STEPHEN URBANSKI UNBUCH, die zwanzig besten Sätze:

1 Jede Gesellschaft bekommt die Ereignisse, die sie verdient.
2 Ein Mensch wird zu allen Menschen, richtig?
3 Sommer, Sonne, SPD.
4 Gott hasst die Elbphilharmonie.
5 „Let me KKK this for you.“
6 „Noch bin ich Kunde dieser Stadt.“
7 Liebesbriefe; ich kann die Treueschwüre hören.
8 Du trägst Sperma im Haar?
9 Erschießt das Geld!
10 2018, wenn sich endlich nix geändert hat.
11 Hier noch jemand ohne Flüchtlingsfehler?
12 Ich fahre zur Bank.
13 Klar Schilf zum Gefecht.
14 Gute Nacht den Unfrisierten.
15 Wollen wir nicht mal wieder zum ganz einfachen Italiener?
16 Man muss die beredte Hochkultur sprachlich dort abholen, wo die besagte Hochkultur auf Abholung wartet, wie besprochen.
17 Kalauer: Inventur des Proletariats.
18 Mit Sack und Pack Kurs Lack.
19 Guten Tag, ich interessiere mich für Teebeutel.
20 Fjällräven ist das neue Hakenkreuz.

„Geld oder Leben, wir sprachen drüber“

Dr. Ute Büx, Psychologin und Sachbuchautorin („Glück dich, du Stück“) über Stephen Urbanskis „Heringskuss“, übers Schreiben an sich und die bange Frage nach barer Münze.

„Heringskuss“ von Stephen Urbanski ist ein ungewöhnlich blumiger, wenn auch lebenswirklicher Kosmos des frei fließenden Assoziationsreichtums. Doch der Leser, der nur zwei Stunden pro Woche darin eintauchen kann und dann in andere Welten zurück muss, ist dafür vielleicht weniger geeignet. „Heringskuss“ ist vielmehr eine Lektüre für all jene Zeitgenossen, die sich ab und an dem Luxus hingeben, punktuell „beobachten“ zu dürfen, ohne selbst zielgerichtet „eingreifen“ zu müssen; „Heringskuss“ ist ein klassisches Sozialdrama. Doch zahlt sich das auch aus, lohnt sich der Aufwand? Jein. Man kann als im besten Sinne freier Autor nicht erwarten, damit Geld zu verdienen. Diejenigen, die ich in diesem Kontext kennengelernt habe, schreiben nicht, was sie wollen, sondern was der Markt will. Diejenigen, die von Verlagen gefördert werden, sind diejenigen, die auch den Verlagen nützen wollen. Geld oder Leben eben; jemand, der aus sich selbst heraus schreibt, weil es ihm zunächst nur um die reine Befriedigung geht, sollte wissen, dass dieser Flirt mit dem Selbst sein womöglich einziger Lohn, sprich: Profit bleiben wird.

Meine Erfahrung, von der ich nicht weiß, ob sie allgemein gilt, ist, dass das Glück beim Schreiben im Schreiben des Richtigen entsteht und besteht. Was richtig ist, entscheidet nur das eigene Gefühl. Deshalb habe ich für mich das Fazit gezogen: Schon der Versuch, mit dem Schreiben Geld zu verdienen, verfärbt die „Satzung“ und nimmt das Glück daran. Wenn man indes seiner Spiellust folgen und dabei auch noch Hochgefühle erleben darf, dann ist schon der Prozess als solcher lebensrettend und somit sehr bedeutend – insbesondere für denjenigen Lesertypus, der Wortschätze wie „Heringskuss“ zu heben versteht und in seine Welt zu integrieren vermag.

Urbanski: HERINGSKUSS, die zwanzig besten Headlines.

1 Lidl, du geile Sau.
2 Helme und Rouladen.
3 Deutschlands letzter Autofahrer.
4 Christen sind auch nur Faschisten.
5 Blendax (Wehe allen Mädchen).
6 ROW-DY 311, deutsches Kennzeichen.
7 Stuhlgang, der große Gleichmacher.
8 Männer, die auf Geschirrspülmittel starren.
9 Hoolspiegel.
10 Gleich bleibt die Uhr stehen.
11 UV-Ultras.
12 In Deutschland ist alles Diebstahl.
13 Lauwarme Cola mit Haut.
14 Wahnsinn saugen.
15 Bezauberndes Zeug.
16 Papierflieger.
17 Dankbar zahlen.
18 Analphabet.
19 Punkt am Ende. Von Nordmende.
20 Mira! Mira! Mira!

(Stephen Urbanski sagt: Bruttige Luft, da braut sich was zusammen. Stephen Urbanski sagt: Ich brau dir ein Schloss.)

(So wie im Märchen.)

Urbanski: HERINGSKUSS, die zwanzig besten Sätze.

