Freudestrahlend liest Jenny das, was Sina ihr da auf die Pinnwand geschrieben hat. Die letzte Zeit hat sie auch wieder angefangen zu schreiben, allerdings erstmal nur so für sich und im Background, nicht auf Bookrix selbst.
Ein bisschen Wehmut liegt in ihrem Blick als sie die Zeilen liest und irgendwie spürt sie einen Kloß in ihrem Hals, als sie an die vergangenen Monate denkt.
"Eigentlich geht es mir gut. Wenn ich auch immer wieder mal einen Rückschlag einstecken muss ... Vor allem in der Fortbildung, die ich seit Ende Juli mache. Die Weiber mit denen ich in einem Raum sitze, sind einfach nur fürchterlich ... Mobbing pur. Die Sache mit dem Berliner, war auch nicht das, was ich mir erhofft hatte ... Aber das ist eine andere Geschichte, alles total verworren und keine Ahnung, hab da am Ende selbst nicht mehr so ganz durchgeblickt."
Spieltechnisch hat sie sich auch komplett zurückgezogen die letzten Wochen oder eher sogar Monate. Kein wirklicher Elan, sich auf irgendwas konkret zu fokussieren.
"Im Grunde gibt es nur noch wenige Konstanten in meinem Leben. Die Nachbarn oben, meine Daisy und ein paar Online-Freunde aus SecondLife - was zur Zeit das Einzige ist, wo ich mich täglich drauf freuen kann. Weißt du, ich war so stolz auf mich, dass ich über sechs Monate nicht geritzt habe, dann kamen diese blöden Sprüche in der Fortbildung und mein ganzes Konstrukt ist einfach wieder zusammengebrochen. Im Moment vermeide ich es wieder, alleine einkaufen zu gehen und bin froh, dass U. und A. (die Nachbarn oben) mich in der Hinsicht unterstützen und wir die Wocheneinkäufe gemeinsam machen." Jenny seufzt leise und blinzelt möglichst unauffällig, als sich ein paar kleine Tränen einen Weg über ihre Wangen bahnen wollen.
Eigentlich müsste sie was essen, zumindest eine Kleinigkeit, aber irgendwas in Jenny sträubt sich dagegen. 'Wenigstens ein bisschen Obst sollte ich essen oder mir eine Tasse Suppe oder so machen ...', denkt sie, schiebt den Gedanken aber auch sogleich wieder zur Seite. 'Eigentlich bin ich doch eh noch satt vom Mittag.'
"Die letzten drei Wochen bin ich sonntags früh immer zum Strand runter. Mit Ostsee lagst du richtig", erzählt sie dann wieder mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. "Beim ersten Mal war es so heftig, dass ich in Schräglage über Strand und Seebrücke gelaufen bin und auf der Seebrücke noch von einer Welle geduscht wurde. Da hatten wir ordentlich Sturm. Aber, du kannst mich jetzt für verrückt erklären, das hat auf jeden Fall was, wenn die Wellen sich an der Seebrücke brechen und du außer dem Rauschen des Wassers so gut wie nichts anderes mehr hörst. Sogar die sonst eher lauten Möwen waren kaum zu hören. Letzte und vorletzte Woche war es dann das komplette Gegenteil. Totale Flaute und die Ostsee fast so glatt wie ein Spiegel."
Jenny überlegt. Eigentlich könnte sie Sina ja mal ein paar Bilder per Email zuschicken. Zumindest wenn sie es hinbekommt, die Bilder so zu komprimieren, dass diese nicht den gesamten Speicher lahm legen und die Mail dann gar nicht rausgeht.
"Heute und morgen Abend sind in SL zwei Partys. Heute ne Eröffnungsparty mit Countrymotto und morgen Abend ist auf einer anderen SIM eine Party - eigentlich auch ne Eröffnungsparty, aber ohne Motto. Bin schon gespannt, wie das so angenommen wird und ankommt. Weißt du, in SL kann ich einfach sein, wie ich bin und tun, was ich mich z.T. RL gar nicht trauen würde. Wobei ich gestehen muss, dass ich einen Teil davon mittlerweile auch RL erfahren darf. Habe in SL jemanden kennengelernt - aber wie sollte es auch anders sein, natürlich nicht aus der Nähe, sondern aus Bayern, er wohnt ca 50 Minuten von München entfernt - mit dem ich jetzt eine 'Spielbeziehung' habe. Klingt vielleicht im ersten Moment etwas verwirrend, aber mir stärkt es irgendwie voll den Rücken und ich kann mich bei ihm komplett fallen lassen. Irgendwann wollen wir uns auch mal treffen, entweder kommt er dann hier rauf für Urlaub, oder ich fahr mal eine Woche oder so nach Bayern. Gestern war atemberaubend ... Weiß gar nicht, wie ich das beschreiben oder in Worte fassen soll ... Auf jeden Fall hat es bisher noch kein anderer geschafft, mich alleine durch Worte so zu berühren ..."
Jenny liest ihren Text noch mal durch und denkt sich dann, dass Sina jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr so wirklich versteht, was sie meint. "SL ist SecondLife", versucht sie ihrer Freundin zu erklären. "Und den Rest ... mh ... ach weißt du was? Wenn du irgendwas davon genauer wissen magst, dann frag mich doch einfach. Du weißt ja, ich beiße in der Regel nicht." Dabei muss sie leicht grinsen und malt noch flink einen zwinkernden Smiley mit auf Pinnwand.
Vorsichtig schiebt Jenny Daisy ein Stück zur Seite, die sich gerade - mehr als die Hälfte der Couch für sich beanspruchend - neben ihr ausgebreitet hat. Prompt erntet sie maunzenden Protest.
"Freu mich, bald wieder von dir zu lesen, Sina!" :)

