Dein Beitrag bietet eine interessante Diskussionsgrundlage zu meiner Werner Geschichte. Was ist Freiheit? Kann man sie ueberhaupt definieren, wirklich innehaben, vielleicht kaufen? Omar ist frei, dh. er ist nicht mehr weggesperrt. Aber er ist abgestempelt, denunziert, den sozialen Gebilden enthoben, und wie es scheint, ohne sein Zutun. Er war also schon vorher gefangen, in seiner Anstellung bei der Witwe, in den Fängen eines... mehr anzeigen
Dein Beitrag bietet eine interessante Diskussionsgrundlage zu meiner Werner Geschichte. Was ist Freiheit? Kann man sie ueberhaupt definieren, wirklich innehaben, vielleicht kaufen? Omar ist frei, dh. er ist nicht mehr weggesperrt. Aber er ist abgestempelt, denunziert, den sozialen Gebilden enthoben, und wie es scheint, ohne sein Zutun. Er war also schon vorher gefangen, in seiner Anstellung bei der Witwe, in den Fängen eines korrupten Justizsystems, das sich aus Abhängigkeiten speist, jetzt im sozialen Abstieg, den Medien und das Nichteingeständnis von Schuld der Zuständigkeiten ihm bereitet haben. Aber vielleicht ist er jetzt frei, weil die Freiheit ihren Anfang im Kopf findet, und ein Unschuldiger sich nicht schuldig fuehlen muss.
Liebe Diana, ich weiß nicht, ob Omar die seelische, physische oder wie auch immer gestaltete Kraft hat, sich damit abzufinden, dass er unschuldig ist, nachdem ihm solch eine Schmach, solch ein Leid zugefügt worden ist. „Freiheit findet ihren Anfang im [eigenen] Kopf“. Das klingt... mehr anzeigen
Liebe Diana, ich weiß nicht, ob Omar die seelische, physische oder wie auch immer gestaltete Kraft hat, sich damit abzufinden, dass er unschuldig ist, nachdem ihm solch eine Schmach, solch ein Leid zugefügt worden ist. „Freiheit findet ihren Anfang im [eigenen] Kopf“. Das klingt für mich – ein bisschen - wie Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen soll. Natürlich können wir mit dem Begriff Freiheit verschiedene philosophische Netze spinnen, das könnte hochinteressant sein. Ob Omar damit geholfen wäre?
Diese Geschichte ist keine Fiktion, weder der Fall um Omar und die ermordete Witwe herum, noch die Tatsache, dass ich in Marseille auf dem Bahnsteig neben ihm gestanden habe. Letzteres hat mich plötzlich die ganze Sache anders sehen lassen als vorher, wo ich entrüstet war, natürlich, entsetzt (für die Zeit einer TV-Sendung oder eines Zeitungsartikels) über die brutale Selbstgefälligkeit der hiesigen Justiz.
Durch seine plötzliche „Gegenwärtigkeit“ auf dem Bahnsteig ist zu dem Verständnis dessen, was dieser Mensch durchgemacht haben muss, eine Dimension hinzugekommen, die ich vorher nicht hatte. Darum ging es mir bei diesem Text (ob das rüber kommt?). Die Medien zeigen uns alles, lassen uns an allem teilhaben, selbst an dem Schrecklichsten, was sich ein Menschenverstand vorzustellen vermag. Und doch ist dies alles fern, und zwar solange, wie wir nur auf den Kopf zu drücken brachen, um „abzuschalten“. Wenn das Geschehen plötzlich hautnah neben uns steht (zB ein Flüchtling aus Syrien, der unzählige Male dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen ist und der nun plötzlich in Fleisch und Blut an unsere Tür klopft), sieht unser Verständnis ganz anders aus. Oder sollte es.
Hab Dank für Deinen Kommentar und Dein Lesen.
Alles Liebe
Lothar
Dem unteren Teil habe ich nichts hinzuzufuegen, ausser einem JA!
Der menschlichen Verrohung bieten die Medien das nötige Futter. Ob das rueberkommt? Bei vielen sicherlich ja. Bei mir schwang eben auch die Frage nach Omars Freiheit mit, weil du im Text metaphorisch darauf... mehr anzeigen
Dem unteren Teil habe ich nichts hinzuzufuegen, ausser einem JA!
Der menschlichen Verrohung bieten die Medien das nötige Futter. Ob das rueberkommt? Bei vielen sicherlich ja. Bei mir schwang eben auch die Frage nach Omars Freiheit mit, weil du im Text metaphorisch darauf hingewiesen hast. Die Frage danach beantworte ich wie gehabt, weil der Mensch, wenn er mit sich selbst im Reinen und sich seiner Unschuld bewusst ist, gestärkt aus einem solchen "Mord" hervorgehen kann. Du schriebst, es wurden Buecher geschrieben, ein Film wurde ueber seinen Leidensweg gedreht.
Ich denke, auch wenn das nur ein kleiner Trost ist, dass auch er von diesen Gegebenheiten profitiert hat, ohne Scham, weil ihm seine Unschuld einen ruhigen Schlaf beschert. Wenn man die Sache mal umdreht, ein Schuldiger bereut, erleidet den selben Lebensweg, und erfährt all diese Grausamkeiten in dem Wissen, dass er sie nicht anders verdient hat.
Vor den Blicken kann man fluechten, mit der Wut auf das Rechtssystem kann man ankämpfen, sich selbst wird man jedoch nie entrinnen können. Mehr wollte ich damit nicht aussagen, und vor allem nicht Omars Schicksal kleinreden!
Nach dem Lesen deines Essays ging mir durch den Kopf- wieviel ähnlicher Fälle mag es wohl in Deutschland geben ...Und welche Chance hat ein kleiner Mann sich zu verteidigen- auch gegen schlampig geführte Untersuchungen und mangelhafte Gutachten?
Danke, für die Denkanstöße und
b. G.
S.