen. Mich hatte sie dabei erst gar nicht angesprochen.

Unsere Jungs wußten nun von der vorherigen Höhe, daß ein Fehler nun kein Spaß mehr wäre. Unser erster Sprung lief also diszipliniert ab, wenngleich die längere Fallzeit genauso mehr Zeit ließ, um aus Angst im Flug noch Unheil anzurichten. Optimal kamen also nicht alle auf, immerhin gut genug, also ohne Zwischenfall.
Für mich war es das Grauen schlechthin, auf dieser Höhe am Abgrund stehen, fern unten jenes viel zu kleine Becken mit dem Wasser, von dem bekannt war, wie unangenehm ein Aufschlag werden mußte, wenn ein Fehler passieren würde. Zitternd stand mein Körper am Rand, wartete diesmal jedoch nicht auf Jimenas strengen Blick. Mein Sprung erfolgte lieber gleich, machte mich so schlank wie möglich, damit der Aufschlag möglichst an mir vorbeiginge. Mein Körper war erstarrt beim Einschlag, welcher allerdings wirklich akkurat klappte. So tauchte mein Leib abermals tief ein, abbremsen wurde von mir abermals vergessen. Diesmal kam der Boden bedrohlich nahe. Ich kam wieder zu mir, wie aus einem Reflex eine kräftigte Schwimmbewegung, meine Zehen erreichten dieses Mal den Grund. Ein Rausch durchflutete nun wirklich mein Haupt. Dies sah mir Jimena nach dem Auftauchen auch an, sie lächelte etwas länger, abermals prickelte es heftig, als sie lobend sowie zart mit der Hand über meine Schulter fuhr.

Als unsere Jungs sprangen, war ich nicht so richtig bei der Sache, noch benommen durch meinen Rausch, ebenfalls in Panik, als nächstes kopfüber?
Aus der Höhe?
Immerhin, mein ersten Sprung aus jener Höhe war bereits erfolgreich geschafft. Beim Hinaufklettern wurde mir klar, aus dem Stand würde dieser Sprung nicht gelingen, zuviel Schiß an jener Sprungbrettkante, am Rande des Abgrundes. So setzten sich meine Beine flink in Bewegung, mitnichten schnell, gleichwohl schnell genug, um an jener Kante keinesfalls mehr anhalten zu können. Eine passende Drehung gelang mir fürderhin aus dem Schwung heraus.
Es blitzte nur so durch den Kopf – war jenes Becken überhaupt groß genug für den Anlauf?
Würde mein Schädel am Rande aufschlagen?
Natürlich war es groß genug, kam überdies erschreckend schnell auf mich zu.
Haltung!
Einschlag!
Jener Boden kam bedrohlich auf mich zugeschossen, es bremste jedoch noch zügig genug. Mit einem kräftigen Rückstoß endete meine Ankunft unten, daraufhin eine Drehung, Abstoßen mich mit den Füßen, dadurch Wiederhochkommen.

Oben sowie wieder aus dem Wasser konnte ich mich nicht mehr halten. Zitternd ging mein Weg blitzschnell in Jimenas Richtung, deren Arme mich sanft umschlossen. Es brannte förmlich auf meiner Haut, wo wir uns berührten, gute, wohlige Gefühle stellten sich dabei ein. Es fühlte sich phantastisch an. Zu schnell für mich ließ sie wieder los, knuffte aufmunternd meine Seite. Sie zwinkerte mir zu, lächelte, ich genoß dies zusätzlich neben meinem Rausch intensiv, bekam kaum noch mit, was um uns herum war.

Hinsichtlich unserer Wasserbomben war klar, daß man diese deutlich merken würde. Jimena machte es erneut vor, produzierte einen heftigen Platsch mit anschließender Fontäne mit Spritzern deutlich über den Beckenrand hinaus, begleitet von prächtigem Wellengang, welcher allerdings schnell durch die Beckenränder weggedämpft war.
Daher kam bei den Jungs schon Lust auf. Der erste fluchte nach dem Sprung erheblich. Immerhin einer dieser Jungs verzichtete daraufhin. Ein weiterer hatte oben deutlich Probleme, bevor er dennoch sprang.
Zögern meinerseits wurde durch Jimena milde mit zuckenden Schultern, mildem Lächeln kommentiert. Also wäre ein Passen meinerseits keine Enttäuschung. Ich nahm all meinen Mut zusammen, stieg trotzdem hinauf. Es hatte sich bewährt, nicht bis zur Kante vorzugehen, besser keinerlei Zögern.
So blieb meiner Angst auch diesmal kein Raum, Gedanken verdrängen, bloß loslaufen, springen!
Mein Aufschlag, nun ja, wie erwartet, unangenehm. Mit der Vorbereitung blieb dennoch letztlich alles im Rahmen. Schmerz ja, aber noch erträglich.

Damit war dies Spiel überstanden. Sie hatte mich angefixt. Ich wollte mehr. Sie war einverstanden. Den nächsten Tag, den Sonntag würden wir uns wieder treffen.
Abermals verriet sie mir nicht, worum es gehen würde. Sie meinte nur, es würde mehr um Geschicklichkeit gehen, korrekt ausgeführt kein gesundheitliches Risiko, weil sie mich vorbereiten würde. Diese bloß angedeuteten angekündigten Voraussetzungen waren für mich in Ordnung. Vertrauen war bereits vorhanden – auf welcher Basis eigentlich, wir kannten uns ja erst ziemlich kurz. Indes, es gab da gleichfalls ein unbestimmtes Gefühl, welches als Basis mehr als ausreichte.
Ein heftiger Kick war mir heute schon zugekommen, mußte diesen erst verarbeiten, deswegen konnte es den nächsten Tag gerne ruhiger zugehen. Sie würde an meiner Zimmertür klopfen.

Balancieren

Jimena erschien pünktlich. Ich war angespannt, gespannt, trotz ihrer Ankündigung, daß es diesmal etwas weniger aufwühlend zugehen würde. Sie hatte einen Rucksack dabei. Erst ließ sie sich meine Schuhe zeigen, woraufhin diese gewechselt werden mußten. Flache mit flexiblen, dünnen Sohlen waren angesagt. Weil es kühl draußen war, sind Schuhe mit derart dünnen Sohlen für diese Jahreszeit eigentlich keine ideale Wahl, ich fragte allerdings nicht, zog sie an, wir schlenderten los, zunächst lediglich ein Spaziergang, abermals in der Nähe des Flusses. Wir plauderten noch ein wenig über unser Turmspringen am Vortag, nach welchem sich mit den Burschen nichts weiter ergeben hatte, wie wir noch einmal lachend resümierten.

Überraschend bog sie vom Weg ab, auf einen Trampelpfad durch höheres Gestrüpp, Wildwuchs, jene Pflanzen hier konnten meinerseits nicht einmal benannt werden. Obwohl diese Pflanzen weder Bäume noch Sträucher waren, überragten sie uns. Ein Stück weiter befanden wir uns danach auf offener Wiese mit hohem Gras. Jimena hatte offenbar eine genaue Vorstellung, zögerte nicht. Irgendwo hielten wir auf einem bis auf hohes Gras freien Bereich zwischen zwei Bäumen. Sie meinte, wir müßten jenes Gras zwischen den Bäumen flachtreten, sorgfältig auf spitze Steine oder Äste prüfen, gegebenenfalls derselben beiseite räumen. Diese Aufgabe beschäftigte uns einstweilen, ohne weitere Nachfragen wozu meinerseits.

Als wir damit fertig waren, wurde ihr Rucksack geöffnet. Zum Vorschein kam ein Gurtband, eine sogenannte slackline, wie sie mir erklärte. Derlei Sportgerät hatte ich schon gesehen, allerdings selbst noch nicht ausprobiert.
Sie wollte herausfinden, wie es bei mir um das Balancieren stehe, selbstverständlich ohne mich gleich auf ein Brückengeländer zu stellen. Solch ein Band sei überdies etwas anders, weil nicht ganz straff gespannt. Straffer sei demgegenüber ein bißchen einfacher, weil sich alsdann das Band bei einer Bewegung weniger verforme, daher würden wir mit straffer Spannung anfangen. Ein Geländer sei zwar starr, damit noch einfacher, allerdings funktionsbedingt zumeist dort montiert, wo es deutlich abwärts gehe, folglich keinesfalls die erste Wahl für eine Übung. Dies erschien mir einleuchtend. Wir spannten den Gurt also zwischen den beiden Bäumen auf, weniger als einen Meter über dem Boden. Jimena stellte sich drauf, mittig war dieser Gurt unter Last jetzt weniger als einen halben Meter über dem Boden, obwohl wir schon leicht gespannt hatten. Die ausgewählten Bäumen waren kräftig genug, um den Zug auszuhalten.

Zunächst zeigte sie mir indes am Boden gekonntes Abrollen. Sie prognostizierte, daß ich sowieso ungeplant den Abflug machen würde, also müsse Abrollen unbedingt geübt sowie beherrscht werden. Es war Winter, der Boden derzeit hart, schon von daher wichtig, gekonnt abzurollen, sonst würde trotz der geringen Höhe ein unangenehmer Aufprall das Resultat sein, den wir natürlich vermeiden wollten.

Also abrollen üben. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich diese Bewegungsabläufe gut genug drauf hatte, um ihren Ansprüchen zu genügen. Diese Übungen hatten mich schon geschafft, wir hatten allerdings gleichermaßen unseren Spaß. Ja, Jimena lachte dabei sogar ebenfalls. Dies Lachen kam ebenso überraschend wie diese gesamte Aktion. Sie war nicht so ernst, nicht so verschlossen.

Irgendwann befand sie meine Geschicklichkeit für ausreichend, mahnte allerdings, bei einem Abflug nicht alles zu vergessen, jene gelernten Bewegungsabläufe wirklich anzuwenden. Anschließend führte sie das Balancieren auf dem Gurt vor, erklärte. Zunächst ging es darum, einen Anfang zu finden, danach die Balance zu halten, also keine weiteren Tricks oder Bewegungsabläufe. Hernach durfte ich es versuchen. Schon das Aufsteigen ohne Hilfe ist nicht so einfach. Daher half sie mir erst noch, hielt mich noch in der Balance. Immerhin ist der Gurt relativ breit, darauf kann man schon gehen. Weil er indessen durchhängt, ist er bei jeder Bewegung etwas anders, je nach Abstand von einem der Bäume ist der Winkel des Gurtes vom Fuß aus bei jedem Schritt ein anderer. Konzentration war gefragt, noch gut zu bewerkstelligen, weil sie mich noch an der ausgestreckten Hand hielt.

Ich konzentrierte mich, sie erklärte weiter, gab Tips. Überraschend für mich ließ sie hierauf plötzlich los, ich sollte alleine klarkommen. Nicht so überraschend, daß alles schnell heftig wackelte, trotz ihrer Erklärungen, wie derlei vermeidbar sei. Aufgeregtes Lachen war meine spontane Reaktion darauf, hielt es ferner noch kurz aus, wie unser Gurt zunehmend zur Seite pendelte. Balance war schon nicht mehr, was nun von mir aufgeführt wurde, dies waren nur noch verzweifelte, hektische, schon daher vergebliche Ausgleichsversuche, nahtlos übergehend zur überforderten Zappelei, Hampelei. Letztlich segelte ich los. Jene Angelegenheit mit dem Abrollen hatte ich beinahe vergessen; eben noch so kam es mir in den Sinn, so konnte ein blöder, harter Aufprall um ein Haar vermieden werden, merkte allerdings gleich, daß beim nächsten Abflug besser aufpassen unabdingbar wäre. Jimena lachte.

Etwas ehrgeizig liegt mir sowieso nahe. Daher wurde eifrig weiter geübt, unerschrocken wieder aufgestiegen. Nun war ich auf den nächsten Abflug vorbereitet, meisterte den besser. Jimena war zufrieden mit meiner Technik.

In dem Sinne übten wir weiter. Zwischendurch zeigte sie ein paar Tricks und Spielereien. Was deutlich über meine frisch erworbenen Möglichkeiten hinausging: Handstand, Radschlag, Salto vorwärts sowie rückwärts. Jimena jedenfalls beherrschte dieses Sportgerät mit Eleganz sowie Souveränität.
Einfachere Aktionen, erst einmal geradeaus balancieren, eine Wende konnten meinerseits jedoch gleichfalls probiert werden. Mit mehr Übung verlängerte sich meine Verweildauer auf dem Gurt merklich.

Sie meinte, mehr Fokussierung, Ausgeglichenheit, Konzentration würde mir guttun.
Daher pausierten wir mit dem Balancieren, sie erzählte mir überdies etwas über Meditation, Atemübungen, Achtsamkeitsübungen.
Sie meinte: „Solche Übungen sind nicht nur wichtig, um sich bei solchen Aktionen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Alles, was nicht dabei hilft, die aktuelle Aufgabe zu bewältigen, sollte ausgeblendet werden – Abgrund drunter, Bewegungen im Hintergrund – unwichtig, lenkt nur ab, was zur Gefahr wird. An der Umgebung ist nur wichtig, jeden Zeitpunkt zu wissen, wie man darin bei einem Zwischenfall wie hier einem Abflug richtig reagiert, um sich nicht zu verletzen.
Auch im Studium wird es dir helfen, relevante Sachen konzentriert durchzuziehen, dich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen.“
Sofort dazu Bestätigung von mir: „Klingt vernünftig, bin dabei!“
Somit gingen wir dies gleichfalls ausgiebig durch. Draußen war es natürlich kühl, also gar nicht so einfach, Meditation einzuüben. Der eigene Körper ist allerdings leicht spürbar, solange er jedenfalls bei den Temperaturen nicht taub wird. Schon von daher dehnten wir diese ruhigen Übungen keineswegs übermäßig aus.

Auf ihren Vorschlag hin wurden derlei Übungen jedoch fortan von mir täglich innerhalb meiner Unterkunft im Silo praktiziert. Wirklich, dies Verweilen in Meditation, Reflexion tat mir sehr gut, half dabei, Aufgaben deutlich zielstrebiger sowie effizienter zu bearbeiten und abzuschließen. Es bringt viel, wenn man sich klar auf ein aktuelles Ziel fokussieren kann, um es zu erreichen sowie abzuhaken. Deutlich mehr als eine komplizierte Aufgabe auf einmal bekommt man sowieso nicht hin, unerledigte Dinge lenken ab, also schließt man nach Möglichkeit eins nach dem anderen effizient ab. Nun gibt es zudem Aufgaben, welche sich zwangsläufig über einen längeren Zeitraum erstrecken, genauso welche mit Wartezeiten, welche wiederum gut für andere Dinge genutzt werden können. Dabei hilft Konzentration allerdings ebenso bei einer effizienten Bewältigung dieser jeweiligen Aufgabe, ohne andere Aufgaben aus dem Auge zu verlieren, wenn dies so auf geordnete Bahnen gelenkt wurde, das Denken sortiert ist, befreit von unüberlegtem Durcheinander, welches blockiert, wo Gedanken, Ideen frei fließen sollten, um alle Aufgaben zu erledigen.

Insofern ist das Balancieren selbst eine Metapher für das Leben, was erledigt ist, läßt man hinter sich, schreitet voran, hält sich in Bewegung, in der Balance des Seins, registriert aufmerksam, was auf einen wirkt, was einstweilen belangloser Hintergrund ist. Damit gelingt eine Fokussierung auf jene Aspekte, welche im Augenblick, für die konkrete Situation wichtig zum Halten der Balance sind, um nicht abzustürzen.

Später setzten wir den Gurt an den Bäumen höher an, ließen ihn allerdings mehr durchhängen. In der Tat, dies war noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Ich konnte von unserer vorherigen Übung profitieren, stellte mich nicht ganz blöd an. Jimena schmunzelte ganz zufrieden mit meinen Fortschritten.

Ich hatte mich ordentlich ausgetobt sowie richtig Spaß gehabt. Risiko war nicht dabei, auch weil wir vorher geübt hatten, wie gekonnt auszusteigen ist, ohne blöd aufzukommen. Erschöpft sowie glücklich kam letztlich mein Signal, daß ich ziemlich erledigt sei. So packten wir ein, schlenderten weiter über die Wiese.

Meine Orientierung ging verloren. So war die Überraschung auf meiner Seite, daß wir wieder am Weg herauskamen, relativ nahe jener Brücke, auf welcher sie mir beim ersten Treffen vorbalanciert hatte. Wir gingen den Weg weiter bis auf jene Brücke, obwohl es in die andere Richtung zurück zum Wohnheim geht.
Jimena hielt an, drehte sich, grinste frech, wies auf das Geländer: „Und?
Riskierst du es?“
Mein Blick ging erschrocken zu ihr!
Mein Mund hatte sich gleich vor Schreck geöffnet, daß sie derlei zu erwarten schien.
Zwar war ich bei dem Gurt zuletzt so lange oben geblieben, wie ich mir das vorgestellt hatte, aber hier auf dem Geländer, auf der anderen Seite einige Meter hinunter, diese Situation war schon etwas ganz anderes als mit meiner frisch erlernten Möglichkeit des Abrollens auf einer Wiese!

Wollte sie mit wirklich dort balancieren sehen?
Sollte ich?
Kneifen?
Würde das einen schlechten Eindruck bei ihr machen?
Ein solcher wollte von mir unbedingt vermieden werden. Ich war gerne mit ihr zusammen. Das waren bisher wundervolle Stunden gewesen.
Wäre sie jetzt enttäuscht?
Sollte unsere bisherige Harmonie durch Widerspruch riskiert werden?
Meine Gedanken rauschten, blitzen, wirbelten nur so durch meinen Kopf. Mein Hirn verarbeitete alle Eindrücke, Informationen, Überlegungen rasten dahin.
Tief in meinem Innersten rumorte mein Schisser!
Mein Haupt schüttelte sich verzagt, mutlos.

Jimena zeigte mit dem Finger auf mich, lachte, meinte daraufhin: „Dein Gesichtsausdruck!
Zu köstlich, unbezahlbar!
Irgendeine Mischung aus Reaktion auf Zitronensäure sowie Schimmel kommt mir dabei als Assoziation!
Natürlich, natürlich wirst du derlei Schabernack oder Humbug nach derart kurzer Vorbereitung nicht machen. Derlei wäre idiotisch. Dazu bist du nicht geübt genug. Beziehungsweise, auf einem Geländer hast du nicht ansatzweise geübt, fest ist zwar einfacher, jene Oberfläche des Geländers ist allerdings anders als jene eines Gurtes. Und diese Umgebung, jene Tiefe beeindruckt psychologisch ganz anders als eine Wiese.
Und vergessen?
Ein Plan B müßte sitzen, überhaupt vorhanden sein, tut er dies etwa?“

Ich schüttelte verlegen den Kopf, einerseits erleichtert, andererseits leicht blamiert fühlte sich dies an. Jimena kam heran, umarmte mich kurz tröstend auf den Schreck hin. Wider Erwarten hatte ich ihre Prüfung also zu ihrer Zufriedenheit bestanden. Sie hatte mir komplett überraschend erneut einen erheblichen Adrenalin-Schub verschafft. Mir wirbelte noch immer alles im Kopf. Nach dem Schrecken fühlte sich ihre kurze Umarmung bloß noch sehr gut, wohlig an.
Waren wir jetzt so eine Art Freunde oder so?
Jimenas Freundschaft würde mir sehr gefallen.

Sie ließ allerdings bald wieder los, fuhr sich verlegen über den kahlen Kopf. Auf eine Geste von ihr hin schlenderten wir den Weg zurück zum Wohnheim.
Unterwegs fragte Jimena nach: „Hast du Lust?
Wollen wir nächstes Wochenende wieder etwas unternehmen?“
Bestätigung von mir erfolgte sofort ohne weitere Überlegung: „Sehr gerne!“
Informationsbedarf auf ihrer Seite: „Ein Fahrrad hast du hier verfügbar?
Sportklamotten?“
Meine Antwort: Nicken.
Bestätigung von ihr: „Fein, dann ist mir eine Idee gekommen. Letztere packst du zusammen. Rest wird von mir organisiert.
Natürlich erfährst du erst an Ort und Stelle, worum es geht!“
Dies wäre mir inzwischen kaum anders in den Sinn gekommen. Sie zeigte mir noch ein paar Übungen, welche täglich von mir durchgeführt werden sollten, durchaus auch zwischendurch in der Uni, wenn gerade ein paar Minuten Leerlauf ist, primär waren dies Übungen mit den Fingern, dieser Vorschlag kam ebenfalls ohne weitere Erklärung.

Klettern

Den nächsten Samstag gingen unsere Aktivitäten folglich weiter. Wie sich herausstellte, ging es mit den Rädern lediglich zu einem größeren Sportgelände mit einer Halle. Auch hier hatte Jimena Bekannte, eine Bettina hatte die Aufsicht über die aktuelle Veranstaltung, öffnete uns, nachdem sich Jimena über eine Gegensprechanlage gemeldet hatte. Sie kannte sich aus, so kamen wir schnell zu den Umkleideräumen.

Jene als unser Ziel gewählte Sporthalle war geräumig, eine gemischte Gruppe, mehr Damen als Herren waren an Kletterwänden aktiv. Damit drängte sich eine Hypothese als naheliegende Ahnung auf.
Daher meine halb rhetorische Frage: „Heute klettern?“
Jimena nickte, meinte: „Kommt später, vorneweg sowie zwischendurch veranstalten wir jedoch noch ein kleines weiteres Programm, welches zwischen Bettina und mir abgesprochen wurde. Erst wiederholen wir jene Geschichte mit dem Abrollen, heute mit angenehmerem Untergrund, dafür mit leicht anderem Kontext, könnte wichtig sein, wenn du dich an der Anfängerwand nicht halten kannst, an dieser wird ohne Sicherung geklettert. Macht sich immer gut, wenn du bei einem Ausrutscher gekonnt abrollen kannst, nicht gleich der Krankenwagen gerufen werden muß.“
Nickend folgte umgehend meine Zustimmung hinsichtlich dieser Schlußfolgerung, diese leuchtete selbstverständlich ein, daß innerhalb solch kritischer Momente von großer Nützlichkeit ist, Abrollen automatisch als Bewegungsablauf verinnerlicht zu haben und es automatisch abzuspulen.

Jimena bat mich somit zu ein paar Matten hinüber, welche wir auslegten. Wir wiederholten zunächst einige Übungen mit dem Abrollen. Die anderen Leute beachtete Jimena nicht. Den Bewegungsablauf hatte ich mir gemerkt.

Als nächste Übung schlug Jimena vor: „Gut. Beim Klettern in größeren Höhen wird mit Seilen durch anderen Personen gesichert. Bei einer Absicherung kommt es demzufolge auf Vertrauen an. Dazu machen wir gleichfalls eine kleine Übung, naja, eher Spaß als ernsthafte Übung. Du machst dich steif, Hände gestreckt, zudem fest vor den Körper gehalten, läßt dich anschließend nach hinten fallen, bist dabei gespannt, ob du rechtzeitig aufgefangen wirst, bevor du unten aufditscht. Hier sind ja Matten, also nicht so schlimm, falls es mich überkommt, stattdessen beiseitezutreten!“
Als Antwort kam von mir ein erstauntes Räuspern, dazu ein mißtrauischer Blick sowie: „Wieso ‚ob‘?“
Sie lachte, entgegnete: „Darin liegt der Zweck jener Übung – vertrauen oder nicht.
Bin ich vertrauenswürdig für dich?
Liegt mir daran, auf dich zu achten oder mache ich mir einen Spaß, locke dich in eine alberne Falle?“
Ich kniff die Augen zusammen, schätzte sie ab: „Hmm, schon möglich, daß du mich bei solch einem harmlosen Spielchen reinlegst. Allerdings, wenn diese Übung gleichfalls einer Vertrauensbildung dient, wirst du derlei keinesfalls tun, wäre ja gleich als Vertrauensbruch kontraproduktiv. Nein, also glaube schon, du fängst mich immer auf, trotz des Plans B mit den Matten, dem Abrollen als Plan C.
Also, mache mit, mal abwarten, ob mein Tip richtig ist!“
Ich stellte mich also wie gewünscht auf, schaute noch einmal, daß wir richtig zueinander standen, kippte nach hinten.
Jimena ließ mich tief fallen, packte allerdings noch vor dem Bodenkontakt zu, konnte mich so sanft auf dem Boden ablegen. Wir lachten beide erleichtert. Diese Übung hatte sich gut angefühlt. Wir wiederholten diesen Bewegungsablauf. Ich verlangte daraufhin einen Tausch, so lag es daraufhin an Jimena, ob diese mir vertraut, was diese tat, kippte, wurde von meinen Händen gehalten, aufgrund fehlender Routine deutlich höher. Wie wiederholten, wechselten abermals lachend. Scherze mit dem Fallenlassen ließen wir aus.

Jimena zwar ganz zufrieden mit unseren kleinen Übungen, schaute auf ihre Uhr, nickte, fragte nach jenen Übungen, welche ich alleine über die Woche machen sollte, prüfte mit ihren Fingern, wie kräftig meine wären.
Sie meinte schmunzelnd: „Naja, für den Anfang …“
Sie klärte den Zweck auf, bei den Übungen ging es ums Klettern, den besseren Halt an der Wand. Dabei ist richtiges Zugreifen wichtig, wenn meine Fingerfertigkeiten auch noch deutlich davon entfernt waren, mich mit den Fingerspitzen an einer Kante mehr als ein paar Sekunden zu halten.

Klettern war jedoch noch immer nicht dran. Nun kamen ein paar jener Frauen mit Bettina herüber. Plötzlich begann eine Kurzeinweisung Selbstverteidigung. Dies überraschte mich abermals. Überraschung war indessen zentraler Bestandteil unserer Treffen geworden. Jimena referierte, führte eine Kampfposition vor.
Dazu ihre Ausführung: „Werdet ihr bedroht, ist es wichtig, daß ihr alle potentiellen Angreifer immer im Auge behaltet, gleichzeitig Fluchtwege sucht, abschätzt, ob ihr schneller weg sein könntet als jene Angreifer euch erreichen können.
Wenn nicht, vielleicht gibt es wenigstens einen Ort mit mehr Rückenfreiheit, damit kein Angriff von hinten kommt?
Gibt es eine Möglichkeit per Positionswechsel zur Reduktion der Anzahl gleichzeitiger Angreifer?
Könnten diese sich etwa gegenseitig im Wege stehen?
Ansonsten kommt viel auf ein selbstsicheres, entschlossenes Auftreten an. Dazu wird eine Kampfposition eingenommen, eine passende Mimik, Gestik präsentiert. Gegner sollen noch vor einem Angriff den Eindruck bekommen, egal wie ein Kampf letztlich ausgeht, geschenkt bekommen sie nichts und sie müssen mit Schmerzen bezahlen. Diese Kalkulation schreckt viele Idioten oder Dummköpfe bereits von einem Übergriff ab, also aufplustern, Eindruck machen. Vor einem Kampf kommt es folglich stark darauf an, wie Gegner euch einschätzen. Wenn es erst zum Kampf kommt, wird relevant, was ihr wirklich drauf habt. Und wenn Abschrecken sowie Beeindrucken vor dem Kampf nichts hilft, seid ihr immerhin bereits in einer Position, durch welche ihr abwehren oder besser noch ausweichen könnt, Bewegungen des Gegners ausnutzen, um diesen möglichst schnell fertigzumachen.
Wenn ihr erst angegriffen werdet, ist Überleben eure Priorität.
Das nächste Ziel besteht darin, daß ihr davon keine bleibenden Schäden behaltet, möglichst nicht nennenswert verletzt werdet. Blaue Flecken, Prellungen, Zerrungen zählen dabei nicht, derlei passiert, wenn eine Auseinandersetzung wirklich ernst wird, hoffentlich nicht mehr.
Rücksicht auf den Angreifer ist erst gefragt, wenn dieser sicher am Ende ist, nicht mehr angreifen kann, keineswegs indes, wenn er nur so tut, als würde er aufgeben. In dem Falle ist Vorsicht geboten, ein hilfloses Benehmen, eine Geste der Aufgabe kann ein Trick sein.
Körperliche Übergriffe, Kämpfe sind kein Spiel, bei dem es um anständiges, gerechtes Verhalten geht. Kampf ist in solchen Fällen kein Sport, somit ist dabei Sportsgeist, Schicklichkeit, faires Vorgehen, Schüchternheit, Zaghaftigkeit belanglos, kontraproduktiv. Gesund überleben ist hingegen relevant. Wird ein Kampf euch aufgezwungen, gibt es nur diese genannten Regeln, euer Überleben, eure Gesundheit. Ohne richtige Kampfausbildung wird euch niemand unter eure Nase reiben, wenn es später dem Angreifer nicht gutgeht, dessen Wohlbefinden soll im Kampf nicht eure Sorge sein, dabei reduziert sich alles darauf, nur mit kleineren eigenen Blessuren davonzukommen. Von daher müßt ihr lernen, jene Techniken, welche gleich geübt werden, im Ernstfall wirklich durchzuziehen, sonst macht euch der Gegner fertig.“

Überall in der Runde wurden nachdenkliche Blicke gewechselt, denn die Scheu zu überwinden, einem Gegner wehzutun, ist gar nicht so einfach. Jimena sah mit ihrer Kriegsbemalung sowieso gefährlich aus. Diese würde ohnehin niemand anzugreifen wagen. Nun in eingenommener Kampfposition mit diesem Blick war sie sehr einschüchternd, angsteinflößend. Darin bestand der Zweck der Übung. Wir sollten Körperhaltung, Mimik nachmachen, ohne Bemalung war dies allerdings deutlich weniger eindrucksvoll. Ich atmete tief durch, konzentrierte mich darauf, rechnete so halb mit einer kleinen Gemeinheit, wenn diese Übungen von mir nicht ernst genommen würden.

Bei dem Versuch des gefährlichen, bedrohlichen Guckens gab es allerdings Lacher, Grinsen aus unserer Runde.
Jimena schnellte blitzartig an eine Lacherin heran, zischte bedrohlich: „Mit Lachen und Grinsen wirst du im Ernstfall niemanden davon abhalten, über dich herzufallen.“
Die Angesprochene zuckte zusammen, ihr Lachen blieb ihr im Halse stecken. Jimena schlich um uns herum, kommentierte, korrigierte. Zum Lachen war niemandem mehr zumute, so hart und schroff war sie. Zum Glück brauchte sie bei mir nur Kleinigkeiten kommentieren.

Nachdem sie uns dazu gebracht hatte, diese Kampfposition zu verinnerlichen, überzeugend darzustellen, gab sie sich damit zufrieden. Es folgten Beispiele, zusammen mit Bettina vorgeführt, wie auf bestimmte Typen von Angriffen reagiert werden sollte. Jimena, bestückt mit einer eher leichten Schutzkleidung, welche diese angelegt hatte, griff an, Bettina, welche ebenfalls Erfahrung hatte, gab die Angegriffene. Diese Vorführungen gingen erst einmal mit Absprache sowie Ansage, worauf wir achten sollten. Nach ein paar Wiederholungen waren wir dran mit Übungen, verlangsamter Bewegungsablauf, um alles zu verinnerlichen. Es ging letztlich um schnelle Reaktionen, geschicktes, agiles Ausweichen, später ebenso darum, den Bewegungsimpuls des Gegners zum eigenen Nutzen zu verwenden. Langsam eingeübt verfestigt sich ein Bewegungsablauf allerdings als automatisches oder halbautomatisches Handeln, welches kein bewußtes Denken mehr erfordert, folglich deutlich schneller ausgeführt werden kann, wenn erst einmal ein Handlungsimpuls ausgelöst ist – bewußt oder unbewußt.

Jimena empfahl den Damen zum Ende dieser Kurzeinweisung den Besuch eines richtigen Kurses. Natürlich, dies hier diente mehr der Stärkung des Selbstbewußtseins, einer Schärfung der Sinne für gefährliche Situationen. Dazu gaben die beiden ebenfalls ein paar Tips, Augen offenhalten, potentiell gefährliche Situationen erahnen, diesen nach Möglichkeit ausweichen oder eben hellwach und vorbereitet sein, dem Gegner nicht den Vorteil einer Überraschung lassen. Und es ging darum, mehr Eindruck zu machen, als man letztlich im Ernstfall drauf haben würde, um einen Gegner vor dem Angriff zu verunsichern sowie abzuschrecken. Die größten Siege werden mit Tricksen, Täuschen errungen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Dafür könnte es vermutlich reichen, meinte sie. Mehr sowie eine richtige Selbstverteidigung müsse in Kursen länger geübt werden. Bewegungsabläufe müßten so lange unter Aufsicht eingeübt werden, bis diese wirklich verinnerlicht sind. Die Damen dankten.

Obwohl dies lediglich eine Übung war, war mein Puls ordentlich in die Höhe gegangen. Wird man angegriffen, ist schnell vergessen, daß in dem Moment geübt wird. Ich hatte es hinbekommen, behielt meine aufkommende Panik im Griff, machte den gewünschten Eindruck. Dieses Spiel ist nicht so vergnüglich, wenn Jimena auf alle ein Auge hat, jeden Moment den Eindruck erweckt, mit einem kleinen, gemeinen Angriff prüfen zu wollen, ob wir wirklich aufmerksam wären. Sie hatte mit angedeuteten Attacken bei den Übungen anfangs ein paar Damen erschreckt, wenn sie kurz nicht so ganz bei der Sache waren. Danach waren sie es wieder. Ich war konzentriert, behielt insbesondere sie, ebenso Bettina im Auge, primär allerdings meine jeweilige Übungsgegnerin, bei einer Pause oder einem Wechsel aber auf jeden Fall, was Jimena oder Bettina gerade im Schilde führten. Sie hatten es beide drauf, unsere Gruppe unter Streß zu halten.

Jimena nickte mir anerkennend zu, meinte, nun könnten wir zum hauptsächlichen Programmpunkt kommen. Überraschung meinerseits war abermals das Ergebnis. Diese Übungen hatten mich schon erheblich verausgabt. Nun wies sie auf eine Kletterwand.
Sie meinte nur: „Für Anfänger. Zeige dir ein paar Griffe sowie Techniken an der Wand, im Weiteren jagst du hoch. Unten liegt eine dicke Matte drunter, ich springe weg, wenn du fällst, mir kann also praktisch nichts passieren. Du denkst an das Abrollen, noch bevor du unten ankommst, konzentrierst dich bereits darauf, wenn du merkst, daß du dich nicht mehr halten kannst.“

Hoch war diese Wand keineswegs. Trotzdem eindrucksvoll. Jimena führte also vor, erklärte dabei, ich probierte daraufhin. Diese Kletterwand war also die einfache Variante. Tatsächlich konnten meine Finger da ganz gut greifen, meine Zehen fanden barfuß ebenfalls Halt.
Mein Gedanke war, wir würden noch weiter probieren, sie meinte jedoch ziemlich schnell: „Also gut, auf geht’s weg von der Idiotenwand, hin an eine ernsthafte Herausforderung. Wenn es Probleme geben sollte, kommen von mir noch von unten Tips, viel Spaß.“

Bei jener kleinen Wand gab es keine Sicherung, anders als bei den größeren, wo alle anderen bereits agierten, dort gab es für jeden Kletterer ebenfalls jemanden an einer Sicherungsleine, welche oben an der Decke über einen Flaschenzug lief. Ich sollte im unteren Breich erst einmal ohne probieren, mich alsdann erst in höhere Regionen wagen. Sicherungsleine gäbe es nur bei den hohen Wänden, sonst würde noch über mich gelacht. Obgleich dies noch eine Anfängerwand war, brachte diese Forderung abermals Aufregung. Ich war ja auch Anfänger. Ich atmete tief durch, probierte es. Letztlich hatte Jimena Recht. Es stimmt natürlich, drückt man sich eng an solch eine Wand, ist der Schwerpunkt ebenfalls dort, der Halt ist besser, das Drehmoment von der Wand weg kleiner, folglich letztlich mit weniger Kraftaufwand bewältigbar. Allerdings ist es gleichfalls anstrengend, sich so an die Wand zu schmiegen, auch ist das Auffinden der nächsten Haltemöglichkeiten dann schwieriger. Mein kleiner Aufstieg indessen funktionierte meistens irgendwie. Vielleicht bin ich ein Naturtalent, kam mir dabei der Gedanke, naja, bis ich mich letztlich doch vergriff und purzelte, mich noch geradeso im Fall an ihre Mahnung erinnerte und den Bewegungsablauf mit dem Abrollen auf der weichen Matte noch geradeso hinbekam. Auch wenn diese weich ist, kommt man da mit dem Kopf auf, kann man sich trotzdem etwas an der Wirbelsäule zuziehen. Ungeschicklichkeit, Unaufmerksamkeit wäre also kontraproduktiv. Mich hatte der Ehrgeiz gepackt, Jimena schaute gespannt, merklich erfreut, als ich trotz Absturz kurz darauf uneingeschüchtert erneut an der Wand hing, es erneut versuchte. Denselben Fehler machte ich nicht noch einmal. An zwei Stellen brauchte ich noch einen Tip, endlich gelangte ich oben an.

Sie hatte mir allerdings nur erklärt, wie man hochklettert, nicht, wie man wieder herunterklettert, fiel mir oben ein. Ein Sprung aus der Höhe wäre noch möglich gewesen, ohne signifikantes Risiko eines Schadens, jedenfalls mit gekonntem Abrollen.
Bevor ein solcher Sprung von mir in Erwägung gezogen werden konnte, hatte Jimena meinen Gedanken auch schon erraten, meinte nur: „Nun wieder schön langsam herunter. Überlegt man sich im Grunde, bevor man irgendwo hinaufklettert, wie man wieder herunterkommt.
Bei einem richtigen Berg in einigen Metern Höhe kannst du außerdem ebenfalls nicht einfach so aufstecken!“
Das stimmte nun auch wieder. Nun kam ich richtig ins Schwitzen. Also Kommando zurück.
Immerhin kam mir ein ganz gutes Kurzzeitgedächtnis zu, deshalb hielt meine Erinnerung noch parat, wo mein Weg hochgeführt hatte. So lautete jedenfalls mein Plan, den hatte Jimena ebenfalls schnell erkannt, lotste mich daher ein Stück ungefähr horizontal weiter, von da sollte stattdessen mein Abstieg erfolgen.
Dies war eine kleine Gemeinheit von ihr!
Ich riß mich indes zusammen, nahm diese Herausforderung an. Ohne Absturz! stand ich irgendwann wieder mit zitternden Beinen unten neben Jimena, war fertig. Sie lachte, nahm mich unterdessen kurz in ihre Arme, flüsterte mir ein Lob ins Ohr. Dies tat mir beides sehr gut. Davon hätte gerne noch mehr kommen können.

Jimena hatte zum Glück eine Pause für mich eingeplant. Wir gingen hinüber zu den anderen; in sicherer Entfernung setzten wir uns auf den Boden, Jimena erläuterte mir, mit welchen Schwierigkeiten da einzelne Personen in der Wand augenblicklich kämpften. In mir stieg ein dumpfes Gefühl auf, daß ich besser genau zuhören sowie zusehen sollte. Eine wirkliche Pause legten wir also keineswegs ein.

Immerhin gönnte sie mir etwas mehr Zeit. Die Kandidatin von Bettina brauchte gleichfalls eine Pause, so wurden beide sich einig, daß Bettina nun Jimena sichern würde. Jimena winkte mich mit hinüber in eine offenbar oder gar offensichtlich schwierige Ecke. Dort gab es oben einen Überhang, für mich unbegreiflich, wie den jemand schaffen sollte. Noch ein Stück weiter hing überdies eine Glocke als stets lockender Anreiz. Jimena erläuterte: „Sehr schwierig, jene Glocke zu erreichen.
Jeder will doch mal eine Glocke läuten, triumphieren!
Beziehungsweise das Erreichen geht sogar noch, aber es geht darum, dabei mitnichten abzustürzen oder vielleicht plötzlich nur noch an der Schlaufe des Klöppels zu hängen. Derlei habe ich bei meinem ersten Versuch geschafft, hing damals dort und kam nicht mehr vor oder zurück. Darüber haben sich alle anderen Kletterer köstlich amüsiert, auf meine Kosten. Franziska hatte es danach ebenfalls versucht, einige Zentimeter größer hatte diese es daher in geringem Umfange leichter, zu jener Zeit hatte sie zudem mehr Routine, hat es damit hinbekommen. Mal schauen, wie weit mich heute mein Geschick bringt, bin allerdings ein wenig aus der Übung.“

Bettina sicherte also, Faszination war meine Empfindung bei Jimenas folgenden Aktionen an dieser Wand. Jimena klebte förmlich eng an jener Wand, nutzte jede Möglichkeit, um geschmeidig hochzukommen. Diese akrobatische, meisterliche Schau wollten sich die meisten anderen nicht entgehen lassen, so hatte sie mehr Zuschauer als mich und Bettina. ‚aus der Übung‘ war wohl die Untertreibung überhaupt. Ihr Vorgehen war eine fließende Bewegung, eine phantastische Leichtigkeit, mit welcher sie dort emporklomm, schlängelte. Bis zum Überhang hatte sie keine Probleme, da konnte sie nichts stoppen. Dort hatte sie allerdings Schwierigkeiten, den richtigen Griff zu finden, kein Wunder, oft ging dies nur mit ein oder zwei Fingern. Hatte sie sich zuvor irgendwie an jene Wand geklebt, war dies bei einem Überhang nicht mehr drin. So mußte sie sich ziemlich plagen. Ein paar Zuschauer kommentierten leise murmelnd. Außer Bettina sowie Jimena waren heute keine Experten anwesend, von daher war dabei eher Bewunderung im Murmeln herauszuhören.

Jimena wich letztlich zur Seite aus, kam neben dem Überhang oben an, meinte laut: „Heute leider keine lustige Szene, wie ich hilflos an der Glocke hänge, finde heute nicht den richtigen Griff.“
So kletterte sie also wieder abwärts, eine andere Route als aufwärts, ebenfalls wieder ziemlich flüssig. Einmal zögerte sie merklich, ein Stück weiter rutschte sie gar mit einem Fuß ab, konnte sich allerdings halten. Als sie wieder unten stand, gab es Applaus. An dieser schwierigsten Wand hatten es einige gar nicht versucht, andere waren nicht weit gekommen, wie mir Bettina erklärte. Sie selbst habe den Überhang bislang nicht gemeistert, den Rest dieser Wand schon. Jimena meinte, es hänge stark am täglichen Training sowie der Tagesform, ob man an dem Überhang etwas auf die Reihe bekomme oder gar jene Glocke erreiche. Sie lächelte.

Ich hatte mich erholt, Bettinas Schützling ebenso. Die anderen widmeten sich ebenfalls wieder einem neuen Versuch nach dieser kleinen Pause sowie Vorführung. Jimena wies auf ein freies Stück Wand, vermutlich der nächste Schwierigkeitsgrad nach der Anfängerwand. Diesmal würde sie mich sichern und nicht loslassen. Das hörte sich einerseits gut an.
Andererseits meine Frage daraufhin: „Warum betonst du das Nichtloslassen so?“
Sie grinste: „Nur Spaß. Lasse nicht los. Aufgeben sowie absichtlich abspringen oder abrutschen sollst du selbstverständlich nicht.
Wenn es jedoch passiert, haben wir dennoch alles im Griff, wirst dich folglich nicht langlegen!“

Ich war nun überzeugt. Da war kein Schalk mehr bei ihrer Stimme auszumachen. Ehrgeizig rappelte ich mich hoch, sah mir diese Wand in aller Ruhe an. Jimena hatte mir erklärt, wie vorteilhaft es sei, bereits von unten eine Route zu planen, sich einzuprägen. Immer geht dies natürlich keineswegs, hier jedoch gut möglich. Also war meine Idee genau solch eine grobe Routenplanung, was ich kurz mitteilte. Sie machte meine Sicherung fertig. Ich fragte nach Tips bezüglich einiger Stellen, welche von mir bereits von unten als nicht so einfach ausgemacht wurden. Bereitwillig erklärte Jimena. Anschließend war die Reihe an mir, etwas an jener Wand zu zeigen.

Nun ja. Ein Stück weit bin ich hochgekommen. Etwas gemein war Jimenas ausgewählte Wandregion schon, denn unten war es noch gut machbar, nach oben stieg die Schwierigkeit. So hing ich irgendwann in dieser Wand, kam nicht mehr richtig voran. Ich riskierte zuviel, baumelte hernach von einem Moment zum anderen am Sicherungsseil. Dies ist ein blödes Gefühl, momentan hatte ich verdrängt, daß ich am Seil hing, hatte mich reflexartig darauf vorbereitet, könnte somit unten per Abrollen den schlimmsten Schmerz vermeiden. Ich sackte ein Stück durch, pendelte daraufhin munter sowie komplett hilflos vor der Wand. Jimena ärgerte mich auch noch ein bißchen, indem sie just im richtigen Moment anzog oder nachließ, so pendelte mein ausgelieferter Körper mit jedem Zug von ihr noch heftiger. Ich schimpfte jammernd, allerdings nicht wirklich böse, aber andauernd, daß sie ein Einsehen hatte. Sie ließ mich langsam sowie lachend herunter, unten angekommen nahm sie mich lobend und sanft in den Arm, sie war sehr zufrieden damit, wie weit ich gekommen war. Mein Ärger über ihren Pendel-Scherz war augenblicklich egal. Ich fühlte mich bei ihr wohl, weil diese Umarmung überdies merklich länger dauerte als jene zuvor. Ich hielt mich an ihr fest und genoß, mich so von meinem Schrecken zu erholen.

Als weiteres Angebot von Bettina und Jimena gab es für alle Anfänger einen kleinen Kurs Knotenkunde. Knoten sind bei der Sicherung beim Klettern lebenswichtig, beim Segeln zum Beispiel notwendiger Teil der Funktionsweise. Von daher gibt es mindestens zwei unterschiedliche Traditionen. Topologisch sind Knoten sowieso interessant, faszinierend, gar nicht so einfach beschreibbar. Dies hatte ich bereits auf der Grundschule mitbekommen, wobei es gleichfalls ums Stricken sowie Häkeln ging. Meine Beobachtung: Mädchen zeigen dafür mehr Verständnis oder aber Begeisterung als Jungs.
Wäre es für Jungs ein besserer Aufhänger gewesen, in Zusammenhang mit Segeln oder Klettern auf verstrickte Angelegenheiten hinzuarbeiten, um bei diesen ebenfalls mehr Interesse dafür zu wecken, wie man geschickt umgarnt, um etwas zu bekommen?
Ich hatte es in der Schule gut raus mit Stricken sowie Häkeln, der einzige Haken dabei ist, wohin nachher mit den fertigen Produkten?
Es ist mehr die Tätigkeit an sich, welche entspannend wirkt, wiederum fürderhin Geschicklichkeit abverlangt, mit einiger Übung über einfachere Bereiche hinweg bald automatisch abläuft, wie man ebenso beim Atmen oder Gehen nicht bewußt steuert, was dazu notwendig ist.