"Tja, mein Mäuschen", tippt Sina. Die Brille ist ihr wieder einmal auf die Nasenspitze gerutscht, und sie flüstert beim Schreiben. Bei den letzten beiden Worten presst sie die Lippen zusammen und atmet gleich darauf auf. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Soviele widersprüchliche Informationen, die mich zum Teil gewaltig besorgt um dich machen. Was ist das wieder mit der Ritzerei? Und was mit dem Mobbing? Was haben die Leute in deiner Fortbildung mit dir für ein Problem? Du bist das sanfteste, netteste Wesen, was ich jemals kennengelernt habe. So jemanden wie dich muss man doch mögen." Sina lehnt sich in ihrem Wippsessel nach hinten, beugt sich wieder nach vorn und kontrolliert ihre Worte. Nachdenklich zupft sie sich an der Nase, legt ihre Hand auf den Mund und giert nach einer Zigarette. Sie greift rechts neben sich, nimmt eine aus dem Etui und zündet sie an. Dann kratzt sie sich am Kopf und schreibt weiter: "Das mit Second Life habe ich mir auch angeguckt, aber Gottseidank: Das ist nichts für mich. Mein Mädchen, willst du die Menschen - und vor Allem die Männer - nicht lieber mal auf der Straße kennenlernen? Und bevor du weiter in einer Traumwelt wie Second Life abhängst: Fang lieber wieder mit Schreiben an. Das kannst du, und das macht auch irgendwann Sinn." Sina kratzt sich wieder an ihrer Nase, nimmt einen Zug und konzentriert sich auf Jennys Pinnwand. "Normalerweise ist das kein Thema für ein Pinnwandgespräch", sagt sie, "aber andererseits: Selbst wenn es jemand liest, vielleicht ist dann sogar gut. Ruf mich doch einfach mal an. Meine Nummer, und mir egal, ob sie jetzt außer dir noch jemand kennt: 09931/8927127.
Du weißt ja: Ich wohne in Plattling. Und wenn du mal kommen willst: Dann komm einfach her."

Schließlich klickt Sina auf "Senden."

Schon leicht müde liest Jenny sich den Text, den Sina hinterlassen hat, zum zweiten Mal durch. Irgendwie ist sie im Moment nicht so ganz anwesend mit ihren Gedanken.
Sanft und nett? Jenny lacht kurz mit leicht verzweifeltem Unterton. "Ach Sina, wenn du wüsstest ... Ich hab einfach das Gefühl, dass ich absolut gar nichts wert bin ... Alleine wenn ich an morgen denke und daran, dass ich den beiden wieder gegenüber treten muss, da zieht sich in mir schon wieder alles zusammen. Wer weiß, was für Gemeinheiten sie sich wieder überlegt haben ..."
Jenny zögert, sie überlegt, ob sie das, was ihr gerade durch den Kopf geht auch sagen soll, lässt es dann aber lieber. Sie möchte einfach nicht, dass sich ihre Freundin Sorgen um sie macht.
"Was SL angeht, weißt du, das ist für mich im Moment einfach eine Art Ausgleich, den ich momentan brauche. Mich einfach in einem Rollenspiel fallen lassen. Klar wäre es schöner, jemanden im RL kennenzulernen, aber da scheine ich ja auch kein Glück zu haben. Zumindest einem Punkt konnte ich die Stirn bieten ... Seit Anfang Mai bin ich weg von den Drogen und muss dazu sagen, dass es mir leichter gefallen ist als ich gedacht habe. Klar, ab und zu wenn ich so richtig down bin, dann denke ich mir schon, wie's wohl wäre, jetzt einfach eine von den Happy-Pillen einzuwerfen. Aber ich kann widerstehen und da ich auch gar nicht mehr weiß, ob L. noch da arbeitet, wo wir damals was besorgt haben, ist das auch egal. "
Jenny wiegt ihren Kopf hin und her, von links nach rechts, wieder zurück und wiederholt das einige Male. 'Wie gut, dass Sina mich jetzt nicht sehen kann, glaube sie würde sich kaputtlachen.'
Ihr fällt ein, dass sie Sina noch etwas erzählen wollte. "Die Geschichte, wo ich im Moment dran schreibe ist was erotisches. Aktuell bin ich bei etwas über 7.000 Wörtern (laut LibreOffice). Angefangen hatte ich aus der Ich-Perspektive und eigentlich sollte es auch nur eine Kurzgeschichte werden. Aber irgendwie gings dann in einen regelrechten Flow über. Glaube, so bei 3.500 Wörtern hab ich dann beschlossen, es doch aus dritter Person zu schreiben. Und so wirklich schwer ist das eigentlich gar nicht. Glaube, da habe ich auch deinen Tips und Tricks und unserer gemeinsamen Arbeit am Mordprojekt viel zu verdanken :)"
Daisys Maunzen reißt Jenny aus ihren Gedanken. "Wow schon wieder so spät ... Naja ein paar Minuten halte ich noch durch, dann bekommt Daisy ihr Betthupferl (eine halbe Knabberstange gibts abends immer, sofern sie lieb war hihi) und ich verschwinde unter meiner Bettdecke." Jenny muss leise lachen als sie daran denkt, wie Daisy sich vorhin im Karton eingerollt hatte.
"So, meine liebe Sinamaus. Ich werde mich für heute verpixeln und zum flotten Dreier mit meiner Bettdecke und meinem Kopfkissen aufbrechen. Wünsche dir eine supergute Nacht mit den süßesten Träumen der Welt. Hab dich lieb."

Kurz zögert Jenny, dann drückt sie auf Senden und freut sich jetzt schon auf die nächste Antwort ihrer Freundin.

"Nein, ich würde mich nicht kapputt lachen, mein Mädchen", schreibt Sina morgens um halb neun. Neben ihr steht eine Tasse Kaffee. "Upps, die ist ja leer. Moment, ich hole Nachschub." Wieder einmal flüstert sie vor sich hin, schafft es aber zumindest, ihren Kopf an Ort und Stelle zu lassen. "Hurra, der Puter ist tot." Sie kratzt sich an der Nase, tippts ein, und ... "Shit, ich will jetzt ne Tasse Kaffee. Bin gleich wieder da." Dann drückt sie auf "Senden."

"Bin wieder da." Sina rümpft ihre Nase und schnieft. "So wie meine Nase hin und wieder juckt, könnte man meinen, ich würde koksen." :-D