1 „Kannst du bluten? Denn das wirst du.“
2 „00:26 Uhr, irgendetwas sitzt noch in den Bäumen und singt für mich.“
3 „Liebe deinen Gelbklinker wie dich selbst.“
4 „1961 war ich einundsechzig.“
5 „Der Tod ist eine Erbsensuppe von der Bundeswehr.“
6 „Du weißt, dass du ein bestimmtes Alter erreicht hast, wenn eine Bäckereifachverkäuferin versucht, dir ein Kastenweizen anzudrehen.“
7 „Schnitt, taumelndes Konsumfleisch: Wer bin ich, wo bin ich, was muss ich kaufen?“
8 „So, Joe.“
9 „Dein Ja gefällt mir.“
10 „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör bei Koran.“
11 „Chucks; tragen oder anbehalten?“
12 „Da fährt einer mit Wurst.“
13 „Ich mag sie, ich mag sie alle, ich mag ohnehin alles, was ich mag.“
14 „Lass ihn doch, er will dazugehören.“
15 „Gott sei alten Häuten glatt. Falten wir nun die Hände.“
16 „Legalisiert den Alkohol.“
17 „Am längsten Tag des Jahres kam der Brief.“
18 „Ich gewinne den Kampf um die Bank vorm Waschcenter am Mundsburger Damm; ich begebe mich dorthin, wenn der Regen fällt.“
19 „Autos sind übrigens wie Frauen und Fischfrikadellen: Die teilt man nicht. Die verleiht man nicht. Die besitzt man.“
20 „Stephen Urbanski sagt: Seele. So viel dazu muss sein.“

(Stephen Urbanski sagt: Schönes Netzleben noch.)

Wie gesagt, ELISABETH WELTKRIEG ist erschienen, die Presse dreht am Rad:

„Das war mir alt.” (UPC)

„Das ist alt so.“ (Ariston Baton)

„Die Brunft der Stunde nutzen!“ (Rufnummer)

„Herr Urbanski, wir vermissen Sie!“ (Tchibo Prozente)

„Tout le jour sieben Uhr.“ (Honiggrund)

„Staat up!“ (Okay IV)

„Frage nicht nach Sonnenschein!” (Rummelpott)

„Urbanski: Freude am Teilen.“ (BMNEE)

„Nitratberichte immer zu uns!“ (Diverse Orte)

„Keine Heißgetränke!“ (Ouch)

„1943 war ich zweiundvierzig.“ (Friseur 41)

„Rauchen ist übrigens tödlich.“ (Tor)

„Bitte pfählen Sie uns weiter.“ (M)

„Neuen Pherein gründen: Pheinde der Elbphilharmonie!“ (HiPhi)

„Hamburger sparen das Datum. Bitte bewerten Sie diese Übersetzung.“ (Brian Euro)

„Sie kriegen Posting.“ (DHL)

„Excel Rose?“ (Excel Rose)

„Just libido it.“ (Hamburger Gesundheitsdienst)

„Manche haben die Fakten dicke, so scheint es.“ (S 45i)

„Accessoires All Areas.“ (Doxxx)

„Vergangenheiten gehen oft nach hinten los.“ (BL-4U)

„Hör bloß auf.“ (The Head)

ELISABETH WELTKRIEG ist erschienen, die Journaille jubelt:

„Hansano, unsere Milf! Wie Pumps ist das denn!?“ (WIFEY)

„Wer unter euch ohne Smartphone ist, der werfe den ersten Akku.” (Death Disney)

„Hör mein Lied, Elisabeth.“ (Moron)

„Jeder hat Kontobewegungen.” (Kasbah)

„Von Mattel?“ (Supermond)

„Yoga wir könnten das.“ (Wolfgang News)

„Danke für diese letzte Einschätzung.“ (Tante Dru)

„Je, je, umso, umso.“ (AFI)

„Nackten Ängsten kann man nicht in die Taschen greifen.“ (60 sieben acht)

„Nichts geht über einen tollen Finkenwerder Krabbenstollen.“ (Karl Burka TM)

„Ist das Fucks schon durch?“ (YET)

„Diese Trauermücken da, sind die frisch?“ (CC)

„Sie haben eine neue Massage.“ (VFS Global)

„Verzeihung, können Sie auf siebeneinhalb rausgeben?“ (BRT)

„Hoffentlich habe ich noch jemanden vergessen.“ (Charlotte Sampling)

„Halleluja, ist noch Stuhl da?“ (Heidi Ho)

„All Cocks Are Bastards.“ (ACAB)

„Arbeit, Arbeit, Badewanne.” (M. Menschen)

„Man kann sich ja ohne Bisexualität in den Beinen nirgendwo mehr blicken lassen heutzutage.“ (Scheidi)

„Jetzt ist aber Eunuch hier!“ (Waldow)

„Geschrieben mit dem Rücken zur Seele“

Jason B. Saiks über Stephen Urbanski: FUSSBALL UND TOD.