Knoten sind anders als das Produzieren dekorativer, flächiger Lochwerke mit wärmender Wirkung. Trotzdem hatte ich gleich einen guten Draht dazu, erfaßte schnell, wie ein Strick jeweils wie geführt werden muß, um ein gewünschtes, zuvor vorgeführtes Ergebnis zu erzielen. Es gab im Übrigen Anfänger mit mehr Problemen, etwas mehr Männer als Frauen, weiß nicht, ob dies bei unserer kleinen Gruppe schon signifikante Schlüsse erlaubt. Die wichtigsten Knoten hatten wir zum Ende unserer Übung hin alle zuverlässig drauf.

Derlei Kenntnisse waren relevant bei unserer nächsten Übung, bei welcher es um fachgerechtes Sichern beim Klettern ging. Auch dieser Umstand war mir unmittelbar eingängig. Ich hatte es schnell drauf, Sicherungen korrekt sowie zuverlässig umzusetzen. Dabei ist Sorgfalt gefragt, bei langer Erfahrung damit sicherlich genauso Mißtrauen gegenüber sich selbst sowie aufkommender eigener Routine. Daher wurde gleich von Anfang an eingeübt, kritische Stellen mehrfach sowie konzentriert zu prüfen, bevor eine starke Belastung auftritt.

Gleich im Anschluß ging es um die Frage, was unternommen wird, wenn man nach einem Ausrutscher im Sicherungsseil hängt. Klar, hier innerhalb dieser Halle seilen einen die Partner bloß ab zum Boden. Hat man sich hingegen zum Beispiel draußen an einer Felswand selbst gesichert und rutscht ab, so pendelt man frei an den Sicherungshaken und hofft, daß diese halten. Retten muß man sich aus solchen Situationen anschließend selber. Zu den Sicherungshaken gab es ebenfalls hilfreiche Instruktionen, wobei wir die zugehörige Praxis nur bedingt üben konnten, denn innerhalb dieser Halle gibt es selbstverständlich keinen echten Felsen.

Praktisch ging es bei unserer Übung also um die Frage, wie man sich selbst im Seil sichert, wie man Knoten sowie Schlingen nutzt, wechselt, um am Seil wieder hoch an die alte Position aufzusteigen, um sich also selbst aus dem Schlamassel zu retten. Dazu lernten wir und übten. Dies Unterfangen war anstrengend, aber letztlich machbar. Die Wichtigkeit war allen klar, denn man kann keineswegs immer Sieger sein. Wenn etwas danebengeht, ist es wichtig, daß man sich selbst wieder aus einer kritischen Situation befreien kann. Dazu gehört ebenso eine gute Abschätzung eigener Kräfte und Möglichkeiten. Immerhin gibt es gleichfalls ein paar Tricks, um sich so im Seil zu fixieren sowie abzustützen, daß eine Verschnaufpause gut einzubauen ist.

Diese Sachen machten mir ordentlich Spaß. Ich konnte mir gut vorstellen, in Zukunft öfter zu klettern, innerhalb einer Halle oder auf freiem Übungsgelände an solchen Wänden, durchaus obendrein draußen an richtigen Felsen. Klar war mir dabei ebenso, daß ich noch viel Übung brauchen würde, um an Jimenas oder auch Bettinas Geschick annähernd heranzukommen. Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich wollte dranbleiben.

Ganz vorbei war unsere heutige Aktion noch keinesfalls. Jimena wollte anknüpfend an jene Übung am Sicherungsseil nach angemessener Erholungsphase unbedingt noch prüfen, ob oder wie weit ich ein dickes Tau hochklettern kann. Solch ein Tau wird anders gehandhabt als dünnere Sicherungsseile, aufgrund des anderen Durchmessers sind Taue anders zu fassen, zudem kann man damit aufgrund des Gewichtes weiter oben keine Schlingen oder Schlaufen bilden, um sich somit sicher mit den Füßen einzuhaken, um auszuruhen. Letztlich ist es ein reiner Kraftakt, wie weit man kommt. Kraft in Fingern, Händen sowie Schenkeln war gefragt. Ich mühte mich, ohne Übung darin war mir allerdings klar, daß meine Bemühungen mich keineswegs wirklich weit führen würden. Es ging allerdings doch ein ganzes Stück. Meine Fähigkeiten schienen Jimena auszureichen, als von mir ein Signal kam, daß es nun für mich genug sei. Sie mahnte immerhin rechtzeitig, keinesfalls etwa mit den nackten Schenkeln dieses raue Tau herunterzurutschten. Ich ahnte sowieso warum, denn meine Schenkel, Arme brannten durch die Reibung ohnehin bereits.
Nach dem Klettern machte sie ein paar Übungen daran vor, welche ein bißchen verwegen aussahen.

Ich mühte mich, wiederholte die einfachsten Aktionen selbst, wir mußten beide lachen. Keine Ahnung, wo sie die Kraft hernahm, um so an dem Seil zu hängen, freihändig, mit einer Hand herumwirbelnd, kopfüber zudem irgendwas mit den um das Seil gespreizten Beinen vollführend. Völlig akrobatisch sowie abenteuerlich, überhaupt keine Chance für mich. Dazu müßte ich allerhand Kraftraining machen, um da eventuell heranzukommen, vermutlich würde es mir gar nicht gelingen. Wir lachten abermals beide fröhlich. Sie nahm es locker, daß ich hier scheiterte.

Danach gab es im Weiteren noch ein paar Übungen an einer Sprossenwand mit ähnlichen Verrenkungen. Dies funktionierte für mich zwar etwas besser, aber kein Vergleich mit jener geschmeidigen Eleganz ihrer Bewegungen, welche wirkten, als gäbe es um sie herum keine Schwerkraft. Eigenartig, bizarr, agil, schwebend, kraftvoll, akrobatisch, athletisch, ebenfalls majestätisch der Gravitation anmutig trotzend.

Unsere Übung schloß mit einer Tanzeinlage. Tanzen kann ich so halbwegs, mitnichten notwendig all jene Tanzschritte von ihr, welche Jimena vormachte. Ich kann indes präzise beobachten, relativ schnell nachvollziehen. Tanzen ging demzufolge deutlich besser als jene Stangen-Akrobatik zuvor.

Keine Ahnung meinerseits, wozu die Akrobatik-Übungen eigentlich dienen sollten. Dies war so eine Art unausgesprochene Übereinkunft zwischen uns. Sie erzählte bloß, war aktuell notwendig war, verschwieg indes, wieso sie derlei Übungen mit mir durchging, ich fragte erst gar nicht. Ich war froh, daß unsere Zeit zusammen noch weiter andauerte, wir noch etwas miteinander teilten, ganz im Hier und Jetzt einfach machen.

Mit diesen Übungen nach dem Klettern bereitete sie vermutlich bereits eine nächste Aktion vor.
Sie fragt mich, wie es bei mir am nächsten Wochenende aussehen würde, weitere Aktionen?
Ich hatte Lust. Zwar war mein Studium in der Woche anstrengend, erschöpfend, sogar noch mehr, weil ich nun für unsere Zeit an den Wochenenden vor- oder nacharbeiten mußte. Aber unsere gemeinsamen Aktionen waren ein schöner Ausgleich, welcher alle Mühen mehr als aufwog. Zudem brachte jene Gruppenarbeit mit den anderen Studenten mir nun gute Vorteile. Etwas vorab diskutieren, Ideen austauschen, gemeinsam entwickeln, derlei erleichterte sehr das Lösen von Übungszetteln. Diese immer wiederkehrenden Aufgaben waren allmählich weniger zäh. Auch insofern hatte mich Jimena mit ihrem Tip entscheidend vorangebracht.

Abfahrt

Wie sich am nächsten Tag, dem Sonntag, herausstellte, war Jimenas Frage nach meinem Fahrrad keineswegs nur gefallen, um jene Sporthalle mit den Kletterwänden zügig anzusteuern. Wir waren unterwegs auf einem Ausflug, so ziemlich quer durch die Stadt, im Bogen allerdings, auf Radwegen. Trotz Winter war ganz gutes Wetter, trocken, kühl morgens noch, dennoch sonnig, klare Luft. Der Boden war zwar hart, aber nicht schneebedeckt, ebenfalls kein Glatteis. Daher ließ es sich gut fahren, wir waren ohnehin eher gemütlich unterwegs. Sie hatte mir bislang verschwiegen, wohin wir unterwegs waren. Zielstrebig wirkte unsere Fahrt dennoch.

Die Stadt liegt im Flachland. Hügel gibt es allerdings ein paar in dieser Region. Der höchste Hügel im Stadtgebiet ist knapp der sogenannte Monte Müllo, eine stillgelegte, mittlerweile begrünte Mülldeponie. Wir waren bereits aus dem Stadtgebiet heraus in eine andere Richtung unterwegs.

Sodann ging es nach einiger Zeit nur noch bergauf, mitnichten wirklich steil, aber trotzdem über die Länge des Weges anstrengend, noch keine Plagerei, da gab es jedoch schon einfachere Strecken in der Stadt sowie im Umland, wie mir Jimena nebenbei erläuterte. Nun, einfach war sowieso nicht Jimenas Weg, dieser Sachverhalt war mir bereits klar. Deswegen hinterfragte ich ihre Pläne gar nicht erst, vertraute darauf, daß sie abermals irgendwas ausgeheckt hatte, um mich zu überraschen, wahrscheinlich erneut mit einem ordentlichen Adrenalin-Kick. Inzwischen hatte ich Lust darauf, mich selbst überwinden, meine Grenzen ausloten, lebendig sein. Zwar war im Prinzip alles ziemlich harmlos gewesen, was sie mit mir veranstaltet hatte, mich hatte es jedoch trotzdem gefordert. Diesen Umstand, diese aufgewühlte Gefühlslage hatte sie richtig erkannt sowie eingeordnet, bei jeder Aktion haarscharf an der Grenze dessen, was ich mir zutrauen würde, also alleine würde ich es mir mitnichten zutrauen, indes mit ihr dabei, mit ihrer Anleitung sowie Übung machte ich mit und war überrascht über mich selbst. Sie hatte etwas in mir gefunden und geweckt, was mir bislang ziemlich fremd war. Nun wollte ich mehr davon.

Ziemlich weit oben hielten wir. Dort hing eine Karte innerhalb eines Schaukastens. Jetzt ging mir auf, was sie vorhatte. Hier war eine Abfahrt durch das Gelände für Fahrräder angelegt worden, darum würde es wohl gehen. Nun handelt es sich bei meinem Rad um kein mountain-bike, trotzdem sollte unsere Fahrt gnadenlos den Hang hinuntergehen. Jimena packte zuvor allerdings ihren großen Rucksack aus. Sorglich hatte sie zwei Helme sowie Protektoren besorgt.

Mein Blick wechselte mit starrenden, großen Augen wahllos zwischen dieser Schutzausrüstung, jener Karte und den Beginn jener Abfahrt hin und her. Meine Lage sah ziemlich übel aus.
Jimena grinste mich an: „Abermals überaus köstlich, wie du guckst. Da lugt ein wenig Panik hervor. Du ziehst als erste Maßnahme diese Schutzausrüstung an. Wir sind ungefähr gleich groß, somit sollte mein Rad passen. Du drehst hier oben eine kleine Runde, machst dich mit dem Rad vertraut – bremsen vorne, hinten, lenken, Lenkerhöhe, Sattelhöhe etc. Folglich wird dein Rad von mir verwendet, drehe damit ebenfalls eine Runde. Hernach geht unsere wilde Abfahrt los.
Wer fährt voran?
Willst du?“
Sie lachte. Schlucken dazu meinerseits. Trotzdem zog ich wie selbstverständlich die Schutzausrüstung an, welche sie mir Stück für Stück reichte. Für sich hatte sie übrigens gleichfalls Schutz dabei, etwas weniger allerdings.

Meine Antwort folgte schließlich nach angemessener Denkpause: „Weiß nicht.
Bist du hier bereits gefahren?“
Jimena nickte.
Meine Bedenken, Einwände folgten umgehend: „Selbst wenn du mein Rad nimmst, wenn du zuerst fährst, bist du mir Ruckzuck aus den Augen.
Wenn ich hingegen zuerst fahre, ist mir Weg doch unbekannt!
Wie sollte das funktionieren?“
Sie kommentierte: „Manuela, es wäre doch eher unklug, dicht hintereinanderzufahren. Stürzt die erste Fahrerin, fährt die andere gleich auf – folglich Unfall, doppeltes Leid, überdies zusätzlich problematisch, wenn sich niemand um Hilfe kümmern kann, weil beide verletzt sind. Also, ein gewisser Abstand zur Sicherheit, für rechtzeitige, angemessene Reaktionen, Ausweichmanöver muß sowieso sein. Besser also, du zuerst. Ich bekomme im Zweifelsfalle Probleme, Ausweichmanöver, Bremsmanöver schon hin. Diese Karte solltest du dir einprägen.
Unterwegs erreichen wir einen Platz, dort legen wir eine Pause ein, gucken den Weg anhand einer weiteren Karte dort an!“
Jimena wies entsprechend auf hiesiger Karte den Verlauf des ersten Streckenabschnittes entlang bis zum anvisierten Rastpunkt.

Ich wagte keinen Widerspruch, sah mir gehorsam diese Karte an. Die komplette Strecke war allerdings meinerseits keineswegs einprägbar, zudem es unterwegs Details geben würde, welche auf ihr nicht eingezeichnet waren. Solch eine Strecke unterliegt doch gewiß einer permanenten Veränderung.
Jimena erläuterte, unterwegs seien ferner Markierungen gemäß der Legende an Bäumen neben der Strecke angebracht. Diese Symbole mußte ich mir also noch genauso merken sowie bei voller Fahrt nach Markierungen Ausschau halten, um grob zu wissen, was kommen würde. Ich ließ mich drauf ein. Meiner neuen Freundin kam mein uneingeschränktes Vertrauen zu, welche wiederum auf meine eher verborgenen Talente baute.

Beim Schaukasten ist des Weiteren eine Möglichkeit montiert, den Abfahrtszeitpunkt, also Datum und Uhrzeit anzugeben.
Jimena erläuterte: So können nachfolgende Fahrer abschätzen, ob noch gewartet werden sollte, damit keine Probleme mit langsameren Fahrern auftreten, welche bereits abgefahren sind, beziehungsweise unterwegs ungeplant absteigen mußten.
Diese vorsorgliche Maßnahme erschien mir gut durchdacht zu sein. Jener als letztes dort notierte Termin war nicht von diesem Tag, also kein Problem für uns. Wir notierten aktuelles Datum sowie aktuelle Uhrzeit akkurat im dafür vorgesehenen Feld. Immerhin hatten wir ohnehin bereits einige Minuten seit unserer Ankunft hier gebraucht, um uns vorzubereiten. In dieser Zeit war sowieso ausgeschlossen, daß jemand kurz vor uns auf jener Strecke wäre. Deshalb sollte es damit sicherlich keine Probleme geben.

Also fuhr ich, Jimena wartete noch, folgte kurz darauf.
Kurzum, diese Sause erwies sich als Horrorfahrt. Unterwegs verfügbare Markierungen waren zum Glück eine gute Hilfe, sonst wäre ich garantiert mehrmals in die Botanik gesegelt, obwohl mein Tempo keineswegs sonderlich schnell war. An dem Platz kam Jimena bereits kurz nach mir an. Mein ganzer Leib zitterte, vor mich hinjapsen begleitete ebenfalls dieses Bild des Jammers. Unsere Räder hatten wir vom Fahrweg genommen, für den Fall, daß weitere Blödmänner oder Blödfrauen wie wir noch folgen sollten. Jimena erkannte mein Elend, kam herbei, nahm mich sanft in den Arm, rubbelte sogar über meinen Rücken.
Ihr Kommentar: „Hast du hervorragend gemeistert, weiß gar nicht, warum du so zitterst und bebst.“
Schnaufen kam bloß als Reaktion aus meinem Munde, wir umarmten uns fest, meine Arme klemmten sich geradezu fest. Diesmal hielten wir unsere Umarmung länger durch. Dieser moralische Aufbau war meine Voraussetzung, nachdem ich mich schon mehrfach an einem Baum kleben gesehen habe oder gegen einen Felsblock segeln. Plopp! und Weg! Oder Zack! sowie offener Beinbruch!
Jimena ist ein Aas.
Dennoch wurde erst einmal ihre innige Umarmung von mir genossen, obendrein ein noch nachwirkender Adrenalinschub.
Ganz harmlos war unsere Abfahrt bereits nicht mehr gewesen, dafür meine Belohnung auf halber Strecke umso besser!

Als mein Gemüt, Kreislauf wieder etwas ruhiger waren, aßen und tranken wir eine Kleinigkeit. Wie angekündigt war auch hier eine Orientierungskarte vorhanden, wir diskutierten den weiteren Weg. Daraufhin ging es für mich abermals auf die Piste. Einen harmlosen Weg hier heraus existierte ohnehin nicht. Beim zweiten Teil war ich einerseits schon abgebrühter, dieser war jedoch überdies etwas schwieriger, zwei Stellen jedenfalls. An einer machte ich einen unfreiwilligen Abstieg, konnte einen Absturz jedoch gerade eben noch vermeiden. Jimena fuhr heran, machte eine Vollbremsung. Sie mahnte zur Weiterfahrt, langes Stehenbleiben ist auf dieser Piste hier keineswegs angesagt. Zitternd mußte ich also erneut aufsteigen sowie weiterfahren. Immerhin wurde es ein Stück weiter hinunter flacher, einfacher, letztlich Auslauf auf einen offenen Platz.
Geschafft!
Erledig!
Finis!
Triumph!
Zitternd fiel mein Rad um, fiel mein Körper komplett geschafft auf eine um diese Jahreszeit kalte, feuchte Wiese.
Stehen war für mich augenblicklich nicht mehr drin!
Von wegen stante pede!

Jimena eilte gleich herbei, nahm mich wohlwollend, vertraut in den Arm. Diese Strecke hatte mich endgültig geschafft. Nach ausgiebig genossener Erholung in ihrer Umarmung, beschwor ich sie, für den Rückweg eine harmlose Route auszuwählen.
Sie lachte, erwiderte: „Für heute nur noch einfache Radwege, versprochen. Schutzausrüstung können wir wieder einpacken. Etwas langsam bist du schon gefahren, aber für das erste Mal gut gemeistert.
Das geht so voll in Ordnung!“
Ich atmete tief durch, gleichermaßen erleichtert.
Für einen weiteren Adrenalin-Kick meinerseits hatte sie damit gesorgt!

Als mein Gehirn wieder so halbwegs klar denken konnte, Gedanken im Kopfe kreisten, Zeit für Reflexion blieb, folgte prompt Nachhaken: „Sage mal, wie lautete hier dein Plan B?
War dieser nicht ziemlich dünn?“
Jimena erwiderte schmunzelnd: „Dachte mir, du würdest sowieso in Zeitlupe herunterfahren.
Zudem hast du Helm, Protektoren sowie mich dabei, um gegebenenfalls einen Notruf abzusetzen, sind dies etwa keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen?
Zudem haben wir oben unsere Abfahrtszeit notiert, habe insgeheim den Hinweis ‚langsam, Anfänger‘ hinzugefügt , also damit unser Risiko deutlich reduziert, daß uns jemand einholt, auffährt.“
Meine Antwortet fiel knapp sowie verblüfft aus: „Zeitlupe?
Glaube, es hackt, meine Abfahrt, Schußfahrt kam mir ziemlich schnell vor!“
Jimena klopfte auf meine Schulter: „Muß anerkennen, du bist mutiger, zügiger gefahren, als meine anfängliche Vermutung, Einschätzung lautete, als du so ängstlich wie ein Kaninchen oben auf jene Karte gestarrt hast.
Ein köstlicher Anblick, fürwahr!
Hast dich nichtsdestotrotz getraut – hervorragend!
Deine praktische Umsetzung, Handhabung dieser Strecke sah gut aus, insbesondere für eine erste Abfahrt. Wie sich indessen an jener einen Stelle gezeigt hat, wo du unfreiwillig absteigen mußtest:
Bei dem Tempo hattest du alles noch gut im Griff, bist mitnichten gestürzt oder gegen einen Baum gefahren.
Also alles im grünen Bereich!“
Wir lachten beide. Ich war erleichtert, diese Prüfung war überstanden – und eigentlich war es eine spannende, nervenaufreibende Erfahrung, welche mich erheblich belebt hatte. Nun war ich richtig munter, geradezu kribbelig.

Ruine

Den Samstag drauf waren wir früh unterwegs, abermals mit dem Rad, allerdings zuerst den Weg am Fluß entlang sowie über jene eingangs beschriebene Brücke. Hier war weit und breit nur flaches Gelände. Abermals war mir mitnichten klar, was Jimena heute mit mir vorhaben würde.

Hinter jener Brücke ist die Wegführung etwas verwirrend. Wir wählten einen Weg entlang des um diese Jahreszeit geschlossenen Freibades, weiter parallel zum Kanal, bei einer Brücke hinüber. Neben einer größeren, freien Fläche war vor uns ein Backstein-Turm, dahinter ein größeres Gebäude, der kleinere Teil davon renoviert sowie vermutlich bewohnt, der größere Teil davon jedoch auf der anderen Seite einer Durchfahrt eine Industrie-Ruine.

Jimena erläuterte: „Ehemaliges Conti-Gelände mit Conti-Turm, Wahrzeichen dieses Stadtteils. Es gibt noch ein weiteres großes Gelände des Konzerns innerhalb eines anderen Stadtteils, sieht teils ähnlich heruntergekommen aus. Dies hier ist längst vom Konzern verkauft, das Gelände drumherum saniert. Dieser Turm wäre eigentlich interessant für eine kleine, ambitionierte Kletterei, derlei wäre allerdings zu auffällig. Auf dem Gelände entsteht bald ein neues Wohngebiet, welches bereits wohlklingend, vielversprechend Wasserstadt getauft wurde – auch wegen dessen Lage zwischen zwei Kanalarmen. Die Anbindung an die Infrastruktur der Stadt ist allerdings keineswegs besonders gut, derart durch jene Kanäle sowie die Masch von den Stadtteilen getrennt, welche zur Innenstadt benachbart sind, ist es hier ruhiger sowie abgelegener. Es wurde sogar angedacht, diese zukünftige Wasserstadt mit einer Seilbahn Richtung Innenstadt besser anzubinden. Daran glaubt hier allerdings erst jemand, wenn entsprechende Bauarbeiten anlaufen würden. Straßenbahn ist gleichfalls ein Stück weg, überdies keineswegs so einfach, für diese bei hiesiger Straßenführung, all der Wohnhäuser als Bebauung drumherum eine gute Anbindung zu bauen. Es ist von nächstgelegenen Ende des Geländes aus bis zur nächsten Haltestelle schon innerhalb von wenigen Minuten zu Fuß machbar, von der hintersten Ecke aus allerdings schon ein Fußmarsch, welcher Wünsche nach einer besseren Anbindung aufkommen lassen wird.
Aber solcherlei kann uns ziemlich egal sein, steht ja nicht zur Diskussion, hier zuzuziehen. Meine Idee ist vielmehr, daß wir eine kleine Expedition innerhalb jener Ruine durchführen.“
Ihre offene Hand wies großzügig auf jene ohnehin hier unübersehbare große, mehrstöckige Bruchbude.

Diese Ruine sah allerdings noch ziemlich solide aus, trotz zertrümmerter Fenster, einigen fehlenden Dachziegeln sowie sonstiger morbider Anmutung.
Als weitere Reaktion kam von mir vorsichtiges Nachhaken: „Darf man da überhaupt rein?“
Jimena lachte, antwortete: „Darf?
Was denkst du wohl?
Wenn man dabei keine Randale macht, weitere Fenster einwirft oder auffällig wird, ist es unwahrscheinlich, daß die Ordnungsmacht auftritt. Das Zeitfenster schließt sich jedoch, der Teilabriß droht für einen Teil, der Rest ist als Industriedenkmal eingestuft, vermutlich wird bald unterdessen eine Kamera-Überwachung eingebaut, ist mir zur Kenntnis gekommen – schon mehr als Gerüchte vermutlich, gab wohl Kritik wegen freier Zugänglichkeit schlecht abgesicherter Bereiche. Bauarbeiten an dieser Wasserstadt haben überdies bereits begonnen. Damit steigt die Aufmerksamkeit, wenn hier teures Baugerät steht, also mehr Werte als nur eine Ruine mit leichtem Unfallrisiko beim Betreten. Es ist heute daher vermutlich die letzte Chance, daß wir uns in diese Ruine wagen können.
Andere Leute trifft man gelegentlich, welche ebenfalls ein kleines, urbanes Abenteuer lockt. Es gibt so eine kleine Subkultur hier, prinzipiell ganz harmlos sowie friedlich. Weil sich Freiflächen drumherum zunehmend zur Baustelle verwandeln, ist diese Industrie-Ruine hier nicht mehr lange in solch einem Zustand. Heute gibt es schon einen Baukran sowie Vorbereitungen für den Bau dieser Wasserstadt. Ich war ebenfalls damals mit Franziska hier, damals sah jene Freifläche dort noch aus wie eine Sandwüste mit kleinen Dünen. Ohne den Hintergrund der Stadt hätte man beinahe denken können, man wandere durch eine Wüste. Bald danach fanden sich Erstbesiedlungspflanzen, heute ist deutlich mehr karger Wildwuchs erkennbar.
Im Hofbereich der Ruine müssen wir aufpassen, wo wir hintreten, dort existieren Löcher zum Kellerbereich hinunter, wäre nicht so gesund, dort abzustürzen. In der Ruine ist im Übrigen Vorsicht geboten, dies bekommst du schon von selbst mit.
Wenn man dort nicht gerade wie jene Selfie-Idioten agiert, gibt es auch keinen Absturz!“

Nachhaken meinerseits: „Selfie-Idioten?“
Jimena erwiderte: „Na, jene Spacken, welche jede Kleinigkeit ihres Lebens mit ihrem Mobiltelephon knipsen müssen, um ihre Belanglosigkeiten gleich darauf mit einem banalen Kommentar ins Netz zu stellen. Kennst du doch, blöde, einfallslose Selbstbildnisse mit ausgestrecktem Arm, gerne auch mit ihrem Mobiltelephon halb vor dem Gesicht vor einem Spiegel im unaufgeräumten Badezimmer bei unzureichender Beleuchtung, damit der erhöhte Rauschpegel jener viel zu kleinen Sensoren, jener kaum nennenswerten Optik jener Mobiltelephone ordentlich hervortritt. Diese Geräte taugen eben allenfalls für banale Aufnahmesituationen mit viel Licht.
Irgendjemand hat mal den absurden, bescheuerten Begriff ‚Händifoto‘ dafür geprägt – eigentlich sogar nachvollziehbar, diese von ordentlichen Photos zu unterscheiden – technische Qualität minderwertig, Rauschpegel hoch, Gestaltung fragwürdig, ungeschickt, bloß spontan hingeschludert statt gekonnter Improvisationskunst.
Da wird überdies jedes Knäckebrot, jeder Toilettengang, jedes Treffen mit Bekannten dokumentiert, nahezu wie im Überwachungstaat, Gestapo sowie Stasi zusammengenommen im Selbstversuch quasi.“
Derlei Entwicklungen waren mir keineswegs entgangen, daher mein Grinsen dazu, meine ironische Erwiderung: „Könnte auch großzügig als neue Kunstrichtung interpretiert werden, naiver Händi-Expressionismus, Nouvelle-Händi-Kubismus, Rausch-Abstraktion, Rausch-Häppening-Eskalation, Händi-Naivismus oder so, ist doch eigentlich ganz lustig, jedenfalls sofern man sich diesen Kram nicht täglich ansehen muß – aber mal so als Exponate einer Kunstausstellung?
Hätte doch was, technische Mängel, persönliche Unzulänglichkeiten eben als Mittel des künstlerischen Ausdrucks, als Stilmittel einer selbstironischen Verhaltenskritik einer extrem narzißtischen Parallelgesellschaft.
Bezogen auf hiesige Verhältnisse, du meinst, aufgrund solcher Bilder würde die Polizei aktiv werden?“
Jimena schüttelte den Kopf: „Ach was, juckt niemanden – solange nichts passiert, niemand Alarm schlägt. Diese Aktivitäten hier wären keinerlei Problem an sich.
Meinetwegen sollen jene Selfie-Idioten auch jeden Pups ihres Lebens ins Netz stellen; solange solcherlei Firlefanz nicht von mir verlangt wird – alles in Ordnung.
Deine Vision, diesen Kram als neue Kunstrichtung, Kunstströmung aufzufassen – sehr interessant, beachtenswert. Du grinst – doch die Zukunft wird weisen, was als Kunst unserer Zeit im kollektiven Gedächtnis bleibt.
Was bleibt von dieser digitalen Bilderflut?
Was davon ragt heraus als bleibende Ikonen einer bestimmten Zeit oder Modeerscheinung?
Wenn jene Selfie-Idioten mit den Bildern bloß bei explizit aufzusuchenden Ausstellungen bleiben würden – leider quellen diese Bildchen, dieser vermanschte Pixelsalat allerdings immer weiter in unser aller Alltag hinein. Wenn Könner dies nutzen würden, ähnlich wie bei Lochkameras oder diesen Billig-Retro-Kameras mit minderwertiger Plastiklinse, um gezielt Artefakte zu produzieren, aber nein, es mangelt jenen Akteuren doch an Bewußtsein für Gestaltung, Qualität, Ästhetik, keine Chance auf Kunst – allenfalls als Zufallstreffer unter tausenden von blödsinnigen Aufnahmen, welche allerdings trotzdem alle veröffentlicht werden, gleich einem Mantra, einem Ritual, einem Fetisch, einer Zwangshandlung.
Egal.
Was eigentlich gemeint war, sind jene gelegentlich wieder auftauchenden, sich wiederholenden Berichte, daß Leute für ein Selfie vor imposanter Kulisse posiert haben.
Dabei waren sie so darauf konzentriert, auf dem Monitor den perfekten Ausschnitt, den perfekten Hintergrund auszuwählen, daß diese rückwärts ins Bodenlose getreten sind – RuckdieZucki Oj-joj-joy … Padauz – aus der Klaus!“
Verständiges Nicken dazu meinerseits: „Oh, klar, verstehe, also stets konzentriert gucken, wohin meine Füße treten, meine Fingerchen greifen!
Hatte bislang keineswegs das Bedürfnis zur Verbreitung meines persönlichen Lebens im Netz.
So mag ich mich mitnichten produzieren, keineswegs so wichtig nehmen, aufspielen!“
Jimena stimmte mir zu: „Genau.
Mein Frühstück geht den Rest dieser Welt nichts an, mein exakter Aufenthaltsort, meine aktuelle Befindlichkeit ebenfalls für anderen belanglos, meine Privatsphäre!
Mit wem oder womit meine Zeit gefüllt, verbracht ist – meine Angelegenheit!“

Inzwischen waren wir ein Stück an der Ruine vorbei, wo wir unsere Räder anschlossen. Jimena meinte, dieser Bereich sei zum Abstellen besser als direkt bei dem Gelände, um nicht weiter aufzufallen. Dies leuchtete mir unmittelbar ein.

Auf dem Fußweg zurück zum Gelände mein Kommentar als Fortführung des vorherigen Themas: „Es gibt auch einige Leute, welche solch riskante Abenteuer auf Video dokumentieren sowie ins Netz stellen …“
Jimena erwiderte: „Stimmt. Haben Franziska und ich nie gemacht. Diese Erlebnisse waren etwas allein für uns. Wir müssen für niemanden dokumentieren, was wir können, tun oder anstellen. Dies ist alleine unsere Sache. Dabei braucht niemand teilzuhaben. Wir wiederum hatten keinerlei Bedarf, unseren Schabernack an die große Glocke zu hängen, zu protzen oder uns zu produzieren mit Taten, welche uns persönlich bewegen, aber für die gesamte Welt keinesfalls gedacht sind.
Derlei machen diese Leute bloß, um sich aufzuplustern sowie großzutun. Irgendwelche Leute spielen Superhelden, wollen damit berühmt werden, Eindruck schinden, vielleicht gar Geld damit verdienen, wenn über Werbung vor den Videos Einnahmen erzielt werden können.
Die Folgen dieser Videos sind oftmals sowieso blödsinnig oder fatal.
Jugendliche oder Deppen sehen solche Videos, überschätzen sich sowie ihre vorhandenen Fähigkeiten, unterschätzen Risiken, machen den Klimbim nach, ohne Absicherung, ohne Plan B – und Padauz, aus der Klaus!
Derartige Verführungen sind schlecht, kontraproduktiv, zersetzend, gefährlich. Selbst bewußt sowie überlegt die eigene Gesundheit riskieren, um Spaß zu haben, ist eine Sache, eine komplett andere, Leute mit solchen Videos in ein Schlamassel oder eine Katastrophe reinzureiten, Aktionen zu veranstalten, welche diese komplett überfordern. Also nein, derlei riskante Aktionen brauchen persönlichen Beistand, Vorbereitung, Absicherung. Schon von daher: Keine Videos, keine Bilder von meinen Aktionen. Reicht doch, wenn innerhalb meiner Erinnerung verbleibt, wie es war. Dafür brauche ich kein Publikum, keine Bewunderung, keinerlei Applaus für meinen Blödsinn, meinen Schabernack, meine persönliche Idiotie.
Diese Aktionen sind rein persönliche Angelegenheiten, nichts für den Rest der Welt!“
Dazu kam sofort Zustimmung von mir.

Inzwischen waren wir auf dem Gelände, schlichen an der Ruine entlang. Absperrungen gab es keine ernsthaften, dafür Schilder, welche vor dem Betreten warnten oder es schlichtweg verboten.
Jimena wies lächelnd auf eines dieser Schilder, hob mahnend ihren Zeigefinger: „Bist ein böses Mädchen, wenn du mir hier folgst, keineswegs brav oder artig.
Dort drinnen locken interessante Einblicke, kleine, urbane Abenteuer, kein wirkliches Problem, wenn du aufmerksam guckst, sorgsam überlegst, wo du hintrittst oder dich anlehnst!“
Entschlossen zum Wagnis sowie ein klitzekleines bißchen unartig zu sein, kam mein nickendes Einverständnis.

Jimena hatte zielstrebig einen Zugang gefunden, wir schlichen hinein. Nun, um niemanden zu verführen, werden hier keine Details geschildert, keinerlei Empfehlungen zum Betreten solcherlei Gebäude ausgesprochen, zumal Jimena bereits darauf hinwies, daß jedenfalls hier bald eine Video-Überwachung installiert würde. Dann wäre es vorbei mit diesem Abenteuerspielplatz. Wieder ein Ort weniger innerhalb unserer Stadt, welcher erforscht werden kann. Es ist eben morbide, verfallen, baufällig, mehrstöckig von seinen Kellern bis zum Dach hinauf. Wir sind ein paar anderen Leuten begegnet, keinem Wachdienst. Alle Begegnungen liefen friedlich ab, meist jüngere Leute, Jugendliche aus dem Stadtteil vermutlich. Ein kleines, urbanes Abenteuer war es allemal, etwas unheimlich, ein bißchen riskant. Weil wir keine Selfie-Idioten sind, haben wir sorgsam geguckt, wohin wir treten oder greifen. Deswegen ging alles ohne einen Kratzer ab.

Die Aussicht ganz oben war schön. Wir sind zudem kurz auf dem Dach gewesen, wollten gleichwohl nicht länger bleiben, um keineswegs aufzufallen. Wir stöberten durch zahlreiche Teile des großen Gebäudes, hatten unseren Spaß, kleine Aufregungen ebenso, wenn wir Stellen entdeckten, wo man unachtsam hätte fallen können. Weiter oben machten wir innerhalb eines Bereiches mit schöner Aussicht Rast.
In den Kellergewölben war es wiederum heikel, weil es dort erheblich dunkler war, dafür nicht so ganz klar, ob es nicht noch eine Etage darunter gab, dazu eventuell Löcher im Boden, durch welche man in komplette Dunkelheit stürzen könnte. Diese Kellergewölbe erzeugten also nochmals eine besondere Gänsehaut. Diese gab es gleichfalls weiter oben bei Treppen mit zweifelhaften oder abgebrochenen Geländern, entlang von Abgründen ohne Brüstung. Jegliches Inventar war komplett demontiert, dafür überall Graffiti unterschiedlicher Qualität und Aussage, mutwilliger Vandalismus, sogar eine improvisierte Übungsstrecke für Radakrobatik oder Skateboards.

Unseren Tag verbrachten wir somit ausgelassen, vergnüglich, aufregend. Mein Adrenalin-Spiegel stieg merklich, wenn sich durch Geräusche andere Personen ankündigten. Mein Pegel ging wieder herunter, als wir alsdann in ebenfalls mißtrauische Augen schauten, erleichtert grüßten, kein Wachdienst, keine Polizei.

Nachdem wir das Gebäude wieder verlassen hatten, stöberten wir noch eine Weile über jene Freifläche drumherum, diese wüstenähnliche Landschaft, betrachteten einige Pflanzen näher, welche dort eine Erstbesiedlung versuchten, während allerdings bereits Bautrupps drohten, alles abermals durchzuwühlen, um neue Gebäude zu errichten.

Wieder in der Nähe jener Ruine standen wir neben einem gewaltigen Baukran.
Jimena schaute nachdenklich hinauf, danach auf mich, schlug vor: „Was meinst du?
Morgen in aller Frühe, wir beide als Seilschaft da hoch?
Jene Stahlstreben bieten eine gute Möglichkeit für eine ausgezeichnete Absicherung, wäre also schon machbar. Früh, weil da wahrscheinlich niemand gucken wird.
Wir bleiben keinesfalls lange oben … eine schnelle Aktion!“
Mein Nicken kam ohne Zögern als Antwort.

Diesen Tag hatten wir noch Zeit übrig, so übten wir auf einer Betonkante in der Nähe balancieren auf einer festen Konstruktion. Jimena meinte, derlei Geschick könne gleich morgen oben auf dem Kran nützlich sein, jener Ausleger sei ideal für ein kleines Intermezzo, einen eleganten Balanceakt, alles mit Absicherung. Ohne hätte sie selbst schon riskiert, ich hätte jedoch nicht genug Übung, um es ohne riskieren zu dürfen.
Keinesfalls hätte ich es ohne anständige Sicherung riskieren wollen!
In dieser Hinsicht war ich mir ganz sicher!

Wegen der Höhe kamen unterdessen weitere Bedenken. Daher also umgehend eine Frage an Jimena zur Einschätzung des Sachverhaltes meiner fehlenden Erfahrung mit Höhen. Sie meinte, insbesondere für Anfänger seien solche Höhen irritierend, psychologisch eben ganz anders, als zügiges Balancieren auf einer Bordsteinkante. Ihre Aufmerksamkeit hingegen sei ganz auf ihre aktuelle Aufgabe fokussiert, reduziert, keinesfalls auf eine dafür belanglose Umgebung, dabei bleibe gleichzeitig Plan B im Kopf präsent, also sei jeden Augenblick ein Griff oder Tritt parat, um sich bei einem Sturz noch festzuhaken. Wenn mir bei jener Höhe nicht gleich massiv schwindelig werde, sei es an sich unproblematisch. Ihrer Erfahrung nach sei auf solchen Konstruktionen gut zu balancieren, einmal abgesehen von jener beachtlichen Höhe ähnlich einfach wie auf dieser Bordsteinkante, kein Vergleich mit einem Schlaffseil.
Heftigen Einfluß hätten Eindrücke einer Umgebung allerdings auf viele Menschen, wenn über bewegtem Hintergrund balanciert werde, zum Beispiel auf einem Seil über einen Fluß. Diese Bewegungen täuschen das Gehirn, schwierig, Bewegungen zu ignorieren, auszublenden. An sich gut geübte Bewegungsabläufe gerieten bei solcherlei an sich rein optischen Komplikationen selbst bei routinierten Leuten durcheinander.

Baukran

Sehr früh am Sonntag, weit vor Sonnenaufgang, trafen wir uns zum Frühstück. Jimena erläuterte nochmals den Plan.
Sie sprach alsdann: „Einerseits bietet solch ein Krangerüst reichlich Möglichkeiten für gute Griffe, sicheren Halt für Hände sowie Füße, viele Sicherungsmöglichkeiten. Andererseits ist Stahl um diese Jahreszeit kalt, teils genauso wegen möglicher scharfer Kanten oder dem Durchmesser der Streben keineswegs ideal griffig. Aufmerksamkeit ist also gefordert. Wir probieren eine Seilschaft, hängen am selben Seil. Mein Platz bei unserer Seilschaft ist folglich vorne, klettere demgemäß voran, setze Sicherungen in ungefähr gleichen Abständen, durch welche unser Sicherungsseil läuft, mit dem wir verbunden sind. Du folgst, nachdem jeweils eine zweite Sicherung von mir gesetzt ist. Wenn jeweils eine dritte gesetzt wurde, du die erste erreicht hast, löst du diese unterste, sammelst so ein. In der Weise setzen wir diesen Ablauf zyklisch fort, bis wir oben sind. Damit haben wir jeden Moment mindestens zwei Sicherungen zwischen uns, dieses Vorgehen stellt sicher, daß wir bei einem Absturz, welcher unwahrscheinlich ist, nicht zusammenstoßen.
Bei einem Absturz achtest du darauf, insbesondere keineswegs mit dem Kopf mit dem Kran zusammenzustoßen, am besten mit den Füßen beherzt vom Kran wegtreten, sobald du zum Gerüst hin pendeln solltest. Du wirst niemals komplett abstürzen, diesen Gedanken also immer im Hinterkopf behalten, fokussieren auf die jeweils nächste Aktion beim Aufstieg.
Ferner klettern wir so frei sowie in einem Fluß recht elegant nach oben. Brauchst du eine Verschnaufpause, sagst du Bescheid, sicherst dich zusätzlich mit einer kurzen Sicherung, in welcher du hängen kannst.
Oben schauen wir uns um, balancieren mit Sicherung, kehren im Anschluß zügig um.
Auf dem Rückweg erfolgt unser Ablauf von Sicherungsmaßnahmen umgedreht. Oben setzen wir eine Sicherung, du kletterst ein Stück hinunter, setzt je eine weitere, gefolgt von mir, welche wieder Sicherungshaken einsammelt, bis wir unten sind. Also als Aufgabe für sich recht einfach, wegen unserer Sicherungen an sich sogar ungefährlich.
Für Nervenkitzel sorgt eher die Möglichkeit, daß wir entdeckt werden, Polizei anrückt. Ein solches Vorkommnis könnte im Weiteren als zusätzliches Ereignis aufregend werden, wenngleich dies kein geradezu geplanter Bestandteil der Kranbesteigung ist. Ansonsten kommt meinerseits keine Prognose weiterer Probleme. Zur Vermeidung überflüssigen Aufsehens starten wir unsere Aktion früh genug am Morgen. Wir brechen daher gleich auf.
Sobald genug Sonnenlicht vorhanden ist, damit wir genug sehen können, beginnen wir unseren Aufstieg!“

Unser Plan stand damit weitgehend fest. Wir frühstückten in aller Ruhe, machten uns fertig, fuhren mit unseren Rädern los.

Beim Conti-Gelände angekommen, dämmerte es wirklich bereits passend. Alles war noch ruhig, verschlafen im Stadtviertel jenseits des Geländes, nichts los auf dem Gelände selbst. Günstige Bedingungen also für uns. Unsere Räder stellten wir abermals an jener Stelle wie am Tag zuvor ab, um durch diese nicht aufzufallen.

Vor dem Baukram schauten wir noch einmal sorgfältig, Jimena gab mir Instruktionen, zusätzliche Hinweise, Tips für unseren Aufstieg. Wir mogelten uns bis zum Kran durch, legten unsere Sicherungsleine an, probten Setzen sowie Lösen unserer Sicherungen direkt am Kran. Als alles klar schien, diese Bewegungsabläufe meinerseits zügig beherrscht wurden, konnte wir loslegen. Solch eine Sicherung ist keineswegs einfach mit einem Karabinerhaken gemacht. Jimena hatte ausreichend kleinere Schlingen aus mehreren Windungen Sicherungsseil sowie je einem Karabinerhaken vorbereitet, wobei diese Schlingen um eine Strebe des Gerüstes gelegt werden, ebenso um unser Sicherungsseil.

Unser Aufstieg ging ungefähr so leicht, wie Jimena es prognostiziert hatte. Dies lag auch daran, daß mein Fokus komplett darauf lag, Aktion für Aktion meinen Aufstieg zu bewältigen, sicherer Griff, sicherer Tritt. Beim Lösen einer Sicherung erst ganz sicherer Halt, danach den Karabinerhaken lösen, Sicherung in einen Beutel, welchen ich um meine Schulter gelegt hatte. Dieser rhythmische Ablauf von Aktionen funktionierte ausgezeichnet, meine Konzentration war dabei dermaßen groß, auf meine jeweilige aktuelle Aufgabe reduziert, daß mein Blick nicht nach unten oder in die Ferne ging. Des Kranes Stahl erwies sich allerdings tatsächlich als kalt. Immerhin hatten wir keinen Wind, so ergab sich daraus wenigstens kein zusätzliches Problem. Zu greifen waren jene Streben aus Stahl wie prognostiziert nicht sonderlich gut. Daher forderte dies zusätzlich Aufmerksamkeit, um nicht abzurutschen, einen guten Griff zu bekommen. Für meine Füße gaben diese Streben wiederum einen relativ bequemen Tritt ab, was meinen Aufstieg leichter bewerkstelligen ließ. Mit Händen so guten Halt sicherzustellen, stellte also keine Notwendigkeit dar, um sein gesamtes eigenes Gewicht hochzuziehen, wie dies beim Klettern in jener Kletterwand immer wieder notwendig wurde. Weiter nach oben hatten wir eine leichte, kalte Brise, noch nicht unangenehm, jedoch merklich spürbar auf meiner Haut. Finger werden klamm durch diese daraus resultierende Kälte des Metalls.

Oben angekommen waren meine unmittelbaren Aufgaben erledigt, mein Kopf frei für die Aussicht, einen Blick in die Tiefe. Dieser Ausblick machte ordentlich Eindruck. Durch meine Anstrengung des Aufstiegs war mein Puls ohnehin angestiegen, nun raste er, mir schwindelte bereits leicht. Zu meiner Erleichterung standen wir oben auf einer kleinen Plattform samt Geländer. Erleichternd für mich konnten nun meine Hände in Handschuhen verschwinden, um sich wieder anzuwärmen. Jimena ließ mir Zeit zur Gewöhnung an diese Situation.

Höhenangst ist mir an sich fremd, aber solch eine Höhe, so nahe am Abgrund entspricht selbstverständlich keineswegs meinen Gewohnheiten. Deswegen schwindelte es doch leicht, mein Stand wurde automatisch etwas unsicher. Mein Blick schweifte hauptsächlich zur Reduktion des Schwindels in die Ferne. Dieser Trick klappte, mein Schwindel wurde weniger, ein sicheres Gefühl machte sich allmählich breit.

Bis zum Ausleger hatten wir noch ein kleines Stück, welches einfach bewältigt werden konnte. Dies lag auch an einer dafür vorgesehenen Stufenfolge. Diese existierte eigentlich für den Kranführer im Stahlgerüst ebenso, für uns allerdings nicht erreichbar, weil unten selbstverständlich verschlossen. Eine schlichte Treppe oder Leiter wäre überdies kaum ein nennenswertes Abenteuer für uns gewesen. Hingegen außen hoch, selbst mit Sicherung, da war schon Nervenkitzel dabei.