"Was ich natürlich nicht tue. Ich habe schon viel zu viel gesehen und erlebt, um auf sowas wie Alkohol oder Drogen zurückzugreifen. Ich bin froh, dass du damit durch bist und hoffe, es bleibt auch dabei." Sina greift rechts neben sich, guckt noch einmal hin. "Meine Suchtmittel sind: Zigaretten, Rhetorik und Menschen. Rhetorik ist natürlich meine Lieblingssucht und eine Sucht, auf die ich stolz bin."
Besorgt schaut sie auf den Bildschirm und überlegt. "Wenn ich gewusst hätte, wie sehr du mich brauchst, hätte ich BookRix niemals den Rücken gekehrt." Sie atmet auf. "Aber ich bin froh, dass ich wieder da bin. Ich hoffe, du hast das mit meiner Telefonnummer gesehen, und auch, dass du jederzeit zu mir kommen kannst. Wenn es sein muss, mit Katze."
Sina legt die Hand auf ihren Mund. "Wenn ich ehrlich bin: Ich ziehe auch einen Umzug in Erwägung. Weiß nur noch nicht ganz, wohin. Aber wenn, dann auf jeden Fall diesmal allein."
Sie nimmt einen Schluck Kaffee zu sich und setzt einen Absatz. "Du hast damals den richtigen Schritt getan. Wobei ich zugeben muss: Gegen deine Erlebnisse sind meine ein Klacks. Ich weiß nicht, was das mit den heutigen Männern ist: Entweder Weichei, Macho, Terrorist oder Salafist. Gibt es eigentlich auch noch was Andres? Kann es das sein, dass sich Frauen von irgendwelchen Typen die Fresse polieren lassen, vergewaltigen, betatschen oder umbringen lassen müssen?"
Sina stockt. "Aber vielleicht ist diese Entwicklung auch einfach nur eine Folge der Emanzipation. Ach, ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll. Aber die Endfolgen tragen nun einmal wir."
Sina stockt wieder und zuckt die Schultern. "Ändern können wir es im Allgemeinen sowieso nicht. Jeder ist für sein eigenes Schicksal verantwortlich. Behalte deins in der Hand, und ich glaube ganz fest daran: Die Liebe zu suchen ist immer vergeblich. Wenn sie kommt, dann findet sie dich. Und das ohne Ansehen einer Person." Dann drückt Sina auf "Senden."

"Ei, ei, ei, Madel, drei Postings von mir bis dato." Sina atmet durch mit einem gerührten Lächeln auf ihrem Gesicht. "Diese verrückte Gilde, ich kann es dir sagen. Aufregender kann eine blöde Tabellenkalkulation beileibe nicht sein." Sina lacht auf. "Ha. Ich rede von einem Spiel. Ich habe dir vor ein paar Jahren schon mal davon erzählt."
Ein letzter Zug von ihrer Zigarette, dann drückt sie die Kippe endlich mal aus. "Ich weiß nicht, womit ich sowas verdient habe. Manche Player verwöhnen mich von hinten bis vorn, und jeder Widerstand dagegen ist zwecklos." Sie stockt und setzt dann ein Anführungszeichen. Sehr lange Schreibpause. Sie muss überlegen.
"Nur gut, dass ich Handlungen zwischen die einzelnen Dialoge schieben muss, das lässt mir Zeit", flüstert sie. "Mein Kater wird beinahe wahnsinnig bei der Klapperei."
Wieder atmet sie durch. "Aber nun gut, zur Aufklärung. Kapi Regnum, ich weiß nicht, ich glaube gespielt hast du das nie. Aber ich kann es dir sagen: Was ich da alles erlebe, da kannst du mit deinem Second Life zuhause bleiben. Bin nur froh, dass ich mit den einen oder anderen Begleiterscheinungen aufgrund BookRix-Forenerfahrung umgehen kann. Nur ..." sie stockt: "Schriftstellerwelten kapieren die, wo nichts damit zu tun haben, sowieso nie."

Pause. Tastenklappern, Geflüster. Das Geklappre wird langsamer.

"Mein Kater sitzt links vor mir auf meiner Lautsprecherbox und zwinkert beleidigt mit seinen Augen. Alle drei Wochen muss ich mir Sorgen machen um ihn." Sina legt beim Nachlesen die hohle Hand auf ihren Mund.
"Manche bei Kapi Regnum denken, ich leide unter Depressionen. Dass ich nicht lache: Ich bin der undepressivste Mensch, den es gibt. Schon weil ich gelernt habe, dass Schreiben dagegen hilft. Vorher würde ich noch Schizophrenie gelten lassen. Wobei ..." Wieder werden ihre Finger langsamer beim Tippen, weil sie überlegen muss. "Manche denken auch das." Bitter lacht sie auf. "Dabei lässt sich ein Gehirn auf nahezu alles trainieren. Geisteskrankheiten sind meiner Meinung nach nur eine wissenschaftliche Erfindung als Alibi für die Gesellschaft, warum das eine oder andere Individuum aus einem Rahmen voll Normen fällt."

Sina schnaubt. "Die Menschheit ist so bescheuert." Sie wartet. "Besser ich haue jetzt ab, bevor ich noch mehr Blödsinn verzapfe. Aber gut, dass es unseren Echtzeit-Thread gibt, wo wir beide uns ab und zu ausheulen oder miteinander lachen können. Und gut, dass es dich gibt und du mich nicht vergessen hast."
Sina lächelt in Gedenken an alte Zeiten. "Ich hoffe, dass wir noch viel Spaß miteinander haben werden. Das Leben ist viel zu kurz zum Trübsal blasen. Bis dann." Ein letztes Mal klickt sie auf "Senden."