Als Supporter und Groupie des Herrn Urbanski muss ich mich hin und wieder auch mit den kulturellen Aspekten seines Schaffens befassen. Unter Kultur versteht man gemeinhin die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen, die ein Volk und / oder eine Epoche charakterisieren. Stephen Urbanski ist Hamburger Kulturschaffender, er schafft Kultur buchstäblich durch Wörter und Wortmarken, er ist ein Meister der Verknappung, des Satzbaus und der Wortfindung. Fast beiläufig serviert er kleine, sehr gern auch mal subkulturelle Kanapees, die zwar zum Vernaschen einladen, aber nicht dick machen. Seien es nur die mannigfaltigen Erwähnungen von Musikern und Songs aus mehr als einem halben Jahrhundert Musikgeschichte, seine einzigartigen Kommentare zu architektonischen Abseitigkeiten unserer gemeinsamen Heimatstadt oder die pointierten Schilderungen dreckiger, gesamtgesellschaftlicher Gegenwarten.

FUSSBALL UND TOD heißt das aktuelle Buch, und mir ist erneut klar geworden, warum es häufig schwerfällt, eine angemessene Beschreibung dessen zu finden, was Stephen Urbanski seit nunmehr fünf Jahren nonstop veröffentlicht. Ein Versuch könnte so klingen: Stephens ironisch humoristische, positiv kranke Poesie ist lebendige und gelebte Metamorphose, seine gedanklichen Symphonien berühren sinnlich und das so viel und oft beschworene Feuer muss nicht erst geraubt werden, er entfacht es im Herzen seiner Heiligen. FUSSBALL UND TOD; ich möchte mich beschränken auf die Betrachtung einer Momentaufnahme, ich bedanke mich für den einen Satz, der mich vom Kanapee fegte wie kaum ein anderer: „Geschrieben mit dem Rücken zur Seele.“ Gedacht als Warnung an all jene negativ Verrückten, die sich längst abgewandt haben von den Regeln der Fairness und des zivilen Umgangs miteinander, bedauerlicherweise. Sie bringen mich um den Schlaf zuweilen.

Hamburg, Texter Uwe Rehkopf sagt: „Endlose Zone, trostloser Ritt nach Berlin. Die Halle. Arschkalt draußen, arschkalt drin. Der Engineer lässt Pullen auf dem Boden tanzen: Vorsicht an der Bahnsteigkante. Egal, hier greift jeder zu allem. Kleine böse rote Augen im Dunkeln plus magisches Licht. Wahnsinnige Klanggebirge. Heimfahrt? Keine Ahnung. Details? Wozu. Drei Stunden großartiges Gefühl, gehütet wie ein vergessenes Glutnest in der Asche. Urbanski bläst zufällig rein, und es wärmt noch immer. Wie schön.“

Urbanski: FUSSBALL UND TOD ist erschienen; was sagt die Presse?

„Danke, dass du mal wieder vorbeigeschaut hast“ (FB)

„Das Porto zahlt Vattenfall für Sie“ (FC)

„Alte Spieler, junge Spieler, hey, hey“ (FA)

„Füße, Füße, Füße“ (FFF)

„Fußball und Tod, welch eine geile Zombiekombi“ (FX)

„Trinken wir auf den allzeit grünen Zweig“ (FR)

„Jede Mutter kennt einen kleinen Terroristen“ (FF)

„Hoffentlich ist er nicht so aggressiv“ (FY)

„Entschuldigung, hatten Sie Nachbarn?“ (FM)

„Schritt fahren klingt unanständig“ (FU)

„Erstaunlich, wer so alles in den Müllcontainern wühlt“ (FP)

„Wir saufen Autos“ (FG)

„Wir bilden ein“ (FD)

„Wir sind die Schlechten“ (FE)

„Nein“ (FJ)

Bearbeitet.

Kritiker R. Schulte, Magazin „Kultur & Gespenster“, über Stephen Urbanski: BAAL III, Elektrobuch.

„Urbanski spricht nur von sich, aber niemals in der ersten Person. Wir sehen seine Welt wie durch die Augenhöhlen eines Hungernden, der Nahrung sucht, und nicht auf diese Welt lernt man sich dabei zu konzentrieren, sondern auf ihn, den Suchenden. Seine Texte sind Miniaturen, sind gezielte Abschweifungen vom Wesentlichen, das sich dadurch um so mehr in den Vordergrund drängt: die prekäre eigene Lage, über der die doppelte Scham liegt von retrospektiver Versagensangst und vorauseilendem Gehorsam vor dem imaginierten Ego-Verleger, einem fleischgewordenen Über-Ich, das die inneren Monologe zum Schweigen bringen will.

Ein wesentliches Merkmal ist das Hörensagen: Er reibt die verbalen und typografischen Fundstücke, die er in seinem Lebensraum aufliest, aneinander, bis sie Funken schlagen oder zu Bruch gehen. Diese sensorische Empfindlichkeit und Aufnahmebereitschaft bringen freilich eine gewisse Schutzlosigkeit gegenüber Grobheiten mit sich, die sich in Form von Porno, Nazismus und den Obszönitäten des Turbokapitalismus in die Vorstellungswelt drängen. Als Filter tut sich Urbanski dabei nicht hervor. Eher als eine Art Gleichstromwandler, um einen Begriff aus der Röhrentechnik zu benutzen, als Rectifier, der dem Eingangssignal seine charakteristische Sägezahnverzerrung mitgibt.“