Hochgehangelt standen wir auf dem Ausleger, dort ebenfalls gesichert. Balancieren an sich war hier nicht so schwierig, da blieb für beide Füße genug Platz. Herausfordernd blieb eher, den Abgrund auszublenden. Jimena ging leichtfüßig voran, setzte eine weitere Sicherung, mahnte noch einmal zur Vorsicht.
Sollten meine Füße abrutschen, würde mein Körper nahe am Kran befindlich zwangsläufig auf diesen zupendeln, also Achtung sowie Augenmerk vor dem Aufprall, mit Füßen oder Hände abfedern, keinesfalls mit dem Kopf anditschen!

Ich riskierte es, folgte ihr!
Balancieren in erheblicher Höhe!
Meine Premiere!

Jimena schwebte beinahe, machte ein paar elegante Figuren, auf einem Fuß stehend, geschickt dem Sicherungsseil ausweichend, was für sie dabei eher eine Stolperfalle oder Behinderung darstellte. Diese Vorführung beeindruckte mich erheblich, lenkte mich von der Höhe ab, ließ mich mutiger werden, konzentriert voranschreiten. Jimena drehte sich elegant, grinste mich an, machte ein paar Faxen. Als Zuschauerin war dies für mich eigentlich mit keinerlei Schwierigkeit oder Herausforderung verbunden, eigentlich folglich kein Problem, denn mir gelang, mit meinen Füßen den ausbalancierten Stand zu ertasten. Leider glückte meine Balance hier allerdings nicht ganz so gekonnt wie unten. Dies Material war glatter als beim Schlaffseil oder jener gestrigen Bordsteinkante, dafür waren diese Streben zwar breiter, indessen leider keineswegs eben. Ein Fuß von mir stieß an eine kleine Kante, mein Körper geriet sofort ins Schlingern. Mein Körper wackelte, schwankte, ein ordentlicher Schreck, plötzlich war kurzfristig vergessen, daß eine Sicherung einen Absturz zuverlässig verhindern würde, jener Schisser innerhalb meines Kopfes geriet aus dem Gleichgewicht sowie in Panik.
Meine Füße stolperten, rutschten ab!

Dieser Moment des Schrecks dehnte sich endlos. Wie im Reflex hatten sich meine Hände allerdings im Fallen noch im letzten Moment so an den Ausleger geklammert, aus meinem Munde schrillte herzzerreißendes Quieken, meine entsetzt aufgerissenen Augen starrten in beängstigende Tiefen, nachfolgend Verzweiflung, hilfesuchende Blicke in Jimenas Richtung.
Diese war bereits mit nun ernster Miene dicht heran, sprach ganz ruhig: „Alles in Ordnung, gelassen, entspannt bleiben, ist alles nur Nervenkitzel, wilder, hemmungsloser Spaß. Du bist gesichert, bin bei dir, dir passiert nichts. Helfe dir.
Atemübung machen, tief einatmen, Pause, tief ausatmen, Pause, du kannst all dies doch.
Schaue mich an!“
Wieder wie im Reflex folgten meine Glieder, mein Kopf ihren Anweisungen, mein Puls ging allerdings mitnichten herunter. Wie ein hilfloser, zappelnder Sack hing mein Körper noch immer, meine Finger rutschten langsam unter meinem Gewicht. Nachzugreifen wäre allerdings ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen gewesen, demzufolge Verzicht darauf, um wenigstens noch diesen letzten Halt zu gewährleisten, eher ein dynamisches Hoffen bei gleichzeitig drohendem Abrutschen meiner Finger.

Jimena sicherte sich nun mit einer ihrer kurzen Schlingen, legte daraufhin eine weitere um meine Hand, ebenfalls um ihre, zog an, lag bereits auf dem Ausleger.
Sie fuhr ruhig fort: „Wir bekommen alles wieder hin, du fällst keineswegs herunter, nicht einmal in unser Sicherungsseil!“
Von mir kam kein artikulierter Ton, bloß Seufzen, schaute meine Freundin mit großen Augen an, versuchte mich weiterhin hartnäckig an einer Atemübung, beim Ausatmen mit offenem Mund, wirklich ruhig, beruhigend wollte mir diese jedoch mitnichten gelingen. Zudem waren zunehmend erhebliche Kräfte an den Händen spürbar, welche nur so halbwegs guten Halt hatten.
Jimena hatte nur einen Augenblick gebraucht, sicherte gleichfalls kurz darauf noch meine zweite Hand am Ausleger.
Ihr nächste Anweisung lautete: „Okay. Fallen kannst du nicht mehr.
Jetzt kannst du nachgreifen, komm, erst deine rechte Hand, danach deine linke!“

Noch ein Moment für das Zusammenreißen, Mutschöpfen wurde spendiert, endlich waren meine Hände zu Bewegungen fähig, Risiko, Schauder von Angst auf meiner gesamten Haut, kalter Angstschweiß!
Mein Körper geriet dabei leicht ins Pendeln, aber mein Nachgreifen gelang wirklich, mein Halt war nun etwas besser.
Gleich kam Jimenas nächste Anweisung: „Gut, dein Pendeln langsam sogar noch verstärken, schließlich per entschlossenem Ruck ein Klimmzug, gleichzeitig ein Bein hoch auf den Aufleger!“
Also pendelte mein Körper brav noch mehr, mein Bein rutschte beim ersten Versuch noch ab, schaffte jene gewünschte Aktion letztlich im zweiten Versuch!
Jimena half mit, somit nutzten wir den Schwung, unsere vereinten Kräfte, woraufhin mein zitternder Körper wieder auf dem Aufleger lag, allerdings mit dem Gesicht nach unten, meine Augen schauten direkte in unerfreuliche Tiefen.
Erneut kam Panik auf!
Eigentlich waren doch alle unmittelbaren Gefahren bereits überstanden, meine Fingerchen klammerten trotzdem an dem kalten Stahl, verkrampften, mein Atem ging hektisch, bis zur Hyperventilation.

Jimena merkte diese Verkrampfung meinerseits gleich, befahl: Augen schließen, konzentrieren – wir seien doch sicher. Dieser eher formal sachliche Einwand versagte zunächst, wirkte erst allmählich, brachte meinen Verstand langsam wieder ins Spiel, immerhin schlossen sich wirklich meine Augen, ebenso mein Mund. Alles wirbelte allerdings bereits im Kopf, Lichtblitze innerhalb der Augen, ein heftiger Anfall von Schwindel, mein Körper fühlte sich ganz kalt an, noch mehr Angstschweiß überall, erst recht im Luftzug. Jimena sprach weiter beruhigend, streichelte sanft über meinen Rücken, ließ mir Zeit.

Nach einer gefühlten Ewigkeit funktionierte mein Kreislauf wieder so einigermaßen im normalen Bereich, halbwegs kontrolliert. Meine Fähigkeit zur Artikulation kehrte zurück: „Geht nun wieder etwas besser …“
Entschlossen klingt anders, immerhin brachten meine Glieder nun überhaupt wieder eine Bewegung koordiniert hin. Mein Leib zitterte, meine Finger krampften auch jetzt noch um das Metall. Alle meine Muskeln hatten sich verspannt. Solcherlei nutzlose Anspannung, Verkrampfung ermüdet, erschöpft, obgleich damit nichts voranging.

Jimena wies an: „Prima. Folglich beenden wir unser Abenteuer besser für heute, streichen weitere Akrobatiknummern samt Salto aus dem Stand hier oben. Allerdings, hinunter müssen wir dennoch. Zudem: unten ist kein Schwimmbecken, als heute kein freier Fall, leider. Wir müssen zurückklettern.
Bekommst du das hin?
Sonst wird unsere Lage ein wenig knifflig!“
Mir war keineswegs zum Lachen zumute, aber ihre Argumentation leuchtet ein, je länger wir hier blieben, meine Muskeln krampften, desto schwieriger würde unser Rückweg, desto wahrscheinlicher ein weiterer Zwischenfall.

Meine flüsternde Erwiderung: „Muß ja irgendwie gehen.
Würde gerne ausfallend werden, traue mich jedoch nicht!
Habe für heute genug vom Balancieren in luftiger Höhe!“
Jimena antwortete: „Na, also. Ist dein Humor erst wieder da, läuft unser Abstieg schon fast wie von selbst. Verschieben wir weiteres Balancieren also einstweilen. Einstweilen sind Schabernack, Mumpitz, Kinkerlitzchen sowie Alberei gestrichen. Konzentrieren wir uns auf wesentliche Aktionen, alles andere ausblenden. Wesentliches haben wir geübt. Wir haben alles unter Kontrolle, haben alles im Griff, sind aus jedweder unmittelbaren Gefahr. Trotzdem mußt du noch vom Ausleger herunter, hernach vom Kran hinunter. Helfe dir dabei, du drehst dich nun langsam!“
Ich atmete tief durch.
Jimena streichelte meine Hände, erst die eine, danach die andere, bis ich loslassen konnte, mich dank ihrer Hilfe drehte, mich aufrichtete, daß mein Hintern auf dem Ausleger saß, Blickrichtung meiner Augen ging immerhin schon Richtung Kran!
Jimena ermunterte mich weiter: „Prima. Nun kannst du dir aussuchen, wie du zum Kran kommst, doch noch balancieren, kriechen oder auf dem Hintern voranrutschen. Kümmern um unsere Sicherungen bleibt allein meine Angelegenheit, sage an, wann du kurz pausieren mußt.“
Nicken als Antwort darauf meinerseits. Konzentration, Koordination gelang nun schon wieder merklich besser. Jener Moment des Schocks, meiner Starre war vorüber. Angstschweiß fühlte sich noch immer kalt an, Durchblutung funktionierte allerdings nun wieder, Suchen des Ausgleichs, Kompensation meiner Schmach, ermöglichte wieder zielsichere Bewegungen ohne komplett chaotisches Zittern.

Meine Entscheidung lautete eindeutig Rutschen, erstes Bein links, zweites rechts über den Ausleger, beide Hände an Streben des Auslegers geklammert. In dieser Weise ging alles langsam voran. Meine Augen schaute nur noch zum Kran, kein Blick mehr hinab. Derart bekamen wir den Weg vom Ausleger tatsächlich hin.

Am Kran selbst waren unsere nächsten Aktionen: vom Ausleger zum Masten gelangen, dort trotz noch immer leicht zitterndem Leib Sicherungen wechseln, anschließend absteigen. Das erste Stück bis zur kleinen Plattform war harmlos, dieser Abschnitt klappte ganz gut. Auf jener Plattform angekommen hatten meine Füße wieder sicheren Stand, meine Hände richtiges Geländer zum Festhalten. Jimena nahm mich in ihre Arme, drehte sich mit mir vertrauensvoll. Wohlgefühl meinerseits in ihren Armen, Erleichterung, unseren Rückzug bis hierher geschafft zu haben. Erholung ergab sich für mich schnell unter dieser wohligen Behandlung.

Jimena hatte dies offensichtlich gleichfalls bemerkt, mein Zittern hatte aufgehört, allerdings war weiterhin noch Unsicherheit spürbar.
Sie fragte: „In Ordnung.
Wie steht’s um deine Befindlichkeit, wie sieht’s um dem Abstieg aus?
Noch ein paar Minuten warten oder können wir loslegen?
Du erinnerst dich – Sicherung durch mich von oben, du hakst unten neue Sicherungen ein.
Geht dieser Plan?
Bist du wieder voll dabei?
Fokussiert, aufmerksam, erholt genug für unseren Abstieg?“
Meine Erwiderung dazu war Nicken sowie: „Bin nicht gerade in Bestform, nichtsdestoweniger ist besser jetzt. Wenn wir noch lange warten würden, würde mein Mut wieder sinken, meine Konzentrationsfähigkeit nachlassen. Folglich keine längere Pause jetzt. Wir müssen nutzen, was derzeit noch geht.
Jetzt ist meine Konzentration, Kraft groß genug!“
Jimena lachte mich kurz an, kommentierte: „Dies erleichtert mich merklich. Hättest mich sonst noch ordentlich in Verlegenheit gebracht.
Dich auf meinen Rücken binden, derart absteigen – wäre schon eine besondere Nummer gewesen!“
Mein Mund verkniff sich kurz zu einem kurzen Lächeln, woraufhin als Antwortet schnell folgte: „Gut, dann los!“

Unser Rückweg begann meinerseits ganz gut konzentriert, allerdings psychisch ziemlich erschöpft. Meine Füße brauchten gefühlt deutlich länger, um hinabzutreten, meine Hände genauso zum Umgreifen, zur Befestigung einer Sicherung. Dennoch lag mein Fokus nun komplett darauf, alles andere ausgeblendet. Unser Weg ging langsam hinab, von mir wurde zudem jede Sicherung betont angesagt, um meine Konzentration, meinen Fokus halten zu können, keinen Fehler zu machen. Jimena bestätigte, sagte ihre Aktionen ebenfalls an, behielt alles im Blick. Gelegentlich trafen sich unsere Blicke. Ihre ruhige Art hatte ebenfalls auf mich eine ganz gute Wirkung.

Nach einer gefühlt endlosen Zeit traf mein Tritt plötzlich nach den Regelmäßigkeiten dieser Kranstreben auf eine andere Struktur, mit welcher ich nicht gerechnet hatte. Erschrocken entrang sich meiner Kehle ein lautes Stöhnen, mein Blick ging nun hektisch doch hinunter: Dort befand sich endlich ersehnter fester Boden.
Jimena rief gleich besorgt: „Was?“
Meine erleichterte Entgegnung: „Bin unten, hatte noch nicht damit gerechnet, habe mich nur erschreckt, als mein letzter Tritt nicht mehr paßte.“
Jimena lachte, meinte: „Gut, bin gleich bei dir!“

An meiner Seite fand sie sich wirklich umgehend ein, nahm mich gleich lieb in ihre Arme. Wir hielten uns schweigend. Nachdem diese wohlige Nähe von mir aufgesogen wurde, meine zitternde Erschöpfung nun an ihr hing, sicher gehalten wurde, kam nach dem Adrenalin nun der Rausch von Endorphinen. Wahrscheinlich war da noch etwas anderes im Hormon-Cocktail, jedenfalls waren meine Sinne benommen sowie duselig.

Jimena lehnte mich letztlich vorsichtig an eine Absperrung rund um den Kran, packte alles zusammen in ihren Rucksack.
Danach meinte sie: „Fertig zum Aufbruch.
Vermute mal, genug für heute, also nur noch unsere Räder schnappen und Heim?
Vielleicht noch eine Viertelstunde meditieren?“
Sie lächelte mich milde an, ich zurück, nickte.

Auf dem Rad waren meine Knie noch etwas weich, unsicher. Wir ließen es gemütlich angehen, wählten jedoch den direkten Weg zurück zum Silo.

Angekommen, unsere Räder angeschlossen brachte mich Jimena sorglich in meine Unterkunft. Davor zögerte diese, als meine Tür bereits aufgeschlossen, geöffnet stand, meine Füße automatisch einen Weg hinein gefunden hatten.
Mein Blick ging zurück zu ihr, fragte: „Magst du nicht noch ein Weilchen bleiben?
Nach dieser Aufregung fällt meine Existenz sonst zwar nicht mehr vom Kran, aber in ein inneres Loch, wenn ich jetzt allein bin.“
Jimena nickte: „Gerne.
Dachte, du wärest nicht so gut auf mich zu sprechen, weil ich dich auf den Kran gelockt habe, wo du diese heftige Begegnung mit dem Entsetzen hattest?“
Meine Schultern zuckten bloß, mein Kram fiel irgendwo auf den Boden, ebenso meine Jacke, mein erschöpfter Leib plumpste erledigt auf’s Bett. Jimena trat herein, stellte ihren Rucksack neben die Tür, legte ihre Jacke ordentlich hin, zögerte einen Moment, schaute sich um.

Meine Antwort lautete, neben mir auf’s Bett klopfend: „Kannst dich neben mich setzen …“
Dies tat Jimena, schaute mich an.
Ich fiel ihr erleichtert um den Hals, versicherte: „Bin dir nicht böse deswegen. Hätte diese Mission gewiß sowie mit freiem Willen ablehnen können, wenn keinerlei Interesse bestanden hätte. Habe schon einen eigenen Kopf zum Denken. Meine Entscheidung. Du hast überdies ohnehin für eine gute Absicherung gesorgt. Meine Panikattacke dort oben war schon kritisch, heikel für uns beide, wir haben es gemeinsam gleichwohl letztlich hingekommen.
Und zuletzt brodelte dieser unglaubliche Gefühlsrausch, als alles überstanden war, jetzt sowieso, wo mein Hintern wieder sicher hier im Warmen sitzt!“
Wir lachten beide erleichtert.
Eine weitere Einlassung meinerseits folgte: „Allerdings, eine Pause mit dem Balancieren oder Fallen scheint mir nun angemessen. Dies Abenteuer muß erst einmal in Ruhe verarbeitet sowie verdaut werden.“
Jimena rubbelte wohlig über meinen Rücken, erwiderte: „Also gut, einstweilen Verzicht auf weiteres Fallen oder Balancieren, verstanden. Heute vielleicht noch einige Zeit entspannen, gemeinsame Meditation, plaudern über alles Erlebte, über das Universum und den ganzen Rest.
Ansonsten, noch Interesse auf weitere Abenteuer ab dem nächsten Wochenende unter Vermeidung hoher Konstruktionen sowie schmaler Grade?“
Wir lachten beide, woraufhin meine Zustimmung erfolgte, andere Aktionen, solcherlei traf nach wie vor auf mein neugieriges Interesse.
Auf Dauer war mein Lebensdrang keineswegs derart einfach auszubremsen, einzuschüchtern, obgleich nach wie vor ein kleiner Schisser tief innerhalb meines Kopfes steckte, zeternd vor derlei gefährlichem Pipifax mahnte!

Vorbesprechung

Den nächsten Samstag hatten wir uns dazu verabredet, daß ich bei Jimena vorbeikommen sollte. Pünktlich war meine Ankunft, beiderseitig erfreut unsere Begrüßung. Jimena ist eher minimalistisch eingerichtet.
Ihre Meinung diesbezüglich: „Hänge am Minimalismus nicht ausgesprochen als Fetisch, also daß man exakt fünfundzwanzig, fünfzig oder hundert Dinge haben darf. Reduktion auf Wichtiges, Notwendiges hat schon seinen Sinn, übertreiben braucht man solcherlei Bestrebungen allerdings gleichfalls keineswegs. Überlegungen, Reflexionen lohnen durchaus, was bloß noch ungenutzt im Schrank liegt oder lange nicht mehr gebraucht wurde, dies wären Kandidaten zur Überlegung, sich davon zu befreien. Meiner Meinung nach stellen sich in der Praxis für uns immer wieder ganz verschiedene Lebenssituationen sowie Herausforderungen ein, entwickeln sich zahlreiche unterschiedliche Interessen. Einige Monate lang findet eine intensive Beschäftigung statt, ein paar andere Monate nicht, weil innerhalb dieser Zeit etwas anderes Vorrang hat. Im Anschluß treten alte Interessen wieder stärker in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang erscheint mir bequemer, benötigten Kram einfach aus dem Schrank zu nehmen, statt diesen bei jedem Gebrauch alle paar Monate neu auszuleihen oder einzukaufen – das wäre gleichfalls Ressourcenverschwendung. Lobenswert sind natürlich ebenso Initiativen, bei welchen eher selten benötigte Werkzeuge im Bedarfsfalle geliehen werden können, kostet zwar etwas Zeit, spart allerdings Platz sowie Ressourcen. So wäre die zentrale Idee also eher, sinnvolle Kompromisse finden, welche für einen selbst funktionieren. Stattdessen wäre stumpfes Abzählen von Gegenständen bloßer Fetischismus, kann eine lustige Herausforderung sein, jedoch sicherlich kein allgemein formulierbares Lebensziel, keine allgemein vermittelbare Lebensphilosophie, keine Antwort auf eine allgemeine Lebenssinnfrage.“
Dem Standpunkt war meinerseits viel abzugewinnen. Jimena hatte im Schrank zudem gut sortiert ihre Vorräte. Ihr Zimmer allerdings sah aufgeräumt aus, spartanisch einfach eingerichtet. In meiner hiesigen Unterkunft lag erheblich mehr herum. Weil ich allerdings noch nicht lange in der Stadt wohne, hatte sich dort gleichfalls bislang Besitz erst in geringen Maßen angehäuft, wenig überflüssiger, lange ungenutzter Kram dabei. Was ferner bei meinen Eltern, in meiner alten Heimat ist, wurde meinerseits bei meiner vielen Arbeit sowie den vielen neuen Eindrücken bislang keineswegs vermißt.

Jimena bot mir an, mich zunächst hinzusetzen. Dem erneut überrascht nachkommend, ging meine anfängliche Vermutung eher Richtung: wir würden gleich losziehen.
Jimena führte aus: „Unser heutiges hauptsächliches Abenteuer beginnt erst am späten Nachmittag, reicht bis in die Nacht. An sich ist unsere Aktion kein pauschal gefährliches Spiel für dich, hat allerdings Aspekte, bei denen du dir jetzt sorgsam überlegen solltest, ob du dich darauf einlassen magst. Ohne um den heißen Brei herumzureden: Organisiert wäre ein Ausflug in’s Rotlichtmilieu. Zwei Stationen wären unsere heutigen Ziele, diese erleben, je nachdem, wie du dies sehen magst. Falls du in solch einer Umgebung noch nie gewesen bist – was meine Annahme ist – verschafft dir dieser Abend garantiert neue Eindrücke. Wenn du generell abgeneigt bist, lassen wir dies Angebot ohne weitere Diskussion fallen, ohne Drama damit oder danach. Also besteht Interesse an weiteren Ausführungen, was geplant, vorbereitet wäre?
Oder hast du bereits genug?“

Damit hatte sie mich erwischt. Dies Milieu ist eine Angelegenheit, hinsichtlich welcher sich meinerseits bislang keine Einstellung verfestigt hatte, gut, Skepsis allemal, Berührungsängste wäre übertrieben. Ich bin jedoch immer gerne neugierig und aufgeschlossen gegenüber neuen, eigenen Eindrücken. Sich selbst ein Bild machen, statt auf Gerüchte, vagen Geschichten anderer vertrauen, ist oftmals ein guter Ansatz, sofern der Gegenstand der Betrachtung für einen selbst interessant genug erscheint, um den Aufwand zu rechtfertigen. Mir fiel auf, wie allein eine Erwähnung des Plans meinen Puls merklich ansteigen ließ. All dies hatte in meiner Vorstellung etwas Verruchtes, Schmieriges, Gefährliches. Menschen mit zweifelhaften Neigungen, vermutlich unter Alkoholeinfluß oder noch übleren Drogen.

Mein Antlitz mußte ziemlich blöd oder ratlos erscheinen.
So ergänzte sie: „Wir haben vorher genug Zeit, damit du nochmals eine entschlossene Haltung üben kannst, sollte dir jemand dumm kommen oder gar an deine Wäsche wollen. Dazu kommen von mir als Hilfe ein paar Verhaltensregeln. Einerseits sind dies nicht gerade Orte für feministischen Aktivismus, andererseits stehen Frauen bei der ersten Situation gewissermaßen auf einem besonderen Podest der Verehrung, bei der zweiten Situation haben wir ohnehin einen unangreifbaren Status. Trotzdem, beides sind gewiß keine Gelegenheiten für allgemeine Philosophiererei, pauschale Diskurse über Emanzipation, Herausarbeiten von Ungerechtigkeiten dieser Welt, Rekrutierung von Mitstreitern, um gemeinsam dagegen anzugehen. Den beteiligten Personen kommen mehr oder weniger tradierte, stereotype Rollen zu, du kannst diese Szenerie auch als kleines Schauspiel sehen, welches wir aufführen, eine kleine Groteske, ein Schmierenstück. Unter Frauenbewegung wird dort gelegentlich noch etwas ganz anderes verstanden.
Bei der ersten Aktion bin ich nicht die ganze Zeit bei dir, da sind indessen andere Leute, Stammgäste mit genauen Vorstellungen, welchen schlechtes Benehmen anderer Gästen gemäß ihrem Regelsystem, Ehrenkodex, ihren Verhaltenskonventionen, ihrem sozialen Kontext – wie immer es genannt werden soll – keinesfalls akzeptabel ist. Wenn du innerhalb des Etablissements bleibst, wirst du also schlimmstenfalls etwas grob angegangen, bekommst vielleicht ein paarmal einen Klaps auf den Hintern, Angebote, welche du ablehnen kannst oder sogar solltest. Dazu üben wir ja selbstbewußtes Auftreten, dieses hilft zur schnellen Klärung aller Fronten. Bei der zweiten, noch ein bißchen heikleren Situation bin ich jedoch über die gesamte Zeitspanne dabei.“

Jimena ging ganz geschickt beim Füttern meiner Neugier vor.
Unruhig wirbelten bereits meine Gedanken, Vorstellungen, Phantasien, konnte zudem kaum fassen, daß plötzlich aus meinem Mund hervorschoß: „Erzähl’ schon weiter!“
Sie nickte leicht schmunzelnd: „Fein. Dachte mir doch, daß du genauso neugierig wie mißtrauisch sein würdest. Wenn du noch nie jene Szene erlebt hast, derartige Etablissements aufgesucht hast, auf jeden Fall eine Menge neuer Eindrücke, intensiver Erlebnisse.
Zur Erklärung: Dies ist meine Arbeit neben dem Studium zur Finanzierung desselben. Dabei geht es euphemistisch ausgedrückt um Ausdruckstanz, also präziser um anregende, animierende Akrobatik erotischer Ausprägung, wobei, ob erotisch oder nicht, ist immer Geschmackssache. Diese Etablissements haben eben spezielles Publikum, alles paßt sich gegenseitig an, was dort anregend sowie erotisch empfunden wird, was folglich aufgeführt wird. Selbstverständlich hat jede Akteurin ihren eigenen Stil, ihre eigene Art, experimentieren ist immer angesagt, was ankommt, was ausgebaut werden kann, so entwickeln sich Aufführungen der Akteurinnen im Detail individuell. Insgesamt ist selbstverständlich alles auf den Geschmack des Publikums zugeschnitten, welches Rückmeldungen gibt, so steuert sich selbst, was gewünscht sowie geboten wird.
Unser Lokal heute ist eher kleiner, dort werde ich einen Stangentanz mit Strip zur Aufführung bringen. Dies ist Akrobatik an einer Stange, auf einer kleinen Bühne, wobei allerhand exponiert wird, im Rahmen ästhetischer Bewegungen soll das Publikum primär in eine gute, spendable Laune versetzt werden. Sportlich gesehen erfordert gerade diese Akrobatik an einer Stange professionell ausgeführt viel Kraft, Konzentration, Koordination. Von Seiten der Akteurinnen ist dies schon eine Menge körperliche Leistung für ihre Gage.
Im Fachjargon wird diese Aktivität auch pole dance oder table dance genannt. Du kannst dir denken, mit meiner Körperbemalung wird von mir die Rolle der Exotin ausgefüllt.
Davor und danach finden weitere Aufführungen im normaleren Bereich statt, wenn man derlei so nennen kann. Die meisten Akteurinnen bieten weniger akrobatische Aufführungen als meine, jedoch ebenso geschickt bei ihrer erotischen Darbietung, welche sowieso primäres Ziel ist, welches beim Publikum Interesse findet. In einer Mischung verschiedener Fertigkeiten und Darbietungen liegt der Reiz, die Abwechslung für dieses spezielle Publikum.
Einerseits werden einem da bei guter Darbietung kleinere Scheine zusteckt oder man kann nachher Münzen sowie Scheine zusammenkehren.
Für jene anvisierte Kaschemme geht es neben dem relativ günstigen Eintritt für das Publikum darum, daß Getränke konsumiert werden, welche weit weniger günstig sind. Eine Provision ist ebenso Teil der Entlohnung, denn die Gage ist schon so bemessen, daß es sich eigentlich erst lohnt, wenn einem vom Publikum zusätzlich Scheine zugesteckt werden, über eine Umsatzbeteiligung für den Abend noch etwas hereinkommt.
Daher bestehen folgende weitere Aufgaben: sich nach einer Aufführung unter’s Volk mischen, sich ein Getränk oder eine andere Kleinigkeit ausgeben lassen, dort unterhalten, mindestens bis zur Aufführung der nächsten Künstlerin, gerne jedoch überdies länger, ist ebenfalls eine Frage der Absprache. Wenn du mitmachst, bekommst du anregende Klamotten, machst allerdings keine eigene Aufführung, wir haben derlei ja am Seil sowie an der Sprossenwand probiert. Um da eine Aktion für dich hinzubekommen, müßten wir deutlich mehr üben. Bewegungsabläufe, welche von jener Klientel als ästhetisch, erotisch interpretiert werden, verlangen ebenfalls Übung sowie Routine, durchdachte Konzepte. Zwar hast du eine natürliche, schöne Ausstrahlung, welche bei einer Kompensation mangelnder Erfahrung helfen würde, aber lassen wir es besser nicht drauf ankommen. Bereits im Bikini, genauso beim Klettern ist mir durchaus aufgefallen, daß du eine sehr gute Wirkung hast. Du bist dir dessen vermutlich nicht einmal bewußt, was für ein Augenschmaus du bist, selbstverständlich noch viel mehr, deine äußere Erscheinung fällt immer sofort auf, eine Entdeckung innerer Werte verlangt mehr Aufmerksamkeit sowie sorgfältigeren Umgang miteinander. In solchen Etablissements stehen innere Werte sowieso nicht so im Vordergrund, ist wohl klar. Wenn du nebenbei Geld verdienen willst, könnten wir also üben: Sicheres Auftreten, offensive Wirkung, erotische, provokative Ausstrahlung, die ganze Packung, um jenes Publikum richtig heißzumachen. Alle Voraussetzungen bringst du auf jeden Fall mit, kannst dich bewegen, hast das gewisse Etwas, was du nur einzusetzen lernen müßtest. Hinzu käme eine gewisse Schlagfertigkeit, exponiert selbstbewußtes Auftreten, entschlossene Ansprache.
Diese Aspekte gehören heute allerdings nicht zum Programm. Heute sammelst du ausschließlich Eindrücke vom Milieu, mehr nicht.“

Ich schluckte, wiederholte daraufhin: „… mehr nicht …“
Jimena fuhr fort: „Genau. Also zimperlich solltest du mitnichten sein, diese Leute sind laut sowie keineswegs kleinlich. Deinen Aufgaben sind somit einfach: einen guten Eindruck machen, durch deinen Anblick samt knapper Kleidung erfreuen, eine Kleinigkeit ausgegeben bekommen, dich auf Konversation samt grenzwertiger Kalauer einlassen, eben Unterhaltung, Kurzweil mitmachen, kurzum den Umsatz durch Ausstrahlung, harmlose Interaktionen steigern.
Abfüllen lassen solltest du dich niemals. Wenn du gar keinen Alkohol verträgst, wäre dies innerhalb dieser Situation schlecht, was ansonsten unerheblich wäre.
Schlägst lediglich etwas Teures mit mäßigem Prozentgehalt vor, Champagner zum Beispiel, hoffe, davon verträgst du über den Abend verteilt drei oder vier mindestens teilweise geleerte Gläser. Austrinken kannst du machen, ist jedoch keineswegs notwendig.“
Als Unterbrechung meinerseits folgte eine kurze Erläuterung: „In kleineren Mengen geht Alkohol, ist allerdings mitnichten meine Leidenschaft …“
Jimena kommentierte: „Muß oder soll er auch keineswegs. Es gibt gleichfalls öfter Typen, welche darauf stehen, von deinen nippenden Lippen zuvor lediglich beglückte Gläser leerzuschlürfen.
Wenn du dies hinbekommst, bist du fein raus, etwas laszives Zungenspiel mit leichten Nippen am Glas, derlei macht einige Typen wild, dein Glas wird zum Fetisch, er schlabbert gierig den Rest, seine Kumpels werden ebenfalls scharf sowie spendabel, tun es ihm nach, neue Gläser, mehr Umsatz!
Du kommst fürderhin nicht in die Verlegenheit, was tun mit dem angenippten Glas. Wenn du es drauf hast, verführst du diese Typen geradezu, daß diese dein angenipptes Glas ausschlürfen wollen. Dabei kannst du experimentieren, mitnichten schlimm, wenn du den Dreh nicht gleich heraus hast. Dies wäre für dich ja nur ein Probeabend, um Erfahrungen zu sammeln.
Allgemeines Prinzip somit: Jene Typen geben aus, du gibst dich interessiert, trägst zur Konversation bei, nippst eher sparsam am Glas, bleibst eine Weile, länger, wenn es dir halbwegs gefällt, insbesondere, wenn jene Typen spendabel sind, mehr für sich bestellen als dir Hochprozentiges anzudrehen, sonst eher kürzer, wechselst, läßt dich erneut anderweitig von Personen in eine andere Gruppe einladen. Diese Herumreicherei ist etabliertes Ritual, läuft wie von selbst, du guckst ein bißchen suchend herum, meist wird dir schon zugewunken oder zugeprostet, sind ja alle gerne neugierig, anschließend hörst du dir dort an, was abgeht, läßt dir etwas ausgeben und so weiter.
Angemacht wirst du auch werden. Wenn du willst, kannst du darauf eingehen …“
Mein Einwand erfolgte schnell sowie entschlossen: „Nein!“

Sie lächelte kurz, lobte: „Genau solch eine klare Ansage ist dort gefragt. Keine Überreaktion, nicht gleich handgreiflich werden, selbst wenn jemand etwas grabbeln sollte, klar sowie vernehmlich sagen, wann deine Grenzen erreicht sind, Angebote entweder annehmen oder klar, knapp und gut vernehmlich, auch für Gäste nebenan hörbar deine Ablehnung aussprechen. So setzt du eindeutig interpretierbare Grenzen. Wenn dies versagt, wirst du notfalls ein bißchen lauter mit deiner Ablehnung. In der Folge sollten bereits Stammgäste verbal oder durch persönlichen Beistand eingreifen und die Situation klären. Im schlimmsten Falle werden übermäßig ungezogene Typen vom Personal vor die Tür gesetzt. Randale, Streit bringt den Betreibern nichts. Daher gibt es Helfer, Bedienung, diese verhalten sie relativ unauffällig, behalten aber alles genau im Blick. Mußt dich also keineswegs darauf einstellen, selbst in eine Kampfposition gehen zu müssen, um Zudringlichkeiten abzuwehren. Wehrhafte, kampfbereite Frauen verstören lediglich das Weltbild dieses Publikums, durchsetzungsfähige Frauen hingegen gehören dazu. Da mußt du schon etwas aushalten, Nerven bewahren. Du bist keineswegs allein sowie letztlich sicher, wenn du jenes Lokal mit niemandem verläßt – oder auch allein als Panikreaktion auf einen Übergriff ohne vertrauenswürdige Begleitung abhaust. Da wäre es dumm, wenn du alleine sowie konfus samt knapper Bekleidung jenes Etablissement verlassen, in den Dessous hinaus abends mitten in’s Rotlichtviertel laufen würdest, irgendein Dummkopf mit üblen Absichten könnte dir folgen oder wahrscheinlicher zufällig begegnen. Also keinesfalls unvorbereitet und verwirrt abhauen, unbedingt durchhalten, notfalls zum Aufenthaltsraum zurückziehen, dahin folgt dir niemand vom Publikum. Im Publikumsbereich gibt es diese angedeutete soziale Kontrolle, jedoch in einer ganz anderen Form als in der Uni. Dort im Lokal rückt man dir deutlich mehr sowie eindeutiger auf den Pelz. Dies Verhalten solltest du tolerieren, kannst dich jedoch letztlich ebenso auf eine soziale Kontrolle der Gruppe verlassen.
Es kommt dort zum Beispiel niemand damit durch, irgendwas unaufgefordert in irgendwelche Körperöffnungen hineinzustecken oder gleichfalls unter deinen Dessous herumzufummeln, etwa nach den blanken Brüsten oder Pobacken oder so. Wenn ich mich hingegen nach meiner Aufführung nackt unter dieses Publikum mische, ist es tolerierte Grauzone, daß schon eindeutiger zugegriffen wird, also an Brust, Po, mitnichten jedoch geradezu Anus oder Vagina. Derlei nackte Nähe mitten im Publikum ist meine Sache. Wer im Publikum allerdings mit Reizwäsche bedeckt, was nicht angegrabbelt werden sollte, soll sich auch darauf verlassen, daß dies als nonverbale Information korrekt interpretiert sowie respektiert wird.
Na, ein paar Schenkelklopfer sowie Streicheleinheiten an Armen und Beinen mußt du ohne vorherige Ansage folglich durchgehen lassen. Bei Bedarf oder Sympathie kannst du mehr erlauben, dabei ebenfalls unter dem Umstand klare Ansagen, einschließlich einem eindeutigen Ende. Unentschlossenheit, schüchternes, wortloses Wegstecken von Übergriffen würden sie nur verunsichern oder auch übermütig machen. Diese Interaktionen können Spielchen sein, du wirst ausgetestet, daher eindeutig zeigen, daß du volle Kontrolle hast. Pfeifst du sie nicht zügig zurück, stutzt sie gleichwohl freundlich zurecht, würdest du ihnen damit implizit die Erlaubnis geben, selbst ihre Grenzen zu erweitern sowie deine noch weiter auszutesten.
Also steckst du deine Grenzen eindeutig ab, läßt erst gar keine Unklarheiten aufkommen!“
Als Erwiderung meinerseits kam nervöses Lachen, überdies: „Kann mir nicht vorstellen, daß bei solch einer Umgebung Bedarf nach Kontakt an intimen Stellen durch fremde Hände oder sonstige Extremitäten aufkommt. Könnte für mich insgesamt ein heftigeres Erlebnis werden, als mit dem Rad jenen Berg herunter.“

Jimena lachte, fragte anschließend nach: „Geht dieser erste Punkt trotzdem klar?“
Von mir selbst überrascht, bemerkte ich dazu Nicken meinerseits.
Sie fuhr fort: „Also gut. Abgehakt.
Zweiter Punkt: Dabei geht es ebenfalls nicht um Sex. Es geht dabei vielmehr um spezielle Neigungen. Was du da tust, wird dir reichlich merkwürdig, skurril vorkommen. Wir behandeln im Rahmen einer exklusiven Sitzung einen speziellen Herren, welcher einen gewissen Fetisch hat. Ich bin da seine Herrin, er mein Sklave. Daraus entspinnt sich ein Spiel. Du wärest dabei heute eine junge Herrin, welche einerseits vorgestellt wird, andererseits lernen soll, einen Sklaven zu dominieren sowie zu führen. Es kommen zu gegebener Zeit im Detail sowie ausführlicher noch Ausführungen, was genau anläge. Du hättest jedwede Kontrolle. Grenzen und Möglichkeiten sind präzise abgesprochen. Dir passiert also nichts. Was passiert, unterliegt meiner Verantwortung. Mein Sklave darf ein wenig unartig sein, denn er will bestraft werden, formal allerdings keineswegs jedes Mal grundlos, wobei eine stolze Herrin mit Spaß dabei natürlich ebenfalls grundlos straft, sonst wäre alles vorhersehbar und somit langweilig. Alles ist im Grunde allerdings nur ein etwas härteres Spiel. Er würde mitnichten wagen, übergriffig zu werden.
Je nachdem, wer mit wem welche Verabredung trifft, würde solch eine Sitzung in anderer Konstellation ebenso anders verlaufen, dabei kann schon mehr passieren, bis hin zur oralen Anregung einer Herrin, dies paßt indessen weder zu meiner Rolle noch zu meinen Interessen. Dabei würde ja mein Sklave jegliche Kontrolle übernehmen, ihm würde zuviel erlaubt werden. Wenn du willst, könnte ich da mehr vom Sklaven fordern, dir damit ein heftiges Erlebnis verschaffen. Dabei bleibt jedwede Kontrolle über solch eine Situation bei mir …“
Hektisch kam gleich eine Unterbrechung meinerseits: „Diese Bedingung ‚wenn du willst‘ trifft diesbezüglich keinesfalls zu.
Deine Grenzen scheinen mir dabei stimmig, plausibel, teilbar, wobei einstweilen noch unklar bleibt, wie meine Meinung hinsichtlich dieser zweiten Aktion ist!
Bin verunsichert, daß du derlei absurde Spielchen mitmachst!“
Jimena grinste: „Was tut eine arme Studentin nicht alles zur Finanzierung ihres Studiums, hmmm?
Schon klar, mit bezahlten Koitus käme bei passender anderer Klientel noch mehr Geld herein, derlei ginge mir dann aber doch zu weit. Solch kleine, perverse Spielchen hingegen, wo solch ein Manager gezüchtigt sowie erniedrigt wird, solcherlei Spiele liegen mir schon, diese gehen klar, ist leicht verdientes Geld, samt Spaß dabei. Dabei muß solch ein Typ auch kein Adonis sein. Für ihn ist da garantiert eine Menge Erotik sowie Geilheit dabei. Gelassenheit dabei ist meine Stärke, Grundvoraussetzung als dominante Herrin. Umgang mit Menschen kann ist meine Sache.“

Meinerseits wurde gleich nachgehakt: „Manager?“
Jimena erklärte: „Solche Sitzungen sind nicht ganz günstig. Eine angemessene Entlohnung für meine Mühe fällt an, ferner finden solche Sitzungen innerhalb eines speziellen Etablissements statt, Ausprägung Richtung BDSM. Dort zahlen Kunden gleichfalls einen Obolus für einen exklusiven sowie dekorierten Veranstaltungsort samt entsprechender Infrastruktur drumherum, Gewährleistung seiner Privatsphäre und so. Diese Herren sind meist wohlhabende Clubmitglieder, zahlen für dieses Etablissement einen festen Monatsbeitrag, für konkrete Sitzungen extra. Diese Leidenschaften kann sich sowieso nicht jeder leisten. Meine Vermutung ist zudem, daß insbesondere Leute in Führungspositionen mit größerer Wahrscheinlichkeit solch extremere Bedürfnisse, Neigungen entwickeln, überdies ausleben. Weil diese Typen sich allerhand leisten können, suchen diese vielleicht weitere Extreme, exotischere Abenteuer, einen ganz besonderen Kick. Mag ebenfalls an ihrer Machtposition liegen, an reichlich Intrigen ihres Alltags, dem Streß damit. Druck muß abgebaut werden, jedoch dezent sowie ohne öffentliches Aufsehen, was bei diesen Typen schnell aufkommen kann.
Wäre an sich einfacher, wenn ihre Frau, verheiratet sind diese Typen in den allermeisten Fällen, ziemlich dominant wäre sowie vorgäbe, wo es langgeht, bei ihrer Partnerwahl scheinen sie diesbezüglich nicht das richtige Händchen, den richtigen Riecher zu haben oder dominante Frauen suchen sich nicht ausgerechnet solche Typen aus. Jedenfalls besteht Bedarf. Aus diesem Bedarf ergibt sich die Möglichkeit einer ganz gut bezahlten Dienstleistung.
Nachdem mein diesbezüglicher Zuspruch zunächst hier und da zum Tanzen gebucht wurde, sogar Franziska dafür Begeisterung aufbringen konnte, ergab eher ein Zufall für uns diesbezüglich einen Kontakt, welchen wir alsdann genutzt haben. Diese Aktivitäten hielten sich erst in Grenzen. Mit meiner Bemalung ist dies Geschäft zu meiner Verblüffung lukrativer geworden. Deshalb gibt es diese allerdings nicht. Diese Bemalung ist Trauer um Franziska. Von daher beschäftigten mich derlei häufigere, lukrativere Buchungen zwar gut, vermochten allerdings keineswegs wirklich tröstend zu wirken, allenfalls als Ablenkung, als Seiteneffekt, somit als kollateraler Gewinn, als Abfallprodukt. Dies wird nicht ewig so weitergehen. Meine Trauer muß noch abgeschlossen werden, Frieden damit geschlossen werden. Bis dahin werfen die speziellen Sitzungen brauchbar ihren Teil zum Lebensunterhalt ab.
Bei dir wie bei Franziska finanzieren die Eltern das Studium. Als Waise fällt diese Geldquelle bei mir weg. Hatte im Heim zudem so einen Ruf, eigensinnig, selbstbewußt, widerspenstig, intelligent. Intelligent hätte sich gut vermitteln lassen, aber mitnichten sooooo intelligent, kurzum: nicht vermittelbarer Sturkopf. Jenes Heim blieb ohne Skandale, Auffälligkeiten, Grausamkeiten für deren Insassen, lernte dort ferner, mich durchzusetzen.“

Ich schaute sie mit großen Augen an, machte nur: „Oh!“
Ihre Geschichte traf mich schon.
Jimena schüttelte ihren Kopf: „Nun guck nicht so, habe alles bisher gut überlebt. Durchgeknallt sowie risikobereit gehört tatsächlich zu meinen Charaktereigenschaften – ein wenig jedenfalls, habe es im Griff. Vielleicht ergibt sich aus solch einer Biographie heraus auch eine Bereitschaft zu mehr Risiko, um überhaupt etwas erreichen zu können. Wer nichts hat, muß alles an Intelligenz sowie persönlich bereits vorhandenen Möglichkeiten und Chancen einsetzen, um sich durchzusetzen, eine eigene Nische zu finden sowie zu verteidigen.
Selbständig und eigensinnig beschreibt mich auf jeden Fall. Aber all dies ist in Ordnung. Es ist jedoch hilfreich, vor allem in solch einer Situation eine Chance zu sehen, um selbständig, unabhängig sein zu können. Diese Selbständigkeit, Unabhängigkeit ist mit solchen Aktivitäten durchaus erreichbar. Chancen werden von mir genutzt.
Meine Kindheit verlief katastrophenfrei, bescheidenes Leben zwar, konnte mich allerdings durchsetzen, von daher für mich kein größeres Problem.
Was dir jedoch als Mahnung oder Warnung dienen kann, ist ein Lied, was uns ein Erzieher beigebracht hat, dieser war echt ein netter Typ, machte so auf Öko sowie Kommune, war vielleicht gerade dadurch respektiert, akzeptiert, daß er mit Kindern gut umgehen konnte, also eben mit ihnen, nicht über sie bestimmen. Aber dieses Lied: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder.“

Jimena sang das ganze Lied vor, hob dabei mahnend mir gegenüber ihren Zeigefinger, lächelte danach. Sie kann singen, eine gute Stimme. Dieser gekonnte Vortrag erfreute mich, bemerkenswerter Text zudem. Dieser Inhalt des Liedes machte mir jedoch keine Angst.
Mein Lob danach: „Schönes Lied, gut gesungen. Denke, vor dem Rattenteich wirst du mich unter Garantie bewahren. Da gilt mein Vertrauen dir.“
Wir lachten beide.