Endlich schafft Jenny es auch wieder, sich auf BookRix einzuloggen. Die drei Nachrichten von ihrer Freundin verschlingt sie förmlich während sie an einem Glas Ingwerwasser nippt. Beinahe hätte sie nuckelt geschrieben, was aber natürlich nicht der Fall ist. "Oh mein Gott, ich glaub ich hab nen gehörigen Knall." Jenny prustet los vor lachen, sie kann einfach nicht anders.
Prompt verschluckt sie sich an ihrem Getränk. "Na zum Glück nix durch die Nase raus gekommen", murmelt sie vor sich hin und muss schon wieder lachen.
"Weißt du Süße, ich habe und werde dich nie vergessen. Auch wenn ich mich ja auch aus BookRix mehr oder weniger zurückgezogen hatte. Die Geschichte, wo ich von erzählt habe, hab ich gestern fertig bekommen und auch gleich mit meinem Erotik-Account zum Verkauf fertig gemacht."
Während sie so vor sich hin sinnt, greift Jenny total in Gedanken zu ihrem Telefon und lächelt, als sie sieht, dass sie Sinas Nummer noch immer in ihrem Festnetz-Telefon abgespeichert hat. "Ich sollte sie wirklich mal wieder anrufen." Jenny schiebt ihre Brille auf ihrer Nase ein Stück nach oben.
"Apropros oben ... Heute Abend geh ich rauf zu Anja und Uwe. Morgen wollen wir eventuell noch mal irgendwo einen Kaffee (bzw. ich einen Latte ^^) trinken fahren und uns dort dann auch ein Stück Kuchen oder eine Waffel gönnen, jenachdem wo es uns hinzieht. Auf jeden Fall eher ins 'Hinterland' der Insel."
Jenny schaut zur Seite, sieht Daisy auf der Lehne der zweiten Couch eingerollt liegen und lächelt glücklich. "Mein kleiner Schatz, du hast mir schon so viel zur Seite gestanden", flüstert sie kaum hörbar und hat trotzdem das Gefühl, dass Daisy sie gehört und auch verstanden hat. "Ich glaube, der nächste Mensch, der mir gegenüber äußert, dass Tiere keine Gefühle oder ähnliches haben, dem hau ich eine rein ..." Als sie das sagt, zieht sie den linken Mundwinkel zu einem ziemlich schiefen Grinsen nach oben. Wieder ist sie froh, dass sie keiner sieht, was für ein Gesicht sie manchmal zieht.
Jenny seufzt leise. "Ach, weißt du, Süße ... ich hab mich jetzt auf eine Online-Spielbeziehung eingelassen. Mit dem, der in der Nähe von München wohnt. Klar ist es nicht das selbe, wie als wenn man es 'richtig' zusammen machen würde ... Aber ich muss sagen, mir gibt das irgendwie Kraft. Mach dir da aber keine Sorgen, wir haben am Anfang ganz locker und entspannt gequatscht und einen Abend kam dann nachdem wir gequatscht hatten seine Frage, ob ich mir das vorstellen könnte. Mittlerweile ist es sogar so, dass ich mich ohne Halsband fühle, als wenn etwas fehlt. In der Fortbildung trage ich das jetzt auch, allerdings mit einem Tuch drüber, damit diese doofen Ziegen nicht noch mehr Grund haben, mich fertig zu machen." Sie schluckt als sie das gerade Geschriebene noch mal liest. Eigentlich würde sie Sina gerne davon erzählen, was die beiden mit ihr abgezogen haben, aber ihr Gefühl sagt ihr, dass sie dafür irgendwie noch nicht bereit ist. "Scheiße, Maus, ich fang wieder an, alles in mich rein zu fressen ... Genau das wollte ich doch vermeiden ..."
Erneut nimmt Jenny einen Schluck von ihrem Ingwerwasser, was mittlerweile doch schon kalt geworden ist, aber trotzdem noch schmeckt - zumindest ihr ...
Ein Blick auf die Uhr verrät ihr, dass sie noch ein bisschen Zeit hat, bevor sie sich dann doch noch eine Kleinigkeit zum Abendbrot macht. "Dann hab ich heute tatsächlich noch mal drei Mahlzeiten gehabt ... Aber auf die Waage müsste ich auch noch mal ... War ich jetzt schon lange nicht mehr drauf und irgendwie ein bisschen Bammel, dass ich vielleicht doch wieder zugenommen habe. Klingt vielleicht jetzt im ersten Moment albern, aber immerhin hatte ich es schon mal auf 87 kg geschafft, nach meinem Start bei 120 kg als ich das erste Mal nach Ewigkeiten wieder drauf gestanden habe letztes Jahr so im August / September." Sie seufzt wieder leise. Manchmal wünscht - oder nein es ist eher ein Sehnen - sie sich so sehr, einfach noch mal von jemandem in den Arm genommen zu werden. "Aber bei meinem Glück mit den Männern ist garantiert der nächste auch nur wieder ein Idiot, Arschloch oder was weiß denn ich." Frustriert klappern ihre Finger bei den letzten Worten in doppelter Geschwindigkeit über die Tastatur ihres Laptops.
Die Zeit rückt vor, Jenny sitzt jetzt bereits über 20 Minuten an dem Text für den Echtzeit-Post. Amüsiert lächelt sie. "Ich glaube, von dem KapiRegnum hattest du mir damals mal erzählt ... kann das sein?"
Jenny gähnt. "Oje, jetzt schon müde, das kann ja lustig werden heute Abend ... Aber okay, kommt die Cola mit rauf und dann noch irgendwas anderes, Bitter Lemon oder Apfelschorle oder so ..." Jenny kichert haltlos. "Bin froh, dass wir uns wieder gefunden haben und jetzt auch wieder Kontakt haben, Süße." Kurz runzelt Jenny die Stirn, dann flüstert sie leise: "Eigentlich würde ich an dieser Stelle jetzt am Liebsten eine Umarmung zu dir schicken, aber ich weiß nicht wie ..."

"Die Umarmung ist angekommen, Jenny." Sina lächelt gerührt und atmet auf, wie immer, wenn sie am Schreiben ist und ein neuer Gedankengang kommt. Die Finger stocken, ein neues Aufatmen. "Was ist das mit dem Halsband und dieser Onlinebeziehung? Mädel, ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich. Schließlich habe ich sowas ähnliches auch schon mal erlebt, aber glaub mir: Ich habe vor solchen Erfahrungen Bammel. Man kann sich dabei verlieben, und das tut dann weh."
Wieder stocken die Finger. "Noch mehr aber habe ich Angst um dich. Das kann nicht gut gehen." Sina überlegt, ob sie sich Second Life doch antut, um auf ihre Freundin ein bisschen aufpassen zu können. Sie legt die Hand auf den Mund und macht eine längere Denkpause.

"Ich wünschte, ich könnte zaubern. Dann würde ich für dich und alle einsamen Menschen der Welt das Glück herbei zaubern. Ich hol mir jetzt erst mal einen Kaffee." Schreibts, dann klickt sie auf "Senden."

Jenny schaut auf die Nachricht ihrer Freundin auf ihrer Pinnwand. Ob sie Sina besser nichts davon geschrieben hätte? Machte sich ihre Freundin doch jetzt nur noch mehr Sorgen. Hoffentlich konnte sie diese wieder ins Lot bringen. Eilig tippt Jenny los.
"Mausi, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mir geht es dadurch einfach besser und - es mag vielleicht seltsam klingen, aber es ist wirklich so - den einen oder anderen Push fürs Selbstbewusstsein gibt es mir auch." Ob dies ausreicht, ihre Freundin zu beruhigen, da ist Jenny sich zwar nicht sicher, aber sie hofft es. Will sie doch nicht, dass sich überhaupt irgendjemand Sorgen um sie macht.
Leise flüsternd fügt sie dann noch hinzu: "Im Grunde ist es doch eh egal, in wen ich mich im Zweifelsfall verliebe ... Bei meinem Glück eh nur Idioten ..." Verstohlen wischt sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. "Weißt du, gestern bin ich 7 km bis zum Weihnachtsmarkt nach Ahlbeck gelaufen. Als ich auf Höhe Seebrücke Heringsdorf war, war mein Hals wie zugeschnürt und ich hab echt voll mit den Tränen gekämpft ... Einfach aus dem Grund, weil ich im August da für Frank und mich so ein Herz-Schloss gekauft habe, was wir dann an dem Turm, der dafür extra an der Brücke aufgebaut wurde, befestigt haben. Da kamen so viele Erinnerungen hoch und natürlich hauptsächlich die, wie er mich einfach nur verarsch hat ... In Ahlbeck beim Weihnachtsmarkt gabs erstmal einen Glühwein mit Amaretto-Schuss und ne Bratwurst. Danach war ich wieder halbwegs zurechnungsfähig. Zurück heim ging's dann bei Uwe hinten rauf auf Motorrad. Meine erste kurze Fahrt seit unserem Unfall im August ... Die ersten Meter war mir leicht mulmig, aber danach hab ich's dann doch genossen." Jenny lächelt bei dem Gedanken, auch wenn ihr Gesicht gut kalt geworden war bei der Fahrt.
Mit ihrer rechten Hand tastet Jenny nach ihrem Thermobecher mit Ingwerwasser um erstmal einen Schluck zu trinken. "Uh das ist gut scharf geworden, von gestern Abend bis jetzt die Ingwerstücke mit drin." Jenny lacht. "Eigentlich wollte ich den Becher gestern Abend mit raufgenommen haben, hab ich aber dann natürlich doch vergessen, deshalb gibt's die Portion jetzt erstmal kalt, später dann noch eine Ladung warm / heiß. Aber die mach ich mir dann erst wenn der Becher leer ist."
Jenny überlegt, ob sie noch was vergessen hat, murmelt dann leise: "Glaube, das war alles wichtige ..." Dann lehnt sie sich auf der Couch leicht zurück, seufzt leise und verharrt noch einen Moment, bevor sie schließlich auf den "Senden" Button klickt.

