Darstellung dieser bedrückenden Geschichte. Das Szenario wirkt umso schlimmer, als es in einem scheinbar leichten Plauderton daherkommt, so als würde die Protagonistin nicht über selbst erlebte Schrecken berichten, sondern von den Alltäglichkeiten irgendeiner fremden Person. Hier wurde schon über das Resignieren herausgegangen, die eigene Beteiligung im Geschehen quasi herausgeschnitten. Dies ist eine Art Schutzmechanismus,... mehr anzeigen
Darstellung dieser bedrückenden Geschichte. Das Szenario wirkt umso schlimmer, als es in einem scheinbar leichten Plauderton daherkommt, so als würde die Protagonistin nicht über selbst erlebte Schrecken berichten, sondern von den Alltäglichkeiten irgendeiner fremden Person. Hier wurde schon über das Resignieren herausgegangen, die eigene Beteiligung im Geschehen quasi herausgeschnitten. Dies ist eine Art Schutzmechanismus, weil man es sonst nicht aushalten kann. Schmerzen körperlicher Art werden zwar realisiert ("aber nur, wenn es nicht zu weh tut"), aber dennoch scheinen sie nicht mehr durchzudringen bis in die tief verletzte Seele.
Allerdings hat die Protagonistin bestimmte Verhaltensweisen verinnerlicht, um wenigstens den äußeren Anschein ihrer Welt zu "retten", sie versteckt sich vor dem Nachbarn, wenn sie wieder mal sehr geschunden aussieht. Ihre Äußerung, er werde nun bestimmt nicht mehr lächeln, zeigt, wie sehr sie sich schon in ihrer Angst von sich selber entfernt hat.
Man kennt das und wundert sich oft: Frauen halten an ihrer Situation fest, geben immer wieder nach, entschuldigen, beschönigen - auch wenn verzweifelt versucht wird, ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Kann man es verstehen?
Sicher sind dies Frauen, die von Kindheit an nichts anderes erfahren haben als das Fördern der eigenen Unselbständigkeit, Frauen, die nie eine eigenständige Persönlichkeit entfalten durften, die klein und schwach bleiben mussten. Auch das klang hier in der Geschichte an. Es muss sehr ängstigen, wenn dann plötzlich die Chance geboten wird, sich zu befreien.
Die Protagonistin ist ja dann auch nicht in der Lage, die Hilfe ihrer Schwester anzunehmen, findet deren Verhalten "gar nicht schön", als sie sich mit dem Ehemann gestritten hat.
"Fang bloß nicht an zu resignieren" -dieser Satz sagt, dass die Protagonistin bis zu einem gewissen Grade ihre Rolle noch spielen kann, derart, dass nicht einmal die Schwester erkennt, wie es wirklich aussieht.
Das schreckliche Ende macht deutlich, wie weit sich der Geist dieser Frau schon lange verabschiedet hat von jeglicher Realität. Wie ein Kind, das seine "Puppe" in einem Spiel behandelt...
In unserer Gesellschaft ist es bittere Tatsache, dass dieses Wechselspiel von dem "sich Versteckenwollen" der Betroffenen und dem "Nichtwahrnehmen" der Außenstehenden auf absurde Weise aufeinander abgestimmt scheint.
Sehr eindringlich und dicht verwoben zeichnet die Autorin hier mit psychologischer Feinheit ein Drama auf, das durch die Namenlosigkeit der Personen erschreckende Allgemeingültigkeit erhält.
Langsam lässt sie den Leser eintauchen in die bittere Wahrheit. Dass die Ich-perspektive gewählt wurde, unterstützt dies noch.
Beim Lesen habe sich mir die Nackenhaare aufgestellt und und die scheinbar beinahe Emotionslosigkeit der Protagonistin lässt ein weiteres Gefühl aufkommen - gleichsam als Stellvertreter: Wut!
Großes Lob für diese Geschichte, Katja!
lg
Enya