Jimena fuhr mit dem vorherigen Gedankengang fort: „Und um auf’s Thema zurückzukommen: Wenn dort solch eigenartige Typen erzogen werden, ist ebenfalls Spaß für mich dabei, derlei hat schon seinen Reiz, Macht und Kontrolle auszuüben, wenn auch nur bei solch einem Rollenspiel. Ein bißchen mehr als dies ist schon dabei, diese Typen respektieren mich überdies so, aufgrund unserer Absprache im Spiel sowieso, außerhalb des Spiels ebenso. Dabei kommt es sehr darauf an, wie miteinander umgegangen wird. Habe folglich allem Anschein nach meinen Weg, meine Art gefunden, welche für diese Aktivitäten gut funktioniert.“

Meine Nachfrage: „Deine Idee ist also, daß von mir unter deiner Aufsicht einer dieser Sklaven ‚erzogen‘ wird, wie du dich ausgedrückt hast?“
Jimena bestätigte: „Die zentrale Idee hast du prompt erfaßt. Besonderheit für den Herren: Auf meine Ansage hin muß er sich darauf einlassen, von einer ihm nicht vertrauten Person erzogen, behandelt zu werden, welche damit keinerlei Erfahrung hat. Dieses ist ein besonderer Kick, er wird meinem Urteilsvermögen vertrauen, sich darauf einlassen. Dies steht fest, selbst ohne diese Aktion zuvor abgesprochen zu haben. Auf diesen Nervenkitzel wird er abfahren, deine Unerfahrenheit sowie kleinere Mißgeschicke schmerzhafter Art durch dich sind dabei einkalkuliert, keine Sorge. Du solltest dich jedoch keineswegs extra blöd oder ungeschickt anstellen. Jeglicher Reiz ist durch Folgendes gegeben: spontan auf den Moment reagieren, innerhalb dieser konkreten Situation souverän agieren, Grenzerfahrungen zulassen.
Mein Eingreifen erfolgt gewiß, wenn alles komplett falsch läuft. Bleibt jedenfalls keineswegs verborgen, wenn jener Typ ernsthaft Probleme bekommt. Für dich allerdings kommt damit noch besonderer Nervenkitzel hinzu, bei dem dir das Adrenalin bis in deine Haarspitzen kriechen wird: Dieser Typ steht ebenso auf Würgen sowie Atemnot, derlei macht ihn an. Ein Strick wird um seinen Hals gelegt, welchen du zuziehen wirst. Darauf sind Markierungen für wirkungslos, harmlos, kritisch. Die Schlinge muß richtig sitzen, eingedrückter Kehlkopf zum Beispiel wäre für ihn zwar noch ein heftiger Spaß mit Atemnot für seine letzten paar Minuten, wir hätten allerdings eine Menge Ärger am Hacken, obwohl er unterschrieben hat, daß er mit Würgespielen einverstanden ist. Solcherlei bedauerliches Mißgeschick läge insbesondere in meiner Verantwortung, weil meine Aufgabe darin besteht, daß eine Sitzung innerhalb erlaubter Bahnen ohne derlei fatale Zwischenfälle abläuft. Daher erhältst du genaue Anweisungen, bekommst genau genug gezeigt, worauf du achten mußt. Bei jener konkreten Aktion hast du allerdings alle praktische Kontrolle. Du entscheidest und handelst. Du kontrollierst ihn, aber genauso dich. Dabei wirst du heftig aufdrehen sowie wahrscheinlich neue Seiten an dir entdecken. Du wirst hellwach und lebendig sein, solche Sitzungen sind nervenaufreibend, mit einem Machtrausch verbunden.
Daher schon solltest du mitkommen.
Wäre jedoch niemals böse oder beleidigt, wenn du ablehnen solltest, dies Angebot ist allerdings eine Chance auf ein besonderes Spielchen. Gefährlich vor allem für den Typen, alles liegt in deiner Hand, an deinem Geschick.
Also sage ja, der Rest ergibt sich!“

Wieder etwas jenseits meiner bewußten Kontrolle kam wirklich ein ‚Ja‘ als meine Antwort. Meine Knie waren dabei etwas weich geworden. Meine Entscheidung stand jedoch fest.

Wir hatten noch Zeit, also ging es abermals in die Masch, balancieren auf dem Schlaffseil, Wiederholungen der Übungen zur Kampfposition, der Abwehr. Hinzu kamen Übungen für eine gerade Haltung, einer besseren Hervorhebung der persönlichen Wirkung durch Haltung, Gestik. Dazu gab es reichlich Ergänzungen sowie Ratschläge hinsichtlich des richtigen Verhaltens in dieser Kaschemme, welche wir zuerst aufsuchen würden, wo Jimena an der Stange tanzen würde.
Oh, mit diesen Haltungen, diesen Gesten, dieser Übung des Lasziven, Anheizenden, Reizenden ging schon etwas mit meiner Phantasie vor. Es schärfte meine Sinne, weckte etwas im Innersten, was bislang ziemlich egal gewesen war. Es kribbelte. Einerseits bestand meinerseits erhebliche Unsicherheit, wie dumm sowie unbeholfen meine Aktionen, Reaktionen letztlich wären, wenn ich erst der konkreten Situation dieses Lokals ausgesetzt wäre, andererseits war ich angefixt, wollte neue Erfahrungen machen, Eindrücke mit Menschen aus anderen Kontexten haben, ferner testen, ob Jimena wirklich Recht damit hatte, daß von meiner Person, ausgerechnet von mir diese Wirkung ausgehen sollte. Meine äußere Erscheinung wurde bislang von mir als nicht so bemerkenswert, außergewöhnlich wahrgenommen. Sie sah das anders, meinte, wenn meine Haltung, Gestik herausgearbeitet würden, wäre dies selbst innerhalb der eher oberflächlichen Umgebung ein unübersehbarer Blickfang, Augenschmaus für die Klientel. Zweifel daran bestanden meinerseits noch immer reichlich. Weil sie aber so ernsthaft, glaubhaft darauf bestand, überzeugte sie mich allmählich, daß da etwas dran sein könnte, durch einen entsprechenden Auftritt die gewünschte Wirkung zu erzielen, selbst wenn ich damit gar keine konkreten Ziele verfolgen würde.
Jimena vertrat die Auffassung, daß die emanzipierte Frau bei Bedarf ihre sexuelle Ausstrahlung ganz für sich und ohne konkrete Zielperson ausleben dürfe. Jeder Mann dürfe das doch ebenfalls.
Selbst mit konkreten Zielpersonen sei dies keinesfalls verwerflich, lediglich als Angebot zu Verhandlungen einzuordnen, erst aus einer Einigung darf Weiteres resultieren, keineswegs bloß aus einseitigen Annahmen, Hypothesen, Spekulationen, Begehrlichkeiten, Sehnsüchten, Trieben.

Etablissement

Als wir uns umgezogen hatten, drunter zierten nun bereits Jimenas Dessous meinen Körper, zogen wir los. Angekommen wurden mir noch andere Damen vorgestellt, der Laden war noch nicht auf. Daher blieben wir zunächst im Vorbereitungsraum. Weil Dessous bereits angezogen waren, brauchten nur noch meine Straßenklamotten gegen eine Aufmachung getauscht werden, welche nicht so viel verbarg, meine Dessous nur geringfügig ergänzten. Immerhin war dieser Laden gut geheizt. Ein flaues Gefühl machte sich nun in meiner Magengegend breit. Derart freizügig ist mein Aufzug sonst keineswegs. Jimenas Dessous fühlten sich indessen gut auf meiner Haut an, angenehmer Tragekomfort, meine sonstige Blöße allerdings sehr gewöhnungsbedürftig, hier unter anderen Frauen kein Problem, mit jener Aussicht auf komplett unbekanntes Publikum allerdings schon Grund für angespanntere Stimmung bei mir. Jimena lenkte mich jedoch ab. Wir plauderten ausführlicher mit einer Dame.
Wie sich herausstellte, hatte zwar Jimena ihre eigene Bemalung weitgehend selbst entworfen, diese indessen nur zum Teil selbst umgesetzt. Diese Dame setzte derartige Körperbemalungen nebenbei als Visagistin praktisch um, bekam im Übrigen eine Pauschale, um den anderen bei Kosmetik sowie besonderen Ausstattungen zu helfen. In Absprache mit dem Chef samt einer Aussicht auf besonders exotische Vorstellungen wurde vor ein paar Monaten Jimenas Bemalung sowie Kopfrasur umgesetzt. Letztere konnte bei einer Vorführung desgleichen gut mit einer Perücke variiert werden. Dieses Konzept funktionierte ausgezeichnet, denn fortan hatte Jimena hier regelmäßig Aufführungen, dabei ebenso einen überdurchschnittlichen Extraverdienst. Bei zwei Damen waren durchaus auch kleinere Tätowierungen erkennbar, welche echt waren, wie mir versichert wurde. Ansonsten war allerdings mehr Kosmetik gefragt, Jimena also als drastisches Kontrastprogramm. Diese Visagistin machte allerdings gelegentlich gleichfalls kleinere Bemalungen. Sie hatte zunächst noch wenige Aufgaben, bot mir deshalb an, zum Spaß für diese Aktion meine Hände zu bemalen, nicht so haltbar wie bei Jimena, eher ein klassisches, orientalisches Muster mit Henna. Sie versicherte, dies sei bei ihr eine harmlose Öko-Variante ohne heikle Chemikalien, würde allerdings dafür auch nicht lange halten. Diese Farben seien notfalls zudem einfacher mit harmloseren Mitteln wieder entfernbar als Jimenas Bemalung. Jimena versicherte mir, daß ihr vertraut werden könne. Deswegen bekam die Visagistin mein Einverständnis, meine Hände dafür wiederum diese seltsamen Muster. Es würde von der Zeit noch knapp reichen, bis dieser Laden aufmachen würde. Eine beschleunigte Trocknung durch beinahe heiße Luft würden diese Zeichnungen allerdings noch weniger haltbar machen. Meine Dekoration war sowieso nur für dieses Wochenende gedacht. Ein paar Tage mehr würde diese ebenfalls noch reichen. Daher war dieses Schnellverfahren ohnehin ideal für mich.
In der Wartezeit hatte die Visagistin erst noch bei zwei Damen Arbeit, widmete sich danach noch einmal mir, flocht mir Zöpfchen samt Strähnen drin als Kontrast, schminkte mich obendrein noch auf verrucht und verwegen.

So im Spiegel erkannte ich mich selbst kaum wieder. Mein Konterfei sah wider Erwarten keineswegs nuttig aus. Das hatte etwas, wofür mir indes passend beschreibende Worte fehlten. Stattdessen entfleuchte meinem Munde nervöses Lachen. Zeit blieb nicht mehr lange, bis dieser Laden öffnen würde. Unruhig rutschte mein Hintern in Dessous auf meiner Sitzgelegenheit hin und her. Jimena genoß ein bißchen den Anblick meines Leidens, meiner zunehmenden Aufregung.

Der Laden öffnete, wir konnten über einen Monitor beobachten, was los war. Bald darauf kamen erste Gäste, dieser Laden füllte sich allmählich mit dubiosem Publikum. Mehrere Damen waren bereits hinausgegangen, um sich mit Gästen zu unterhalten. Jimena hielt mich noch zurück. Ich sollte sowieso alleine, ohne sie hinausgehen. Sie würde jedoch über den Monitor beobachten. Dies Warten machte mich noch nervöser.
Was für ein Drama!
Was für ein flaues Gefühl im Magen. Mich blamieren, kneifen sollte garantiert meinerseits vermieden werden. Nun also durchbeißen, irgendwie dies bizarre, leicht anzügliche Abenteuer überstehen.

Als Jimena mich auf die freie Wildbahn schickte, war da eine Mischung aus ‚könnte sterben‘ sowie Erleichterung durch Aktivität, daß alles ins Rollen gekommen kam. Ein Verdacht kam bei mir auf, die anderen Frauen hatten geplaudert, mich angekündigt, Sehnsucht geweckt, denn mir wurde gleich aus einer Ecke mit Stammgästen Aufmerksamkeit zuteil, fröhliche Begrüßung samt Herbeirufen an den Tisch.
Was soll man sagen, war nicht so schlimm, eine muntere Truppe eben, allemal frech, Jimena indes hatte mich gut vorbereitet, Entschlossenheit war folglich meine Strategie, Überwindung meiner Zurückhaltung sowie Beteiligung mich samt voller Aufmerksamkeit an den Konversationen. Dabei half gleichfalls, daß ich viel lese und mich informiere. So hatte ich Beiträge zu einigen Themen parat, einige Sprüche machten mich unterdessen sprachlos. Angegraben und ob meiner Erscheinung gelobt wurde ebenfalls – vermutlich bloß harmlose Poussiererei, Schmeichelei. Plötzlich so begehrt zu sein, schmeichelte mir allerdings durchaus, wobei mir längst bewußt war, welche Richtung dieses Begehren einschlug.
Einige Details meiner Unterrichtung waren von mir indes aufgrund der ersten Aufregung vergessen worden. Mein Selbstbewußtsein pendelte sich jedoch allmählich ein, meine Aktivitäten waren zunehmend im Fluß, also herumprobieren, auf diese Leute eingehen. All dies war ganz anders, anregend, aufregend, eine eigenartige Atmosphäre, welche mich kraft ihrer Fremdartigkeit faszinierte, mich allerdings keinesfalls einlullte. Bei den Stammgästen wollte ich nicht gleich den Trick probieren, daß sie meine angenippten Gläser ausschlürfen sollten, diesen Trick dürften diese bereits kennen. Unsere Stimmung war locker, anfangs war meine Anspannung schon sehr ausgeprägt, daher war meine Aufmerksam voll gefordert, zügig auf diese Situation einlassen, mittendrin sein.

Eine erste Vorstellung folgte, nicht gleich von Jimena. Diese Aufführung war ohne Frage eindrucksvoll, akrobatisch. Gejohle, Begeisterung, ein wildes Treiben dazu im Publikum. Dabei ging alles turbulent zu. Nach dieser Aufführung ging die Ausdruckstänzerin ins Publikum, animierte dort, wie von Jimena beschrieben. Mir wurde eine Einladung einer anderen Gruppe zuteil, eher forsch vorgebracht, daß diese Leute gleichermaßen in den Genuß meiner Gesellschaft kommen wollten. Folglich kam es zum Wechsel. Jimena hatte schon Recht, dabei bleibt Gelassenheit ohnehin notwendig, Nähe tolerieren, arg wurde dies Intermezzo zum Glück nicht. Einfache, lockere Kommentare reichten bereits, daß meine aktuellen Herren zu einem Benehmen veranlaßt wurden, mit dem von mir umgegangen werden konnte. Diese Typen hauten wirklich Champagner raus. Neugieriges Nippte von mir folgte. Allein wegen des Alkohols wird dies Getränk nicht mein Lieblingsgetränk werden, bei den üppigen Preisen wiederum zu schade zum Wegkippen. Mein Nippen blieb trotzdem nur vorsichtig.

Lust war in mir aufgekommen, ein bißchen zu provozieren, leckte betont auffällig über den Rand des Glases, schlabberte albern-infantil mit meiner Zungenspitze darin, zwinkerte dem Typen, welcher mein Getränk ausgegeben hatte, lächelnd zu. Dieser schaute wirklich fasziniert, hypnotisiert wie ein Kaninchen von der Schlange. Dies war also gleich meine Feuerprobe. Keck so wie schmeichelnd, einnehmend hell klang mein Lachen, virtuos dazu weiter mein Zungenspiel mit dem Glas, daß er ganz hibbelig wurde, wer weiß, was dieser Typ sich vorstellte, wo er meine Zunge gerne hätte spielen gesehen. Dies kleine Improvisation machte ihn heiß, seine Kumpels ebenso.
Endlich mein freches Angebot an ihn: „Magst du meinen Nektar der Lust trinken, dieses Prickeln spüren?“
Dreist dazu mein Lachen, lasziv wie gelernt, hielt ihm mein Champagnerglas hin: „Du darfst dich bis zur Neige an diesem, meinem prickelnden Saft laben, dies feine Naß innerhalb deines Mundes prickeln spüren, welches gerade noch meine Zunge genetzt sowie beglücket hat.“
Jener Typ griff wirklich zügig sowie gierig nach dem angesabberten Glase, umschlabberte obszön dies Gefäß wie ein Zungenheiligtum, wo meine Lippen es berührt hatten, haute dies teure Zeug daraufhin mit großen Schlucken sowie unter begeistertem Gejohle seiner Kumpels weg. Diese wollten nun ebenfalls, also für den nächsten neues Glas, neues Spiel. Voll drauf einsteigen also, genauso diesen richtig scharfmachen sowie geil auf jenes Gesöff meines Glases, nippte selbst nur, tunkte meine Zunge ein, spielte damit.
Oh!
Diese Schau wirkte, und wie dieser Firlefanz wirkte. Gierig hing auch dieser erst an meinen Lippen, daraufhin an meinem Glase. So ging es reihum bei dem Trinkspiel. Meine Aufgabe ging leichter als gedacht. Meine Jungs hatten Spaß, Kontrolle blieb bei mir – alles im Griff.
Im Rausch dieser Situation, des Triumphes ging mein Denken für Momente völlig darin auf!
Einige Zeit würden wir sowieso noch bleiben. Im weiteren Verlauf würden noch Wechsel zu anderen Gruppen anstehen.

Nach der nächsten Aufführung wurde abermals gewechselt. Diese Gruppe war zunächst harmlos, ebenfalls spendabel. Einer dieser Typen erhoffte sich allerdings mehr, somit mußte ich folglich schärfer, lauter formulieren, weil mir seine Fingerfertigkeit keineswegs zusagte und sich diese Gesellschaft in eine falsche Richtung entwickelte. Er ließ seine Fummelei daraufhin, kommentierte kleinlaut mit etwas, was er für witzig hielt.
Im Laufe des Gespräches wollte er mir allerdings ein paar Minuten darauf tatsächlich unter meine Wäsche greifen!
Schockiert war meine gespielte Reaktion darauf, verärgert sowie deutlich lauter daraufhin meine Mahnung an ihn: „Hey!“
Einer jener mir bereits bekannten Stammgäste kam in dieser Situation zur richtigen Zeit vorbei, hakte nach: „Alles klar bei euch?“
Der Typ hatte immerhin nun seine Hände erhoben, räumte ein: „Schon gut, hab’s begriffen!“
Hatte er wirklich. Mit seinen Kumpeln klappte die Unterhaltung ganz gut, daher mein Abnicken dazu, woraufhin jener Stammgast weiterging. Tatsächlich hatte dieser Typ meine Mahnung nun begriffen, weitere Mahnungen, Verstimmungen mied dieser somit sorgsam.
Gewissermaßen zum Trost wurde den Herren hier ebenso jenes kleine, fröhliche Trinkspiel von mir angeboten, diese Truppe konnte damit nun ebenfalls gut unter Kontrolle behalten werden. Dies Spiel hatte offenbar etwas, was jene Herren beschäftigte, auf mein Glas als Fetisch fixierte, nicht mehr dermaßen darauf, was sich unter meinen Dessous verbarg.

Jimena hatte den dritten Auftritt. Dieser war wirklich anders als bei den beiden zuvor. Sie hatte eine starke Wirkung sowie Präsenz, ebenso eindrucksvoll ihre Akrobatik, ihr phantastisches Körpergefühl, ihre eleganten Bewegungen waren spektakulär. Unfaßbar, in welchen Körperhaltungen ihr Körper an jener Stange klebte, danach wieder frei auf der Fläche tanzte, an einem Stuhl agierte, ihr Bauch kurz auf dessen Lehne balancierte, sich anschließend erneut um jene Stange schlängelte, daran regelrecht hochwirbelte, ihre Schenkel provozierend daran rieb. Diese Bewegungsabläufe hatte sie wirklich drauf. Jimena provozierte mehr und mehr. Präzise, direkt sowie ohne jegliche Skrupel rubbelte und rieb sie an sich, streckte Po oder Knie, Brüste symbolisch zum Publikum hin, pumpte einhändig mit ihrem Schoß bei deutlich gespreizten Schenkeln. Bei den anderen Vorführungen war meine Aufmerksamkeit weniger gefordert gewesen, bei ihr war mein Blick völlig auf ihre Bewegungen gerichtet, fasziniert, in ihren Bann gezogen, alles wurde von mir förmlich aufgesogen.

Jimenas Darbietung erfüllte insofern effizient ihren Zweck, als ihr Publikum tobte sowie eine spürbare Geilheit verströmte. Dieser Wirbel war mir eigentlich zuviel. Weil jener Typ von vorhin so glasige Augen bekam, löste mich dieses Phänomen einen Augenblick von meinem faszinierten Entsetzen über Jimenas Darbietung, woraufhin ein diskreter Rückzug zum Barbereich erfolgte. Alles Publikum war in diesem Moment ohnehin auf Jimena fokussiert. Dieses wirbelnde Muster, ihre Ausstrahlung, diese geschickte Beweglichkeit, ihre Kraft, Entschlossenheit fesselte alle, mich ebenfalls. Zu dem Strip muß nicht so viel gesagt werden. Ihr Anblick im Badenanzug war mir ja ohnehin schon bekannt, beim Umziehen ferner kurz ihr nackter Anblick. Rasiert ist sie auch unten, wegen des Musters auf dem ganzen Leib war dies eine deutlich andere Nacktheit als bei den anderen beiden zuvor, aggressiver, provozierender, wilder. Soweit dies von mir erkennbar war, hat sie reichlich zusätzlich abkassiert. Bereits beim Tanz steckten ihr ein paar Typen Scheine an den Slip.
Jimena hatten eine ganz elegante Lösung für dieses Problem, weil ihre Darbietung letztlich einen Strip darstellte, bei welchem ihr Höschen irgendwann bei dieser Aufführung fiel, damit wiederum auch alle hineingeklemmten Scheine. Dieses Geld wurde als Ende sowie Fortsetzung ihrer Vorführung, als Zugabe direkt auf der Bühne von ihr zusammengefegt, eine eigene kleine Schaueinlage unter Verwendung von Besen und Kehrblech, unten groß und flach, oben mit langem Stil, weswegen Jimena beim Auffegen elegant weiter tänzelte sowie sogar dazu anregte, noch mehr auf jene kleine, mittig im Raum angeordnete Bühne zu werfen, damit sie noch eine Runde zusammenfegen mußte.

Als Jimena damit durch war, verschwanden Blech, Feger, Geld unauffällig. Jimena ging ohne Scheu nackt durch den Raum, machte noch eine kurze Runde durch die johlende Menge, welche sich nur langsam beruhigte.
Sie kam zu mir, fragte nach, ob für mich noch alles munter, aufrecht, bei guter Stimmung sei. Mir war insgesamt nichts komplett gegen den Strich gegangen, also noch alles im Grünen Bereich.
Gleich mehrere Gruppen wollten Jimenas Gesellschaft. Daher wurde also eine Auswahl getroffen, beziehungsweise eine Reihenfolge festgelegt und befolgt. Die anderen Tänzerinnen hatten sich zuvor Klamotten übergezogen, welche nicht wirklich viel verbargen, aber dennoch als eine Art Schutzzone gelten konnten, als Signal einer symbolischen Barriere. Jimena agierte allerdings völlig frei sowie ungeniert, nahm mich bei ihrer Hand, wir zogen daraufhin zu einer Gruppe. Komplett unbefangen ob ihrer Nacktheit schritt sie einher, erlaubte ohne Irritation, daß ihre Haut, vermeintlich ihrer Bemalung wegen angegrabbelt wurde. Jimena blieb völlig gelassen, gestaltete, kontrollierte gleich jede Konversation dieser Gruppe, beteiligte desgleichen mich. Derart integriert sowie an ihrer Seite machte die Konversation sogar Spaß. Daher auch mein weiteres Verweilen, als sie nach ein paar Minuten wechselte, weil eine andere Gruppe nach ihrer Gesellschaft begehrte.

Meine Wechsel waren langsamer als Jimenas, welche sich doch noch knappe Kleidung überzog, als die nächste Aufführung begann. Wir blieben noch, bis Jimena ein Signal gab, daß es Zeit für uns sei, zur zweiten Aktion aufzubrechen.
Für mich hieß dies bis dahin weiteres Feilen an meinen Verführungskünsten hinsichtlich dekadenter Champagner-Nipperei sowie Förderung des Glas-Lecke-Fetisches. Dieses Spielchen von mir kam bei den Kerlen immer gut an. Offenkundig bin ich ganz geschickt mit meiner Zunge, meinen Lippen, dem Zwinkern, dem Lachen, meiner Gestik, meinen Bewegungen und so. Ich bekam einige Typen relativ leicht herum, mein Glas für mich auszuschlürfen, regte damit weitere an, daß diese ebenfalls für ein ähnliches Spielchen ein weiteres bestellten, welches prompt von mir bespielt wurde.
Unglaublich, wie leicht diese Typen um den Finger oder um die Zunge zu wickeln waren, wie folgsam diese an den Lippen hingen, letztlich immer auch traurig waren, als ich mich zu einer anderen Gruppe hingezogen verabschieden mußte – realistisch gesehen allerdings wohl doch bloß kurzfristige Lippenbekenntnisse.

Spezialbehandlung

Unterwegs zum Ort der verabredeten Spezialbehandlung erforschte Jimena meine Gefühlslage. Meine Stimmung war aufgedreht, allemal erleichtert, froh, daß dieser erste Termin gut sowie heile überstanden war. Ich konnte nicht behaupten, alles immer unter Kontrolle gehabt zu haben. Vielleicht ist etwas von dem dabei, was Bullenreiter wohl unbedingt brauchen, zwar keine Kontrolle, dennoch eine Herausforderung zum Überstehen solch wilder Ritte, keineswegs beherrschen, vielmehr erleben, agieren statt nur reagieren. Nun, einen Abwurf hatte dies Spielchen für mich nicht im Repertoire gehabt. Ja, angegrabbelt, befummelt wurde mein Körper durchaus, ich hatte mich dabei trotzdem behauptet, mich ein Stück weit auf diese mir fremde Welt eingelassen, hatte dies eher psychologisch heikle Abenteuer überstanden. Dies war abermals ein ziemlicher Kick, ein kleiner Rausch, nicht vom Alkohol, denn ich hatte mich an den Rat gehalten und nur genippt. Zugegeben, durch jene ausnehmend erfolgreichen Trinkspielchen hatte ich selbst durch dieses bloße Nippen insgesamt schon mehr weggepichelt, als für mich eigentlich spurlos verträglich gewesen wäre. Dieser Sachverhalt mochte gleichfalls dazu beigetragen haben, daß mich nun eine aufgedrehte, lockere, gelöste Stimmung erfüllte. Wegen meiner Wechsel zwischen einigen Gruppen, machte sich also durchaus die Wirkung vom Champagner bemerkbar. Meine Behauptung war jedes Mal ganz dreist, damit hätte ich angefangen, um keine Kopfschmerzen zu bekommen, käme Mischen keinesfalls in Frage, müßte heute folglich dabei bleiben. Also Wasser oder Champagner, meist gaben sie letzteres aus.
Derlei Großzügigkeit hat mich gleichfalls überrascht, dieses Zeug ist teuer, richtig teuer!
Trotz Wirkung des Alkohols fühlte sich mein Körper und Geist hellwach an, geradezu ermutigt zum Bestehen weiterer Abenteuer.

Jimena war ebenfalls etwas aufgedreht, lachte bei meinen Ausführungen und Anmerkungen über meine Erlebnisse, Zungenspiele. Selbstverständlich galt wiederum mein Lob alsdann ihren Geschick bei ihrer Aufführung, ihrem Können, alle Leute so vom Hocker zu reißen und aufzugeilen, ebenso ihre Körperbeherrschung, ihr artistisches Geschick, ihre Eleganz sowie Leichtigkeit der Bewegungen. Ja, aufzugeilen ist das angemessene Wort dafür. Als Kunst wollte Jimena solcherlei Aufführungen im Übrigen ebensowenig verstanden wissen. Sport würde den rein körperlichen Leistungsaspekt schon beschreiben, jedoch im gleichen Maße sowie im selben Zeitabschnitt mußte alles ebenso auf’s Publikum wirken, alles auf die jeweilige Tänzerin fokussieren. Diese Fertigkeiten beherrschte sie wie einen Reflex. Sie war dabei ebenfalls ernst, konzentriert, distanziert, jedoch auf eine andere Art, welche alles Publikum eben in ihren Bann zog.

Bei einem Gebäude angekommen, welches Jimena zum Ziel hatte, wurde es eigenartig. Bei dem weiteren Weg durchs Milieu ging meine Orientierung komplett verloren. Zutritt in ein anderes Gebäude erfolgte über eine Gegensprechanlage, kein Hinweis auf eine besondere Veranstaltung. Darin ging unser zügiger Marsch weiter, wobei wir überdies das Gebäude wechselten, bis wir irgendwann in den eigentlichen Veranstaltungsort eingelassen wurden. Dort war ein spezieller Bereich für uns zum Umziehen vorgesehen. Wir konnten gemeinsam einen Bereich nutzen, Jimena half mir. Zwar wäre dort ebenfalls Ausrüstung leihweise verfügbar gewesen, ich war indessen zufrieden damit, daß Jimena für mich ein paar von ihren Sachen dabei hatte. Darin wirkte meine Erscheinung verwegen, skurril, absurd. Jimena samt ihrer Dienstkleidung sowieso. Beides bestand aus Leder, Nieten. Fetischkram. Einerseits bedeckte diese Bekleidung Brüste sowie Schambereich, darin waren allerdings ebenso neckische Lücken sowie Einblicke auf viel Haut.
Wer schneidert sowas?
Wer hat solch verkorkste Phantasien, Vorstellungen, Ideen?
Wäre meine Stimmung durch die vorherigen Aktion nicht so angeheizt, aufgedreht gewesen, niemals hätte ich mich damit irgendwo sonst blicken lassen. Jimena drückte mein Kreuz zu einer sehr geraden, stolzen, dominanten Haltung durch, erklärte mir Details, machte vor. Dadurch mußte ich in meine Rolle finden, eher gezielt meine Rolle selber finden. Eine Herrin, eine Domina nimmt selbstverständlich keineswegs von anderen eine Rolle an. Solch eine Person stellt sich selbst dar, selbstbewußt, streng, individuell. Eine derartige Persönlichkeit läßt keinen Zweifel aufkommen, Unsicherheit kennt diese gar nicht. Eine Domina hat stets jedwede Kontrolle, ist Herrin jeglicher Lage sowie Situation.
Du meine Güte – wie sollte ich das bloß hinbekommen?
Ich hatte bislang nie das Gefühl, wirklich Herrin der Lage zu sein. Eine diesbezügliche Anmerkung von mir brachte mir strenge Kritik ein, Jimena erinnerte daran, welche Herausforderungen von mir bereits gemeistert wurden. Meistern wäre kein Ausdruck von mir dafür gewesen, mehr geradeso ohne Herzkasper überlebt, erfolgte sofort mein grinsender Widerspruch. Sie hatte allerdings Recht, nur mit der Überzeugung von mir selbst konnte mein Auftritt hier überzeugend auf eine andere Person wirken. Ich baute mich neben ihr vor dem Spiegel auf, plusterte mich auf. Ein wenig noch und Verblüffung machte sich breit, beinahe bereits wieder erschrocken: Da stand wirklich diese junge Herrin neben Jimena, ich wäre vor mir selbst gekuscht, nicht nur wegen jener Rute, welche in der Hand schlenkerte, den angedeuteten Sporen an den Hacken. Primär wirkte bereits die gesamte Haltung.

Jimena erklärte im Detail mit dem Kunden abgesprochene Regeln. Anschließend gingen wir durch, was sie geplant hatte, wie diese Sitzung ablaufen sollte. Einerseits wird bei jeder seiner Aktivitäten sowie Fehler oder Unartigkeiten spontan und impulsiv auf den Sklaven, auch Sub genannt, reagiert, andererseits hat eine Herrin, auch Dom genannt, selbstverständlich einen Plan für solch eine Sitzung, wie dieser Sub abgerichtet sowie erniedrigt werden soll, was dieser in welcher Reihenfolge erdulden soll. Ohoh, was dabei abgehen sollte, ging mich schon hart an.
Ojeminee, der arme Bursche!
Ich schluckte, hatte ein bedenkliches Gefühl keineswegs nur in meiner Magengrube. Jimena zweifelte nicht, nicht einmal an mir. Sie hatte mich nun eingeplant, fragte mich nicht mehr nach einem Rückzieher. Sie war oberste Herrin bei diesem Rollenspiel, für mich blieb lediglich die junge Herrin. Klar, somit hatte sie jegliche Kontrolle sowie das Sagen.
Unser Spiel hatte längst begonnen, wir waren bereits mittendrin, bereits zu spät, um die Kurve zu kratzen!

Bei den Erklärungen brachte mich Jimena endgültig an meine Grenzen, als sie frei heraus eine optionale Spezialbehandlung erläuterte. Diese bestand aus einer besonderen Erniedrigung, Bestrafung, für den Fall, daß jener Sklave die besondere Lage nutzen sollte, sich deutlich zuviel herausnahm, bei Jimena kaum vorstellbar, bei mir schon eher, jener Sklave könnte oder würde versuchen, meine Grenzen auszuloten, diese müßten ihm gezeigt werden. Plötzlich fingerten ihre Hände ohne Vorwarnung an meinen Klamotten herum, also im Bereich meines Schoßes, tippten allerdings nur leicht auf meine fragliche Zone, nahm alsdann meine Hand. So wurden mir Detailkenntnisse meiner Staffage zuteil, dort fand sich eine Art Verschluß. Mein erster Gedanke ging in Richtung Sex, den hatte sie allerdings bereits ausgeschlossen. Die Lage klärte sich schnell, als sie einen speziellen Naßbereich unserer ‚Spielarena‘ zeigte. Die Sonderbestrafung würde so ablaufen: ihn dort hinkauern lassen und ihn stehend bepinkeln. Ich schaute sie mit großen Augen, offenem Mund an.
Ihre freimütige Erläuterung folgte sofort: „So guckst du während dieser Sitzung gefälligst nicht. Sollte jener Fall der Sonderbestrafung eintreten, kommt von mir eine diesbezügliche Anweisung, du führst ihn hin, schubst ihn in jene Ecke, läßt deinen Urin rieseln, hemmungslos den vollen Strahl auf ihn, kein Tröpfchen zurückhalten oder verschwenden. Sein Gesicht jedoch aussparen, dieses ist unbedingt zu vermeiden, aus formalen Gründen, weil du nicht untersucht bist. Bin mir zwar ziemlich sicher, daß du keinerlei ansteckende Krankheiten hast, aber es darf hier keine Ausnahmen geben, sonst bekommen wir eventuell noch Ärger mit dem Betreiber.“
Meine Reaktion darauf: Schlucken bei plötzlich ziemlich trockenem Mund sowie ein verlegenes Geständnis: „Ähm äh ähm … weioweiowei ojoi o o o o – habe noch nie stehend.“
Ihr Ellenbogen knuffte mich sanft, dazu ihr fröhliches Lachen, danach: „Wirst den goldenen Schauer schon hinbekommen. Wenn eine Bestrafung angekündigt ist und nicht durchgezogen wird, bist du als Herrin durch, hast dich bis auf die Knochen blamiert, kannst dich nicht mehr blicken lassen. Also, falls der Champagner vorhin nicht gereicht hat, nimmt du besser prophylaktisch sofort Wasser oder einen Saft aus dem Kühlschrank, zischt reichlich davon rein, bevor unsere Schau hier losgeht, damit du bei Bedarf genug auf Vorrat hast.“

Mir war plötzlich neben dem Mund ebenso die Kehle zu trocken, um noch etwas zu sagen. Meine Schritte eilten also zum Kühlschrank, reingegriffen, erst ein stilles Wasser reingezischt, mit Bedacht, Überraschungen wegen Kohlensäure sollten keineswegs riskiert werden, jene vom Champagner hatte mein Verdauungtrakt bereits gut verarbeitet, subsumiert, unter Kontrolle, war bei all dieser Aufregung nicht auf dem Klo gewesen.
Stilles Wasser ist weit weg von meinem Lieblingsgetränk, dieses hatte zudem noch einen eigenartigen Nachgeschmack, also noch einen Saft hinterher!
Druck war auf meiner Blase noch keineswegs drauf, so rein objektiv war dies gleichwohl für den Abend mehr Flüssigkeit als gewöhnlich für mich üblich. Nun kam bei mir Schiß auf, daß diese üppige Füllung im Laufe dieser Sitzung unwiderstehlich drücken könnte. Aber bei jener Ansage von Jimena unmöglich, mich vorsorglich zu erleichtern. Immerhin war mein Denkapparat durch diese Sorge kurzfristig abgelenkt.
Jimena erklärte weiter: „Nach besagter goldener Dusche bekommt er noch eine kalte Dusche hinterher. Derlei Behandlung ist schon angemessen, damit seine Ausstattung nicht nächstes Mal einschlägig riecht, sich etwas durch den Urin entfärbt. Sollte bei dir Urin danebengegangen sein, solltest du lauwarm abspülen, wenn dich der Fortgang der Ereignisse angesprochen oder angeregt haben sollte, vielleicht ebenfalls kalt. Übernahme erfolgt daraufhin durch mich, vermutlich geht diese Sitzung nach solch einer Urin-Aktion ohnehin dem Ende entgegen. Präzise Zeitvorgabe liegt keine vor. Weil die Herrin gnädig ist, dauert eine Erziehungeinheit bereits länger als die Mindestdauer. Sehr unartiges Verhalten wird allerdings keinesfalls auch noch durch Verlängerung belohnt.“
Lachen ihrerseits. Wir gingen den Plan ein letztes Mal durch.

Unser Gast, Kunde, Sub oder Sklave war angekommen, dies bekamen wir als Nachricht durchgesagt. Er zog sich um.
Natürlich, er mußte ja gleichfalls in sein Kostüm wechseln!
Jimena informierte: „Bloß nicht lachen, sein Aufzug ähnelt unserem, ist eben ein sklavisches Pendant, bei ihm sieht solche Dekoration jedoch eher albern als sexy aus.
Bizarre Verkleidung gehört dazu, er ist eben nicht ganz so formvollendet wie du!“
Dies war allemal ein flotter Spruch von ihr über mich, eventuell um mich gleich wieder spürbar aufzubauen. Jedenfalls nahm meine Gestalt sofort Haltung an.
Mein unbedingter Wille war, daß sie mit mir zufrieden sein sollte, mein Streben galt nun ihrer Anerkennung nach dieser Sitzung!
Ich wollte es gut hinbekommen!

Das bizarre Schauspiel begann, als unser Kunde, nunmehr unser Sklave den Raum betrat, vor seiner Herrin zu Boden sank sowie ihre Herrlichkeit pries, um ihre Anweisungen geradezu flehte. Das war gleich zum Beginn totale Unterwerfung unter die strenge Herrin Jimena. Seine Stimme klang aufgeregt. Er trug eine Maske, konnte jedoch sehen, seine Nasenlöcher waren frei, ebenso seine Mundpartie gut sichtbar. Erkennbar war er so jedoch keinesfalls, selbst wenn er schon im Fernsehen oder in der Presse auf Bildern in meine Aufmerksamkeit gelangt wäre. Er war gleich auf seine Herrin fokussiert, hatte lediglich kurz meine Anwesenheit registriert. Herrin Jimena, wobei in dieser Sitzung keine Namen genannt wurden, drückte ihn mit der Rute ganz hinunter, daß er den Boden vor ihren Füßen küßte. Nachdem er für diese Gnade ihrer Aufmerksamkeit gedankt hatte, stellte sie mich als die junge Herrin vor, forderte vom Sklaven ebenfalls eine Huldigung meiner Person. Er folgte artig, krabbelte auf dem Boden zu mir, küßte den Boden vor meinen Füßen. Die Herrin klärte kurz auf, daß ich heute hier sei, um von ihr zu lernen: einen Sklaven führen, unterjochen. Widerspruch ist einem Sklaven untersagt.

Das weitere Ritual ähnelte dem Longieren von Pferden im Zirkel, allerdings ohne Leine, dafür samt Einsatz einer Rute, kurzen Kommandos sowie obendrein mit lautem Knallen einer Peitsche. Dabei krabbelte unser Sklave auf Händen und Knien durch den Raum. Dies Verhalten hätte an sich albern, infantil ausgesehen, ein erwachsener Mann, absurd drapiert krabbelt die Runde. Mit Jimena daneben hingegen wirkte alles echt. Deshalb war jener Aspekt des obskuren Spiels schnell vergessen. Selbst bei kleineren Ungenauigkeiten zischte die Rute zu einem Treffer, manchmal auch nur so zur Führung, Aufmerksamkeitsgewinnung, Fokussierung des Sklaven. Zur Abwechslung wurde ferner mehrfach eine Übung zum Apportieren von kleinen Gegenständen durchgeführt, wobei letztere der Herrin vor die Füße gelegt wurden und wieder zurück. Unser Sklave wagte eine Frechheit, brachte das Falsche, wobei Jimena vermutlich absichtlich uneindeutig formuliert hatte, folglich eine halbwegs plausible Wahl zwischen zwei ziemlich ähnlichen Bällen bestand. Die Peitsche zischte als Strafe und traf, unser Sklave zuckte, röchelte, tauschte trotzdem brav den falschen gegen den richtigen Ball. Weitere Aktivitäten ähnelten teils einer Hundebegleitprüfung. Natürlich ging dies Spiel in jedem Moment um Gehorsam, Unterwerfung, Demütigung. Diesmal war die Konstellation so eingerichtet, daß alle Aktionen explizit mir vorgeführt sowie kurz erklärt wurden. Somit wurde die junge Herrin bereits jetzt zum Teil dieser bizarren Szene, wenn Jimena mich in diese Szenerie, ihr Spiel einbezog, vom Sub forderte, der jungen Herrin brav Kunststücken vorzuführen. Vorwürfe wurden von ihr gerne derart formuliert, daß es vor mir einen schlechten Eindruck mache, wenn ihr Sub Fehler begehe, sie damit vor mir schlichtweg blamiere. Jimena herrschte streng über den armen Kerl, ein wenig grausam schon, zwar mehr verbal, mit Rute sowie Peitsche allerdings gewiß mitnichten kleinlich.

Ich übernahm auf Jimenas Aufforderung hin zur Wiederholung des Programmes als Kurzform. Sie hielt sich zurück. Sie hatte Routine darin, ich Mühe damit. Wo sie mich spielend verbal in ihre Aufführung einbezogen hatte, war meine Aufmerksamkeit genug damit gefordert, meine Anweisungen streng, kurz, vernehmlich, resolut abzugeben. Skrupel wegen des Umgangs mit Rute oder Peitsche kamen hinzu, zudem keine Erfahrung, wie stark Schläge damit wirken, was in Ordnung war. Von diesem Erkenntnismangel meinerseits wußte Jimena ganz genau, unsere Probe damit war zuvor ziemlich kurz ausgefallen. Deshalb kamen von mir zunächst lediglich Andeutungen, unangemessen vorsichtiges Anticken mit den Geräten, eher vorsichtiges Anschieben, viel zu zaghaft, unsicher noch. Mein Eindruck war kurz darauf, als wolle mich unser Sklave tatsächlich testen, er kroch ungenauer, war weniger unterwürfig, weniger eilfertig.
Derlei Schlamperei fand ich unfair, meine ersten Versuche vor Jimena gleich derart sabotieren – ungehörig!
Ich hatte zuwenig eingegriffen. Diesen Umstand nutzte er frech aus, nahm sich keck etwas heraus. Daher schalt ich ihn, setzte nun meine Rute wirklich ein. Obwohl mir bewußt war, daß es sich nur ein Spiel handelte, war dennoch mein Ehrgeiz geweckt, unsere Übungen sollten akkurat ausgeführt werden, exakt so wie bei Jimena. Meine Vermutung geht dahin, daß meine Schläge nun härter waren, er folgte besser, mein Gemüt jedoch, in Fahrt geraten, machte jetzt mehr als notwendig war. Meine Peitsche zischte nun gleicherweise über ihn hinweg. Beim Apportieren waren mir zudem die Namen von den Gegenständen bloß ungefähr bekannt.
Deshalb geschah ebenfalls ein Fehler, Absicht oder meine Schuld?
Egal, einen eigenen Fehler gesteht eine Herrin niemals ein. Mein Peitschenhieb traf, dieser fühlte sich härter an als bei Jimena, unser Sklave japste, röchelte, hechelte zurück, um den Fehler gutzumachen. Dumm nur, die Bälle waren ziemlich ähnlich, ärgerlich wies mein Zeigefinger darauf hin, daß noch ein anderer Ball gemeint war, abermals zischte meine Peitsche hernieder, ich hatte mich in dies doofe Spiel hineingesteigert. Aber nun folgte er gut. Er wurde hin und her gehetzt, daß er lernte, vor mir akkurat zu spuren.

Als wir mit dem Kurzprogramm durch waren, schaute ich Jimena an. Diese wies den Sklaven an, dieser solle sich vor mir positionieren sowie mich aufsitzen lassen. Meine Aufgabe war nun also, ihn im Zirkel zu reiten. Unter Verwendung meiner angedeuteten Sporen an den Hacken war antreiben einfach, was meine Aufgabe war, als Jimena ein schnelleres Tempo wollte, ebenso hatte diese mir eine Knute gereicht, um mittels leichter Schläge auf seinen Po anzutreiben. Er ging gut ab bei dem Spiel, obgleich diese Kinkerlitzchen ziemlich albern waren. Beide Beine mußten von mir angezogen werden, diese Reiterei war im Grunde unbequem, eben ein bizarres Spielchen, kein Wunder, daß mich Jimena gerne machen ließ, sich diesen blöden Ritt diesmal selber sparte, unbequem, einer Herrin eigentlich unwürdig, reines Possenspiel.

Als es genug war, folgte Aufstehen, Absteigen meinerseits, Jimena wies den Sklaven an, er möge seinen Strick apportieren. Merklich aufgeregt, erregt folgte er eilig, wollte ihn ihr mit dem Mund anreichen. Sie zog ihm eins mit ihrer Rute über, verwies ihn an mich. Sofort bot er mir den Strick. Die Anweisung war: Umlegen und weiterreiten, zuziehen. Sie hatte mir alles zuvor erklärt, insbesondere die Markierungen am Strick. Dieser war auf den Sklaven abgestimmt. Diese Übung war mir unheimlich, er machte mit mir die Runde, die Schlaufe war noch schlaff um seinen Hals. Ungeduldig wurde er jedoch ein bißchen bockig, daher leichtes Anziehen von mir als Reaktion, daraufhin gehorchte er wieder artiger. Wie von Jimena zuvor angewiesen, prüfte meine Hand anläßlich dieser ruhigeren Phase den Sitz der Schlinge am Hals. Meine Hand korrigierte leicht, den Kehlkopf sicher aussparend, woraufhin weiter angezogen wurde, um ein Verrutschen zu vermeiden. Artig blieb er nicht lange. Da war deutlich bemerkbar mehr Unruhe drin, Peitsche oder Knute waren gleichfalls außerhalb meiner aktuellen Reichweite, derzeit kein Zugriff darauf. Folglich blieb mir nichts anderes, als weiter zuzuziehen. Ein wenig und verzagt konnten meine Füße überdies mit den angedeuteten Sporen sticheln, zur Unterstützung einer Richtungsangabe mittels des Strickes. Er zuckte unter den Sporen, welche nicht ganz so harmlos waren, wie meine erste Annahme gewesen war. Tief ging es damit keineswegs, es ritzte seine Haut jedoch durchaus leicht an, verursachte Schmerzen.
Aber was sollte ich tun?
Ohne andere Mittel mußte verwendet werden, was verfügbar war, um diese Aktion akkurat durchzuziehen, bis Jimena mit dem Verlauf unserer Reiteinlage zufrieden war.