"Meine liebe Maus, und da soll ich mir keine Sorgen machen", flüstert Sina vor sich hin und liest mit hochgezogenen Augenbrauen das, was Jenny schreibt. "Ich weiß, Weihnachten ist eine Scheiß Zeit, ich mache auch gerade die Hölle durch. Das Einzige, was mir gerade ein bisschen Halt gibt, sind meine Freunde auf Kapi Regnum, und dort eigentlich am Meisten eine Einzelperson. Aber das dumme ist, es ist dasselbe wie bei dir: Man sollte sich im Web nicht verlieben.
Blöd nur: ich fürchte, dazu ist es zu spät. Noch blöder ist, dass ich ihm rein gar nichts bieten kann, außer mir selbst. Ob das genügt, das wage ich zu bezweifeln."
Sina nimmt einen Schluck Kaffee. Ihre Finger stocken, sie überlegt und legt eine Hand auf ihren Mund. "Ich glaube, wenn das mein Webfreund an deiner Pinnwand lesen würde, könnte es sowieso sein, er hält uns zwei für verrückt. Aber was solls ...", Sina grinst: "Im Endeffekt ist das Web sowieso nur was für Verrückte." Sie lacht. "Und was er tut, um in meiner Nähe zu sein, ist noch um einiges verrückter als das, was ich tue, um ihm zu zeigen, was er mir bedeutet."
Sina nimmt noch einen Schluck Kaffee, presst die Lippen zusammen und zieht ein spöttisches Gesicht. Wieder lacht sie leise auf. "Vorläufig belasse ich es mal bei Freundschaft, denn für Liebe ist kein Platz in meinem Leben. Noch nicht." Wieder ein Schluck Kaffee, ein Fingerstocken. "Außerdem: Wer weiß, ob er mich nicht doch nur verarscht. Und da ist noch die Sache mit Thommy, die ich erst mal beenden muss. Für Seitensprünge stehe ich jedenfalls nicht zur Verfügung. Anziehungskraft hin oder her."

Sina kratzt sich am Kinn, reibt ihre Nase und kontrolliert ihren Text. Sie zwinkert schelmisch mit dem rechten Auge. "Meine große Liebe ist noch immer das Schreiben. Das hat mich wenigstens noch niemals enttäuscht."

Entschlossen klickt sie auf "Senden".

"Da fällt mir noch ein ...", Sina denkt an den Tipp einer Freundin. "Nimm dich selbst an wie du bist. Es ist doch scheißegal, ob jemand ein bisschen mollig ist oder nicht. Es ist auch scheißegal, ob du alt oder jung bist, und du bist um einiges jünger als ich." Sina blinzelt mit beiden Augen und atmet auf. "Männer, die sich an Oberflächlichkeiten festhalten, taugen allesamt nichts. Letztendlich ist jede Frau schön, wenn sie was dafür tut und wenn sie sich selbst dafür hält."
Sina schüttelt den Kopf. "Weder du noch ich haben es nötig, uns zu verstecken. Und du hast es nicht nötig, dich an Webmänner zu klammern. Ebenso wenig wie ich, denn schließlich habe ich daheim ein attraktives Prachtexemplar." Bitter lacht Sina auf. "Aber das war es auch schon. Ich kann den Kerl nicht mehr ab, manchmal hasse ich ihn." Sie legt die Hand auf den Mund. "Mein Mitleidspotential und mein Gefühl, für ihn verantwortlich zu sein, erschöpft sich von Tag zu Tag mehr. Wenn er meint, ohne mich nicht leben zu können, dann hat er halt Pech. Ich für meinen Teil könnte es gut. Besser als mit!" Wieder klickt Sina auf "Senden".

Jenny lässt sich erschöpft auf die Couch fallen, genießt es, wie Daisy sich vertrauensvoll an sie schmiegt. "Was ein scheiß Tag, Daisy", murmelt Jenny in das weiche Fell ihrer treuesten Freundin. "Heute hat einfach gar nichts geklappt. Zuerst bin ich viel zu spät los in Richtung Bahnhof, dass ich den knappen Kilometer in unter acht Minuten geschafft habe. Entsprechend heiß war mir, als der Zug nur kurz nach mir eingefahren ist und ich mich drinnen erstmal aus meiner Jacke gepellt habe." Sie lacht kurz auf, als sie daran denkt, dass sie bestimmt ein lustiges Bild abgegeben haben muss.
"Dann in Zinnowitz angekommen auf dem Weg zum Bildungszentrum hat's mich fast auf die Schnauze befördert, als ich eilig noch vor einem Auto über die Straße huschen wollte. Wohl gemerkt, das Auto war mehr als 100m weg als ich los bin, keine Ahnung, ob ich so langsam oder das Auto so schnell war. Naja, im Endeffekt ist's gut gegangen und am Bürgersteig war's dann auch wieder unglatt ..." Jenny prustet los, schüttelt dann den Kopf und beißt erstmal in ihr Körnerbrötchen. "Unglatt ... was für ein Wort. Aber du weißt sicher, was ich meine. Also eigentlich nichts anderes, als dass es da nicht mehr glatt war."
Vorsichtig schiebt Jenny Daisy ein Stück zur Seite, die es sich mal wieder quer über ihre Unterarme bequem gemacht hat und ihr nur einen strafenden Blick zuwirft, bevor sie sich erstmal zu ihrem Futternapf in der Küche aufmacht.
"Die Zeit im Bildungszentrum heute haken wir lieber gleich ganz ab. Da bist von 8:20 Uhr bis 14:30 Uhr anwesend und hast insgesamt gerade mal für 45 Minuten was zu tun. Wer soll da nicht verrückt werden? Als endlich Feierabend war, wollte ich mir am Bahnhof in Bansin schon mal eine neue Monatskarte kaufen, durfte dann aber feststellen, dass der Schalter seit 1. Dezember nicht mehr besetzt ist - wie mir eine freundliche Bahnangestellte dann mitteilte. Also gut, abgehakt, kauf ich mir die eben morgen Nachmittag in Zinnowitz. Auf dem Heimweg vom Bahnhof nach Hause, bin ich dann noch an der Werkstatt ran, wollte die Reifen und Ölwechsel anzahlen und was war? Tor an der Einfahrt zu und keiner, der aufs Klingeln reagiert hätte. Im Wohnhaus aber auch kein Licht an. Nächster Mist für heute also ... Am Briefkasten dann die Stromrechnung drin - ich hab mich schon gar nicht getraut, die überhaupt heute noch zu öffnen, aber gut, half ja alles nichts. Aber zum Glück keine Nachzahlung, sondern ich bekomme ein bisschen was zurück ..."
Während sie ihr Brötchen mal eben auf isst und vor Daisy verteidigt (dieses kleine Schleckermäulchen will auch immer das, was ich esse, aber das kennst du ja auch^^), liest Jenny sich die Zeilen von ihrer Freundin noch mal in Ruhe durch. "Weißt du, ein kleines bisschen verrückt waren wir doch eigentlich schon immer, Maus. Aber ich glaube, das war auch mit ein Grund dafür, dass wir uns von Anfang an sympathisch waren. Das mit Thommy und dir, tut mir leid. Aber wenn du nicht (mehr) glücklich bist, dann bleibt dir wahrscheinlich gar keine andere Wahl als primär an dich zu denken. Ich von meiner Seite kann nur sagen, dass es zwar nicht immer einfach ist, so weit weg von der Familie, aber es war die richtige Entscheidung, dass ich den Neuanfang gewagt habe. Erzähl mir doch mal ein bisschen von dem aus Kapi Regnum. Also natürlich nur, wenn du magst." Jenny lächelt ihren Laptop an, zwinkert ihm sogar kurz zu. Erst dann fälllt ihr ein, dass dieser das ja gar nicht weitergeben kann. 'Oje, wie gut, dass mich niemand außer Daisy beobachtet wenn ich am Laptop sitze.' Gleichzeitig hofft sie aber, dass sie ihrer Freundin alleine mit der Vorstellung ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert.
"Ach Sina ..." Jenny seufzt leise. "Ob wir es wohl auch irgendwann mal schaffen, uns live zu begegnen?"

"Du sagst, liebe Jenny", diktiert Sina sich selbst und legt ihre Zigarette weg. "Du sagst, es wäre schön, wenn wir uns auch live begegnen könnten. Ja, das wünscht ich mir auch. Aber he, wer weiß: Vielleicht mache ich das, was wir schon mal herumgeblödelt haben, als du an die Ostsee zogst" Sina stockt beim Tippen und nimmt den letzten Zug. Als sie ihre Fluppe ausgemacht hat, atmet sie auf und überlegt.
"Nun, damals hatte ich doch zu dir gesagt, such mir ne Wohnung dort und ich zieh zu dir in die Nähe. Mittlerweile weiß ich nur eines: Dass ich weg von hier will. Wohin auch immer."
Wehmütig seufzt Sina auf. "Weißt du, ich glaube, mein Herz selbst hat eine Heimat gefunden. Es ist nur schade, dass ich als Person nicht nachfolgen kann. Schon, weil die Heimat meines Herzens kein Ort ist, sondern ein besonderer Mensch, der umso mehr wertvoll ist, weil er sich dessen nicht einmal bewusst ist."
Sina legt die Hand auf den Mund und kontrolliert ihren Text. Dann fährt sie fort: "Ich denke, du würdest ihn mögen. Und auch, wenn ich ihn nicht von Angesicht zu Angesicht kenne, das spielt keine Rolle. Ich würde mir wünschen, dass ich herausfinden könnte, was mich mit ihm verbindet. Und vor Allem: Warum. Aber ich glaube, ihm geht es genauso. Das ist momentan eigentlich alles, was ich dazu sagen kann."

Abschließend klickt Sina auf "Senden".

Mit leicht müdem Blick liest Jenny die Zeilen ihrer Freundin.
"Ach weißt du, Süße, heute ist irgendwie ein komischer Tag. In der Fortbildung hatte ich nicht eine einzige Aufgabe heute ... Ich konnte zwar ein bisschen zwei anderen helfen, aber das war alles ..."
Als Daisy wie eine wilde Furie an der Couch vorbei rennt und unter dem Sessel verschwindet, muss Jenny laut lacht. "Oh mein Gott, was macht die denn da?"
Kichernd beobachtet Jenny Daisy, wie sie mit dem kleinen Ball spielt und diesen immer wieder wild verfolgt. "Du bist echt eine Marke, Daisy."
Nachdenklich betrachtet Jenny ihren Laptop. Sie spielt mit ihren Haaren. "Auf's Herz hören ist leider nicht immer so einfach. Meins spielt heute irgendwie verrückt ... Keine Ahnung warum ... Hab auch bisschen iMist gebauut ... Mehr Tabbis genommen als ich offiziel darf ... Normal: 50mg, genommen 1500 mg. ber brauchst diri da keine Sorgen machen, ich nehm nicht mehr und den Rest der Tabbsi geb ich Uwe morgen mit. Dann sind sie bei mir weg."
Jenny gähnt. "Wie doch die Zeit vergeht ... Schon wieder halb zwölf durch ... Ich werde dann jetzt erstmal ins Bett tapsen,. Bitte nicht böse sein, dass es dieese Mal ein kürzerer Text ist asonst. Bin nicht so ganz bei mir grad eund Augen wollen inmmer wieder zufallen. Ich wünsche dir eine gute Nacht und schöne Träume."