Auf Jimenas Geheiß hin sollte angehalten sowie abgestiegen werden. Prompt folgte ein entsprechendes Kommando von mir an den Sklaven, gefolgt von meinem Abstieg. Er war allerdings unartig, kroch weiter, wiederholtes Kommando von mir als Reaktion, ging zwei Schritte hinterher, zog leicht an, da bäumte er sich gar auf, beinahe wie ein Jagdhund, welcher Witterung aufgenommen hat. Nun längst voll im Spiel war meine Verärgerung echt, weil ich unseren Sklaven nicht im Griff hatte und es nicht so funktionierte, wie Jimena unser Spiel gedacht hatte, also weiterer Zug an jenem Strick meinerseits, meine Stimmung war so in Fahrt geraten, somit folgte kräftigeres Ziehen. Er röchelte, hechelte, zog erregt weiter. Meine Füße mußten widerstrebend folgen, nebstdem zogen meine Hände die Schlinge weiter zu. Mein ganzes Denken war dermaßen in dieser Situation gefangen, daß mir die Funktion jener Markierungen ob der Aufregung beinahe entfallen war.
Mein hervorgestoßenes Kommando: „Auf den Boden!“, kein Abwarten meinerseits mehr, bei ihm angekommen drückte spontan mein Fuß in sein Kreuz.
Er zappelte unartig, gab jedoch nach, bis sein Gesicht seitlich gedreht am Boden lag. Mein Fuß drückte den großen Zeh genüßlich tiefer in seinen Rücken. Totale Unterdrückung. Er röchelte lüstern.
Nun ging es mit ihm richtig durch!
So geknechtet wand er sich unter mir, dieser elende Wurm.
Er stöhnte, hechelte, hibbelte unterm Fuß, statt endlich still zu sein!
Diese Aktion lief nun gar nicht, wie meine Vorstellung davon gewesen war.
Meine Zehen kniffen in sein Fleisch, drückten mit mehr Gewicht sowie Kraft, daß er aufgegeilt aufstöhnte!
Diese Reaktion erzürnte mich, noch festeres Ziehen folgte als Konsequenz, sogar über die letzte Markierung hinaus. Er zappelte, würgte, gab nach. Diese Erregung bei ihm, diese bizarre Mischung aus Lust und Panik irritierte mich. Vermutlich hatte er zuerst gemerkt, daß meine Aktion grenzwertig war, hatte sich ganz ergeben. Ich ließ eine Kleinigkeit nach, wieder in den erlaubten Bereich hinein. Als er still war bis auf sein schweres Atmen, Keuchen, war unsere Übung beendet, wie Jimena erklärte. Mein Griff wurde lockerer, danach löste sich dieser gänzlich. Den Fuß verschwand ebenfalls aus seinem Kreuz, daß er sich wieder bewegen, frei atmen konnte.

Jimena kommentierte, daß die junge Herrin den unartigen Sklaven letztlich wieder gut in den Griff bekommen habe. Nach ersten Schwierigkeiten hätte diese ausgezeichnet darauf reagiert, den Sklaven angemessen in seine Schranken verwiesen.
In dem Moment allerdings war dieser heran, küßte schlabbernd meine Füße, blitzschnell war das gegangen, wir hatten so schnell nicht reagieren können.
Ein Blick von ihr war klar, sofortiges Zurückpfeifen durch mich war unmittelbar erforderlich!
Sie drückte mir ein weiteres Mal eine Rute in die Hand, meine Hand zog ihm ein, zwei über, er jedoch wie von Sinnen schlabberte weiter, inzwischen an meinen Knöcheln, Unterschenkeln, brabbelte begeistert, pries mich.
Er war voll auf mich abgefahren?
Weil jener Strick eben so weit zugezogen wurde, daß er schwer erregt war?
Meine Zuchthand zog ihm noch eins über, dazu Schelte, er wimmerte, küßte abermals, nun war er bereits bis zum Knie gekommen!
Ich wich einen Schritt zurück, stieß ihn von mir, denn ich wollte wirklich nicht, daß er meine Beine ableckt. Derlei war längst mehr als grenzwertig, ich war ein bißchen sauer, zog ihm noch kräftiger eins über.
Er jaulte, röchelte, kam blitzschnell heran, rieb sich gleich nochmals an mir, sabberte heftig hechelnd einen Kuß auf meinen Oberschenkel!
Ich stieß ihn entsetzt weg, zog nun meine Peitsche richtig durch, daß es laut auf seiner Haut krachte, kurz darauf eine rote Spur hinterließ. Er jaulte aufgrund einer Mischung aus Schmerz sowie Freude laut auf. Augenblickliche Erstarrung war daraufhin meine sofortige Reaktion. Jimena zischte, wies mit einem Wink des Kopfes Richtung Naßzelle.

Wieder aus meiner Starre erwacht, wurde unser Sklave von mir kräftiger weggestoßen, Richtung Naßzelle, dazu fabulieren meinerseits, er habe es nicht besser verdient, jetzt komme eben die Höchststrafe. Ich trieb ihn vor mir her, welcher nun Richtung und Absicht erkannt hatte, nun willig in die befohlene Richtung krabbelte. Trotzdem züchtigte meine Hand ihn auf dem Weg noch zweimal ordentlich mit der Rute, daß er sich in der Ecke auf den Fliesen zusammenkauerte. Meine Handlung folgte lediglich dem, was angesagt war. Sein Benehmen mir gegenüber war indes in der Tat mitnichten artig, gehorsam gewesen. Daher stand ich über ihm mit gespreizten Beinen, leicht gekrümmt, öffnete diese Luke. Zuvor wäre bei mir niemals auch nur der Verdacht aufgekommen, jemanden anpinkeln zu können, hingegen wäre meine Hypothese gewesen, da würde niemals etwas herauskommen. Nun war mein Denken derart in dieser absurden Situation gefangen, eingebunden, daß einfach kam, was kommen sollte. Ich urinierte mit Genuß auf ihn, eine volle Ladung meiner unterdessen wohlgefüllten Blase. Meine ganze Strahlkraft traf ihn, spritze munter. Sicherlich bei den Peitschenstriemen sowie bei der Stichelei meiner Sporen merklich spürbar, so lautete jedenfalls meine Hoffnung.
Oh! Welche Flut, welche Wohltat für mich, denn inzwischen war einerseits Druck drauf, andererseits war ich sauer auf ihn, weil er mich so abgeschlabbert hatte. Darauf hatte Jimena mich nicht vorbereitet. Jimena ist ein Aas, wobei keineswegs davon auszugehen ist, daß sie im Detail gewußt hatte, daß unser Sub mich so angehen sowie abschlecken würde. Nun, er hatte mich angetestet, nun bekam dieser Wurm, dieser elende Wicht, was er sich damit eingehandelt hatte. Immerhin hatte ich mich noch so weit unter Kontrolle, daß Jimenas Anweisung in meiner Erinnerung hervorblitzte, somit sein Kopf beim goldenen Schauer ausgespart wurde. Diese gesamte Prozedur ging einfacher als gedacht. Mein Mittelfinger hatte mit ganz gutem Geschick gezogen, konnte so halbwegs zielen. Meine Verteilung, Zuteilung erfolgte reichlich, sorgsam sowie mit Genuß auf seine roten Striemen und angestichelten Stellen seiner Haut. Ein paar Tropfen spritzten allerdings trotz des Zielens auf meine Füße, unvermeidbar wohl. Mein Nervenkostüm war ziemlich aufgerieben, denn jetzt erst wurde mein Kopf wieder halbwegs klar. Automatisch griff eine Hand nach einem Hebel, stellte die Dusche an, brauste ihn kalt ab, meine Beine ebenfalls. Eiskalt. Diesen Kälteschock hatte ich nun auch verdient. War unser Sklave bei dem goldenen Schauer noch beinahe still, röchelte allenfalls lüstern oder sogar brünstig, so quiekte er nun. Kaltes Wasser war also gleichfalls für ihn eine echte Strafe. Meine Hand hatte voll aufgedreht, hatte keine Gnade, ebensowenig mir gegenüber. Sein Gesabber, mein Urin wollten sorgsam von meinen Beinen abgewaschen sein.

Anschließend wurde er ohne weitere Beachtung oder Behandlung liegengelassen, bloß noch das Wasser abgedreht. Ich war fertig, durch mit den Nerven, taumelte in den Raum hinein, auf Jimena zu. Mehr als ein Adrenalin-Kick ist durchaus möglich. Eine Überdosis davon ist unangenehm, lautete meine Erkenntnis aus dieser dramatischen Situation.
Jimena legte kurz den Arm um mich, flüsterte mir ins Ohr: „Sehr gut!
Hervorragend durchgezogen.
Du bist die junge Herrin!
Kurz mußt du noch Haltung bewahren, ein kleinwenig Zeit bloß noch, der Rest liegt bei mir, gleich ist er weg.“

Meine Nerven waren wirklich am Ende. Trotzdem bog mein Rückgrat mit Mühe zum aufrechten Gang durch, nahm Haltung an. Jimena stupste unseren Sklaven mittels ihrer Rute an, kommandierte. Was sie konkret sagte, ging an mir vorbei. Mir war schwummerig. Sie trieb ihn durch den Raum, machte ihn wieder munter, eine letzte, schlagfertige oder schlagkräftige Runde, bis letztlich zur Tür sowie mit einem letzten Schlag und einer Ermahnung hinaus.

Tür zu!
Dies nahm ich verschwommen wahr. Nun war nichts mehr hinsichtlich Haltung, mein Leib sackte förmlich in sich zusammen.

Meine Sinne waren einen Moment weg.
Jedenfalls lag mein erschöpfter Körper anschließend geborgen in Jimenas Armen, wir beide auf dem Boden. Mein Denken klärte sich nur langsam aus zunächst wabernder Verschwommenheit. Meine Hände hielten sich an ihr fest, dazu kam ganz plötzlich stilles Weinen tief aus mir. Dieses erleichterte, befreite. Sie hielt mich lieb, schweigend, geborgen.

Jimena ließ mir Zeit.
Als meine Verfassung sich beruhigt hatte, schaute sie mir tief in meine Augen, stellte fest: „Du bist ein Naturtalent!
Damit könntest du viel Geld verdienen!
Zuckersüß anzuschauen, jedoch rattenscharf in der Praxis!“
Meine Antwort darauf war einstweilen bloß seufzen, verziehen des Mundes. Meine Welt war jedenfalls eine ganz andere, so viel stand fest. Mir graute überdies vor dem, was dort innerhalb meines Innersten zuvor noch still schlummerte, nunmehr entdeckt, erwacht ward, diese Lust an Dominanz sowie Erniedrigung. Diese Teile meiner Persönlichkeit sollten umgehend wieder tief in mir verschlossen werden.
Deshalb meine leise Erwiderung: „Muß nicht sein. Auf jeden Fall eine extreme Urerfahrung.
Nicht jenes bizarre Spiel mit dem Herren selbst – was innerhalb meines Innersten vorging, erscheint mir bedenklich!“
Jimena lachte, versicherte: „So soll es auch sein!“
Meine Ausführung daraufhin: „Das Würgen muß ebenfalls für ihn extrem gewesen sein …“
Jimena nickte, antwortete: „Ja. Bestimmt trägt er die kommenden Tage Rollkragenpullover, denn sein Seil ist ohne Frage in gewissem Umfange aufreibend, beeindruckend, derlei kommt bei solch heftigen Aktionen heraus. Er fährt eben darauf ab. Diese Spiele sind gefährlich, er braucht solcherlei trotzdem ab und an.
Wohl ähnlich wie bei den gefährlichen Spielchen von Franziska und mir – Adrenalin, Endorphine. Diese Neigung hat bei ihm unter Garantie genauso eine stark sexuelle Komponente. Deine Behandlung hat jedenfalls gereicht, damit er dabei gekommen ist, damit muß also ein stark sexueller Reiz verbunden gewesen sein. Du hast zudem großzügig zugezogen, diese Not hat er voll ausgekostet.“
Beteuerung daraufhin von mir: „Habe nur für Augenblicke die Kontrolle verloren, bin über die letzte Marke hinausgegangen, wie mir erst kurz darauf erschrocken bewußt wurde. Unheimlich, mich so zu erleben.
Daß er so damit gereizt wurde, ist mir völlig entgangen, war zu sehr damit beschäftigt, über mein eigenes Handeln erschrocken zu sein!“
Jimena klopfte mir sanft auf meine Schulter: „Da ist eine kleine Sicherheitsreserve drin. Wenn du ihn übermäßig oder über die erlaubte Zeit abgeschnürt hättest, wären Eingriffe meinerseits sehr schnell erfolgt. Hatte alles gut im Blick, den Zustand schon richtig eingeordnet, daß du danach über dich selbst erschrocken warst, ist keineswegs verwunderlich, du hattest dich allerdings wieder schnell im Griff, was essentiell wichtig ist bei solchen Behandlungen. Selbstkontrolle ist zentral dabei.“
Meine Reaktion darauf war bloß zustimmendes Nicken. Wir schwiegen für kurze Zeit.

Nach einer weiteren kleinen Pause war meine Erholung sicherlich halbwegs hinreichend. Wir rappelten uns auf. Bei einer richtigen Dusche, heiß und ausgiebig, wurde mein ganzer Körper, mein Denken wieder munterer, zum Ende wurde die Temperatur wieder heruntergedreht, um mich gänzlich zu beleben. Damit waren wir fertig. Angezogen gingen wir zur Rezeption. Jimena bekam einen Umschlag. Zur Gewährleistung von Anonymität ist diese Rezeption komplizierter aufgebaut. Vom eigenen Umkleideraum gelangt man nur da hinein, wenn sonst niemand dort ist. Hinaus geht es vermutlich überdies nur, wenn man niemandem begegnet. Unser Gast war allerdings schneller als wir gewesen, somit gab es keine Verzögerungen. Wir gingen, einen anderen Weg als hin allerdings. Dies Wegewirrwarr, dies Labyrinth durchschaute mein immer noch überforderter Geist augenblicklich sowieso nicht. Eine Tür geht von selbst auf, irgendwelche Gänge, weitere Türen …

Jimena überflog kurz den Inhalt des Umschlages, zog ihre Augenbrauen hoch, entnahm einen Zettel, handgeschrieben. Sie las vor. In respektvoller Weise dankte unser Kunde für die Überraschung, gleich zwei Herrinnen gedient haben zu dürfen. Für den Einfall lag für Jimena eine besondere Geste der Ehrerbietung bei. Er bitte allerdings um Entschuldigung, eine entsprechende Geste für die junge Herrin erst noch binnen der nächsten Tage nachreichen zu müssen, weil er auf diese Überraschung finanziell in bar nicht vorbereitet gewesen sei. Jimena lachte laut auf.
Sie gab mir den Umschlag: „Hast du dir komplett verdient.
Sollte das, was er nachreicht, noch mehr sein, bekommst du den Überschuß sehr gerne nächstes Wochenende nachgereicht!“
Ich erkundete den Umschlag und wurde blaß. Darin befand sich ziemlich viel, auch wenn diese Angelegenheit eine Herausforderung gewesen war, bei der ich über meine Grenzen gegangen bin und Seiten an mir kennengelernt habe, mit denen ich nicht gerechnet hätte.

Nach der Überdosis Adrenalin und Grenzerfahrung hatte ich mehr als genug für dieses Wochenende. Zudem ging es seit geraumer Zeit eher auf den Morgen zu, als wir wieder beim Wohnheim waren. Unsere Fahrt durch die nächtliche Großstadt verlief jedenfalls gefühlsmäßig ebenfalls nicht ganz ohne. Diese nächtlichen, fast leeren Straßen beunruhigen ebenfalls. Von mir wurde angemerkt, als wir am Wohnheim angekommen waren, ohne sie wäre mir diese nächtliche Fahrt auf dem von ihr gewählten Weg zu unheimlich gewesen.
Sie zuckte ihre Schultern: „Hattest doch eine Kurzeinweisung Selbstverteidigung.
Diese sollte doch für das Selbstvertrauen auf nächtlichen Wegen ausreichen?“
Verlegen schüttelte sich mein Kopf.
Sie nickte: „Hast schon Recht. Erst einmal ausschlafen, ruhiger Sonntag.
Spätes gemeinsames Frühstück?
Später noch in geringem Umfange Training draußen?“
Dieser Plan stieß sofort auf mein Einverständnis. Wir einigten uns noch auf eine Uhrzeit für unser Frühstück. Jimena würde sich darum kümmern. Spontan umarmte wir uns noch zum Abschied. Sie hielt mich, wir drehten uns einige Male hin und her.

Ich war zwar sehr müde, dennoch war nach der Aufregung Einschlafen zunächst noch schwierig. Jener erhaltene Geldumschlag wurde zur Seite gelegt, darin befand sich für meine Verhältnisse reichlich Geld – prinzipiell durchaus verlockend für die objektiv relativ kurze Zeitspanne unserer Sitzung. Damit wurde mir nun gänzlich klar, wie Jimena ihr Studium finanzierte. Ihre Stelle als HiWi wäre damit sicherlich verzichtbar. Dazu ihr gemäßigter Minimalismus, dabei blieb gewiß noch reichlich über, wenn sie nur ab und an solch einen Abend durchzog. Rein aus Interesse meine Absicht nachzufragen, wie oft sie derartige Termin verabredete. Lust auf eigene Aktivitäten auf dem Gebiet kam bei mir trotz des Lobes sowie des Umschlages nicht auf.
Ich sann weiter nach, machte wenige von ihren Übungen, bis der Schlaf unbemerkt zu mir schlich und mich erholsam umfing.

Meine Frage war den nächsten Morgen noch keineswegs vergessen, diese wurde daher beim Frühstück diskutiert.
Jimena erläuterte: „Diese Einkünfte, Beschäftigungen sind ganz unterschiedliche Sachen. Der Kontakt für Spezialbehandlungen existiert noch nicht so lange. Den gab es zwar längst vor Franziskas Unfall, erst danach jedoch haben solche Sitzungen an Häufigkeit zugenommen. Meist ist dies ein Termin pro Woche, manchmal zwei. Als Herrin mache frau sich gerne rar, damit für bedürftige Herren Abschlaffung durch Gewohnheit oder gar Überreizung vermieden wird. Termine sind eine Ehre für Kunden, wenn eine Herrin sich Zeit für ihre Sklaven nimmt, um diese abzurichten. Von daher allemal ein wenig Bettelei, um einen Termin zu bekommen, quasi gratis als Vorgeschmack. Termine für diese Art von Ausdruckstanz, ebenso andere Varianten kamen früher öfter vor. Je nachdem, was geboten wird, welche Lokalität, ist das Honorar unterschiedlich. Hinzu kommen zugesteckte Trinkgelder sowie Provision. Apropos: Es lautete der Beschluß, daß du in jener Kaschemme so erfolgreich für Umsatz gesorgt hast, daß du ebenfalls eine kleine Provision bekommst.
Diese läuft über mich, reiche diese nach, wenn diese bei mir eingetroffen ist – ha, vermutlich ein Versuch, dich zur Wiederholung oder mehr zu verleiten!
Zurück zur Frage: Während der Vorlesungszeit blieb für derartige Jobs nicht so viel Zeit, hauptsächlich an den Wochenenden, selten abends in der Woche. Deshalb wurde von mir versucht, während der vorlesungsfreien Zeit möglichst viel unterzubringen. Heute bin ich nur noch in dem Schuppen aktiv, in dem wir waren, allerdings seltener als jede Woche, mehr als Tradition sowie wegen meiner Bekannten dort in der Szene.
Mit Franziska war ich gleichermaßen während der vorlesungsfreien Zeit unterwegs. Vereinbarkeit beider Aktivitäten erwies sich natürlich als schwierig, wollte mich von ihr nicht geradezu aushalten lassen. Das Verhältnis zwischen ihren Eltern und mir war ohnehin problematisch, meine Person sei nicht der richtige Umgang. Nun, immerhin ging die Idee zu den Abenteuern zumeist von Franziska aus, diese wollte ausbrechen. Deswegen wollte diese unbedingt Aktionen erleben, welche im starken Kontrast zu ihrem bisherigen Leben standen, etwas riskieren, ihr Leben pulsieren spüren. Ohne familiären Rückhalt erfolgte mein Jonglieren sowieso immer auf schmalem Grad, am Puls des Lebens. Gemeinsam hat unsere Finanzierung daraufhin gereicht, damit genug Geld unabhängig von ihren Eltern verfügbar blieb, um mich zu finanzieren, wir unsere Reisen für einige ausgelassene Abenteuer machen konnten.“

Mittag verschoben wir, daher schlenderten wir ein weiteres Mal los. Wie abgemacht drehten sich unsere Aktivitäten im Grünen nochmal um Selbstverteidigung, lockerer allerdings, spielerisch. Derlei Interaktion bot genauso Gelegenheit für ein bißchen vertraute Nähe. Jedes Mal, wenn Jimena über Franziska gesprochen hatte, war sie zunächst in einer nachdenklichen, düsteren Stimmung gefangen. Diese dauerte eine Weile an, bis sie da wieder hinausfand. Nach meinem Gefühl lenkten diese Spielchen mit mir davon ab.

Eisprobe

Den nächsten Samstag ließen wir unsere Aktivitäten langsam angehen, Jimena hatte bislang nichts Besonderes vorgesehen, tat sie mir kund, wenn bei mir nichtsdestotrotz Lust aufkäme, könnten wir im nächstgelegenen Park bei dem haltbaren Wetter noch auf dem Schlaffseil herumalbern. Die letzten Tage waren ordentlich kalt gewesen, nun waren die Temperaturen seit einiger Zeit wieder angenehmer, doch noch knapp unter dem Gefrierpunkt bis in den Tag hinein, dennoch draußen dank Sonnenschein sowie Windstille gut erträglich. Ein paar Tricks üben könnte ganz kurzweilig sein, so meine Überlegung daraufhin. Kurzweil mit Jimena könne noch ganz lustig sein, selbst ohne Abgrund drunter. Auf ihr Angebot einzugehen, erfolgte also im Handumdrehen, so dringend waren für mich jene gefährlichen Spielchen sowieso keinesfalls mehr, insbesondere nach meiner Hängepartie am Baukran, dem bedenklichen Zustand bei jener Spezialbehandlung, hervorgerufen durch die düstere Seite meines Ichs, welche wir dabei gefunden, geweckt oder im schlimmsten Falle erst erschaffen hatten.

Unterwegs zum Park wurde unsere Konversation von mir darauf gelenkt.
Jimena meinte dazu: „Ja, bei solch einer Hinführung zur Selbstfindung, wenn man unsere irrwitzigen Aktivitäten so nennen kann, stellt sich an irgendeinem Punkt die Frage, vielleicht ebenso wie bei jeglicher Psychologie, ob dabei Düsteres ausgegraben wird, welche schon existiert, entdeckt, aufgedeckt werden sollte, oder ob diese Forschung erst solche wunden Punkte erschafft oder aus einem beliebigen Rauschen herausbildet sowie ins Groteske verstärkt, was sonst nie eine Rolle gespielt hätte. Immerhin, menschliche Psyche ist wohl so: Macht korrumpiert, dies ist bereits bei solch einem Rollenspiel feststellbar.
Wie gehen damit erst diese Managern, Konzernchefs um, welche derlei Versuchungen dauerhaft, täglich ausgesetzt sind?
Wie Könige?
Diktatoren?
Diese dir gegebene Macht, oder gleichfalls jene, welche du dir genommen hast, diese verlockt und verführt, schafft Möglichkeiten und Wege, welche deinen Ansprüchen mitnichten gerecht werden. Wenn eigene Fehler, falsche Entscheidungen und Reaktionen sogar noch befürwortet werden, mit Unterwerfung belohnt werden, ist die Versuchung groß, diesen Pfad in die Düsternis auszuwählen. Etwas davon steckt in jedem Menschen.
Mit Menschen auf meine eigene Weise umzugehen, ist eine meiner Spezialitäten. Meine Kontakte und Beziehungen haben gemeinhin allerdings einen Zweck. Wie dem auch sei, Menschen haben eben ihre Macken, alle sind irgendwo etwas plemplem, gaga, meschucke, jeck, närrisch, bekloppt, behämmert, deppert, verrückt, durchgeknallt. Bei einigen ist diese Seite heftiger ausgeprägt, muß heraus, bei anderen sind diese Aspekte ihrer Persönlichkeit besser verborgen, verschüttert, versteckt, unter Kontrolle. Kommen sie indes heraus, werden diese leicht Fetische, wobei nicht so ganz klar ist, ob dies durch äußere Umstände gefördert oder verstärkt wurde. Möglich, daß derlei Macken, Verwerfungen der Psyche seit Anbeginn im Menschen gesteckt haben. Vielleicht werden diese Deformationen indessen erst durch irgendein Schlüsselerlebnis erschaffen, geweckt oder ausgelöst. Wenn solche Macken nicht auf Kosten anderer gehen, nicht anderen Menschen schaden oder bei deren Einverständnis trotzdem im passablen Rahmen bleiben, sind derlei individuelle Steckenpferde heikler Sorte so eine Grauzone, wobei akzeptiert werden sollte, wer wir sind, was wir für Leidenschaften, Fetische, Macken haben. Ist eben so. Sofern das Verhalten insgesamt noch sozialverträglich ist, sollten wir Menschen mit ihren Macken akzeptieren, letzte keineswegs als schändlich deklarieren, lernen, damit umzugehen. Wenn solcherlei Leidenschaften bloß anderen Menschen eigen sind, diese bei der Finanzierung meines Lebens helfen, mir eine Beschäftigung damit nicht gegen den Strich geht, warum sollten meine Fertigkeiten, Möglichkeiten keine Hilfe sein dürfen, Phantasien, Bedürfnisse auszuleben?“
Meine Erwiderung dazu: „Ja, wenn alles so zusammenpaßt, ist diese These wohl korrekt.
Unser Kunde hatte schon eine ordentliche Macke.
Bei mir kam überdies im Eifer des Gefechts eine Seite zum Vorschein, welche mich sehr überrascht hat, derlei als Bestandteil meines Ichs vorzufinden, entsprach so überhaupt nicht meinen Erwartungen.
Steckte dieses Merkmal bereits zuvor in mir, ist dies Merkmal also durch diese Aktion aktiv geworden?
Oder hat mich allein diese Aktion verleitet, derartige Handlungen durchzuführen?
Damit kommen interessante, unheimliche Fragen auf. Wenn diese Merkmale indes in mir so vorhanden sind, ja, dabei wird mir unheimlich vor dem, was innerhalb von Gehirnwindungen anderer Menschen vorgeht, welche wirklich Macht haben …“

Jimena verzog den Mund leicht schief, sprach: „Ja, rätselhaft, was innerhalb der Denkkästen anderer so vorgeht, selbst unser eigener bietet immer wieder neue Facetten für uns. Wir haben doch im Grunde lediglich Anhaltspunkte, daß andere Menschen ähnlich oder Ähnliches wie wir selbst denken, weil diese ähnlich aussehen, sprechen können …
Gelegenheiten, Umstände sind eventuell nur Auslöser, welche zum Vorschein bringen, ob wir einer Versuchung erliegen, in welchem Umfange wir dies tun. Du bist damit von mir an diesen Aspekt des Seins herangeführt worden, vielleicht unbedacht, als gefährliches Spielchen. Das war zuviel, eine Überdosis von dem süßen Gift, dies hat meine spätere Reflexion als Einsicht gebracht. Daher jetzt meine Entschuldigung bei dir, habe überzogen. Du solltest dem nicht folgen.“
Zustimmendes Nicken von mir: „Entschuldigen mußt du dich keineswegs. Du hast mir ja vorher grob erklärt, wie dein Plan war. Wissend erfolgte somit mein Einverständnis, meine Einlassung zur Tat. Ebenso also mein Fehler, meine Dummheit, diese Herausforderung anzunehmen, Ablehnung wäre doch problemlos möglich gewesen. Es war letztlich meine Entscheidung. Dort im Rahmen der Situation habe ich gehandelt. Habe einen eigenen Kopf zum Denken, Entscheiden, egal was du vorgibst, letztlich liegt in meiner Verantwortung, was ich tue oder nicht.“
Jimena nickte: „Gut. Damit haben wir beide eine lehrreiche Lektion bekommen. Von daher war alles keineswegs komplett unsinnig, hirnrissig, dämlich, bescheuert. Zu deiner Beruhigung sei dir immerhin versichert: Er hatte dabei erheblichen Spaß.
Ist dir dies etwa entgangen?“
Anschauen, fragen meine Reaktion: „Was denn?“
Sie lachte kurz auf, erwiderte: „Hatte es doch bereits kurz erwähnt: Als du ihn über jene letzte Marke hinaus gewürgt hast, hatte er einen Orgasmus, hat sich vollgespritzt, dies elende Ferkel. Er ist voll abgegangen. Schon deswegen war nach dem goldenen Schauer eine kalte Dusche dringend geboten. Wenn sein Verhalten, seine Neigungen, Zuckungen von mir richtig interpretiert werden, als sich dieser warme Schwall deines goldenen Schauers über ihn ergossen hat, als er Unwürdiger diese großzügige Gabe von dir empfangen durfte, da ist er abermals gekommen. Er hat seinen Orgasmus ganz gut weggedrückt, damit uns derlei Mißachtung unserer Personen entgehen sollte, denn Abspritzen ist unangemessen für einen Sklaven vor seiner Herrin, komplett unangemessen. Augenscheinlich ist er voll auf dich abgefahren, diese Konstellation hat harmoniert. Er hat dich angestachelt, du hast darauf reagiert, deine Bestrafung hat ihm so zugesetzt, daß er dabei spritzige Erlebnisse hatte.
Und all dies im Beisein seiner Herrinnen!
Bereits daher war schön anzusehen, wie ihm die kalte Dusche von einem Augenblick zum anderen aus dem Rausch gerissen hat. Das war gut. Sehr gut. Dabei hatte er so richtig perversen, verdrehten Spaß. Korrekt wäre gewesen, wenn er sich erst nach unserer Sitzung für sich alleine einen runtergeholt hätte. So hatte er eben unverhofft zwei heftige Erlebnisse schon während unserer Sitzung. Du hast dabei gut agiert, alles paßte prima zusammen – für ihn, aber letztlich genauso für uns, wir haben Gesicht und Respekt nicht verloren, weil wir nicht explizit darauf eingegangen sind, haben allerdings gut abkassiert dafür. Im Übrigen ist die nachgereichte Ehrerbietung in gleicher Höhe ausgefallen. Ha – gerne hätte er nochmals einen Termin bei dir.
Aus deinen Worten schließe ich, da ist von deiner Seite kein übermäßiges Interesse?“

Ich staunte, schluckte, meinte dazu: „Eine derartig große, eskalierende, eruptive Begeisterung ist mir entgangen, dachte bei der Aktion mit dem Strick, er hätte nur geröchelt sowie gestöhnt, gewürgt, weil ihm der Hals zu eng wurde …
Stimmt aber, du hast seine Euphorie den Abend kurz erwähnt, meine Gefühlswelt war allerdings dermaßen durch den Wind, dieser Kommentar war bereits glatt vergessen …“
Sie lachte abermals kurz: „So seltsam seine Ekstase für uns auch ist: Sein Fetisch gibt ihm den Kick, wird dieser bedient, geht er ab …“

Ich war noch immer verblüfft, glaubte ihr jedoch, war versöhnt mit mir, obgleich sein verdrehter Spaß nichts daran ändert, welch schändliches Vergnügen dabei tief in mir gebrodelt hatte, ihn so zu quälen und zu erniedrigen.
Ich besann mich jedoch, kam auf ihre letzte Frage zurück: „Achso, das Geld ist sowieso verlockend. Die Situation indessen ist insgesamt schlecht für mein inneres Gleichgewicht, diese weckt oder verstärkt falsche Gedanken, Abgründe meines Innersten. Besser also verzichten, jedenfalls passen bezüglich dieser Möglichkeit. Wenn es allerdings für dich wichtig ist, eventuell, aber bestimmt nichts für jede Woche oder auch nur jeden Monat …“
Jimena lachte erneut kurz, scharf auf: „Also keine komplette Ablehnung, okay. Will dich gleichwohl keinesfalls in etwas reinreiten, wobei du dich unwohl fühlst, keinerlei Eingewöhnung finden kannst. Probieren ist in Ordnung, sollte sich indessen dabei eine Abneigung verfestigen, solltest du deine Finger davon lassen.
Vielleicht kommen wir später darauf zurück, kommt irgendwann abermals bei Gelegenheit die Frage auf, ob du Lust auf eine weitere gemeinsame Sitzung hättest. Erst einmal lassen wir ihn zappeln. Erst einmal bekommt er geschrieben, die junge Herrin sei etwas verstimmt über sein ungebührliches Verhalten.
Habe mir überlegt, innerhalb kommender Wochen, Monate werde ich ebenfalls zurückstecken, mich zunehmend rarer machen. Rar sowie Kostbarmachen hat bislang sehr gut funktioniert. Andererseits hat sich dieses Kapitel meines Lebens weitgehend erschöpft. Mein Plan ging nie darum, aus meiner Trauerbemalung Kapital zu schlagen. Diese Möglichkeit hat sich als zynischer Nebeneffekt herausgestellt, unterdessen ebenso als launische Ablenkung, welcher mein angeknackstes Sein sehr gerne für eine Weile verfiel. All dies wurde von mir anders geplant. Weiß gar nicht genau, was mein Plan gewesen ist. Als Franziska verstarb, blieb mir diese unbeschreibliche Leere. Ihr Ende resultierte in einem scheinbar endlosen Fall ins Nichts, ohne Erwartung eines Aufschlags. Zwar Schwindel wie bei Höhenangst, innerer Druck, innerer Abgrund, dennoch kein Entkommen, keine Perspektive. Etwas meines Selbst mußte aktiv werden, um meine Trauer, meine Leere danach zu verarbeiten. Was sich einzufressen drohte, mußte irgendwie heraus. Mein Umgang damit waren völlig hilflose Gesten. Meine Trauer, jener glühende Haß auf den Fahrer, alles kochte, brannte im Innersten, damit mußte irgendwie umgegangen werden. Also habe ich es so herausgelassen, wortwörtlich auf meine Haut geschrieben, ein andauernder Schrei, eine Projektion. Diese Form meiner Trauer ist selbstverständlich keineswegs Franziskas Trauer und Leere. Franziska ist tot. Diese Trauer gehört in mein Leben, meine Gefühle; mein Problem, damit umzugehen, alles zu verarbeiten. Daher geht mich zudem nichts an, was andere darin sehen. Allmählich ist diese Zeit unterdessen vorbei. Abschließen wäre allmählich angesagt …“

Jimena fuhr sich nachdenklich über den Kopf. Mein Blick richtete sich aufmerksam auf ihre Gestalt, ja, da war eine kleine Veränderung eingetreten. Nicht wirklich bewußt war mir dies schon aufgefallen, nun fiel diese Veränderung bewußt auf, ganz kahl war ihr Kopf keineswegs mehr, dort schimmerte eine Ahnung von ganz kleinen Härchen erkennbar auf!
Meine Anmerkung daher: „Dein Kopf wirkt bereits weniger kahl …“
Ergänzung von ihr: „Diese Bemalung wird verblassen … schlimm?“
Fragend mein Blick zu ihr sowie: „Nein, wieso sollte es?
Wenn du entschieden hast, daß deine Trauer vorbei ist, ist deine Trauer vorbei. Tautologie, entschuldige …
Bin allemal ein wenig neugierig, wie du ohne Bemalung sowie mit Haaren wirken wirst.“
Sie schaute mich an, lächelte kurz: „Das wird noch dauern, damit wirst du Geduld haben müssen …“
Lächeln ebenso meinerseits, dazu als Antwort: „Geduld wird von mir aufgebracht, kein Problem, keine Hektik!“

Sie sann nach: „Franziska wird als Erinnerung unauslöschbar tief in mir bleiben. Dafür existiert kein Ersatz. Ich habe sie so sehr geliebt. Und da ist dann der Schwindel, die Leere umso grauenhafter. Trotzdem hat sie nichts mehr, erst recht nichts von meiner Trauer, meiner Leere.
Was bleibt mir, als meine Erinnerung tief im Innersten zu bergen?
Die Zeit der Trauer war richtig für mich. Es wäre jedoch völlig respektlos ihr gegenüber, wenn mir nicht gelänge, damit abzuschließen, wieder mein Leben in die Hand zu nehmen, zu agieren, neue Wege einzuschlagen?
Ich suche und will keine Ersatz, kann die Zeit erst recht nicht zurückdrehen. Was kommt, muß neu sein, unabhängig davon …“
Das konnte ich mangels ähnlicher Erfahrung nicht persönlich nachvollziehen, fühlte, verstand abstrakt allerdings sehr wohl, daß dieser Prozeß der Ablösung so richtig für sie war. Erwidern mochte ich in dem Moment nichts. Schweigendes Nickte folglich meine stille Antwort.

Endlich kristallisierte sich ein neuer Gedanke in meinem Denken, kam zur Aussprache: „Gut, eigentlich, daß du deine Trauer derart mit dieser Bemalung aufgelöst hast. Du hättest aufgrund solch einer depressiven Stimmung leicht Dummheiten machen können. Also beispielsweise, bei euren riskanten Aktivitäten hättest du allein alles auf eine Karte setzen können und immer mehr Risiken ohne Plan B eingehen können, derart auf deine Frustration, deine Leere reagieren …“
Sie räumte ein: „Stimmt, jene Tage nach ihrem Tod waren solche Kippunkte, an dem alles in der Schwebe ist, damals hätte auch meine Reaktion riskanter Blödsinn sein können. Mit dem Einfall Trauerbemalung hatte sich diese dramatische, suizidale Alternative sowieso erledigt. Trotzdem war alles wie im Alptraum, mein Körper, mein Kopf haben formal funktioniert, trotzdem alles dumpf. Bewußter Selbstmord ist aber auch an jenem Tiefpunkt nie eine ernsthafte Option gewesen. Risiko schon, stimmt, damit hast du Recht. Wie leicht wird daraus überdies Leichtsinn, Überdruß. Wenn erst alles dermaßen schwer ist, wie leicht lösen sich Finger vom Halt innerhalb eines trüben, müden Momentes. Eine Befreiung vom Leben wäre Suizid, aus meiner Perspektive gewollt oder leichtsinnig in Kauf genommen jedoch falsch. Wir haben nur dies eine Leben. Dieses trotz allem Elend, allem Schmerz wegzuwerfen, wäre falsch, in dem Falle genauso Franziska gegenüber, wenn diese als Ursache herhalten müßte, weil mich ohne Franziska keinerlei Lust mehr antreiben würde. Also nein, sowas geht nicht; obgleich Franziska tot ist, nichts mehr beitragen kann, was mein weiteres Leben betrifft, wäre ihr meinen Suizid anzuhängen respektlos. Schon von daher: Gewiß keinerlei in Betracht gezogene Option. Mein Weg muß anders verlaufen. Schmerz, Leid sind Bestandteile des Seins.“
Erleichtert nickende Zustimmung meinerseits: „Gut, verstanden, stimme mit dir überein. Obgleich mir Franziskas Bekanntschaft versagt bleiben wird, will ich sie ebenfalls respektieren, ihr nichts anhängen. Deine Erinnerungen wird dir niemand nehmen.
Und sonst muß sie ruhen!“
Jimena stimmte zu: „Ruhen – genau, in mir, meiner Erinnerung, meiner Vergangenheit …“
Wir schwiegen wieder.

Wir kamen an einem See vorbei. Dieser war zugefroren.
Jimena hielt an, schaute mich ohne erkennbare Mimik an: „Lust auf eine spontane Aktion?“
Meine Schultern zuckten, dazu meine Erwiderung: „Was denn?“
Sie wies über den See: „Es war einige Tage kalt.
Traust du dich? Hinüber?“
Ich kratzte mich am Kopf, trat an das Ufer heran, tippte vorsichtig mit einem Fuß auf’s Eis. Sonst war niemand auf dem See, ebenso bei einem vorher hatten wir niemanden darauf gesehen. Im Radio wurden ebenfalls Warnungen durchgegeben, trotz aller Kälte über Tage, diese Warnungen bezogen sich allerdings mehr auf jene kleineren sowie den großen See hinter dem Rathaus, nicht explizit auf Tümpel innerhalb dieses Parks.
Mein Blick drehte sich ihr nachdenklich zu: „Was wäre denn Plan B?“
Sie nickte anerkennend, antwortete: „Du machst Fortschritte. Plan B: Du gibst zuvor dein Telephon ab, sonstigen empfindlichen Kram. Mein Telephon ist ebenfalls dabei. Solltest du also einbrechen, wird sofort ein Notruf abgesetzt.“
Meine Stirn zog sich in Sorgenfalten kraus: „Hmmmm. Klingt nach einem Plan, welcher noch dünner als jenes Eis auf dem Tümpel sein könnte.“
Jimena wiegte ihren Kopf, schlug vor: „Dieser See ist relativ klein, stehendes Gewässer. Du gehst nicht, du robbst hinüber, muß ja mitnichten quer über den größten Durchmesser sein.“

Mein Fuß tippte nochmals auf das Eis, belastete vorsichtig.
Gelangte Knistern in meine Gehörgänge?
Einer meiner Füße stand nun drauf, geringfügig mehr Gewicht auf dem Eis, mein anderer Fuß stand allerdings noch sicher genug, um sofort zurückzuziehen.
Dort war ein Knistern, bestimmt!
Mein Fuß zog sich zurück, woraufhin umdrehen sowie eine Gegenfrage als Antworte folgte: „Machst du vor, damit klar wird, wie diese Überquerung richtig hinzubekommen wäre?
Halte selbstverständlich gerne dein Telephon solange.“
Jimena lächelte, kam allerdings heran, legte ihr Telephon und anderen Kleinkram aus den Taschen in ihren Rucksack, welchen sie abgenommen und hingestellt hatte. Sie prüfte das Eis ebenfalls. Sie wiegte den Kopf, setzte sich ans Ufer, ihre Füße bereits voran aufs Eis, kickte damit kräftiger drauf. Dies Eis dort hielt immerhin stand. Dies kalte, grauweiße Fläche murrte und knisterte allerdings unter den Kicks. Sie zog vorsichtig zurück, drehte sich, rollte sich langsam auf die Eisfläche, gut zwei Meter hinaus, lag flach auf dem Eis. Dies knisterte.

Sie schaute mich an: „Siehst du?
Tragfähigkeit hat sich als ausreichend erwiesen.
Nicht sehr dick, zwei Personen oder stehend wäre eventuell zuviel Masse, zuviel Druck, allein geht aber!“
Sie robbte vorsichtig zurück, wobei ihre Hände kurzzeitig punktweise den zweifelhaften, kalten Untergrund belasten mußte. Jene blanke Oberfläche knisterte vernehmlich. Einbrechen tat Jimena nicht, blieb gelassen, bewegte sich vorsichtiger, geschmeidiger, bis sie wieder bei mir am Ufer anlangte.
Dort schüttelte sie sich ab, schaute mich an: „Und?
Machst du es?
Bis ganz hinüber?“
Sie hatte mal wieder ihr Ziel erreicht, ich wußte nicht richtig, was tun.
Schisser sein und kneifen oder diese Mutprobe wagen?
Mein Streßpegel stieg schon jetzt.
Mein Mund zog sich schief: „Diese Eisfläche hat bei dir merklich geknackt, das Eis kann unterschiedlich dick an verschiedenen Stellen sein. Bin nicht so geschickt wie du.“
Ihr Blick verharrte ausdruckslos in meinem: „Bedenkenträgerin, Angsthase, kleiner Feigling.
Traust du dich nicht?“
Ich war mir bis dahin ziemlich unsicher, wie ihr Vorschlag interpretiert werden sollte. Immerhin hatte sie riskiert, ein Stück weit auf das Eis hinauszurobben. Andererseits entwickelte sich innerhalb meiner Überlegungen, meiner Intuition immer stärker dies Gefühl, daß ihr Vorschlag wiederum nur ein Test sein könnte.

Ich seufzte, entschied mich. Den eigenen Kopf benutzen, eigene Entscheidungen treffen, ja darüber hatten wir gesprochen.
Mein Zeigefinger tippte gegen meine Stirn: „Glaube, du willst mich aufs Glatteis führen. Das Äußerste, was meinerseits drin wäre, wäre ähnlich wie du einen oder zwei Meter hinauszurollen und irgendwie mit dem Bauch auf dem Eis zurückzukriechen. Bei dir hat dort aller Untergrund schon geknistert und geknackt, als du schnelleres Fortkommen mit Händen sowie Knien probiert hast. Den Bauch auf das Eis gedrückt hattest du Mühe zurückzukommen, weil diese Oberfläche trotz leichtem Schnee oder Raureif glatt ist.
Und ich soll die ganze Strecke über den Teich schaffen?
Glaube, du spinnst!“
Einen Moment absolute Stille zwischen uns.
War diese Ausführung respektlos ihr gegenüber?
Immerhin hatte sie mich wiederum Angsthast, kleiner Feigling genannt. Daher konnte eine kleine Revanche nun mitnichten respektlos genannt werden. Sie hatte angefangen, eskalieren sollte diese Affäre trotzdem keinesfalls.

Jimena atmete tief durch, sah mir tief in meine Augen.
Nun grinste sie: „Sehr gut, bist nicht darauf hereingefallen. Wollte nur provozieren, dich abermals testen, wie weit du bist. Du lernst. Selbst beurteilen, selbst einschätzen, selbst entscheiden, Manipulationen durchschauen. Sehr schön. Übrigens: Unbedingt richtige Entscheidung. Mir war längst merklich mulmig, als diese Eisfläche eben geknackt hat. Als du mich aufgefordert hast, die Eisprobe vorzumachen, mußte ich wenigstens einen Köder auswerfen.“
Mein Ellenbogen knuffte ihre Seite, danach lagen wir uns lachend in den Armen.

Im Park

Wir spazierten also weiter. An einer passenden Stelle angekommen spannten wir den Gurt zwischen zwei Bäumen auf, natürlich akkurat mit geeignetem Schutz für die Rinde der Bäume. Jimena zeigte mir einige Tricks und Kunststückchen. Wir waren nach einiger Zeit zu zweit auf dem Gurt, alberten ein bißchen herum, kämpften spielerisch. Sie war schnell deutlich gelöster, nicht mehr derart in sich gekehrt wie sonst nach einer Reflexion über Franziska. Vielleicht hatte sie ihre Leere wirklich allmählich überwunden, machte sich bereit für etwas Neues.
Hatte meine Gesellschaft dabei womöglich geholfen?
Hatte sie mich am Fluß nur intuitiv angesprochen, um einen neuen Impuls zu bekommen, einen Haltepunkt oder Anlaß, um sich selbst aus der eigenen Leere zu befreien?
Gründete mein Eingehen darauf darin, trotz meines Mißtrauens, meiner Angst vor dieser eigenartigen Gestalt, daß Gesellschaft für mich ebenso schön wäre, tastete mein Selbst unbewußt nach einem neuen Anknüpfungspunkt?
Egal.
Wir waren beide ganz im Jetzt, konzentriert auf Balance, Schwebe, Spiel, Fokussierung. All dies sind flüchtige Gefühle wie das Leben selbst, kein stabiler Zustand dabei verfügbar. Ständig um Ausgleich bemüht, agierend, reagierend, in einem Fluß im Einfluß unserer Umgebung, selbst Kleinigkeiten darin bewirkend.

Wir hatten gelegentlich Publikum. Einige Leute waren darunter, welche ebenfalls probieren wollten. Selbstverständlich ließen wir sie probieren. Das machte genauso Spaß. Jimena erklärte geduldig, führte vor, half den Kandidaten, mehr als bei meinen ersten Versuchen. Sie wirkte deutlich gelöster, lächelte freundlich, wirkte trotz ihrer Bemalung auf die Leute gar nicht mehr so gefährlich, daß diese sich trotzdem zu uns getraut hatten. Was allerdings überdies daran gelegen haben mochte, daß wir bei unseren Albereien auf dem Gurt lachten, Passanten obendrein mit offenem Blick ansahen. Derlei schafft Möglichkeiten für Neugierige, zuzusehen oder einen Kommentar abzugeben. Darauf gingen wir gerne ein.

Wir hatten Essen und Trinken dabei. Somit waren wir den ganzen Tag im Park. Obgleich die Temperaturen kühl blieben, wurde die Wetterlage gleichzeitig tagsüber durchaus sonnig. Wir fühlten uns wohl. Deshalb bedauerten wir, als dieser Tag nach unserem Gefühl bereits viel zu früh dämmerte. Wir hielten trotzdem noch aus. Sonnenuntergang fand ohnehin hinter den Bäumen statt, daher verlor dieser Tag für uns eher indirekt seine Farben.
Dieser Park ist unbeleuchtet, deshalb blieb uns letztlich nichts weiter übrig, als abzubauen. An den Bäumen war es dazu förderlich, daß mein Mobiltelephon leuchtete, damit Jimena den Gurt fachgerecht lösen konnte.

Ohne weitere Rückfrage wählte Jimena gleich einen Weg mitten durch den mittlerweile dämmrigen, annähernd bereits dunklen Park, welcher sich längst komplett geleert hatte. Mit einem Male hatte kam aus meinem Innersten irgendein ungutes, mulmiges Gefühl hoch.
Sollten wir besser den kürzesten Weg aus dem Park hin zur beleuchteten Straße samt Straßenbahn direkt daneben nehmen?
Diese Variante wäre zwar etwas länger als quer durch den Park, also wie unser Hinweg, allerdings deutlich weniger unheimlich. Als Studenten hatten wir sowieso Semestertickets, wir könnten ohne weitere Umstände fahren. Dennoch blieb ein diesbezüglicher Vorschlag meinerseits aus. Jimena hatte ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schritt beherzt einher, meine Gestalt neben ihr. Trotz allem steckt tief innerhalb meines Kopfes ein Schisser. Schatten krochen durch den Park direkt in meinen Kopf hinein. Schweigend gingen wir.

Ein ganzes Stück weiter waren diese Schatten plötzlich keine Phantasie mehr. Dort lungerten einige Gestalten herum. Diese hatten uns bemerkt, fahle Lichter flammten auf, blaß, Beleuchtung von Mobiltelephonen.
Eine Stimme: „Hey, da is’ne heiße Braut mit ihr’m Stecher!“
Eine andere: „Jau, den Typen machen wa platt, de Ische klar …“
Erste Stimme: „Schnittchen-Flittchen! Gruppenficken! Rudelbumsen!“
Dieser Blödsinn ging mir bis ins Mark, kroch über meinen Rücken. Diese Typen positionierten sich.
Schräges Lachen sowie eine Stimme: „Jetzt nur nich’ mehr abhauen lassen!“
Noch mehr gehässiges Lachen.

Jimena hatte sich leicht gekrümmt, ging ganz automatisch in diese Kampfposition, einstweilen lediglich angedeutet. In mir verkrampfte etwas, aber mein Körper nahm beinahe genauso automatisch seine jüngst antrainierte Abwehrhaltung an. Jimena leuchtete kurz zurück, weg war ihr Mobiltelephon bereits wieder.
Verzweifeltes Murmeln meinerseits: „Hast du diese Kretins arrangiert oder sind diese Typen echt?
Bitte …“
Zischend Jimenas leise Antwort: „Echt und ernst. Garantiert nicht von mir arrangiert. Wäre zu gefährlich für die Typen. Nicht einzuschätzen, ob dies bloß Maulhelden sind oder ein übleres Problem darstellen. Unsere Lage ist zum Abhauen zu unübersichtlich. Gehe ganz langsam ein Stückchen weiter zu deiner Seite hinüber. Du fixierst den Typen, welcher auf deiner Seite, halb hinter den anderen steht. Du bist bereit loszustürmen, um ihm an seine Gurgel zu springen und ihm den Hals aufzureißen, wie ein wildes Tier bist du auf dem Sprung, du belauerst ihn, springst allerdings nicht los.
Er muß dir im fahlen Licht der Telephon-Leuchtdioden ansehen, daß du ihn killen willst!“
Ihre Anleitung zusammen mit dieser bedrohlichen Situation versetzten mich wirklich in diese düstere Stimmung, entschlossen zur rücksichtslosen Verteidigung. Meine dunkle Seite machte sich abermals bemerkbar. Angst kroch gleichzeitig bis in Haarspitzen, Fußnägel, dennoch ballte sich überdies mächtige Wut zusammen, diese wollte hinaus. Mein Körper spannte an, mein Gesicht verzog sich zur wehrhaften Fratze. Jener Typ blieb eigentlich nur als Schemen erkennbar, meine Augen fixierten trotzdem die mutmaßliche Position seiner Augen.

Mittels eines Wischs hatte Jimena ihre Kapuze vom Kopf gefegt, wiegte gewichtig, betont kraftvoll in einer eindeutigeren Kampfposition. Aus ihrer Richtung kam ein eigenartiges Grollen. Sie mußte ähnlich wirken wie ein Tiger, ein Wolf direkt vor dem Sprung. Dies dumpfe Grollen von ihr ging mir durchs Mark. Obwohl wir uns gut kannten, köchelte Angst hoch.

Eine Stimme: „Was … was ist das?
Du meine Güte “
Mein Opfer schrie extrem beunruhigt: „Die die die da, die die die will mich auffressen!“
Einer, wohl ihr Wortführer, stand vorne, jedoch nur, weil alle anderen mindestens einen Schritt zurückgegangen waren. Dieser Typ hatte plötzlich ein Messer in seiner Hand, wedelte damit leicht herum, daß gelegentlich der noch nicht ganz dunkle Himmel darin fahl aufblitzte. Auch er wirkte unsicher. Eine weitere, unbestimmte Bewegung bei Jimena, ihr Grollen hatte sich verändert.
Eine Stimme von der Nummer zwei dieser Gruppe: „Das Biest da hat die Tollwut!
Der Zombie fällt uns an, bringt uns alle um!“
Seine Stimme klang schrill.

Ich bewegte mich leicht weiter zur Seite, um meinen Typen besser im Blickfeld zu haben. In mir wirbelte Angst, böser Zorn auf diese Typen, Angriffslust, alles durcheinander. Meine Stimmung, dies Animalische meines Selbst stand kurz davor, ihm wirklich seine Kehle aufzureißen, mein Gesicht war vor Anspannung verzerrt. Dieser Blick auf ihn war zuviel für den Typen, er sah meine Fixierung auf ihn, weil nach wie vor noch jemand mit seinem Telephon leuchtete. Er quiekte panikartig, lief los, weg ins Dunkel hinter seiner Gruppe. Ein weiterer Typ schloß sich gleich an. Jimena duckte sich wie zum Sprung.
Der Anführer wedelte sein protziges, prolliges Messer, wich einen Schritt zurück, murmelte halblaut seiner Nummer zwei zu: „Abflug, sofort!“
Kaum ausgesprochen liefen alle anderen los, der Messermann behielt uns noch kurz im Auge, ging rückwärts, noch so halbwegs von der noch nicht ganz verschwundenen Nummer zwei beobachtet.
Das Licht von seinem Mobiltelephon erlosch, alle rasten johlend davon!

Wir standen im Dunkel, woran sich unsere Augen erst wieder gewöhnen mußten. Jimena gab noch kurz weiter diesen unheimlichen, tiefen Ton von sich. Sie wies im Dämmerlicht die Richtung zu einem Weg. Wir gingen aufmerksam, lauernd weiter. Jimena hatte noch einmal ihr Telephon vorgezogen, leuchtete nun. Von den Typen war nichts mehr sichtbar, von Weitem hörten wie sie trotzdem hektisch, verstört rufen.

Jimena war erst still geworden, sprach bald darauf leise: „Richtung Straßenbahn, Licht. Keinerlei Übereilung, keine Gesten von Unsicherheit, oder gar Angst, keine Flucht, leise, lauschen, aufmerksam beobachten.“
Einige Zeit verstrich, bis wir in Sichtweite einer Straßenbahnhaltestelle kamen. Die Stimmen jener Typen waren in der Ferne verschluckt worden. Eine Straßenbahn in unsere Richtung kam heran.
Jimena rief: „Laufen!“
Folglich hetzten wir zur Bahn, welche bereits hielt. Jimena lief geringfügig schneller, sprang, katzenartig, wirbelte in die Tür hinein, hielt diese offen, daß ich folgen konnte, die Bahn ebenfalls erreichte. Jimena gab die Tür frei, welche schloß. Ein Ruck, Abfahrt. Ein paar wenige Leute waren drin. Skeptische, mißtrauische Blicke. Mein Atem ging schnell, wir taumelten einige Schritte von der Tür weg, einen freien Bereich ohne andere Leute ansteuernd, setzten uns schwer auf die harten Sitze.

Jimena schaute mich an, meine Augen erwiderten daraufhin ihren Blick. Jetzt erst wurde mir leichter. Wir hatten diese kritische Situation überstanden.

Jimena beteuerte: „Entstammt wirklich keineswegs irgendwie meinen Gehirnwindungen. Allerdings schon von Bekannten gehört, daß sich da abends, im Dunklen gelegentlich zwielichtige Gestalten herumtreiben. Eine derartige Begegnung entspringt jedoch gewiß keineswegs meiner Planung, lag mitnichten in meiner Absicht.
Derlei wäre mir absichtlich keinesfalls in den Sinn gekommen, ohne Absicherung für dich jedenfalls bestimmt niemals, wirklich!“
Ihre Beteuerung wirkte eindeutig aufrichtig, daher war Nicken meine sofortige Erwiderung.
Sie fuhr fort: „Tut mir leid. Dumm von mir, ohne Überlegung durch den dämmrigen Park zu laufen, meine Gedanken kreisten um ganze andere Dinge. Wir hätten gleich auf kürzestem Wege aus dem Park gehen sollen, von dort eine Bahn nehmen, statt längs durch diesen finsteren Park marschieren.“
Nach tiefem Durchatmen folgte endlich meine Antwort: „Ist gut. Haben diesen Alptraum letztlich heile überstanden …
Wieso sollte speziell dieser eine Typ derart fokussiert werden?“
Jimena erläuterte: „In deren Hackordnung ist der Knabe ziemlich weit unten, eventuell gar an letzter Stelle …“
Mein Kopf neigte sich: „Wie hast du das erkannt?
Und wieso war er dann wichtig?
Oder weil du mir bloß diesen zugetraut hast?“
Nun schmunzelte sie leicht: „Inzwischen traue ich dir allerhand zu, deswegen also keineswegs.
Zu deinen anderen Fragen:
Er stand leicht hinter den anderen, selbst im fahlen Licht von den Mobiltelephonen seiner Gruppe wirkte er unsicher, als kurz mein Licht angeschaltet war, um einen besseren Überblick zu bekommen, sah es mir so aus, als wäre er das schwächste Glied der Kette. Statt mit den anderen aufzufächern, um uns einzuschüchtern oder unsere Flucht zu verhindern, wollte er sich eher hinter den anderen schützen, die Situation machte ihm merklich Eindruck. In der Hierarchie seiner Gruppe hatte er sowieso nicht viel zu gewinnen, bei einer Auseinandersetzung aber etwas zu verlieren, wenn er verletzt würde. Somit war er ein Kandidat, bei dem es leicht wäre, ihn einzuschüchtern, womöglich einen Rückzug zu veranlassen. Und mit ein wenig Glück schließt sich ihm noch derjenige an, welcher innerhalb ihrer Hackordnung nur knapp über ihm steht, wenn diesem klar wird, daß er nun der Hampelmann der Gruppe ist. Wenn du den Typen also genug sowie hinreichend bedrohlich anstarrst, ihn mit Gestik in die Flucht schlägst, verringert dies die Zahl der Gegner, damit die Möglichkeit, uns wirklich zu umzingeln. Die Situation wird übersichtlicher, leichter kontrollierbar, handhabbar.“

Bewunderndes Nicken nun meinerseits: „Faszinierende Beobachtungsgabe, verstanden …“
Jimena lobte: „Du wiederum hast diese List umsetzen können, er hatte richtig Panik. Weg war er, Einschüchterungsversuch ausgezeichnet umgesetzt.“
Meine Überlegung: „Kann bis jetzt nicht begreifen oder fassen, was gerade passiert ist, inmitten der Stadt, inmitten dieses noch zwei Stunden zuvor gut besuchten Parks wollen uns diese Typen fertigmachen, vergewaltigen, unglaublich!“
Jimena wiegte den Kopf: „Ob die uns – beziehungsweise dir – mich haben sie wohl für deinen Freund gehalten – wirklich an die Wäsche wollten, ist keineswegs so eindeutig. Dies haben sie zwar gerufen. Nun werden sie nicht sonderlich schlau gewesen sein, trotzdem ist eine derartige Ankündigung keinesfalls sonderlich geschickt, den Opfern seine Strategie sowie Absicht mitzuteilen, noch bevor diese gefangen sind. Kein Anzeichen für besondere Intelligenz oder einer Fähigkeit, sich in die Perspektive anderer Menschen hineinzuversetzen.
Plausibel könnte genauso sein, daß wir bloß Revierverhalten beobachtet haben, wie das ähnlich ebenso bei Tieren anzutreffen ist, welche als Horden leben. Diese pinkeln überall in ihr Revier und versuchen, andere derselben Spezies zu vertreiben. Sie haben sich eben zu dieser Männergruppe zusammengerottet, hatten vielleicht keinen besseren Platz, um sich zu treffen als abends im Park, dort haben sie den Bereich als ihr Revier gesehen, welches von ihnen vor Konkurrenz instinktiv verteidigt wird, wollten uns lediglich verängstigen, damit wir abhauen, damit sie weiterhin ungestört ihren Gruppenaktivitäten nachgehen können, ihr animalisches Revierverhalten respektiert wird. Vielleicht ganz harmlos – kiffen, saufen, dummes Zeug labern, was junge, dumme Männer eben so tun, wenn niemand auf sie aufpaßt.
Wahrscheinlich werden sie immer von den Türstehern abgewiesen, weil sie die falschen Schlappen anhaben oder häßliche dicke Messing-Halsketten tragen, lungern deshalb am Wochenende abends dort herum.“
Mein Mund verzog sich: „Klingt jedenfalls weniger gefährlich und brutal als das, was sie gesagt haben …“
Jimena zuckte ihre Schultern: „Imponiergehabe, großes Maul haben, Drohgebärden. Wir indessen konnten uns mitnichten darauf verlassen, daß uns diese Gruppe entkommen läßt, wenn wir abhauen. Ebenso gut möglich, daß ihre Strategie war, mittels ihres Geredes eine Flucht zu veranlassen, um uns dabei zu trennen. Weil sie mich anfänglich für einen Mann gehalten haben, mit welchem sie keine weiteren Absichten hatten, wäre deine Absonderung von Vorteil gewesen, uns trennen, mich abdrängen, dich schnappen und den Plan mit der Gruppenvergewaltigung durchziehen, nachdem sie dich durch den Park an eine Stelle verschleppt hätten, wo ich oder weitere, hinzugerufene Helfer wie Polizei euch nicht gefunden hätten. Wegen dieser Möglichkeit, daß diese Typen solch eine Strategie verfolgen könnten, habe ich es nicht riskiert, daß wir beim Abhauen getrennt werden.
So blieb einzig die Notwendigkeit zu bleiben und diese Typen zu verunsichern, letztlich entweder vertreiben oder tatsächlich angreifen!“

Ich atmete tief durch, antwortete: „Diese Strategie kann ich nun gleichfalls nachvollziehen. Immerhin waren dies gleich mehrere Typen, ein Kampf hätte böse für uns enden können.
Vermutlich hatte keineswegs nur der vermutliche Anführer ein Messer!“
Jimena erwiderte: „Schwierig, gefährlich wäre kämpfen ohne Frage geworden. Messer könnten ihre Statussymbole sein.
Privileg des Anführers oder notwendiges Gruppenmerkmal?
Diese Typen haben zwar mitnichten den Eindruck gemacht, daß sie spezifische Kampftechniken drauf haben; mehrere bewaffnete Typen im Dämmerlicht sind immer arg riskant, das stimmt. Dabei ist schnell ein relevantes Detail, eine Waffe, eine Bewegung übersehen, selbst bei meiner Erfahrung mit einigen Kampftechniken. Daher sehe ich ebenfalls als wichtig an, im Vorfeld möglichst so zu agieren, daß ein Kampf vermieden wird. Wenn ich da einen oder mehrere solcher Typen mittels ihrer eigenen Messer abgestochen hätte, ihnen den Kehlkopf eingedrückt hätte oder auf andere Weise aus dem Spiel genommen hätte, hätte vermutlich obendrein noch Ärger mit der Justiz gedroht. Daher ist diese Angelegenheit auf diese Weise gewiß hervorragend gelaufen. Vielleicht, hoffentlich haben diese Typen ihre Lektion richtig gelernt und versuchen derlei Bedrohung nie wieder. Denn bedenklich ist daran schon, sie treiben sich noch wie gehabt frei herum, können ihr Spiel weiterhin mit anderen treiben, welche sie dort aufgreifen.
Aus dieser Perspektive ist diese Angelegenheit keineswegs so gut gelaufen, dies Problem noch keinesfalls gelöst!“

Diese Interpretation war meinerseits sofort nachvollziehbar, dennoch blieb der Grundtenor, daß wir so davongekommen waren, selbst wenn wir diese Burschen damit hatten entwischen lassen müssen. Wir schwiegen beide den Rest unserer Fahrt. Bis zur Haltestelle, die am nächsten zum Wohnheim liegt, dauerte es ohnehin nur noch kurz.

Volles Risiko

Als wir im Wohnheim waren, atmeten wir beide tief sowie erleichtert durch. Jimena schaute mich an, sichtlich verlegen, unsicher. Diese Gemütsverfassung war mir bei ihr so zuvor entgangen. Eben im Park noch dieses unheimliche, wilde, wehrhafte, starke Tier, ansonsten sowieso diese Aura von Unnahbarkeit. Nun wurde meiner Aufmerksamkeit eine neue Seite an ihr zuteil, weicher, angreifbar.
Ihre Stimme wurde leise: „Geht es wieder?“
Nickend daraufhin meine Entgegnung: „Ja. Habe mich beruhigt. Was für ein blödes Ende für unseren schönen Tag …“
Tiefes Durchatmen von ihr: „Willst du jetzt erst einmal allein deine Ruhe haben, nachdem meine übereilte Art dich so leichtsinnig in Gefahr gebracht hat?“
Mein Kopf schüttelte sich entschlossen, meine trotzige Antwort: „Diese Typen haben uns von sich aus bedroht. Dort ist immerhin öffentliches Parkgelände, dies ist ein freies Land. Dort darf doch jede Person nach eigenem Gusto spazierengehen. Wir haben nichts falsch gemacht …“
Jimenas Ergänzung: „… dennoch zur falschen Zeit am falschen Ort …“
Meine Feststellung dazu: „Du warst sooooo unheimlich. Dieser Ton, dieses Grollen, wirklich tollwütiges Tier, hungriger Tiger oder geifernder Wolf, ging mir bis ins Mark, wäre beinahe mit denen abgehauen.“
Vorsichtiges lächeln dazu schien mir angemessen.
Sie lächelte ebenfalls, meinte daraufhin: „Hat immerhin als Abschreckung funktioniert. Dachte mir so, im Dämmerlicht ist denen ebenfalls schnell genauso unwohl wie uns, wenn Unvorhersehbares geschieht. Meine Bemalung beeindruckt sowieso. Hat funktioniert. Zum Glück. Sonst wäre diese Begegnung blutig geworden. Wollte primär vermeiden, daß jene Typen dich zu fassen kriegen.“
Ergänzung meinerseits: „Diese Kerle waren immerhin deutlich in der Überzahl …“
Nun grinste sie: „Eigentlich nicht, wir beide, dies Biest in mir, meine Wut, mein Zorn, meine Schnelligkeit, meine Erfahrung mit Gefahren, ja gleichermaßen mit Kämpfen.
Bin mir ziemlich sicher, so betrachtet waren wir in der Überzahl!“
Dazu sogleich mein verlegenes Lachen, ihr Lachen schloß sich munter an.

Wir standen einen Moment lang verloren im Gemeinschaftsbereich unserer Wohnanlage.
Sie schlug vor, daß wir uns einstweilen setzen könnten, gemeinsames Abendessen, vertilgen der Reste unseres Tagesvorrates, plaudern, entspannen, den Tag ausklingen lassen. Dieser Vorschlag klang gut, traf auf meine sofortige Zustimmung, daher machten wir uns an seine Umsetzung.
Dabei wurde von ihr nachgehakt: „In Ordnung so weit. Ausgenutzt soll deine wiedererlangte gute Stimmung keineswegs werden. Weil du jedoch bereits meintest, daß das mit der Ruhe vor mir nicht notwendig ist, läge mir noch ein Thema am Herzen, eine Frage …“
Dieser Anfang erstaunte mich. Sie wirkte anders, nicht wie bei einem ihrer früheren Vorschläge für brenzlige, abenteuerliche Aktionen. Mein Koopf nickte sogleich ermunternd.

Jimena begann: „Hmmm. Diesmal existiert jedoch kein Plan B, für mich erst Recht nicht. Etwas kennen wir uns nun bereits, habe allerdings rein gar kein Gefühl, wie du darauf reagieren wirst. Du kannst mich hart treffen. Diesmal kann ich dich jedoch nicht absichern, dir nichts raten. Bei deiner Entscheidung bist du auf dich gestellt.“
Meine Neugier wurde gereizt, folglich abermals ermunterndes Nicken meinerseits.
Was wollte sie?

Jimena fuhr fort: „Also gut, weiß nicht, wie beginnen. Habe ja bereits erzählt, daß mein Entschluß feststeht, meine Trauer abzuschließen, wieder richtig leben will. Du hast dabei geholfen. Was wir angestellt haben, dein Mut dazu, deine Anwesenheit, deine ganze Art, all dies hat in mir eine Veränderung bewirkt, was jenseits meiner Erwartungen lag. Alles begann zunächst als Mischung aus alten Spielchen, gleichwohl durch dich eine neue Erfahrung. Plötzlich hat mich wieder etwas interessiert, wollte wieder etwas durchdenken, überlegen, etwas organisieren, vorbereiten. Ich dachte diese letzten Wochen anders darüber nach, über Franziska sowie mich, nun war allerdings wieder Gegenwart vorhanden, keineswegs bloß noch meine Erinnerungen. Ich war in der Lage, meine Zeit mit Franziska als wertvolle Erfahrungen in mein Sein einzuordnen. So ging es für mich irgendwie doch weiter, heraus aus dieser Sackgasse, welche sich doch nicht als solche erwiesen hat. Nun ist wieder alles anders, besser, mein Blick wird wieder klarer. Habe von dir gelernt. Will sowieso mit den ganz blöden Spielchen aufhören. Habe genug davon. Mir ist richtig bewußt geworden, wie es um mich steht. Diese Typen damals inmitten der Stadt, jenes Autorennen, Franziskas Tod. Diese Kerle hatten ihren Kick, ihre Dröhnung Adrenalin gesucht. Ähnlich wie wir. Aber rücksichtslos.
Andere derart gefährden für den eigenen Spaß?
Solches Verhalten ist einfach nur falsch.
In welchem Maße haben Franziska und ich derartiges ebenfalls getan bei unseren Aktionen?
Risiko des Sturzes von einem Haus?
Von einer Brücke auf andere Leute, unwahrscheinlich, bei ein paar Aktionen indessen wäre derlei möglich gewesen. Wir konnten dabei nichts absperren.
Ebenso in den Bergen eine Lawine riskieren?
Wir führten einige grenzwertige Aktionen durch, nicht dermaßen bösartig wie solche Autorennen, genug jedenfalls, um mich davon abzuwenden.
Klettern nur noch mit Absicherung? – okay.
Einige andere Sachen darüberhinaus, dabei mehr als ein vager Plan B. Wir waren insgesamt allzu sorglos, schon samt Plan B, dennoch im Grunde für was waren unsere ganzen Aktionen gut?
Mein Hunger nach Gefahren ist gestillt, satt.
Nach unseren jüngsten, gemeinsamen Erfahrungen, wie siehst du das?
Eher mehr oder weniger?“

Antwort meinerseits: „Mit jener Aktion Spezialbehandlung wurden meine Grenzen überschritten, wenn auch auf andere Weise. Muß gewiß nicht ungesichert auf Hochhäuser oder Baukräne klettern, Lawinen lostreten, um noch mehr über mich zu erfahren. Unsere Aktionen waren gut und wichtig. Was wir gemeinsam getan haben, hatte für mich Sinn sowie Reiz.“
Jimena schmunzelte, meinte: „Denkbar, machbar wären durchaus noch diverse andere Varianten als jene Form einer Spezialbehandlung, welche wir durchgeführt haben. Könnte mir gut vorstellen, dir diesbezüglich noch mehr beizubringen, gemeinsame Behandlungen durchzuführen. Ist allerdings deutlich weniger riskant als balancieren auf Baukränen, trotzdem kribbelig sowie spannend, denn Begegnungen mit Menschen sind jedes Mal prickelnd; in Abgründe anderer Menschen schauen oder diese dorthin bringen, ja, derlei liegt mir schon. Du schienst bei jener Gelegenheit überdies Talente zu offenbaren, welche bislang tief in dir geschlummert haben. Solcherlei ginge ebenfalls umgedreht …“
Mein Blick fiel fest in ihre Augen: „Umgedreht?
Willst du mich womöglich zur Sklavin machen, welche für dich Runden auf allen Vieren dreht oder apportiert?“
Sie lachte, antwortete: „Nein, bestimmt nicht, du bist fraglos eine Herrin, daher krabbelst du niemals dermaßen herum. Ich ebenfalls nicht, so ist umgedreht also sicherlich keineswegs gemeint. Was durchaus im Rahmen wäre, wären Spielchen mit Seilen, gleichfalls eine Vertrauensübung, in dieser Szene auch Bondage genannt. Dabei liegt das Augenmerk darauf, jemanden geschickt einzuwickeln, jedoch nicht abzuschnüren, braucht auf der eingewickelten Seite also allemal Vertrauen, auf der einwickelnden Seite wiederum Kenntnisse, Erfahrung, um nichts zu sehr abzudrücken. Diese Einengung, gekonnt ausgeführt, ist eine von der Idee her gefahrlose Grenzerfahrung der Auslieferung. Wegen erforderlicher Kenntnisse lassen sich dabei allerdings nicht so einfach Rollen tauschen.“
Mein Blick blieb skeptisch, dazu: „Hmm, also vertrauen wäre selbstverständlich vorhanden, von daher wäre derlei schon möglich, vorstellbar wäre ebenfalls, daß solch eine Einschnürung, Fixierung, die anschließende Befreiung eine ordentliche Portion Empfindungen freisetzt. Überstürzen sollten wir dies allerdings mitnichten.“
Nicken ihrerseits, ferner weitere Erklärungen: „Kein Problem. Mit Publikum hätte es noch einen anderen Reiz. Einige Voyeure zahlen ganz ordentlich für bloßes Zugucken. Habe ich gleichfalls bereits veranstaltet. Bei den beiden Akteuren muß ihr Zusammenspiel allerdings sowieso harmonieren, braucht einige Übung, daher keineswegs ratsam, derlei einfach so spontan vor Publikum durchzuführen.“
Meine Erwiderung: „Wenn überhaupt, dann vorher mit Übung. So mit Publikum, solcherlei wäre vergleichbar mit deinem Ausdruckstanz. Ja, mit Zuschauern ist eine besondere Atmosphäre, selbst bei einer relativ passiven Rolle, gut vorstellbar.“

Jimena faßte zusammen: „Fein, dies wäre also eine Option, welche wir verfolgen könnten, langsam angehen, probieren, ob solche Verschlingungen, Verwicklungen dir gefallen, ob diese Spielchen ausgebaut werden könnten. Hinsichtlich Einengung gibt es überdies noch weitere Möglichkeiten der Grenzerfahrung, Auslieferung, zum Beispiel Isolation. Dabei bekommst du eine Art gepolsterte Kapuze auf, wirst fixiert. So erfährst du von der Umgebung kaum noch Reize, wirst auf dich reduziert. Du verlierst langsam jegliches Zeitgefühl. Daraufhin kommt irgendwann eine Berührung, also Kontakt wie ein prickelnder elektrischer Schlag. Auch dies kann heftig wirken, Eindruck machen – heftige Sensationen auslösen. Dies wäre eine weitere, sehr spezielle, existenzielle Erfahrung. Diese Sensation wirft dich auf dich selbst zurück. Die Berührung katapultiert dich aus deiner Reduktion auf dein Ich zurück in die Welt.“
Ich nickte nur, allein die Vorstellung dieser Aktionen ließ meinen Puls bereits nochmals spürbar ansteigen.

Meine Meinung dazu: „Fühlen, Lebendigsein, Reize sowie Sensationen, all dies ist ganz anders als ruhig im Hörsaal sitzen. Manchmal scheint mir, ich fühle gar nicht so viel. Unsere Spielchen aber waren sehr intensiv, eine ganz andere Erfahrung, andere Aspekte meines Seins haben sich mir dadurch eröffnet. Sein bis in meine Fingerspitzen, bis in meine Haarspitzen spüren, ja, all dies hat mich sehr belebt. Zusammen funktionieren solch intensive Erfahrungen, alles sehr relevant: mich selbst erfahren, handeln, agieren. Alleine wäre ich nie darauf gekommen, mein Leben um solche Reize, Gefühle zu bereichern. Alleine würde ich derlei auch vermeiden, zusammen ergeben diese Spiele einen Sinn, ganz eigene Reize. Auch Aktivitäten wie Balancieren im hellen Park, Klettern möchte ich gerne mit dir fortführen. Mit dir etwas unternehmen, ist einfach nur schön. Wenn ich darüber nachsinne, in mich gehe, eigentlich ist dabei Adrenalin gar nicht wirklich wichtig, eher schon, zusammen handeln, beschäftigen, spielen, sein.“

Jimena atmete tief durch, bestätigte daraufhin: „Ja, ähnliche Gedanken kamen mir gleichfalls zugeflogen. Gerne möchte ich weiter deine Gesellschaft genießen.
Weitere, harmlosere, gemeinsame Aktionen wären selbstverständlich im Weiteren noch im Angebot, ebenso eine Frage von Vertrauen, Balance, Akrobatik, könnte somit lustig werden, weiteres Beispiel: Du bleibst passiv, gestreckt, ich balanciere, drehe dich auf Händen oder Füßen, bis dir ganz schwindelig wird!“
Wir lachten beide, diese Spielart konnte ich mir gut vorstellen, ein kleines, harmloses Abenteuer, allerdings eine eindeutige Verbundenheit zwischen uns beiden. Etwas von dieser Art könnte sehr meine Bedürfnisse erfüllen. Etwas in dieser Art steckte vermutlich ebenso im Hinterkopf, was bei der Erwähnung jener Fesselspiele eine gewisse Faszination meinerseits ausgelöst hatte. Deswegen reizten mich diese Ideen, wobei es bei dem Gedanken ganz komisch in der Magengrube wurde.

Jimena fuhr mit ihrem Gedanken fort: „Adrenalin, Endorphine sind ja lediglich ein Hormon-Cocktail, Oxytocin kann genauso wichtig werden. Daher, naja, daher dieser letzte Vorschlag auf volles Risiko, also meines sowie deines, jede auf eigene Verantwortung …“
Meine Stirn runzelte sich gespannt: „Verstehe ich jetzt so nicht. Aber gut, rücke schon heraus damit. Wenn ich für mich entscheiden soll, mußt du jetzt sagen, was Sache ist.“

Nun wirkte Jimena sehr unsicher. Wo ihre Haut ungefärbt war, schien diese sogar rot zu werden. Jetzt merkte ich ebenso aus meinem Innersten heraus eine gespannte Erwartung.
Sie zögerte noch, nickte hernach, erklärte: „Gar nicht so leicht. Wenn ich hoch und eilig verspreche, Rücksicht zu nehmen, nichts zu überstürzen, dir Raum sowie Zeit für Entscheidungen zu geben, könntest du dir dann vorstellen …“
Sie schwieg. Wir schauten uns an. Sie war nervös, dies machte gleichermaßen mich nervös.
Endlich fuhr sie fort: „Ich mag dich eben sehr sehr gerne. Kann jedoch nach wie vor nicht einschätzen, wie du dazu stehst …“
Meine Augen kniffen sich zusammen, mein Hirn versuchte zu erahnen, was los war, war in der Hinsicht noch etwas dumm, unerfahren: „Ich mag dich doch ebenfalls sehr sehr gerne. Bin selber überrascht, daß jener Schisser in meinem Bregen anfangs am Fluß nicht gleich losgeschossen sowie abgehauen ist. Seitdem aber ist da was, was unbeschreiblich ist …“
Ihre Antwort: „Muß auch keineswegs alles beschrieben, formuliert, expliziert werden. Wenn wir einander vertrauen, finden wir mehr heraus. Trotzdem, in dieser Hinsicht kann ich dich überhaupt nicht einschätzen, wie weit unsere Sympathie nun geht, beziehungsweise wie du unsere Freundschaft siehst, wie sich diese entwickeln könnte …“

Nun wurde mir abermals flau im Magen. ‚unsere Freundschaft‘ klang für mich schon einmal sehr gut. Mir schwante, sie meinte mehr, etwas lag in ihrem Blick, in ihrer Stimme.
Mein Bekenntnis einstweilen: „Von solchen Entwicklungen darfst du bei mir nicht die Spur einer Ahnung erwarten. Bin ahnungslos, ob oder was dabei meinerseits ein reizvolles Angebot abgeben könnte. Ich mag dich, vertraue dir. Wenn du mich in deine Arme nehmen magst, hat sich dies bislang in jeder Variante, Gelegenheit und Ausführung sehr gut, mehr als dies angefühlt.“
Wortlos nahm sie mich in ihre Arme, wir hielten uns richtig fest, bis es beinahe wehtat.
Diese traute Einigkeit fühlte sich so gut an!

Sie flüsterte: „Ohne deine Unerfahrenheit ausnutzen zu wollen, obendrein mein Versprechen, keinen Quatsch zu fabrizieren, will dich durch nichts überrumpeln, was dich überfordern könnte: Kommst du mit zu mir?
Könnte dich jetzt sehr gut ganz bei mir, geborgen in meinen Armen gebrauchen …“
Dies schien meiner Meinung sowie Stimmung nach der nun unbedingt passende, richtige Vorschlag zu sein, denn loslassen wäre für mich nun sowieso sehr schwer geworden. Was für ein Durcheinander in meinem Kopf, in meinem Magen. Daher konnte ich ihren sicheren Halt, ihre Gesellschaft dringend gebrauchen.
Daher mein verzagtes Wispern: „Dann los!
Volles Risiko für uns beide!“

Erstaunt war ich, als sie den Weg Richtung meiner Unterkunft einschlug. Ich schaute sie fragend an, während wir gingen, wobei sich unsere Hände von selbst gefunden hatten.
Nun schmunzelte sie, meinte: „Es wäre unkorrekt, wenn wir nicht wenigstens deine Zahnbürste abholen würden.“
Wir lachten beide, drückten uns eng aneinander. Arm in Arm gingen wir, übermütig, alberten herum, schlingerten Schlangenlinien, uns weiter aneinanderdrückend.

Mit meiner Zahnbürste gingen wir im Anschluß ihrem Zimmer entgegen. Erst einmal war jedoch gemeinsames Abendessen angesagt, was ruhig, gleichwohl einschließlich einer gewissen Anspannung ablief. Weil alles korrekt sein sollte, machten wir uns anschließend artig im Bad für die Nacht fertig.

Alsdann standen wir merklich verlegen voreinander.
Jimena lächelte, schlug vor: „Wenn dir dies genehm ist, bekommst du meine hilfreichen, gleichwohl neugierigen Hände beim Entkleiden, ach was, besser gegenseitig bei uns beiden, abwechselnd Stück für Stück, mal schauen, was letztlich übrigbleibt.“
Ich lachte nervös und nickte nach kurzem Zögern. Wir hatten uns bereits im Bikini, beim Umziehen kurz nackt gesehen. Beim erotischen Ausdruckstanz hatte sie meine Aufmerksamkeit sowieso gewonnen. Unsere folgenden Aktivitäten waren nun schon anders, spürbare Unsicherheit sowie Aufregung, aneinander herumzufummeln. Wir kicherte albern, wir alberten, forschten einfach neugierig herum. Und diese erst zaghafte, bald etwas forschere Forscherei bekam uns beiden gut.

Was übrigblieb: Eng aneinandergeschmiegte Haut, teils noch kalt von dem Weg draußen, teils wohlig warm sowie weich.
Jimena zog mich auf ihr Bett, schlug vor: „Umarmen, halten, wohlfühlen?“

Gleich darauf steckten wir im schmalen Bett unter einer Decke, schmiegten uns eng aneinander und fühlten uns dabei bereits sehr wohl. Nervös waren wir beide merklich.
Jimena überspielte ihre Unsicherheit witzelnd: „Hmm, damit finden wir heute also heraus, ob wir harmonieren oder wer morgen aus dem Bett geworfen ist.“
Witzelei wiederum meinerseits als Erwiderung: „Ich wohl nicht. Du hast mich ja abgesichert, meine Seite ist die Wandseite.“
Wir lachten beide, sahen uns im Dämmerlicht an, welches durch die Stadt erzeugt durch die Fenster scheint, bei Wolken deutlich sichtbar mehr, heute, bei kalter, klarer Nacht weniger. Unsere Haut rieb aneinander, es wurde merklich wärmer, als wir so gemeinsam nackt unter einer Decke steckten.

Eine versichernde Nachfrage meinerseits folgte: „Dies ist jetzt also mehr als eine Mutprobe, eines unserer Spielchen?
Wenn du sagst, daß wir beide jeweils verantwortlich sind, wie sich unsere Angelegenheit entwickelt, so sind wir also auf Augenhöhe?“
Jimena witzelte: „Weil wir ohnehin ungefähr gleiche Körpergröße haben, sind wir stehend ohnehin auf Augenhöhe – so im Liegen hingegen – kommt ganz drauf an, dabei kämen zahlreiche Möglichkeiten in Frage, welche wir heute nicht probieren sollten …“
Leichtes Knuffen meinerseits als Entgegnung: „Weißt genau, was gemeint ist!“
Jimena antwortete: „Bei unseren gefährlichen Spielchen lag die Führung eindeutig in meinen Händen, dir blieben jedoch bei jeder Aktion Möglichkeiten, jederzeit Risiken auszuschlagen, abzulehnen. Dabei hast du zu meiner Freude schnell dazugelernt: deinen eigenen Kopf benutzen, um selbst abzuschätzen, nachzufragen und gegebenenfalls daraufhin ohne Furcht vor Nachteilen, Verstimmungen abzulehnen. Diese Entwicklung ist gut. Nun, aufgrund dieser speziellen Situation, dieser Beziehung, welche sich nun eben zwischen uns entwickelt, liegt alles etwas anders. Dabei sollten wir mitnichten so ganz von Augenhöhe ausgehen.
Wohl gerade weil meine Erfahrung größer ist!“
Tiefes Durchatmen meinerseits, weil sich dieses Argument für mich nicht so gut anhörte, beziehungsweise abzuwägen wäre. Wenn Jimena gleichfalls hierbei jedwede Führung übernähme, wäre alles für mich viel leichter, müßte nur letztlich entscheiden, ob ich mitmachen will oder passen, eventuell gar nicht so schlecht.

Jimena hatte mein hörbares Atmen, mein sonstiges Schweigen danach mißverstanden, deswegen fuhr sie fort: „Also, um das klarzustellen, ich beanspruche dabei keinerlei Führung. Im Gegenteil, wollte vielmehr dich ein bißchen vorschieben, mich zurückhalten, nichts eilig vorantreiben, dir Zeit lassen. Wenn Impulse von dir kämen, wäre dies ideal. Vorschläge werden von meiner Seite selbstverständlich schon irgendwann eingebracht, aber du entscheidest letztlich, was du willst, insbesondere welche Wege wir anfangs einschlagen.
Wenn also reichlich Vorschläge, Impulse, Initiativen von dir kämmen – umso besser, sonst lassen wir alles ruhiger angehen, nehmen uns Zeit, niemand drängt uns zu irgendetwas!
Ich erhebe ebenfalls Einspruch, wenn mir eine Idee partout nicht gefällt, wollte dir dabei allerdings mehr Freiraum lassen, Führung wäre zuviel, also Initiative, um Impulse zu geben, wenn du magst.“
Dieser Plan klang bereits abermals deutlich kniffliger für mich.
Meine Erwiderung daher: „Habe nichts gegen deine Impulse oder Initiativen, weil mir ohnehin mein Einspruch bleibt, du sowieso kritische Dinge erst mit mir diskutieren wirst. So ist Gleichberechtigung doch ganz gut umgesetzt, nicht einander die Führung überlassen, wir beide sollten im Sinn haben, Impulse einzubringen. Zudem hast du nach meinem Eindruck viel besser drauf, mit Menschen umzugehen, hast zahlreiche Bekannte. Freundschaftschließen ist für mich ohnehin nicht so einfach. Von mir aus fallen zwischenmenschliche Kontakte einfach schwer, auf andere zuzugehen, ist eine schwere Aufgabe für mich. Deswegen bin ich so froh, dich gefunden zu haben, daß du für mich da sein willst. Das macht mich sehr glücklich. Und auch sonst habe ich noch so viel dazuzulernen. Deswegen scheint es mir geschickt zu sein, wenn ich von dem profitieren kann, was du längst erreicht hast, weißt und kannst, ohne allerdings mich einzuschränken, ebenfalls selbst etwas auf die Beine zu stellen.“
Jimena bestätigte: „Also gut. Natürlich müssen wir uns gegenseitig genug Spielraum lassen. Eine Persönlichkeit muß sich entwickeln können. Einer solchen gilt doch letztendlich unsere Zuneigung; dieser nur eigene Vorstellungen überstülpen zu wollen, wäre schlecht. Eine gemeinsame Entwicklung sowie Gestaltung ist wichtig, damit eine Beziehung spannend bleibt und damit gleichfalls prickelnd genug für gegenseitige neue Reize.
Ich wollte auch nur, daß ganz klar ist, daß meinerseits dabei nichts an Macht beansprucht wird.
Wir verstehen uns gut, werden es hinbekommen!“
Zur Bestätigung, als Signal des Einverständnisses kuschelten wir uns noch enger zusammen. Haut rieb heiß an Haut. So nah, weich, zart, geborgen hatte ich das noch nicht erlebt. Das war nun eine ganz andere Art von Umarmung, Kuschelei.

Abermals wurde von meiner Seite aus der Klarheit wegen nachgehakt: „Wollte noch eine Vermutung äußern, also zwischen Franziska und dir, das war somit mehr als platonische Liebe, damit ich eure Beziehung richtig einordnen kann?“
Jimena bestätigte: „Deine Vermutung trifft zu, eine einzige, tiefe, innige Liebe. Habe ja bereits gesagt, einen Ersatz für sie suche ich in keinem Falle. Dies wäre ihr gegenüber nicht angemessen, dir gegenüber ebensowenig. Du bist anders als sie, das ist klar, das ist gut, wichtig und richtig. Du hast deine Persönlichkeit, deine Eigenarten, welche ich ganz für sich mag. Vergleichen oder anpassen wäre völlig blödsinnig.“
Ich schluckte: „Also gut, ja, so weit verstanden. Alles völlig in Ordnung. Du hast mein Vertrauen. Ahnung habe ich allerdings keine, Erfahrung sowieso nicht. Bislang galt diesem Thema mein Interesse nicht so sehr, daß diesbezüglich wirklich eine Entscheidung fällig gewesen wäre, kann also nicht sagen, daß ich mich dahingehend für eine bestimmte Richtung entschieden hätte oder sich eine erstrebenswerte Gelegenheit für mich ergeben hätte. Ganz ehrlich: In dieser Hinsicht habe ich noch mit niemandem etwas anzufangen gewußt. Bei dir fühle ich mich sehr wohl. Deine Gegenwart tut mir gut. Meine Vermutung geht indes dahin, daß wichtig dabei ist, sich sicher, geborgen und wohlzufühlen.“
Jimena bestätigte: „Auf jeden Fall. Ich will dir da auch nichts übereilt aufdrängen. Ich habe schon so meine Erfahrungen gemacht, nicht nur mit Franziska, ebenso mit männlichen Interessenten fanden zuvor bereits Experimente statt, mit weiblichen genauso. Diese Erfahrungen waren jedoch keineswegs wahllose Sammelleidenschaft. Es kommt auf den jeweiligen Menschen an, Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen, auf Sympathie, Nähe, Vertrauen, Interesse aneinander, Neugier aufeinander. Dies bei einem Menschen finden, ist wohl die Hauptsache.“
Meine Antwort darauf: „So weit, wie wir bis jetzt gekommen sind, fühlt es sich nicht mehr so an, als ob unsere Affinität platonisch bleiben würde. Neugierig bin ich sowieso gerne, bin also gespannt, was sich daraus ergibt.“
Wir kicherten und giggelten erfreut, waren uns dabei alsogleich einig.

Sie antwortete: „Das hört sich gut für mich an. Lust und Leidenschaft unterschätzen wäre naiv, unbedacht. Sie jemanden aufzudrängen, wäre falsch, sie hingegen gemeinsam erforschen, kann sehr intensiv, sehr schön sein. Wir müssen harmonieren, Gemeinsamkeit müssen sich ergeben, daß alles für beide paßt, es sich nach dem richtigen Zeitpunkt anfühlt. Schon daher will ich dir gegenüber zurückhaltend sein, dir nichts nehmen, dich keinesfalls durch zu forsches Vorgehen verunsichern. Also sicher keineswegs überrumpeln, will mich ganz auf dich einstellen, mit dir das gemeinsame Neue erfahren, erforschen, nichts dabei vorgeben.“
Meine Erwiderung: „Hmm, du traust mir ja allerhand zu. Leichter wäre für mich, mich dir einfach hinzugeben, darauf vertrauen, daß du unser gemeinsames Abenteuer schon organisierst. Verstehe aber auch, das zwischen uns ist mehr als irgendein Abenteuer. Und so, bei der Konstellation, wenn wir in der Form beide beteiligt sind, kannst du nichts mehr absichern.“
Ihre Versicherung kam sofort: „Habe es gesagt und dabei bleibt es: Überrumpeln will ich dich keineswegs.
Vernaschen schon sehr gerne, aber nicht so überstürzt, unbedingt mit ausgiebigem, gemeinsamen Genuß, ohne Irritationen oder Verunsicherungen; Aufregung gehört dazu, nichts indessen, was dir nicht gefällt, worauf du dich nicht einlassen magst, würde dies konvenieren?“
Ich nickte, schmiegte mich eng an sie.