"Bei der dreißigfachen Menge muss ich mir keine Gedanken machen? Weißt du, eigentlich bin ich viel zu wütend, um mich auf die Finessen des Echtzeit-Threads hier einlassen zu können. Aber nun gut, vielleicht hilfts ja, wieder runterzukommen." Sina nimmt einen Zug an der Zigarette und legt sie wieder weg. "Heute Nacht hab ich geheult, aber ausnahmsweise mal nicht wegen ihm, sondern wegen dir. Deshalb würde ich dich am Liebsten besuchen, wenn ich das Geld dafür hätte, und durchschütteln."
Sina verzieht ihr Gesicht zu einer Grimasse und legt die Hand auf den Mund. "Erzähl mir mal was von Second Life, von dem Kerl. Ist er es, der dich so fertig macht, dass du rückfällig wirst? Wenn ja, dann knöpfe ich ihn mir vor. Und das wird dann nicht lustig. Oder mal so ein kleiner Test, wie er zu dir steht." Sie stockt und überlegt. "In Bezug Fortbildung kann ich dir leider nicht weiterhelfen, ich blick da nicht durch. Das einzige, was ich kapiert habe, ist dass du gemobbt wirst und nicht sehr glücklich bist."
Sina faltet die Hände vor sich und überlegt, wie sie ihrer Freundin am besten helfen kann. Momentan fühlt sie sich hilflos und unendlich traurig. Auch ihr Webfreund hat sich wieder zurückgezogen. "Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, er soll mir vertrauen, Maus. Aber dummerweise bin ich dazu nicht in der Position. Das einzige, was ich kann, ist an ihn denken und mit ihm reden, wenn er das will. Aber er ist voller Zweifel. Mehr als ich."

Sina legt eine lange Schreibpause ein. "Ich habe es schon öfter gesagt: Im Web Gefühle zu entwickeln ist Mist. Gefühle zu haben ist überhaupt Mist. Ich könnte gut drauf verzichten und oft versuch ich es auch." Sina lacht bitter auf. "Im Mauern bauen bin ich relativ gut. Entweder verstecke ich mich hinter zu vielen Worten, hinter bla bla oder hinter Schweigen und Tränen. Wenn mich das Schweigen befällt, dann ist es ernst. Genau deshalb weiß ich auch, dass es mir mit ihm ernst ist, dass ich diesen Mann mehr mag als alle Menschen in meinem Leben jemals zuvor. Aber glauben würde er das sowieso nie." 'Außerdem, was hilfts', sinniert Sina. 'Schaff dir erst einmal deinen Noch-Kerl endgültig vom Hals, dann sehen wir weiter.'

Entschlossen klickt sie auf 'senden.'

"Ich bin froh, dass du dich gestern doch noch ausgeloggt hast." Sina ist wieder ein bisschen besser beieinander und nicht mehr so traurig und wütend. "Ich habe mir schon alles mögliche Schreckliche ausgemalt, was dir passieren könnte mit der letzten Information, die du mir gabst. Ich glaube, hätte dein Lämpchen heute morgen noch immer gebrannt, hätte ich den Notruf gewählt. Bitte jag mir nie wieder so einen Schrecken ein."
Sie überlegt, was sie noch tun kann, weit weg von ihrer Freundin, die Verbindung zu ihr nur übers Web, und voll Sorge um Jenny. "Was hast du damit gemeint, dein Herz spielt verrückt? Ist noch etwas geschehen, was dich beeinflusst? Was ist eigentlich mit Markus, hast du nochmal was von ihm gehört oder lässt er dich in Ruhe? Bist du eigentlich sicher, dass du mit ihm durch bist? Immerhin wart Ihr einige Zeit beieinander."
Sina stockt. "Was auch immer, die Antworten kennst nur du selbst. Aber ich lasse dich fortan nicht mehr in Ruhe, bis es dir wieder besser geht."

Fast heftig klickt Sina auf "Senden."

Sie überlegt es sich noch einmal anders und editiert ihren Post:
"Ps, liebe Jenny, ich habe eine Aufgabe für dich. Lies dir mal vom ersten bis zum letzten Post im Echtzeit-Thread alles durch, und zwar gut und genau. Nicht vergessen, auf "Ältere Kommentare anzeigen" und "Mehr anzeigen" zu klicken. Und dann überlege dir mal, wo auf dem Weg vom ersten bis letzten Tag du dich selbst verloren hast. Auch bei mir ist vieles passiert, aber ich bin noch immer die Gleiche."

Noch immer hat Sina die Zeit mit Jenny vor Augen, als sie noch wie ein goldiges, naives Mädchen war, voller Träume, voller Idealismus, voller Elan, voller Humor. "Das Schwein, das dich vor drei Jahren fertig gemacht hat, dein Ex, der dir nicht glaubte, dein gesamtes Umfeld, das dich irgendwie fallen ließ: Das macht mich wütend. Und hilflos, weil ich dir nicht helfen kann." Sie speichert noch einmal und loggt sich dann aus.