Jimena setzte zu einem neuen Gedanken an: „Wichtig wäre eigentlich noch, zusammen erst einen ordentlichen Streit durchgestanden zu haben, damit beurteilt werden kann, ob eine Beziehung funktionieren, harmonieren kann, also, wenn alles Sonnenschein ist, funktioniert sowieso alles. Das Kunststück ist, bei Meinungsverschiedenheiten, Konflikten so miteinander umzugehen, daß die Beziehung trotzdem funktioniert, daß dadurch trotzdem keine Zweifel an der Beziehung aufkommen.“
Meine Antwort dazu: „Leuchtet ein, aber sollen wir deswegen nun einen Streit vom Zaun brechen?“
Jimena lachte, meinte daraufhin jedoch: „Wenn dir Anlässe, Kritikpunkte einfallen, kannst du mich einfach anpflaumen, um unser Konfliktverhalten auszuprobieren.
Versuch macht klug!“

Meine Nachfrage folgte: „Also mal andersherum probiert, habe allerdings Bedenken, bei dir erneut traurige Erinnerungen auszulösen, bin jedoch immerhin da, um dich gegebenenfalls zu trösten.
Also, wie verlief denn zwischen dir und Franziska ein solcher Beziehungsstreit, um was ging dieser?“
Jimena bliebt gelassen: „Nach Franziska kannst du mich ruhig fragen. Beim ärgsten Streit ging es um Finanzierungsfragen. Sagte bereits, ihre Eltern sind reich. Daher konnte Franziska sich allerhand leisten. Hatte gleichfalls erwähnt, bin seit kleinauf Waise. Ihre Eltern fanden zudem, meine zwielichtige Gestalt sei der falsche Umgang. Franziska fand dies keineswegs. Wollte mich sowieso mitnichten von ihren Eltern aushalten lassen, weder direkt noch indirekt, was ein Problem bei der Finanzierung unserer Abenteuerreisen wurde, ebenso einiger Aktionen und von Ausrüstung. Ja, deshalb wurden unsere organisatorischen Besprechungen folglich gelegentlich unangenehm. Franziska bestand darauf, daß wir ihr Geld verplanten, also allein ihre Angelegenheit, eben so sparsam zu sein, um alles zu finanzieren, was uns interessiert neben dem Studium.
Dazu noch als Hinweis, daß sie bereits vor unserer ersten Bekanntschaft an der Börse gezockt hat, mit Unterstützung insbesondere ihres Vaters. Franziska hat diese Zockerei gut hinbekommen oder hatte eine glückliche Hand, so hat sie von einem Grundkapital von Ersparnissen sowie anfänglichen Zuschüssen allerhand gemacht. Franziska hat riskant gezockt, also gleichfalls herbe Verluste einstecken müssen, aber insgesamt verlief diese Zockerei erfolgreich sowie erträglich. Meine Einstellung zum Kapitalismus, solchen Spekulationsblasen gegenüber ist zudem kritisch. Dieser Typ von Fetisch-Szene hat sich längst weit vom realen Markt entfernt, von dem, was Bürger jede Woche einkaufen. Solcherlei Zockerei, Verfügbarkeit von Kapital hatte also ohne Frage ordentlich Potential für Konflikte, Franziskas Eltern eingeschlossen, fast hin bis zum Klassenkampf. Franziska hatte dabei aus meiner Sicht auch gewisse innere Widersprüche. Einerseits war sie diesem System, dieser Luftnummer Börse ebenfalls kritisch gegenüber eingestellt, andererseits meinte sie, letztlich sei diese ganze Zockerei bloß Spielkram, ein gewagtes, gefährliches Spiel beinahe wie unsere Aktionen.
Lediglich eine andere Variante riskanter Albereien?
Bei dem derzeitigen, globalen Einfluß des Finanzsystems immerhin Schabernack mit erheblichen Einflüssen auf Milliarden von Menschen, wenn Auswirkungen einer spontanen Börsenkrise ganz schlimm kämen. Eine rein durch Spekulation ausgelöste Wirtschaftskrise könnte viele Menschen in den Abgrund reißen.
Franziska nahm alles deutlich leichter: Solange dieser Wahn nicht in sich zusammenbreche, sei derlei Zockerei also akzeptabel, beziehungsweise gesellschaftlich sowieso akzeptiert: mitspielen, Spaß haben und aus dem System Geld abziehen, damit nach eigenen Vorstellungen wirtschaften.
Anfangs kam mir diese Ansicht absurd, schizophren, unverantwortlich vor. Meine diesbezüglichen Anpflaumungen haben Franziska schon ein bißchen verletzt. Wir rauften uns zusammen, sie zeigte mir ausführlich, was sie bei jenen Geschäften trieb. Börse ist in der Tat ein bescheuertes Spiel, welches religiöse Züge hat: solange viele Leute an den Markt, das Kapital glauben, funktioniert dies Spiel, Kurse steigen, virtuelles Geld nimmt zu. Bei einer Glaubenskrise geht die Chose abwärts. Hätte eine Krise innerhalb dieser rein fiktiven Welt nicht gleichfalls Auswirkungen auf den Alltag, wäre Zusehen bei diesem Schabernack, Mumpitz, Klimbim, Firlefanz lediglich köstlich. Mißt man seinem eigenen Kapital, seinen Anlagen dort einen Wert bei, wird alles blanker Nervenkitzel. Alles verdichtet, fokussiert sich auf abstrakte Kursschwankungen, welche nichts mit der Realität zu tun haben; innerhalb von Nanosekunden ändern sich keine realen Bewertungen von Konzernen. Von daher allemal faszinierend, jenseits unserer realen Welt, nichts Echtes, Wahres dabei, Pillepalle, trotzdem wie bei Religion mit enormen, zudem fatalen Auswirkungen. Nicht Glaube ist es, welcher Berge versetzt, gläubige Menschen, ihre Taten tragen den Berg ab, um diesen woanders als Abraumhalde enden zu lassen.“

Nachfrage meinerseits: „Also hast du nachgegeben?“
Jimena erläuterte: „Eigentlich gelang uns ein Kompromiß. Franziska hat anschließend genauso bei den Ausdruckstänzen sowie Spezialbehandlungen mitgemacht, ebenfalls als Kick, aber ebenso, um im reinen schmuddeligen realen Markt Einnahmen zu erzielen. Mit dieser Mischkalkulation hat es letztlich für uns gereicht.“

Daraufhin meine Feststellung: „Diese Mischkalkulation fiel nach dem Unfall natürlich weg …“
Jimena antwortete: „Da blieben für mich einerseits andere Probleme als Finanzierungen von Reisen, für Studium sowie Leben hat meine Kalkulation andererseits gut gereicht. Zudem habe ich für Börsenzockerei ein eigenes Konto. Wie sich gezeigt hat, schlummerte innerhalb meines Selbst gleichfalls Talent oder jedenfalls Glückspotential. Wie meist, wenn es um Geld geht, ging dies mit Problemen einher …“
Neugierige Unterbrechung von mir: „Welche?“
Jimena erzählte: „Wie sich nach ihrem Tod herausstellte, hatte Franziska mutmaßlich vor allem wegen der riskanten, gefährlichen Spielchen eine Lebensversicherung sowie ein Testament abgeschlossen. Ungewöhnlich, wenn jemand so jung ist, wir sind indessen auch bedacht, gut organisiert gewesen. Und waren als Paar zusammen, umeinander besorgt. Deshalb hat Franziska sich gedacht, daß bei einem Unfall bei einer Aktion wichtig sei, daß ich wenigstens finanziell keine Probleme bekäme.
Insbesondere ihre Lebensversicherung sowie ihr Testament waren im Weiteren wiederum Gegenstand eines massiven Konfliktes!“

Natürlich kam sofort eine Nachfrage von mir: „Wie das?“
Jimena erklärte: „Wegen ihrer Eltern. Also darauf angewiesen waren diese keineswegs, sie schoben die Verantwortung für unsere gefährlichen Spielchen gleichwohl primär mir zu, obwohl die Initiative zu den riskantesten, exklusivsten Abenteuern von Franziska ausging. In ihren Augen bin ich das Schmuddelkind, welches ihre Tochter verdorben hat. Wir hätten es ihnen ebenfalls nicht recht machen können, wenn wir uns einen Schrebergarten zugelegt hätten. Derlei wäre gleichermaßen eine Mutprobe gewesen …“
Meine überraschte Nachfrage: „Wieso das?“
Sie meinte: „Hätte spießig gewirkt, obwohl von der Idee und vom Gefühl her schön, ein kleiner, eigener Garten, eigenes Gemüse, entspannen, Idylle genießen, unabhängig von vermeintlichen Eindrücken anderer wohlfühlen, sicherlich ebenfalls komische Nachbarn, von daher wäre Schrebergarten eine Herausforderung gewesen. Dies kam uns nicht riskant genug vor. Heute sehe ich das gelassener, wenn du Interesse hättest, könnten wir uns durchaus bei Gelegenheit umhören …“
Lächelnd meine Erwiderung: „Jedenfalls ein erheblicher Kontrast zu anderen Aktionen. Spießig kommt mir ein Schrebergarten keinesfalls vor, kommt auf den Garten an, dieser kann durchaus innerhalb gewisser Grenzen wild sein, Gemüse und Obst gemischt mit Blumen, noch überschaubarer Wildwuchs, Freiraum. Wildpflanzen sind ökologisch oft ohnedies relevanter als Zierblumen, unordentlich bietet mehr Potential für die Fauna. Derlei kleine Rückzugsräume braucht die Stadt, keine weitere Beton- oder Kunstrasenwüste. Wege müssen keineswegs gleich betoniert, asphaltiert sein, oder Gartenzwerge samt Nippes überall. Wenn dessen Anlage dem eigenen Charakter entspricht und dieser nicht spießig ist, wird der Garten ebenfalls nicht spießig sein. Diese Idee an sich ist bedenkenswert, sollten wir im Hinterkopf behalten …“
Wir lachten beide.

Jimena führte ihren Gedanken alsbald fort: „Ihre Lebensversicherung ging also auf mich. Bei dem Testament ging Franziska davon aus, daß ihr Tod eine Folge einer mißglückten Aktion sein müsse. Daher versicherte sie, voll verantwortlich für alle Aktionen zu sein. Ihr Unfall hatte damit allerdings überhaupt keine Verbindung. Hätten wir uns nicht gekannt, wäre Franziska dort nicht zu dem Zeitpunkt unterwegs gewesen, so kann man alles für alles verantwortlich machen. Zudem hat sie den Börsenkram, erspartes Geld, gemeinsame Erinnerungsstücke mir vermacht, gemeinsame Erinnerungen mit ihren Eltern diesen, dazu quasi als Auszahlung eine Summe, welche ungefähr dem Startkapital für ihre Börsenzockerei entsprochen hat. Zusammengenommen sowie einzeln viel Geld für mich. Ihre Eltern indes wollten dies Testament so nicht akzeptieren. Ich hätte auf das Geld und den Börsenkram verzichtet, dagegen nicht auf gemeinsame Erinnerungsstücke. Daher gab es eine heftige Auseinandersetzung. Wohl durch einen Anwalt, einen Gutachter haben sie herausgefunden, daß Franziska alles korrekt abgefaßt und aufgesetzt hatte. Deshalb lediglich wurde letztlich auf eine Anfechtung verzichtet. Wie ich waren sie komplett fertig über ihren Tod. Es hat bei uns allen gedauert, bis wir diesen so halbwegs akzeptiert haben.
Ihr Vater hatte Franziska auch von Zeit zu Zeit Tips für ihre Zockerei an der Börse zukommen lassen. Völlig überraschend hat er sich vor einiger Zeit bei mir gemeldet, ob ich bei der Spekulation überhaupt noch dabei sei. War ich derweil nicht, dieses ganze Brimborium war mir nicht wichtig, Chichi hin, Tamtam her, Pipapo rundherum ums goldene Börsenkalb – Buheieiei!
Andererseits fragte ich mich da bereits, was mir überhaupt noch wichtig sei. Körper und Hirn funktionierten zwar so von Tag zu Tag, sonst allerdings war da wenig an Gefühl, erlebtem Leben in mir verblieben. Nun hatte er Kontakt aufgenommen, daher sollte er gewiß nicht noch mehr verletzt werden. Für mich war es Ablenkung, für ihn vielleicht ebenso. Daher sah ich mir mein Depot an, gab ihm den aktuellen Stand durch. Seitdem versorgt er mich manchmal mit Tips. Ich bin folglich wieder mäßig aktiv, nicht so engagiert wie zusammen mit Franziska, es läuft jedoch im Schnitt ganz gut. Meine Lage hat sich also überraschend beruhigt. Franziskas Mutter ist allerdings noch schwer angeschlagen, soll deshalb nichts davon wissen.“

Ich schluckte betroffen, fragte nach: „So dringend ist es somit also keineswegs mehr mit den Auftritten sowie den Spezialbehandlungen?“
Jimena bestätigte: „Stimmt so gesehen durchaus. Derlei Aktivitäten lenken einerseits ab, wie ebenso mein Job an der Uni dies tut, ist zudem ähnlich interessant, wenn auch auf deutlich andere Weise. Ich habe das gebraucht, wollte Halt, Regelmäßigkeit etablieren, wollte bloß funktionieren. Andererseits machen mir diese Kontakte ebenso Spaß, Auftritte sowie Spezialbehandlungen sind Herausforderungen, dabei ergibt sich immer eine besondere Atmosphäre mit eigenartigen Menschen, welche mich interessieren, schon obendrein die scheinbare Macht als Herrin, genauso diesbezügliche Verantwortung, Kontrolle. Gewissermaßen bin ich als Herrin überdies eine Verpflichtung eingegangen, somit wäre eine Verletzung dieser schändlich. Dies ist natürlich nicht wortwörtlich zu interpretieren, hat gleichwohl gereicht, meinem Alltag neben dem Studium Struktur zu verleihen, einen Halt durch Verpflichtungen, um mich durch diese traumatische Zeit nach dem Unfall zu bringen. Für mich sind derlei Nebenbeschäftigungen im Rotlichtmilieu ohnehin keinerlei Problem. Die Tanzerei habe ich sowieso eingeschränkt, ebenfalls bei den Spezialbehandlungen mache ich mich etwas rarer.
Sind diese Aktivitäten ein Problem für dich, möchtest du dahingehend einen Konflikt aufbauen?“

Keck nun mein Grinsen: „Meine Meinung: so geplant bekommen wir einen Streit nicht hin. Würde wohl nicht authentisch wirken. Damit werden wir eben Geduld haben müssen. Eigentlich hat mich schon beides fasziniert, dein Auftritt und jene Spezialbehandlung. Wenn solcherlei auch nicht geradezu meine Welt ist. Vorschläge werde ich mir von dir selbstverständlich anhören.
So wird es also wohl ebenfalls nicht gelingen, einen ordentlichen Streit vom Zaun zu brechen!“
Sie lachte, erwiderte: „Tja, folglich müssen wir in Harmonie der Probleme harren, welche kommen mögen und derweil hoffen, daß wir bei gegebenem Anlaß die Kurve kriegen …“
Meine Antwort darauf: „Ich behalte dies im Hinterkopf, werde gegebenenfalls auf einen konstruktiven Dialog setzen, versprochen!“
Sie versicherte: „Ich gleichfalls, bestimmt. Somit wissen wir also wenigstens theoretisch, was getan werden müßte, wenn ein Konflikt aufkäme.“
Wir kosten uns sanft, vorsichtig, mehr eine anschmiegsame Umarmung, bei welcher unsere Hände artig auf dem Rücken der anderen verblieben und nichts darüberhinaus erforschten. Sanft schubberte aber doch heiße, weiche Haut übereinander. Wir genossen diesen intensiven Reiz unserer schlichten, innigen Zweisamkeit.

Jimena bohrte nach: „Wo wir nun schon bei Franziskas Eltern waren – hast du deinen bereits von mir sowie unseren gemeinsamen gefährlichen Spielchen erzählt?“
Ich knuffte sie leicht, aber lieb: „Meine Eltern würden fraglos gerne sehen, wenn ich Freunde hätte, also insbesondere im Studium. Bin ja deinem Rat gefolgt, habe so immerhin nützliche Bekanntschaften geschlossen. Nicht nur nützlich, wir kommen gut miteinander aus, gemeinsame Interessen, im Weiteren mal gemeinsam zur Mensa, eine lockere Gruppe, gute Stimmung, keine lästigen Annäherungsversuche, also sehr gut. Dies Bekanntschaften haben alle ihren Zweck, eine ziemlich klar definierte Funktion. Darauf aufbauend habe ich ganz gut hinbekommen, lockere soziale Kontakte zu knüpfen. Dies ist ein großer Erfolg, welcher wesentlich dir zu verdanken ist. Du hast mich in die richtige Richtung geschubst, ich bin da gerade noch zur richtigen Zeit hineingestolpert. Von den neuen Kontakten beim Studium habe ich erzählt, darüber haben sich meine Eltern gefreut.
Gut, unsere Abenteuer habe ich einstweilen ausgelassen, dich lediglich unverfänglich unter neue Bekanntschaften ohne weitere Angaben zur Einzelperson subsumiert.“
Jimena lachte, knuffte mich zurück: „Ja, Beichten unserer Aktionen könnte heikel werden. Jenes Abenteuer auf dem Baukran, innerhalb jener Etablissements, da wären deine Eltern sehr beeindruckt von deinen studienbegleitenden Aktivitäten.“
Wir lachten beide, ich meinte: „Daher bist du mir also nicht böse, wenn wir uns noch ein wenig Zeit lassen, bis sich eventuell von selbst eine Gelegenheit ergibt, wo du sie kennenlernen kannst?“
Sie antwortete: „Dieser Vorschlag ist komplett in Ordnung. Meine Erfahrungen mit Eltern sind nicht sonderlich ausgeprägt. Von daher hast du dabei eindeutig die Kompetenz, besonders mit deinen. Will auch keinen schlechten Eindruck machen …“
Ich rubbelte sanft über ihren Kopf: „Siehst schon ein bißchen verwegen aus. Wenn da dein Haar drüber wächst, wirst du bereits als elterntauglich durchgehen. Meine sind nett, beherrscht, lieb. Also, meine Eltern sind nicht so die Kuscheltypen, bieten aber Verständnis, ein sicheres Zuhause, Familie ohne Zweifel. Wenn wir sie nicht gleich verschrecken, wird das laufen …“
Jimena versicherte: „Bis zu einer Stoppelfrisur wird es nicht so lange dauern. Und die Farben vergehen. Auf dem Kopf, Hals und Händen wollte ich es mindestens aufgeben. Für Auftritte gibt es auch kurzlebige Kosmetik. Die Zeit meiner Trauer ist vorbei. Es verblaßt allerdings nur langsam, wie die Trauer selbst. Wenn du mitmachst, werden wir vielleicht ein bißchen nachhelfen.
So halb verblaßt sieht diese Bemalung ohnehin blöd aus, also wenn schon, dann sollte diese wenigstens binnen einer Woche weg sein!“
Meine Bestätigung kam sofort: „Klar helfe ich gerne. Obgleich mich deine Bemalung anfangs verunsichert hat, habe ich mich längst dran gewöhnt. Nun bin ich bereits deutlich neugieriger, wie du ohne Bemalung aussiehst, somit obendrein oder vielmehr obendrauf mit Haaren. Das wird bestimmt ebenfalls sehr hübsch aussehen …“
Sie kitzelte mich durch: „Als sehr hübsch hat mich damit noch niemand bezeichnet, das ist Premiere, aber dir will ich es glauben …“
Ich kitzelte zurück, wir lachten beide, alberten fröhlich herum.

Als wir uns wieder beruhigt hatten, geschmeidig aneinanderhingen, hatte Jimena noch ein praktisches Angebot parat: „Eigentlich war dies bereits mehr als genug Aufregung für heute.
Aber vielleicht doch noch: Ein ganz klitzekleiner Gutenachtkuß?“
Mir wurde schwummrig, schaute sie kurz an, schluckte, das war noch mehr, aber ich wollte!
Ja, ja. Verzagt nickte ich kurz, näherte meine Lippen bereits den ihren. Es war nur eine zarte Berührung, scheu und so gerade eben. Wir zuckten nicht einmal zurück. Das bißchen reichte für sehr schöne Gefühle. Wir hielten uns noch fest umschlungen und genossen, daß wir zusammen waren, uns einig. Ich kannte in der Hinsicht bestenfalls ein bißchen Theorie sowie Anschauung. Mit Franziska hatte Jimena gewiß wildere Spiele getrieben, hatte bestimmt reichlich Erfahrung mit ihr. Mit mir war sie ganz sanft, zurückhaltend. Es war etwas Neues, ein Neuanfang, etwas ganz anderes. Nichts, was überstürzt werden wollte wie eines unserer gefährlichen Spielchen, stattdessen langsam mit jedem Detail genossen.

Anhang: Kurzform des Textes ‚Gefährliche Spielchen‘

Diese Geschichte ist ursprünglich für einen Wettbewerb zum Thema ‚gefährliche Spiele‘ entstanden. Bereits zur Schreibphase seiner Rohfassung hatte der Urtext mehr als zweiundzwanzigtausend Wörter, jener Wettbewerb erlaubte allerdings maximal neuntausend Wörter. Von daher wurde eine Abspaltung vorgenommen, diese zu folgender Kurzform überarbeitet. Durch eine eigene Struktur, den eigenen Stil ist diese Kurzform trotz im Wesentlichem gleichem Handlungsablauf als Variation des ausführlicheren Textes anzusehen, hat also eigene Aspekte, Varianten sowie Schwerpunkte.

Am Fluß

Gerade hatte mein Studium begonnen. An diesem Tag des Wochenendes hatte ich bereits seit Stunden über Übungszetteln gegrübelt.
Genug davon, Pause!
Also Jacke an und los, raus aus dem Studentenwohnheim, weiter zum Fluß zu meiner Lieblingsstelle. Erstaunt meine Feststellung: Dort saß bereits jemand. Die Kleidung war abgenutzt, jedoch sauber. Der Anblick des Kopfes verunsicherte mich, kahlgeschoren, mit Tätowierungen drauf.

Mir war unheimlich bei dem Anblick. Also wollte ich mich leise zurückziehen. Diese Gestalt hatte mich allerdings bemerkt, drehte sich, eine Frau, etwas androgyn vielleicht, mochte allerdings auch am kahlen Kopf liegen. Ihr Blick wirkte ebenfalls unheimlich.

Sie meinte: „Keine Panik!
Werde dich nicht auffressen!“
Sie lachte kurz auf. Schlucken meine Reaktion, sie winkte mich heran. Ich konnte mich ihrer Wirkung nicht entziehen, stolperte auf sie zu.
Sie: „Habe dich hier schon gesehen.
Wohl auch aus dem Studentenwohnheim?
Erstsemester?“

Unsicher mein Nicken dazu.
Sie: „Heiße Jimena, ebenfalls Studentin, bin schon länger dabei, wohne ebenfalls im Silo. Kannst dich ruhig setzen.“

Unsicher war ich noch, fasziniert ebenfalls, hockte plötzlich neben ihr.
Meine Antwort: „Manuela, wirklich erstes Semester.
Woran hast du das erkannt?“
Sie: „Habe dich erstmals diesen Herbst hier gesehen. Zudem wirkst du noch ein wenig verloren, wie ins kalte Wasser geworfen …“
Bestätigung meinerseits: „Ja. Aber komme schon klar. Hätte nicht gedacht, daß du ebenfalls studierst …“
Sie sah mich mit stechendem Blick an. Ihre Iris war schwarz.
Sie: „Hmmmm.
Vorurteile?“
Tiefes Durchatmen meinerseits, daraufhin meine verlegene Antwort: „Ist bloß so rausgerutscht. Ungewöhnlich siehst du schon aus.“
Sie zuckte ihre Schultern: „Meine Erscheinung – hat so seinen Grund. Nicht zum Erschrecken kleiner Mädchen gedacht.“

Meine Entschuldigung: „Wollte dich nicht stören!“
Sie lachte kurz: „Ist ein freies Land. Zudem habe ich dich herbeigewunken.“
Erwiderung meinerseits: „Habe auch nicht so viele Kontakte, eher Einzelgängerin. Schwierig, zu Beginn des Studiums Freundschaften zu schließen.“
Jimena: „Gerade jetzt laufen reichlich Kommilitonen mit dem gleichen Problem herum.
Derart fein herausgeputzt, hübsch, da sollten sich doch Interessenten finden?“
Meine Entgegnung: „Haben doch alle genug mit dem Studium zu tun …“
Sie: „Gerade am Anfang lohnt sich Zusammenarbeit in Gruppen, sonst wird studieren wirklich hart. Solltest dich also umsehen, deswegen Kontakte knüpfen. Korrigiere selber übrigens Übungen, kenne dies Drama gut.“
Erstaunte Bemerkung meinerseits: „Du als Hiwi – da wäre ich noch unsicherer, etwas nachzufragen!“
Bei ihr blitzte kurz ein Grinsen auf: „Tja, mir kommt auch keiner dumm. Bespreche Fragen sachlich, kann also jeder gerne kommen, wenn was unklar ist.“

Jimena genoß die Sonne mit geschlossenen Augen. Ich schwieg, betrachtete sie fasziniert.
Nach einer Weile schaute sie zu mir, fragte: „Gehen wir ein Stück?“
Nicken von mir.

Ein wenig Mut oder Zutrauen mehr hatte ich doch, fragte nach dem Muster auf ihrer Haut, den Augen. Ihre Auskunft: Ziemlich dauerhafte Bemalung, Effekt-Kontaktlinsen. Ursache sei ein psychischer Tiefpunkt gewesen.

Jimena hatte abgebrochen. Ich wagte nicht nachzufragen.
Ein paar Minuten später schaute sie mich schräg von der Seite an, zischte heraus: „Nun frage schon!“
Schlucken meinerseits, Antwort: „Also gut, warum hast du das gemacht?“

Jimena atmete tief durch: „Habe bislang alles in mich hineingefressen. Bisher, nur diese äußeren Merkmale meiner Trauer.“
Schüchternes Nachhaken von mir: „Trauer?“

Auf das Stichwort hin erläuterte sie: „Meine Freundin Franziska ist gestorben, vor Monaten. Ein Auto hat sie in der Stadt erwischt, mich nicht. Fahrerflucht.“
Ich war geschockt, schwieg.

Jimena fuhr fort: „Ein Autorennen, wir mit Rädern unterwegs, hatten das Geräusch nicht richtig zugeordnet. Plötzlich Peng! und vorbei. Franziska hatte es seitlich erwischt, herumgewirbelt, Kopf an eine Bordsteinkante. Völlig idiotisch, denn wir sind trainiert, keinesfalls blödsinnig auf den Kopf zu schlagen …“

Nachfrage meinerseits: „Trainiert?“
Sie: „Wir haben eben gerne irre, riskante Sachen gemacht, gefährliche Spielchen. Wollten das Leben spüren, uns Gefahren stellen. Das Gefühl von Freiheit, der Rausch des Triumphes über überstandene Gefahren. Waren Adrenalin-Junkies. In jener Nacht waren wir müde, wollten Heim. Also keine unserer Aktionen, hätte so jeden erwischen können. Wir haben so den Moment verpaßt, wo es wirklich drauf ankam. Wir haben versagt, Franziska hat es erwischt.“

Nach etwas Schweigen meine Nachfrage: „Was für gefährliche Spiele?“
Wir waren bei einer Brücke über den Fluß angekommen. Sie schloß die Taschen ihrer Jacke, nachdem sie auch ihr Mobiltelephon umsortiert hatte. Mit Schwung stemmte sie sich auf das Geländer dieser Brücke hoch zum Handstand.
Sie stieß hervor: „Einfaches Beispiel!“

Mein Mund war aufgerissen. Das war doch Wahnsinn, dort ging es einige Meter hinunter. Der Fluß ist zudem dort weder breit noch tief.
Sie: „Fokussiert bleiben, einen Plan B haben, so etwa!“
Sie kippte, also von der Brücke weg, blieb allerdings keineswegs steif ausgestreckt, hing mit einer Hand am Geländer, pendelte, um kurz darauf bereits wieder über das Geländer zu wirbeln.

Ich atmete hörbar tief durch, war fasziniert, wie auch bei mir erst Panik hochstieg, jedoch ebenso dieses Glücksgefühl der Erleichterung danach. Ein weiterer eleganter Satz und sie balancierte erneut auf dem Geländer.
Sie: „Derlei haben wir gemacht. Fassadenklettern ohne Sicherung, auf Gebäudedächern balancieren.
Franziskas Familie hat Geld. Also ebenso ausprobiert: Bungee, Fallschirmsprung, Skiabfahren in ungesicherten Gebieten, Fahrradabfahrten, Wildwasserkajak. Harmlosere Sachen, eher Mutproben für Franziska waren so Sachen wie Strippen in einschlägigen Lokalen, erotischer Tanz. Meinerseits sowieso bereits praktiziert, zur Finanzierung des Studiums. Franziska hat gleichfalls mitgemacht, nachdem wir erst in Streit geraten waren wegen der Finanzierung unserer Eskapaden. Wollte mich keinesfalls vom Geld ihrer Eltern abhängig machen. Daher hat Franziska mitgemacht.“
Am Ende der Brücke angekommen, sprang sie wieder ab.

Ich war immer noch erschrocken, bin ein Schisser. Alleine ihre Aufzählung ließ mich frösteln. Dazu diese erneute Vorführung auf dem Geländer.
Jimena hatte meine Faszination bemerkt: „Interesse an gefährlichen Spielchen?“

Etwas später kamen bei mir die Worte zurück: „Hätte dazu zuviel Angst. Kann das aber nachvollziehen.“
Jimena nickte, schaute mich prüfend an: „Siehst fit aus.
Im Schulsport kamst du ganz gut durch?“
Mein Kopf nickte als Antwort.

Sie: „Nach Franziskas Tod war ich so fertig und am Ende, da wurde alles überdacht.
Was hatten wir damit erreicht?
Nichts!
Habe darum aufgehört. Ohne Franziska hatte das ohnehin keinen Sinn mehr.
Aber wenn du Lust hast, also mit Sicherung oder harmlose Sachen - könnten wir machen!“

Springen

Das Wochenende darauf fand ich mich zu meiner eigenen Überraschung in einem Hallenbad wieder, zusammen mit ihr. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich spontan Interesse bekundet. Bislang hatte Jimena noch nichts verraten. Abwechslung kam mir gelegen.
Oder wollte ich etwa Eindruck machen?

Jimenas kompletter Körper war mit diesen abstrakten Mustern überzogen. Sie trug dazu einen farblich passenden, sehr knappen Bikini. Ihr Körper war sichtlich durchtrainiert, sportlich, fast schon athletisch. Dazu bewegte sie sich katzenartig geschmeidig. Mein braver Bikini hingegen repräsentierte den Kontrast dazu, harmlos, lieb.

Nachhaken meinerseits: „Welches Spielchen hast du mit mir vor?“
Sie zeigte auf die Sprungtürme im anderen Bereich des Hallenbades.
Schlucken meinerseits, da runter?
Wir zogen ein paar Bahnen im normalen Becken.

Jimena wies bald auf den Ausstieg, schwamm voran. Neben dem Becken unterhielt sie sich noch kurz mit ihrem Bekannten Bernd, dem Bademeister.
Dieser hatte tatsächlich jenes andere Becken mit den Sprungtürmen für uns reserviert!
Meine Knie zitterten.

Als wir hinübergingen, kamen ein paar Jungs hinzu, fragten neugierig, wollten ebenfalls springen. Bernd reichte Jimena eine Badekappe mit Aufschrift ‚Aufsicht‘, meinte zu den Jungs, Jimena sei verantwortlich. Bernd schloß die Sperrvorrichtung zum großen Sprungturm auf, dieser hatte zwei Absprungmöglichkeiten, die höchste fast unter der Decke, die zweite ungefähr auf halber Höhe. Dazu gab es noch kleinere Sprungbretter auf zwei weiteren Höhen. Bernd zog sich zurück, die Jungs bettelten bei Jimena.

Diese gab nach, erläuterte, zentraler Punkt sei, mich dazu zu bringen, vom höchsten Sprungbrett zu hüpfen. Dies wollten diese Jungs ebenfalls.
Bei mir herrschte hingegen ein sehr flaues Gefühl im Magen, welches besagte: ‚Auf keinen Fall.‘
Andererseits wollte ich vor ihr keinesfalls kneifen. Mein Puls ging hoch. Ich traute mich nicht zu kneifen.
Jimena erklärte: Drei Sprünge, Füße voran, Kopfsprung, Wasserbombe. Die vorlauteren Jungs hielten dies vom niedrigsten Brett für Kinderkram. Jimena bestand darauf, um Benehmen zu prüfen. Weil die Jungs springen wollten, fügten sie sich.

Jimena hatte aber sowieso ihre ganze Aufmerksamkeit. Ihre ganze Erscheinung beeindruckte. Meiner Aufmerksamkeit entgingen deutliche Ausbeulungen in den Badehosen dieser Burschen keineswegs, teils wurden verschämt Hände davorgehalten.
Jimena hatte dies genauso bemerkt, flüsterte in mein Ohr: „Wir scheinen Fans zu haben.
Solltest du einen süß finden, kannst ruhig mit diesem kurz verschwinden, um Spaß zu haben!“
Verblüfft mein Blick zu ihr, wisperte zurück: „Das gilt nur dir!
Die beachten mich doch nicht!“
Sie: „Unfug, die haben Schiß vor mir, du hingegen bist süß, da hätten sie schon Lust!“
Meine Entgegnung: „Meinerseits aber bestimmt kein Interesse!“
Jimena sah mich an, schmunzelte einen Moment, strich so eben mit ihrer Hand über meine Schulter. Was mir vorkam, als hätte mein Leib einen Schlag bekommen, ein eigenartig kribbelndes Gefühl.

Wir zogen unser Programm durch, kein Problem bei dem niedrigsten Sprungbrett, selbst für mich. Kopfsprung verlangte indessen bereits mehr Mut. Alle hatten sich immerhin benommen, deshalb entschied Jimena den Wechsel zum nächsthöheren Sprungbrett. Wir sollten ohne Anlauf springen.

Immerhin war unser erster Sprung mit den Füßen voran, trotzdem Nervosität meinerseits, wollte mich allerdings nicht blamieren, daher Sprung Abwärts, schnell Platsch!
Automatisch hatte mein Körper korrekt Haltung angenommen.

Das Mehr an Zeit war beim Kopfsprung von Vorteil.
Unsere Jungs waren lustig dabei, hatten Spaß!
Ordentlicher Respekt dominierte bei mir. Mein Blick traf den von Jimena. Dieser zog mich förmlich vom Brett. Zu meiner Überraschung tauchte mein Körper genau so ein, wie sie dies erklärt sowie vorgemacht hatte.

Die Wasserbombe aus der Höhe ließ deutlicher spüren, daß es schlecht ist, aus noch größerer Höhe völlig unkontrolliert mit empfindlichen Stellen aufzukommen. So wechselten wir also auf den richtigen Sprungturm, zunächst auf die nächsthöhere Höhe. Unsere Jungs zogen den einfachen Sprung mit den Füßen voran durch. Mir ging es nicht gut. Dort oben war das Wasser ziemlich weit weg, das Becken wirkte deutlich kleiner. Ich wollte kleinlaut den Rückweg antreten. Jimena hatte das bemerkt.
Bestimmt befahl sie: „Manuela!“
Dies ging durch wie ein elektrischer Schlag, ohne Überlegung schubste dieser mich in die Tiefe.
Panik!
Dennoch ängstlich, automatisch die geübte Körperhaltung.
Platsch!
Dabei wurde ordentlich Adrenalin freigesetzt, ein kleiner Rausch. Ich hatte es wirklich getan, fühlte mich befreit, klarer, mutiger, anders. Jimena war ebenfalls zufrieden mit mir. Als ich aus dem Becken heraus war, streichelte diese sanft lobend wieder meine Schulter, daß alles ordentlich kribbelte.

Den Kopfsprung wagten auch alle Jungs. Akkurates Eintauchen klappte nicht bei allen perfekt, aber gut genug, um Blessuren zu vermeiden. Schiß meinerseits, als ich als letzte oben stand. Zögern, zittern, wollte mich allerdings auch keineswegs blamieren. Wieder ein Blick von Jimena, welcher mich hinabzog. Harter Aufschlag meiner Hände, darauf meines Kopfes. Aufgetaucht schenkte Jimena mir ein anerkennendes Nicken. Sie hatte mitbekommen, welche Angst mir innewohnte. Als Belohnung wieder ein ordentlicher Rausch, ein richtiger Schub.

Den hatten die Jungs auch, alle machten heldenhaft eine Wasserbombe, prusteten, denn aus der Höhe merkt man auch bei korrekter Haltung, daß die Angelegenheit härter wird. Ermutigt durch den Kopfsprung, noch berauscht mein Sprung, diesmal mit Anlauf, ohne Zögern. Mein Aufschlag war ein kleiner Schock, aber auch gut, befreiend, dies Wagnis riskiert sowie überstanden zu haben.

Nun war das höchste Sprungbrett an der Reihe. Wir wußten von der vorherigen Höhe, daß Fehler kein Spaß mehr wären. Unser erster Sprung lief also diszipliniert ab. Optimal kamen nicht alle auf, jedoch gut genug, also ohne Zwischenfall. Für mich war diese Höhe Grauen schlechthin, auf dieser Höhe am Abgrund stehen, fern unten jenes viel zu kleine Becken mit dem Wasser, von dem klar war, wie unangenehm mein Aufschlag werden mußte, wenn ein Fehler passieren würde. Mein Körper zitterte, stand am Rand, wartete diesmal aber nicht auf Jimenas strengen Blick.
Sprung!
Mein Leib erstarrte beim Einschlag, welcher jedoch akkurat klappte. Mein Kopf brodelte im Rausch. Dies sah mir Jimena nach dem Auftauchen auch an, sie lächelte länger, abermals heftiges Prickeln, als sie lobend sowie zart mit ihrer Hand über meine Schulter fuhr.

Als die Jungs sprangen, war ich nicht so richtig bei der Sache, noch benommen in meinem Rausch, aber genauso in Panik, als nächstes kopfüber?
Aus der Höhe?
Immerhin, mein erster Sprung aus dieser Höhe war geschafft. Beim Hinaufklettern indes wurde mir klar, aus dem Stand würde mir solch ein Sprung nicht gelingen. Daher setzte ich mich in Bewegung, schnell genug, um an der Kante nicht mehr anhalten zu können. Meine Drehung erfolgte aus dem Schwung heraus.
Haltung!
Einschlag!
Oben sowie wieder aus dem Wasser konnte ich mich nicht mehr halten. Zitternd war ich bei Jimena, deren Arme mich sanft umschlossen. Es brannte förmlich auf meiner Haut, wo wir uns berührten, aber ein gutes, wohliges Gefühl stellte sich dabei ein.

Bei der Wasserbombe verzichtete einer ganz, einer zauderte gleich mir. Jimena zuckte ihre Schultern, lächelte milde. Also kein Problem, wenn ich passen würde. Ich nahm all meinen Mut zusammen, stieg trotzdem hinauf.
Gleich loslaufen, sofort springen!
Mein Aufschlag wie erwartet unangenehm, anschließend kam allerdings der Rausch.

Damit war dies Spiel überstanden. Sie hatte mich jedoch wirklich angefixt.

Balancieren

Am Sonntag waren wir wieder in der Nähe des Wohnheims unterwegs. Wir bogen ab, auf einen Trampelpfad durch höheres Gestrüpp. Unser Ziel lag zwischen zwei Bäumen. Wir traten das Gras zwischen den Bäumen flach. Danach kam ein Gurtband aus Jimenas Rucksack zum Vorschein, ein sogenanntes Schlaffseil. Wir spannten den Gurt zwischen den beiden Bäumen weniger als einen Meter über dem Boden. Wir übten am Boden gekonntes Abrollen.

Anschließend führte sie balancieren auf dem Gurt vor, erklärte. Hernach begannen meine Versuche. Schon Aufsteigen ohne Hilfe ist mitnichten einfach. Daher half sie erst noch, hielt mich noch in der Balance. Immerhin ist dieser Gurt breit. Weil er jedoch durchhängt, ist er bei jeder Bewegung anders. Konzentration war gefragt.

Weitere Erklärungen, ebenso Tips folgten prompt. Überraschend für mich ließ ihre Hand dann einfach los, alleine klarkommen also ihre Forderung. Nicht so überraschend, daß alles schnell heftig wackelte, trotz ihrer Erklärungen, wie dies zu vermeiden sei. Aufgeregt mein Lachen, hielt noch kurz durch, als der Gurt zunehmend zur Seite pendelte. Dann begann das Lossegeln. Die Angelegenheit mit dem Abrollen war jedoch keinesfalls vergessen, gerade noch so kam mir dies in den Sinn zurück, deshalb konnte ein blöder Aufprall gerade noch vermeiden werden, eindeutige Erkenntnis dabei, daß beim nächsten Abflug besser aufgepaßt werden sollte. Jimena lachte. Der Ehrgeiz hatte mich gepackt, balancieren, abrollen bis zur Erschöpfung. Letztlich packten wir zusammen, schlenderten weiter über die Wiese.

Überraschend für mich kamen wir wieder an jener Brücke heraus, auf welcher sie bei unserer ersten Begegnung vorbalanciert hatte.
Jimena grinste frech, wies aufs Geländer: „Und?
Riskierst du’s?“
Erschrocken starrten meine Augen sie an!

Wollte sie wirklich, daß ich das mache?
Sollte ich?
Kneifen?
Meine Gedanken rauschten, blitzten, wirbelten durch meinen Kopf. Mein Haupt schüttelte sich verzagt, mutlos, ablehnend.

Jimena zeigte mit dem Finger auf mich, lachte, meinte daraufhin: „Dein Gesichtsausdruck!
Zu köstlich, unbezahlbar!
Natürlich wirst du das nicht machen. Derlei wäre idiotisch. Dazu bist du nicht geübt genug. Auf einem Geländer hast du nicht ansatzweise geübt. Diese Umgebung, jene Tiefe beeindruckt psychologisch ganz anders als eine Wiese.
Überdies vergessen?
Plan B müßte sitzen, überhaupt vorhanden sein, tut er dies etwa?“

Dazu mein verlegenes Kopfschütteln. Jimena kam heran, umarmte mich kurz tröstend auf den Schreck hin. Wider Erwarten wurde diese Prüfung also meinerseits bestanden. Dies hatte mir überraschend erneut einen erheblichen Adrenalin-Schub verschafft. Nach dem Schrecken fühlte sich ihre kurzen Umarmung wundervoll an.
Waren wir jetzt Freunde oder so?
Dies würde mir sehr gefallen.

Klettern

Der nächste Samstag führte uns mit Rädern lediglich zu einem größeren Sportgelände mit einer Halle. Diese Sporthalle war geräumig, eine gemischte Gruppe war an mehreren Kletterwänden aktiv. Da kam mir eine Ahnung. Jimena bat mich allerdings zu ein paar Matten hinüber. Wir wiederholten jene Übungen mit dem Abrollen. Jene anderen Leute beachteten uns nicht. Der Bewegungsablauf war mir in Erinnerung geblieben. Sie zwar ganz zufrieden mit mir, schaute auf ihre Uhr, nickte.

Anschließend kam eine Kurzeinweisung Selbstverteidigung zusammen mit ein paar anderen Frauen aus jener Klettergruppe. Jimena referierte, führte eine Kampfposition vor.
Sie führte aus: „Werdet ihr bedroht, ist einzig wichtig: Angreifer im Auge behalten, Fluchtwege suchen, abschätzen, ob ihr schneller weg sein könntet als eure Angreifer euch erreichen können. Ansonsten ist ein selbstsicheres, entschlossenes Auftreten euer erster Schlüssel zur Rettung. Dazu wird die Kampfposition eingenommen. Der Gegner soll gleich wissen, einen Angriff muß er mit Schmerzen bezahlen. Dies schreckt viele Idioten sowie Dummköpfe bereits ab, also Eindruck machen. Wenn diese Strategie nichts hilft, dient die Position eurer Abwehr. Wenn ihr erst angegriffen werdet, ist eure Priorität überleben. Rücksicht auf Angreifer ist erst gefragt, wenn diese am Ende sind, nicht mehr angreifen können. Abstand halten, aufmerksam bleiben. Kampf ist kein faires Spiel.“

Schlucken, Vorbehalte meinerseits. Jimena sah mit ihrer Kriegsbemalung sowieso gefährlich aus. Diese würde ohnehin niemand anzugreifen wagen. Nun wurde geübt.

Nachdem sie uns dazu gebracht hatte, diese Kampfposition überzeugend darzustellen, gab sie sich damit zufrieden. Daraufhin folgten Beispiele zusammen mit ihrer Bekannten Bettina aus der Gruppe, wie auf einen bestimmten Typ von Angriff zu reagieren wäre. Jimena, samt Schutzkleidung, griff an, Bettina reagierte. Nach ein paar Wiederholungen waren wir dran mit Übungen, verlangsamter Bewegungsablauf, um alles zu verinnerlichen. Schnelle Reaktionen wurden geübt, geschicktes, agiles Ausweichen, später genauso, den Bewegungsimpuls des Gegners zum eigenen Nutzen zu verwenden. Jimena empfahl den Damen zum Ende dieser Kurzeinweisung, den Besuch eines richtigen Kurses.

Jimena nickte mir anerkennend zu, nächster Programmpunkt. Meine Kondition hatte sich schon bei diesen Übungen verausgabt. Nun wies sie zu einer Kletterwand.
Sie meinte: „Für Anfänger. Zeige dir ein paar Griffe und Techniken an der Wand, anschließend jagst du hoch. Unten liegt eine dicke Matte drunter, kann nichts passieren. Du denkst ans Abrollen.“
Also klettern. Die einfache Wand ging, einschließlich einiger Tips von ihr gelang sogar der Aufstieg.

Jimena hatte zum Glück eine Pause für mich eingeplant. Bettina sicherte Jimena. Diese kletterte geschickt an der Expertenwand, klebte förmlich an dieser Wand.

Als sie wieder unten war, hatte ich mich erholt. Jimena wies zu einem freien Stück Wand, der nächste Schwierigkeitsgrad nach der Anfängerwand. Diesmal sicherte sie mich. Ehrgeizig rappelte ich mich hoch, sah mir die Wand in aller Ruhe an. Meine Fragen galten Tips zu bestimmten Stellen, daraufhin folgten von ihr weitere Erklärungen. Ein Stück weit bin ich hochgekommen. Etwas gemein war diese Wand schon, denn unten war diese noch einfach, nach oben stieg die Schwierigkeit. So hing ich in dieser Wand, kam nicht mehr richtig voran. Ich riskierte zuviel, baumelte von einem Moment zum anderen am Sicherungsseil. Das ist ein blödes Gefühl, in dem Moment hatte ich verdrängt, daß ich am Seil hing, hatte mich reflexartig darauf vorbereitet, unten per Abrollen den schlimmsten Schmerz zu vermeiden. Mein Körper sackte bloß ein Stück durch, pendelte daraufhin aber munter sowie komplett hilflos vor der Wand. Sie ließ mich langsam und lachend herunter, nahm mich lobend und sanft in den Arm. Ihre Nähe fühlte sich gut an, wie eine Erlösung, auch weil diese Umarmung etwas länger dauerte als jene zuvor.

Abfahrt

Am nächsten Tag, dem Sonntag, fanden wir uns mit Fahrrädern auf einem größeren Hügel in Stadtnähe wieder. Ziemlich weit oben hielten wir. Dort hing eine Karte. Darauf abgebildet stand eine Abfahrt durch dieses Gelände für Fahrräder. Nun war mein Rad kein Mountain-Bike, sollte aber trotzdem gnadenlos den Hang hinunter. Jimena packte zuvor allerdings ihren großen Rucksack aus. Sorglich hatte sie zwei Helme sowie Protektoren besorgt.

Meine Augen starrten wahllos zwischen dieser Schutzausrüstung, jener Karte sowie dem Beginn der Abfahrt hin und her. Diese Sache sah ziemlich übel aus.
Sie grinste mich an: „Abermals zu köstlich, wie du guckst. Da lugt Panik hervor. Zunächst deine Schutzausrüstung. Nimmst mein Rad, deins bleibt mir, wir drehen eine Runde zur Eingewöhnung. Anschließend geht unsere Fahrt los, du voran.“
Lachen ihrerseits. Schlucken meinerseits als Reaktion, danach Studium der Karte. Getan wie gesagt. Immerhin gab es unterwegs ein paar Markierungen.

Kurzum, insgesamt eine Horrorfahrt. Diese Markierungen waren zum Glück sehr hilfreich, sonst wäre ich garantiert mehrmals durch die Botanik gesegelt, obwohl keineswegs sonderlich schnell gefahren wurde. An einem Platz machten wir auf etwa halber Höhe Pause. Mein ganzer Leib zitterte erbärmlich. Jimena erkannte mein Elend, näherte sich mir, umarmte mich sanft, rubbelte über meinen Rücken.
Ihr Kommentar: „Hast du doch hervorragend gemeistert, weiß nicht, warum du so zitterst und bebst.“
Von mir kam als Antwort lediglich Schnaufen, Meine Arme umarmten ihren Leib ebenfalls fest, hielten fest.

Als mein Körper sich wieder etwas beruhigt hatte, aßen und tranken wir eine Kleinigkeit. Beim zweiten Teil klappte meine Fahrt einerseits etwas abgebrühter, dieser Teil erwies sich allerdings als etwas schwieriger, zwei Stellen jedenfalls. An einer machte ich einen unfreiwilligen Abstieg, stürzte aber nicht. Jimena war heran, machte eine Vollbremsung. Zitternd mußte ich also wieder aufsteigen und weiterfahren. Ich habe es geschafft. Zitternd ließen meine Hände das Rad umfallen, ,ein Körper sank auf eine kalte, feuchte Wiese. Jimena war gleich bei mir, nahm mich wieder in den Arm. Diese Fahrt hatte mich endgültig geschafft.
Meinen Adrenalin-Kick hatte ich auf jeden Fall!

Etablissement

Den nächsten Samstag kam ich bei Jimena vorbei, welche minimalistisch eingerichtet ist. Wir setzten uns, ihre Erläuterung: „Unser heutiges Abenteuer beginnt erst am späten Nachmittag, reicht bis in die Nacht. An sich kein pauschal gefährliches Spiel, mußt dich gleich hier entscheiden, ob du dich darauf einlassen magst. Kurzum: Ausflug ins Rotlichtmilieu mit zwei Stationen. Kein Problem, wenn du nicht magst.
Sage mir, ob meine Erläuterungen weitergehen sollen!“

Damit hatte sie mich erwischt. Ich bin jedoch gerne neugierig. Allein die Erwähnung ließ meinen Puls ansteigen. Derlei hatte in meiner Vorstellung etwas Verruchtes, Gefährliches.

Mein Blick blieb erst blöd oder ratlos.
Deshalb ihre Ergänzung: „Wir haben genug Zeit zum Üben einer entschlossenen Haltung. Dazu gibt es ein paar Verhaltensregeln von mir. Bei der ersten Aktion bist du nicht immer eng an meiner Seite, aber dort sind andere Leute, Stammgäste mit genauen Vorstellungen, welchen schlechtes Benehmen anderer Gästen keinesfalls akzeptabel ist. Wenn du innerhalb des Etablissements bleibst, wirst du also schlimmstenfalls etwas grob angegangen, bekommst vielleicht einen Klaps auf den Hintern, Angebote, welche du ablehnen kannst oder solltest. Dazu üben wir selbstbewußtes Auftreten.
Bei einer zweiten, noch etwas heikleren Situation sind wir allerdings immer zusammen.“

Ihr Vorgehen war ganz geschickt, meine Neugier zu füttern.
Unruhig meine Reaktion demzufolge: „Erzähl’ schon weiter!“
Schmunzeln daraufhin ihrerseits: „Vermutete schon, daß du genauso neugierig wie mißtrauisch sein würdest. Arbeite nebenbei zur Finanzierung meines Studium. Bezeichnen wir dies euphemistisch als erotischen Ausdruckstanz. Heute wird Akrobatik an der Stange mit Strip zur Aufführung gebracht. Kannst dir denken, mit meiner Körperbemalung besetzt meine Erscheinung dabei die Exoten-Rolle. Es gibt davor sowie danach weitere Aufführungen. Für diese Kaschemme dreht sich wegen des günstigen Eintritts für das Publikum alles darum, daß Getränke konsumiert werden, welche mitnichten günstig sind. Daher besteht eine Aufgabe darin, sich nach einer Aufführung unters Volk zu mischen, um sich etwas ausgeben zu lassen, sich dort unterhalten, mindestens bis zur Aufführung der nächsten Künstlerin, gerne aber auch länger, ist eine Frage der Absprache. Wenn du mitmachst, bekommst du anregende Klamotten, machst allerdings keine eigene Aufführung. Schon im Bikini, ebenso beim Klettern ist mir aufgefallen, daß du eine sehr gute Wirkung hast. Wenn du nebenbei Geld verdienen willst, könnten wir üben. Heute sammelst du nur Eindrücke vom Milieu.“

Schlucken meine erste Reaktion, daraufhin automatisch Wiederholung: „… nur Eindrücke …“
Ihre Bestätigung: „Genau. Also zimperlich solltest du keinesfalls sein, sind dort laut, nicht kleinlich. Deine Aufgabe ist einfach, einen guten Eindruck machen, durch deinen Anblick samt knapper Kleidung erfreuen, etwas ausgegeben bekommen, dich auf Konversation samt grenzwertiger Kalauer einlassen, eben Unterhaltung, Kurzweil mitmachen. Abfüllen lassen solltest du dich keinesfalls. Wäre schlecht, wenn du keinen Alkohol vertrügest. Schlägst etwas Teures mit mäßigem Alkoholgehalt vor, Champagner etwa. Austrinken darfst du, ist allerdings nicht notwendig.“
Unterbrechung meinerseits: „In kleineren Mengen geht Alkohol, ist allerdings mitnichten meine Leidenschaft …“
Ihr Kommentar: „Muß oder soll er auch nicht. Die Typen geben aus, du gibst dich interessiert, trägst zur Konversation bei, nippst sparsam am Glas, bleibst etwas, läßt dich erneut anderweitig einladen. Ist so ein Ritual, meist wird dir zugewunken oder zugeprostet, dann hörst du dir dort an, was abgeht.
Angemacht wirst du ebenfalls werden. Wenn du willst, kannst du darauf eingehen …“
Schnell, entschlossen meine Entscheidung dazu: „Nein!“
Sie lächelte kurz, lobte: „Genau solch klare Ansagen sind dort gefragt. Keine Überreaktion, keinesfalls gleich handgreiflich werden, selbst wenn dort jemand etwas grabbeln sollte, klar und vernehmlich Ansage machen. So setzt du Grenzen. Wenn dies versagt, wirst du notfalls etwas lauter mit deiner Ablehnung, niemals Unsicherheit zeigen. Daraufhin sollten bereits Stammgäste eingreifen, die Situation klären. Im schlimmsten Falle wird der Typ vom Personal vor die Tür gesetzt. Mußt dich also nicht darauf einstellen, selbst in eine Kampfposition gehen zu müssen, um Zudringlichkeiten abzuwehren. Dort mußt du etwas aushalten, Nerven bewahren. Du bist nicht allein und sicher, wenn du das Lokal mit niemandem verläßt. Dort funktioniert soziale Kontrolle. Niemand kommt dort damit durch, irgendwas unaufgefordert in irgendwelche Körperöffnungen zu stecken oder auch unter die Dessous zu greifen, etwa nach den Brüsten oder so. Bei Bedarf oder Sympathie kannst du dies zwar erlauben, dabei genauso klare Ansagen, einschließlich einem eindeutigen Ende.“
Nervöses Lachen von mir folgte daraufhin, hernach meine Erwiderung: „Kann mir nicht vorstellen, daß bei mir diesbezüglich Bedarf aufkäme. Könnte für mich insgesamt ein heftiges Erlebnis werden.“

Jimena lachte: „Geht der erste Punkt trotzdem klar?“
Überraschend für uns beide kam mein Einverständnis.
Daraufhin ging ihre Erläuterung weiter: „Abgehakt.
Zweiter Punkt: Auch dabei geht es keinesfalls um Sex. Vielmehr dreht sich alles um spezielle, skurrile Neigungen. Es handelt sich um eine exklusive Sitzung mit einem Herren, welcher einen gewissen Fetisch hat. Ich bin die Herrin, er der Sklave. Daraus entspinnt sich ein Spiel. Du wärest dabei heute die junge Herrin, welche einerseits vorgestellt wird, andererseits lernen soll, den Sklaven zu dominieren sowie zu führen. Grenzen sowie Möglichkeiten sind abgesprochen. Was passiert, unterliegt meiner Verantwortung. Der Sklave darf unartig sein, denn er will bestraft werden. Alles ist im Grunde jedoch bloß ein Spiel, kein Sex, du dominierst, bestimmst.“
Unterbrechung meinerseits: „Immerhin.
Bin verunsichert, daß du derlei machst!“
Ihr Grinsen folgte als Antwort, darauf: „Was unternimmt die arme Studentin nicht alles zur Finanzierung ihres Studiums. Umgang mit Menschen ist mein Ding.“

Meine Augen schauten bloß groß, mein Mund machte nur: „Oh!“
Jimenas Kopf schüttelte sich: „Nun guck nicht so. Durchgeknallt sowie risikobereit bin ich schon. Und um aufs Thema zurückzukommen: Wenn solch eigenartige Typen erzogen werden, ist ebenso Spaß für mich dabei, Macht, Kontrolle ausüben, hat schon etwas, wenn auch nur innerhalb solch eines Rollenspieles. Respekt mir gegenüber bleibt ebenso außerhalb des Spiels. Habe da meinen Weg gefunden, welcher für diese Aktivitäten gut funktioniert.“

Meine Frage: „Deine Idee ist also, daß von mir unter deiner Aufsicht einer dieser Sklaven ‚erzogen‘ wird?“
Ihre Bestätigung: „Dies ist meine zentrale Idee. Für dich allerdings kommt noch ein besonderer Nervenkitzel hinzu, bei welchem dir Adrenalin bis in deine Haarspitzen kriechen wird: Dieser Typ steht auf Würgen sowie Atemnot. Er wird einen Strick um seinen Hals tragen, welchen du zuziehen wirst. Darauf sind Markierungen für wirkungslos, harmlos, kritisch. Die Schlinge muß richtig sitzen, eingedrückter Kehlkopf etwa wäre für ihn zwar noch ein heftiger Spaß mit Atemnot für seine letzten paar Minuten, wir hätten allerdings eine Menge Ärger am Hacken, obwohl er unterschrieben hat, mit Würgespielen einverstanden zu sein. In dieser Situation lägen insbesondere die rechtlichen Folgen bei mir, weil meine Verantwortung darin liegt, daß alles innerhalb erlaubter Bahnen abläuft. Daher bekommst du genaue Anweisungen. Bei dieser Aktion hast du allerdings jedwede Kontrolle. Du entscheidest, handelst, kontrollierst ihn, ebenso dich. Dabei wirst du vielleicht neue Seiten an dir entdecken, hellwach, lebendig sein.
Bin wiederum mitnichten böse oder beleidigt, wenn du ablehnen solltest, aber dies ist eine Chance auf ein besonderes Spielchen. Gefährlich hauptsächlich für den Typen, aber alles liegt in deiner Hand, an deinem Geschick.
Also sage ja, der Rest ergibt sich!“

Wieder etwas jenseits meiner bewußten Kontrolle kam Zustimmung von mir. Meine Knie waren dabei sehr weich geworden. Aber diese Sache war entschieden.

Angekommen wurden mir andere Damen vorgestellt. Eine dieser Damen war Visagistin, diese kümmerte sich auch um mich. Umgezogen sowie so im Spiegel war mir mein Konterfei fremd. Nervöses Lachen erfolgte als meine Reaktion darauf. Es war nicht mehr lange hin, bis dieser Laden öffnen würde. Mein Hintern rutschte nervös auf meiner Sitzgelegenheit hin und her. Jimena genoß es, mich ein wenig leiden zu sehen, mich zunehmend aufgeregt zu sehen.

Als der Laden öffnete, konnten wir über einen Monitor beobachten, was los war. Als Jimena mich auf die freie Wildbahn schickte, war da eine Mischung aus ‚könnte sterben‘ sowie Erleichterung durch Aktivität. Die anderen Frauen hatten geplaudert, meine Person wurde folglich gleich aus einer Ecke mit Stammgästen fröhlich herbeigerufen. Nicht so schlimm, eine muntere Truppe, schon frech. Entschlossenheit wurde meinerseits aufgeführt, Überwindung meiner Zurückhaltung sowie Beteiligung an der Konversation. Einige Sprüche machten mich sprachlos. Angegraben und ob meiner Erscheinung gelobt wurde ebenfalls. Es schmeichelte mir, so begehrt zu sein, wobei mir bewußt war, in welche Richtung dieses Begehren ging.

Eine erste Vorstellung fand statt. Auf Einladung einer anderen Gruppe erfolgte mein Wechsel dorthin. Notwendig dabei: gelassen bleiben, Nähe tolerieren, arg wurde es zum Glück nicht.

Jimena hatte den dritten Auftritt. Dieser war anders als bei den beiden zuvor. Sie hatte eine starke Wirkung sowie Präsenz, aber ebenso ihre Akrobatik, ihr Körpergefühl waren spektakulär. Unfaßbar, in welchen Körperhaltungen sie dort an der Stange klebte, danach wieder frei auf der Fläche, an einem Stuhl agierte, mit dem Bauch kurz auf der Lehne balancierte, sich anschließend erneut um die Stange schlängelte, daran hochwirbelte, ihre Schenkel provozierend daran rieb. Ihr Tanz provozierte immer mehr. Sehr präzise, ohne jegliche Skrupel rubbelte, rieb sie an sich, streckte Po oder Knie, Brüste symbolisch zum Publikum hin, pumpte mit ihrem Schoß mit gespreizten Schenkeln.

Als ihre Aufführung durch war, ging sie ohne Scheu nackt durch den Raum, machte noch eine kurze Runde durch die johlende Menge, welche sich nur langsam beruhigte. Sie kam zu mir, fragte nach, ob für mich noch alles in Ordnung sei. Das war es. Gleich mehrere Gruppen wollten Jimenas Gesellschaft. Die anderen Tänzerinnen hatten sich zuvor etwas übergezogen. Jimena agierte allerdings völlig frei sowie ungeniert, nahm mich bei der Hand, zog mit mir zu einer Gruppe. Daß ihre Haut, vermeintlich der Bemalung wegen angegrabbelt wurde, störte sie nicht. Sie blieb völlig gelassen. Ich kam ebenfalls klar. Meine Wechsel erfolgten langsamer als ihre, welche sich auch noch etwas überzog, als die nächste Aufführung begann. Wir blieben noch, bis von ihr das Signal kan, daß es Zeit für uns sei, zur zweiten Aktion aufzubrechen.

Spezialbehandlung

Jimena erforschte unterwegs meine Gefühlslage, wir plauderten aufgedreht über den vorherigen Auftritt sowie meine Eindrücke in jener Kaschemme. Bei dem Weg ging meine Orientierung verloren. Über verschlungene Wege innerhalb von Gebäuden eilten wir zum Veranstaltungsort. Dort gab es einen speziellen Bereich für uns zum Umziehen. Jimena hatte überdies ebenso Sachen für mich dabei. Darin sahen wir verwegen, skurril, absurd aus. Fetischkram. Einerseits bedeckte dieser Brüste sowie Schambereich, erlaubte allerdings genauso mit neckischen Lücken Einblicke auf viel Haut. Jimena drückte mein Kreuz zu einer stolzen, dominanten Haltung durch, instruierte. Ich mußte in meine Rolle finden, meine Präsenz vor einem Spiegel selber finden. Ein wenig noch bis zu meiner Verblüffung wirklich die junge Herrin neben Jimena stand, ich wäre vor mir selbst gekuscht, mitnichten nur wegen jener Rute, welche in meine Hand gefunden hatte, den angedeuteten Sporen an den Hacken. Primär meine Haltung wirkte bereits.

Jimena erklärte mit dem Kunden ausgehandelte Regeln, den Ablauf unserer heutigen Sitzung. Diese Schilderung erwies sich als Heftig, setzte zu. Eine Spezialbehandlung wäre eine besondere Erniedrigung. Bestrafung für den Fall, daß unser Sklave die besondere Lage nutzen sollte, sich zuviel herausnahm, bei ihr kaum vorstellbar, bei mir schon, der Sklave mochte versuchen, seine Grenzen bei mir auszuloten. Sie fingerte ohne Vorwarnung an meinen Klamotten im Bereich meines Schoßes herum, tippte auf etwas, nahm meine Hand. Da war eine Art Verschluß. Mein erster Gedanke war, dies wäre für Sex, den hatte sie allerdings bereits ausgeschlossen. Die Lage klärte sich schnell, als sie einen speziellen Naßbereich innerhalb unserer ‚Spielarena‘ zeigte. Die Sonderbestrafung besteht darin, ihn dort hinkauern zu lassen sowie ihn stehend zu bepinkeln. Wieder Schock bei mir.
Ihre Anweisung: „So guckst du während dieser Sitzung gefälligst nicht. Sollte es dazu kommen, kommen präzise Anweisungen von mir, du schubst ihn in diese Ecke, läßt es rieseln. Nicht auf sein Gesicht.“
Schlucken, mein verlegenes Eingeständnis daraufhin: „Ähm … oh weia ohoh hmmm … habe noch nie stehend.“
Sie knuffte mich etwas, lachte: „Wird schon etwas dabei herauskommen. Wenn eine Bestrafung angekündigt ist, anschließend nicht durchgezogen wird, bist du als Herrin durch, erledigt. Falls der Champagner vorhin nicht gereicht hat, nimmt du besser prophylaktisch sofort Wasser oder Saft, bevor es losgeht, damit du bei Bedarf genug auf Vorrat hast.“

Mein Mund glich zu sehr einer Wüste, daher verblieb eine Erwiderung. Also eilen, reichlich stilles Wasser reinzischen.

Durchsage an uns: Unser Gast war angekommen, zog sich um.
Jimena mahnte: „Bloß nicht lachen, sein Aufzug ähnelt unserem, ist eben das sklavische Pendant, bei ihm sieht es jedoch eher albern als sexy aus.
Er ist eben nicht ganz so formvollendet wie du!“
Dies war ein flotter Spruch von ihr, ich fühlte mich gleich wieder etwas aufgebaut, nahm Haltung an.
Mein Bestreben ging dahin, daß sie mit meinem Verhalten zufrieden war, ihre Anerkennung nach dieser Sitzung wurde nun mein größter Anreiz!

Das bizarre Schauspiel begann, als unser Sklave den Raum betrat, vor seiner Herrin zu Boden sank, ihre Herrlichkeit pries. Er trug eine Maske, Augen, Nasenlöcher, Mundpartie frei. Erkennbar war er so jedoch nicht. Namen wurden nicht genannt. Jimena, drückte ihn mit ihrer Rute ganz hinunter, daß er den Boden vor ihren Füßen küßte. Nachdem er für diese Gnade ihrer Aufmerksamkeit gedankt hatte, stellte sie mich als die junge Herrin vor, forderte vom Sklaven ebenfalls Huldigung. Er folgte artig, krabbelte auf dem Boden zu mir, küßte diesen vor meinen Füßen. Die Herrin klärte kurz über meine heutige Anwesenheit auf, um von ihr zu erlernen: einen Sklaven führen, unterjochen. Widerspruch bleibt einem Sklaven versagt.

Das weitere Ritual ähnelte dem Longieren von Pferden im Zirkel ohne Leine, dafür mit Rute, Peitsche, kurzen Kommandos. Dabei krabbelte unser Sklave auf Händen und Knien durch den Raum. Selbst bei kleineren Ungenauigkeiten zischte die Rute zu einem Treffer, um den Sklaven zu führen. Hinzu kam Apportieren von Gegenständen, wobei letztere der Herrin vor die Füße gelegt wurden. Bestrafung bei Fehlern selbstverständlich.

Ich übernahm auf Jimenas Aufforderung hin, um dieses Programm in Kurzform zu wiederholen. Skrupel hinsichtlich Rute oder Peitsche ließen mich bei deren Gebrauch zaudern, keinerlei Erfahrung meinerseits, wie stark diese wirken, was in Ordnung oder gar erforderlich wäre. Dieses wußte Jimena, unsere Probe damit war zuvor ziemlich kurz ausgefallen. Erheblich zu vorsichtig erwies sich mein Vorgehen. Unser Sklave testete mich aus, kroch ungenauer, agierte weniger unterwürfig, weniger eilfertig. Dies wurde meinerseits als unfair beurteilt. Deshalb folgte also Schelte, Einsatz meiner Rute. Es war nur ein Spiel, doch mein Ehrgeiz wurde angestachelt. Härter wurden meine Schläge, er folgte besser. Meine Peitsche zischte nun genauso über ihn hinweg. Beim Apportieren waren mir zudem einige Namen von Gegenständen nicht genau bekannt.
Deshalb traten auch dabei Fehler auf, Absicht oder meine Schuld?
Egal, einen eigenen Fehler gesteht eine Herrin niemals ein. Mein Peitschenhieb traf, diese fühlte sich härter an als bei Jimena, unser Sklave japste, röchelte, hechelte zurück, um den Fehler gutzumachen. Ehrgeiz steigerte mich in dies doofe Spiel hinein.

Als wir mit dem Kurzprogramm durch waren, ging mein Blick automatisch in Jimenas Richtung. Diese wies den Sklaven an, er solle sich vor mir positionieren, mich aufsitzen lassen. Meine Aufgabe bestand also darin, ihn im Zirkel zu reiten. Mit den angedeuteten Sporen an meinen Hacken wurde dieser angetrieben. Mit einer Knute kamen überdies zum Antreiben Schläge auf den Po hinzu. Er ging gut ab bei dem Spiel, obgleich dieses albern erschien.

Als dieser Ausritt reichte, erfolgte mein Absteigen; Jimena wies den Sklaven an, seinen Strick zu apportieren. Merklich aufgeregt, erregt folgte er eilig, wollte ihn ihr mit dem Mund anreichen. Sie allerdings zog ihm eins mit ihrer Rute über, verwies ihn zu mir. Ihre Anweisung: Umlegen, weiterreiten, zuziehen. Sie hatte mir die Markierungen am Strick zuvor erklärt. Dieser war auf den Sklaven abgestimmt. Wir machten unsere Runde, die Schlaufe lag noch schlaff um seinen Hals. Ungeduldig wurde er etwas bockig, leichtes Anziehen daraufhin von mir, worauf er wieder artiger wurde. Meine Hand prüfte in dieser ruhigeren Phase den Sitz der Schlinge am Hals. Der Sitze wurde leicht korrigiert, seinen Kehlkopf sicher aussparend, daraufhin etwas weiter anziehen, um ein Verrutschen zu vermeiden. Artig blieb er nicht lange. Da war mehr Unruhe drin, Peitsche oder Knute indes waren außer Reichweite. Also weiter zuziehen. Auf Jimenas Geheiß hin sollte ich anhalten, absteigen. Das Kommando kam von mir, ebenso mein Abstieg. Er jedoch wurde unartig, kroch weiter, Wiederholung des Kommandos meinerseits erfolgte sogleich, Hinterhergehen, leichtes Anziehen, da bäumte er sich auf, wie ein Jagdhund, welcher Witterung aufgenommen hat. Nun voll im Spiel zeigte sich bei mir wirklich Verärgerung, weil diese Situation nicht im Griff blieb, dies Spiel mitnichten so funktionierte, wie Jimena wollte, folglich weiter anziehen, meine Stimmung geriet dabei dermaßen in Fahrt, daß meine Hand kräftiger zog. Er röchelte, hechelte, zog erregt weiter. Ich mußte folgen, zog jedoch gleichfalls die Schlinge weiter an, dermaßen innerhalb dieser Situation gefangen, daß mir die Angelegenheit mit den Markierungen fast entfallen wäre.
Mein Mund stieß hervor: „Auf den Boden!“, wartete nicht mehr, sprang an ihm heran, drückte spontan mit dem Fuß in sein Kreuz. Er zappelte unartig, gab jedoch nach, bis sein Gesicht seitlich gedreht am Boden lag. Mein großer Zeh drückte genüßlich tiefer in seinen Rücken. Er röchelte lüstern. Dies erzürnte mich etwas, also noch fester anziehen, über die letzte Markierung hinaus. Er zappelte, würgte, gab nach. Diese Erregung bei ihm, diese bizarre Mischung aus Lust und Panik irritierte mich. Vermutlich hatte er ebenfalls gemerkt, daß meine Aktion grenzwertig wurde, hatte sich ganz ergeben. Mein Zug ließ etwas nach, wieder in den erlaubten Bereich hinein. Als er still war, war diese Übung beendet, so Jimenas Anweisung. Meine Hand ließ lockerer, danach ganz los. Mein Fuß verschwand ebenfalls aus seinem Kreuz, daß er sich wieder bewegen konnte.

Jimena kommentierte, daß jener unartige Sklaven gut von der jungen Herrin in den Griff bekommen wurde. In dem Moment allerdings zuckte dieser heran, küßte plötzlich schlabbernd meine Füße, blitzschnell geschah dies, wir hatten nicht reagieren können.
Ein Blick von ihr deutete eindeutig an, sofortiges Zurückpfeifen!
Sie drückte eine Rute in meine Hand, welche ihm damit was überzog, er schlabberte weiter, Knöchel, Unterschenkel, brabbelte begeistert, pries mich.
Er war voll auf mich abgefahren?
Weil meine Hand den Strick so weit zugezogen hatte, daß er schwer erregt war?
Meine strafende Hand zog ihm noch eins über, Schelte, er wimmerte, küßte abermals, meine Füße wichen einen Schritt zurück, meine Rute stieß ihn von mir, denn keineswegs war mein Bestreben, daß er meine Schenkel ableckt. Diese Situation wurde mehr als grenzwertig, ich wurde etwas sauer, zog ihm noch kräftiger eins über. Er jaulte, röchelte, rieb sich gleich wieder an mir. Jimena zischte, wies mit einem Wink des Kopfes Richtung Naßzelle.

Kräftig wurde nun unser Sklave von mir in diese Richtung getrieben, begleitet von einer Drohung mit Höchststrafe. Er gehorchte, als er diese Absicht erkannt hatte. Trotzdem züchtigte meine erboste Hand ihn auf dem Weg noch zweimal ordentlich mittels meiner Rute, daß er sich in der Ecke auf den Fliesen zusammenkauerte. Meinerseits wurde getan, was die Bestrafung erforderte. Sein Benehmen mir gegenüber war nicht in Ordnung gewesen. So stand ich über ihm mit gespreizten Beinen, leicht gekrümmt, öffnete diese Luke. Zuvor wäre mir nie in den Sinn gekommen, derlei zu können, hätte nie vermutet, dabei würde etwas herauskommen. Es lief allerdings. Ich urinierte mit Genuß auf ihn, die volle Ladung meiner wohlgefüllten Blase. Mein Mittelfinger hatte etwas gezogen, konnte so halbwegs zielen. Es spritzte allerdings doch etwas auf meine Füße, unvermeidbar wohl.

Meine Nerven waren fertig, denn jetzt erst wurde mein Kopf wieder halbwegs klar. Meine Finger stellten die Dusche an, welche ihn kalt abbrauste, meine Beine ebenfalls. Eiskalt. Dies hatten wir beide verdient. Blieb der Sklave bei dem goldenen Schauer noch still, röchelte allenfalls lüstern, so quiekte er nun. Kaltes Wasser erwies sich also auch für ihn als echte Strafe. Der Hahn wurde voll aufgedreht, keine Gnade, genausowenig mit meiner Befindlichkeit. Sein Gesabber, mein Urin sollten von meinen Beinen abgewaschen werden.

Ich ließ ihn anschließend liegen, drehte das Wasser ab. Völlig fertig taumelte meine Gestalt in den Raum hinein, auf Jimena zu. Es gibt noch mehr als einen Adrenalin-Kick. Eine Überdosis davon ist unangenehm, dies erwies sich als heutige Lehre.
Jimena legte kurz den Arm um mich, flüsterte mir ins Ohr: „Sehr gut!
Kurz mußt du unbedingt noch Haltung bewahren, der Rest liegt bei mir, gleich ist er weg.“

Meine Nerven waren am Ende. Trotzdem bewahrte mein Körper irgendwie Haltung. Jimena stupste unseren Sklaven mit ihrer Rute an, kommandierte etwas, was an mir vorbeiging. Alles schwummerte längst innerhalb meines Kopfes. Sie trieb ihn durch den Raum, machte ihn wieder munter, eine letzte, strenge Runde, bis zur Tür, mit einem letzten Schlag, einer Ermahnung hinaus.

Tür zu!
Dies wurde durch mich lediglich verschwommen wahrgenommen. Nun war nichts mehr mit Haltung, mein Leib sackte förmlich in sich zusammen.

Mein Bewußtsein blieb einen Moment weg.
Mein Körper lag anschließend geborgen in Jimenas Armen, wir beide auf dem Boden. Meine Hände klammerten sich fest, stilles Weinen meinerseits. Dies erleichterte, befreite.

Jimena ließ mir Zeit.
Als ich mich beruhigt hatte, schaute sie tief in meine Augen, stellte fest: „Du bist ein Naturtalent!
Damit könntest du viel Geld verdienen!“
Seufzen, mein Mund verzog sich. Meine Welt war dies nicht. Mir graute überdies vor dem, was in meinem Innersten entdeckt oder geweckt worden war, diese Lust an Dominanz sowie Erniedrigung. Ich wollte diese Aspekte gerne wieder tief in meinem Kopf verschließen.
Leise deshalb meine Erwiderung: „Muß nicht sein. Eine extreme Urerfahrung.
Nicht dies bizarre Spiel selbst, was in mir vorging, gibt mir zu denken!“
Sie lachte, versicherte: „Gut so!“

Nach einer weiteren kleinen Pause rappelten wir uns auf. Nach einer richtigen Dusche waren wir fertig. Angezogen folgte unser Abmarsch zur Rezeption. Jimena bekam einen Umschlag, überflog kurz den Inhalt, zog ihre Augenbrauen hoch, entnahm einen Zettel, handgeschrieben. In respektvoller Weise dankte unser Kunde für die Überraschung gleich zweier Herrinnen. Für den Einfall lag für Jimena eine besondere Geste der Ehrerbietung bei. Er bitte allerdings um Entschuldigung, eine entsprechende Geste für die junge Herrin erst noch in den nächsten Tagen nachreichen zu müssen, weil er auf diese Überraschung finanziell in bar nicht vorbereitet gewesen sei. Jimena lachte laut auf.
Sie gab den Umschlag weiter: „Hast du dir komplett verdient.
Sollte sein Nachschlag noch mehr sein, bekommst du den Überschuß sehr gerne nächstes Wochenende nachgereicht!“
Mein Blick fiel in den Umschlag, mein Gesicht wurde blaß. Ziemlich viel, auch wenn diese Angelegenheit eine Herausforderung gewesen war, bei welcher meine Grenzen überschritten wurden, überdies Seiten zum Vorschein kamen, mit denen ich nicht gerechnet hätte.

Park

Den nächsten Samstag ließen wir langsam angehen, Jimena hatte nichts Besonderes vorgesehen, so ihre Auskunft, wenn trotzdem Lust aufkäme, könnten wir im nächstgelegenen Park bei dem haltbaren Wetter noch auf dem Schlaffseil herumalbern, einige Tricks üben. Darauf ging ich gerne ein, so dringend waren nach dem bedenklichen Zustand bei jener Spezialbehandlung samt jener Offenbarung der düsteren Seite meines Ichs, welche wir dabei gefunden hatten, gefährliche Spielen für mich ohnehin nicht mehr.

Im Park angekommen spannten wir den Gurt auf. Jimena zeigte mir einige Tricks und Kunststückchen. Wir waren ebenfalls zu zweit auf dem Gurt, alberten etwas herum, kämpften spielerisch. Ihre Stimmung wirkte heute deutlich gelöster.
Hatten unsere gemeinsamen Aktivitäten vielleicht geholfen, ihre Trauer zu bewältigen?
Hatte sie mich am Fluß nur intuitiv angesprochen, um einen neuen Impuls zu bekommen, etwas, um sich selbst aus der eigenen Leere zu befreien?
War ich darauf eingegangen, trotz meiner Angst vor dieser eigenartigen Gestalt, weil auch ich unbewußt jemanden brauchte?
Egal. Wir waren beide ganz im Jetzt, konzentriert auf die Balance, auf die Schwebe. Dies ist etwas wie das Leben selbst, kein stabiler Zustand. Ständig um Ausgleich bemüht, agierend, reagierend, samt gegenseitiger Wechselwirkung.

Wir hatten Essen und Trinken dabei, waren den ganzen Tag im Park. Obgleich dieser Tag kühl blieb, war es gleichzeitig tagsüber durchaus sonnig. Daher war es schade, als nach unserem Gefühl die Dämmerung bereits viel zu früh einsetzte. Wir hielten trotzdem noch aus. Sonnenuntergang war ohnehin hinter den Bäumen, daher verlor dieser Tag für uns eher indirekt seine Farben. Jener Park ist nicht beleuchtet, deswegen blieb uns letztlich nichts weiter übrig, als abzubauen.

Ohne weitere Rückfrage schlug Jimena gleich einen Weg mitten durch den dämmrigen, dunklen Park ein, welcher sich längst komplett geleert hatte. Mit einem Male stieg hier in mir ein ungutes, mulmiges Gefühl hoch. Ich bin und bleibe trotz allem ein Schisser. Jimena hatte ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Schatten krochen durch den Park direkt in meinen Kopf hinein. Schweigend gingen wir.

Ein ganzes Stück weiter waren diese Schatten plötzlich keineswegs nur mehr Phantasie. Dort lungerten einige Gestalten herum. Diese hatten uns bemerkt, Lichter gingen an, blaß, Beleuchtung von Mobiltelephonen.
Eine Stimme: „Hey, da is’ne heiße Braut mit ihr’m Stecher!“
Eine andere: „Jau, den Typen mach’n wa platt, d’e Ische klar …“
Die erste: „Gruppenficken!“
Dieses ging mir bis ins Mark, kroch über meinen Rücken. Diese Typen positionierten sich.
Stimme: „Jetz’ nur nich’ mehr abhauen lassen!“

Jimena hatte sich leicht gekrümmt, ging ganz automatisch in diese Kampfposition, nur angedeutet. Mein Leib verkrampfte sich, nahm alsdann jedoch ebenfalls eine Kampfposition ein. Jimena leuchtete kurz zurück, weg war ihr Mobiltelephon schon wieder.
Verzweifeltes Murmeln meinerseits: „Dein Arrangement oder echt?
Bitte …“
Zischend ihre leise Erwiderung: „Leider echt und ernst. Du fixierst den Typen halb hinter den anderen auf deiner Seite. Du bist bereit loszustürmen, an seine Gurgel zu springen und ihm den Hals aufzureißen, du belauerst ihn, springst jedoch nicht los.
Er muß dir im fahlen Licht ansehen, daß du ihn killen willst!“
Ihre Worte versetzten mich wirklich in diese Stimmung, mein Körper spannte an, mein Gesicht verzog sich. Jener Typ blieb nur als Schemen erkennbar, trotzdem fixierten meine Augen die mutmaßliche Position seiner Augen.

Mit einem Wisch hatte Jimena ihre Kapuze vom Kopf gefegt, wiegte in einer eindeutigeren Kampfposition. Aus ihrer Richtung kam ein eigenartiges Grollen. Ihre Präsenz mußte wirken wie ein Tiger, ein Wolf direkt vor dem Sprung. Dies dumpfe Grollen von ihr ging mir durchs Mark. Obwohl wir uns kannten, stieg Angst davor in mir hoch.

Eine Stimme: „Was … was is’n das?“
Mein Opfer schrie: „Die da, die will mich auffressen!“
Einer blieb vorne, aber nur, weil alle anderen mindestens einen Schritt zurückgegangen waren. Dieser hatte plötzlich ein Messer in seiner Hand, wedelte damit leicht herum, daß gelegentlich der noch nicht ganz dunkle Himmel darin fahl aufblitzte. Auch er wirkte unsicher. Eine weitere, unbestimmte Bewegung bei Jimena, ihr Grollen hatte sich verändert.
Stimme aus der Gruppe: „Das Aas da hat die Tollwut!
Dieser Zombie fällt uns an, bringt uns alle um!“
Es klang schrill.

Ich bewegte mich leicht weiter zur Seite, wollte meinen Typen besser im Blickfeld haben. In mir wirbelte Angst, böse Wut, Angriffslust durcheinander. Ich war kurz davor, ihm wirklich seine Kehle aufzureißen, mein Gesicht war vor Anspannung verzerrt. Dies war zuviel für den Typen, er sah meine Fratze, Mimik, meinen Blick auf ihn, weil immer noch jemand mit seinem Telephon leuchtete. Er quiekte panikartig, lief los, weg ins Dunkel hinter seiner Gruppe. Ein weiterer schloß sich an, allgemeines Zurückweichen.
Der Anführer wedelte mit dem Messer, wich einen Schritt zurück, murmelte halblaut hinter sich: „Abflug, sofort!“
Kaum ausgesprochen liefen alle anderen los, jener Messermann behielt uns im Auge, ging rückwärts, noch so halbwegs von einem Begleiter beobachtet.
Ihre Lichter waren weg, ihre Horde raste johlend davon!

Jimena war erst still geworden, sprach sodann leise: „Richtung Straßenbahn, Licht. Nichts übereilen, keine Flucht, leise, lauschen, aufmerksam beobachten.“
Es dauerte, bis wir in Sichtweite einer Straßenbahnhaltestelle kamen. Alle Stimmen jener Typen waren in der Ferne verschluckt worden. Eine Straßenbahn in unsere Richtung kam heran.
Jimena rief: „Laufen!“
So hetzten wir zur Bahn, welche bereits hielt. Wir schafften es, schauten uns an. Jetzt erst wurde mir leichter. Wir hatten alles überstanden.

Volles Risiko

Als wir im Wohnheim waren, atmeten wir tief durch. Jimena schaute mich an, etwas verlegen sogar, unsicher. Derlei hatte ich bei ihr so zuvor auch noch nicht gesehen. Eben im Park noch dies Tier, ansonsten sowieso ihre Aura von Unnahbarkeit. Nun sah ich eine neue Seite an ihr, weicher, angreifbar.
Leise ihre Frage: „Geht es wieder?“
Nicken meinerseits, dazu als Entgegnung: „Ja. Was für ein blödes Ende für unseren schönen Tag …“
Tiefes Durchatmen ihrerseits, ferner: „Willst du jetzt Ruhe vor mir, nachdem meine Leichtfertigkeit dich derart leichtsinnig in Gefahr gebracht hat?“
Mein Kopf schüttelte sich, trotzig meine Antwort: „Diese Typen haben uns bedroht. Das ist ein öffentlicher Park. Wir haben nichts falsch gemacht …“
Ihre Ergänzung: „… dennoch zur falschen Zeit am falschen Ort …“
Meine Feststellung: „Du warst soooooooo unheimlich. Dieser Ton, dieses Grollen, wie ein tollwütiges Tier, ging bis ins Mark, wäre fast mit denen abgehauen.“
Ganz vorsichtiges Lächeln dazu meinerseits.
Sie lächelte ebenfalls, meinte dazu: „Hat immerhin als Abschreckung funktioniert. Zum Glück. Sonst wäre diese Auseinandersetzung wohl blutig geworden.“

Wir standen etwas verloren.
Daher Nachhaken ihrerseits: „Okay. Ausgenutzt soll diese Stimmung nun keineswegs werden, hätte aber noch etwas …“
Das erstaunte mich. Ihr Verhalten wirkte jedoch anders, nicht wie bei einem ihrer früheren Vorschläge für brenzlige, abenteuerliche Aktionen. Mein Haupt nickte.

Ihre Ausführungen daraufhin: „Diesmal habe ich aber keine Absicherung, kann dich gleichfalls nicht schützen, dir nichts raten. Bei deiner Entscheidung bist du auf dich gestellt.“
Mein Kopf nickte abermals ermunternd.

Ihr weiterer Gedankengang: „Also gut. Habe schon erzählt, habe mich entschlossen, meine Trauer abzuschließen. Du hast mir dabei geholfen. Habe von dir gelernt. Will sowieso mit den ganz blöden Spielchen aufhören. Habe genug davon. Jene Typen damals in der Stadt, jenes Autorennen, Franziskas Tod. Die haben ihren Kick, ihre Dröhnung Adrenalin gesucht. Fast wie wir. Aber rücksichtslos.
Andere derart gefährden für den eigenen Spaß?
Das ist einfach falsch.
In welchem Maße haben Franziska und ich derlei ebenfalls getan bei unseren Aktionen?
Riskiert, von einem Haus, einer Brücke zu fallen?
Ebenso im Gebirge eine Lawine riskieren?
Es gab grenzwertige Aktionen, nicht dermaßen bösartig wie solche Autorennen, aber genug, um andere Menschen zu gefährden. Ich bin satt.
Nach unseren gemeinsam gemachten Erfahrungen, wie siehst du das?
Eher mehr oder weniger?“

Antwort meinerseits: „Mit der Aktion Spezialbehandlung wurden meine Grenzen überschritten, wenn auch auf andere Weise. Muß nicht ungesichert auf Hochhäuser klettern, um noch mehr über mich zu erfahren. Unsere Erfahrungen waren gut und wichtig für mich. Balancieren, Klettern möchte ich sehr gerne mit dir fortführen. Mit dir etwas unternehmen ist schön.“

Jimena atmete tief durch, bestätigte: „Ja, ein ähnlicher Gedanke verfestigte sich ebenso innerhalb meines Kopfes. Sehr gerne möchte ich weiter deine Gesellschaft genießen. Daher dieser letzte Vorschlag auf volles Risiko, also meines sowie deines, jede auf eigene Verantwortung …“
Meine Stirn runzelte sich: „Verstehe jetzt nicht so ganz. Aber gut, rücke schon heraus damit. Wenn ich für mich entscheiden soll, dann mußt du auch sagen, was Sache ist.“

Nun wirkte sie unsicher.
Ihrerseits Zögern, Nicken, daraufhin ihre Erklärung: „Gar nicht so leicht. Verspreche hoch und eilig, werde Rücksicht nehmen, nichts überstürzen, dir Raum sowie Zeit für Entscheidungen geben, könntest du dir vorstellen …“
Sie schwieg. Wir schauten uns an.
Endlich setzte sie ihre Ausführung fort: „Ich mag dich eben sehr sehr gerne, kann aber nicht einschätzen, wie du dazu stehst …“
Ich kniff meine Augen zusammen, versuchte zu erahnen, was vorging, war aber diesbezüglich noch ein wenig dumm: „Ich mag dich doch auch sehr sehr gerne. Bin selber überrascht, daß ich anfangs am Fluß nicht gleich abgehauen bin. Seitdem aber ist da etwas, was ich nicht beschreiben kann …“
Ihre Antwort: „Muß auch nicht. Wenn wir einander vertrauen, finden wir mehr heraus. Trotzdem, in dieser Hinsicht kann ich dich nicht einschätzen, wie weit deine Sympathie geht, beziehungsweise wie du unsere Freundschaft siehst, wie sich diese entwickeln könnte …“

Nun war mir sehr flau im Magen.
Mein Bekenntnis daraufhin: „Von solchen Entwicklungen habe ich keine Ahnung. Weiß nicht, ob oder was ich anbieten könnte. Ich mag dich, vertraue dir. Wenn du mich in deine Arme nehmen magst, dies hat sich bislang sehr gut angefühlt.“
Wortlos umschlossen mich ihre Arme. Wir hielten uns, richtig fest, bis es beinahe wehtat.

Flüstern ihrerseits: „Ohne das ausnutzen zu wollen, verspreche auch, dich mit nichts zu überrumpeln: Kommst du mit zu mir?“
Das schien ein sehr passender, richtiger Vorschlag zu sein, denn ich wollte sowieso nicht mehr loslassen. Was für ein Durcheinander im Kopf, im Magen. Daher konnte ich ihren sicheren Halt dringend gebrauchen.
Verzagt daher mein Wispern: „Dann los!
Volles Risiko für uns beide!“

Oben im Zimmer standen wir etwas verlegen voreinander.
Jimena lächelte, schlug vor: „Angezogen können wir nicht bleiben.“
Dies änderten wir gemeinsam schnell.

Was übrigblieb: Eng aneinandergeschmiegte Haut, teils noch kalt von dem Weg draußen, teils wohlig warm und weich.
Jimena zog mich aufs Bett, schlug vor: „Umarmen, halten, wohlfühlen?“

Gleich darauf steckten wir im schmalen Bett unter einer Decke, schmiegten uns eng aneinander, fühlten uns dabei bereits sehr wohl.
Jimena hatte noch ein Angebot parat: „Das war mehr als genug Aufregung für heute.
Aber vielleicht doch noch: Ein ganz klitzekleiner Gutenachtkuß?“
Mir wurde schwummrig, ich wollte!
Verzagtes Nicken meinerseits, näherte meine Lippen bereits den ihren. Es war nur eine zarte Berührung, scheu und so gerade eben. Das bißchen reichte für sehr schöne Gefühle. Wir hielten uns fest umschlungen und genossen, daß wir zusammen waren. Es war ein Neuanfang, etwas ganz anderes. Nichts, was überstürzt werden wollte wie eines unserer gefährlichen Spielchen, stattdessen langsam mit jedem Detail genossen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.02.2019

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