"Oh man, das wollte ich nicht ... Ich wollte nicht, dass du dir so Sorgen und Gedanken machst ..." Jenny schaut geknickt auf ihren Laptop. "Was Tom angeht (so heißt er), nein er war es nicht ... Er hat mir gestern auch ganz gut ins Gewissen geredet und wenn er heute Morgen bis 9 Uhr nichts von mir gehört hätte, dann hätte er Uwe über Skype angeschrieben."
Jenny zögert einen Moment, bevor sie weiter schreibt. "Ich hab Uwe heute die restlichen der Tabletten gegeben und auch die, welche ich bei Bedarf nehmen darf. Wegen Tom noch mal, der ist im Moment mindestens so eine Stütze wie Uwe für mich. Klingt vielleicht bescheuert, aber vielleicht verstehst du mich ja. Weiß auch nicht, wie ich das anders beschreiben soll. Okay, ich gebe zu, der mich so runtergezogen hat - zumindest unterbewusst - war auch jemand aus SL ... Aber zur Not blockiere ich ihn überall und sage ihm, dass er wenn er wieder klar denkt, sich bei Tom oder Two melden soll, dann kann ich ihn ja wieder freigeben ... Weißt du, er hat mir dann gestern Morgen geschrieben gehabt, dass er am liebsten gegen den nächsten Brückenpfeiler fahren würde und hat sich richtig tief geritzt - also nicht so wie ich mehr oberflächlich, sondern richtig tief."
Nachdem sie soweit gekommen ist, greift Jenny erstmal zu ihrer Apfelschorle, nimmt einen tiefen Schluck und seufzt leise. "Aber bevor du dir noch mehr Sorgen machst, Maus, ich bin mittlerweile wieder gut sechs Wochen vom Ritzen weg. Glaube, das letzte Mal war Mitte / Ende Oktober. Bin da auch nicht stolz drauf, dass die Weiber mich da so hingetrieben hatten wieder, aber gut, was soll ich machen. Es ist nun mal passiert. Mittlerweile habe ich aber wieder Kraft getankt um die Finger von zu lassen." Jenny stockt, überlegt, zögert und schreibt dann weiter. "Ich glaube, da hat Tom auch viel zu beigetragen, dass ich mich wieder besser fühle. Egal, ob wir mal nur tippern, quatschen oder spielen, irgendwie findet er immer die richtigen Worte. Gestern Abend, er hat da zb gleich gemerkt, dass ich was versuche, vor ihm zu verbergen. Ich wollte es ihm halt auch zuerst nicht sagen, aber keine Chance. Er hat so lange nachgehakt, bis ich es erzählt habe. Und hat dann sogar noch gleich im Web geschaut, weil ihm das Medi so nichts sagte, er aber wissen wollte, wie die Wirkung ist und ob von dieser Überdosierung eine Gefahr ausging."
Leicht genervt verdreht Jenny ihre Augen, muss dann aber doch kurz lachen. "Weißt du, ich sitze heute oben bei Uwe und Anja. Andauernd quatscht einer von beiden mir rein beim schreiben. Wie soll ich da dem roten Faden folgen? Ich wollte dir noch irgendwas sagen ... Aber nu ist es weg." Mit einem leicht zum Grinsen verzogenen Mund starrt Jenny auf den Bildschirm, liest noch einmal die letzten Zeilen, findet ihren Gedanken aber nicht mehr wieder. "Hmm, dann war's vielleicht nicht so wichtig, sonst wäre der Gedanke ja noch da", murmelt sie schließlich leise vor sich hin und knabbert kurz auf ihrer Unterlippe.
"Ich glaube, ich drücke erstmal auf Senden", beschließt sie, als ihr die Frage wegen Markus, die ihre Freundin gestellt hatte, nochmal durch den Kopf schießt. "Im Großen und Ganzen hab ich nicht mehr wirklich viel von ihm gehört. Eigentlich nur zum Geburtstag kurz und dann hatte er mir noch mal ein Foto geschickt, als Blacky noch mal aufgetaucht war. Erinnerst du dich noch an ihn? Mein kleiner Vampir-Kater. Fynn hatte mir zum Geburtstag auch geschrieben. Ansonsten war nichts mehr von ihm, aber ich suche auch keinen Kontakt mehr. Hab auch seiner Mutter die neue Handynummer von mir nicht gegeben ... Klar, ab und zu kommen schon mal Erinnerungen hoch. Aber hier waren wir ja nie zusammen, was es für mich dann doch leichter macht, seeeehr wenig an ihn zu denken. Gut, jetzt so zur Weihnachtszeit, klar überlegt man da schon mal, wie es wäre jetzt nicht hier zu sein, aber da ich einfach noch nicht bereit bin, zurück nach NRW zu fahren - auch wenn's 'nur' ein Besuch wäre. Hab darüber nur mit meiner Schwester geschrieben, sie konnte das zumindest verstehen."
Noch einmal überlegt Jenny, ob ihr noch was wichtiges einfällt, dann drückt sie für's erste auf "Senden" und schickt den Post zu ihrer Freundin auf die Reise.

"Vielleicht solltest du einfach mal lernen, zuzulassen, dass sich jemand um dich sorgt." Sina zieht an ihrer Zigarette. "Mittlerweile lässt mein mulmiges Gefühl zu deinem ... Tom ... ein bisschen nach, wenn ich das lese. Erzählst du in diesem Spiel von deinen Problemen, dass du dir da so einen wie den, wo dich runterzog, an Land ziehen kannst?" Nach einem weiteren Zug an der Zigarette legt Sina sie weg und ärgert sich über Tippfehler, die sie immer mal wieder nachbessern muss. Dann fährt sie fort: "Wenn ja, Mädchen, das solltest du nicht tun. Ein Spiel ist zum Genießen da und nicht dazu, sich noch mehr Probleme aufzuhalsen wie man schon hat."
Sina kratzt sich an der Nase. "Ich finde es gut, dass du im Haus tolle Freunde hast. Dass du Uwe die Tabletten gegeben hast: Darüber bin ich erleichtert, und dass das Ritzen schon wieder eine Weile lang her ist, freut mich. Bin gespannt, was du zu meinem Tipp im Postfach sagst, aber Antwort bitte nicht in aller Öffentlichkeit. So abgebrüht bin selbst ich nicht."
Sina lächelt spöttisch und presst die Lippen zusammen, um nicht laut auflachen zu müssen. Sie atmet aus und ein und überlegt, was sie noch sagen kann. Doch da ihr nichts mehr einfällt, klickt sie auf "Senden."

Jenny lächelt und ist erleichtert, dass Sina sich nicht mehr so arge Sorgen macht. "Naja, es ist eher so, dass wir über ganz andere Dinge ins Gespräch kamen. Irgendwann verriet mir dann die Person, die sich hinter dem Frauen-Ava verbarg, dass es gar keine Frau war, mit der ich die ganze Zeit über schrieb, sondern ein Mann. Eigentlich hätte ich böse sein können, aber irgendwie musste ich drüber lachen. Hab dann nur mal geschrieben, dass ich nun wohl nicht mehr schreiben kann, dass L. die einzige Frau war, die mal mit mir gespielt hat."
Bei diesem Gedanken muss Jenny schmunzeln. Sie schiebt sich schnell einen Löffel Joghurt in den Mund und schreibt dann sofort weiter. Dabei murmelt sie leise die Worte vor sich hin: "Kennengelernt habe ich ihn in einem Club, bzw. eigentlich beide Tom und auch L., dann sehr viel geschrieben, mit Tom dann halt auch irgendwann Skype ausgetauscht - er weiß, was mir passiert ist, sowohl im April 2015 als auch die Geschichte mit Markus ... Wie ich mit L. dann auf die Idee kam, Skype auszutauschen, weiß ich gar nicht mehr so genau, war auf jeden Fall erst, nachdem ich wusste, dass es ein Mann war. Am Anfang lief auch alles super, wir haben mal gequatscht (vorher auch schon inworld - also in SL) und uns auch eigentlich die ganze Zeit über gut verstanden. Ihn hat eine Frau, die von Anfang an wusste, dass L. ein Mann war, ziemlich verletzt in SL, das hat er irgendwie aufs RL projektiert und ist daran mehr oder weniger zerbrochen. Ich hab eigentlich nur versucht, ihn aufzubauen und ihn davon abzuhalten, sich umzubringen ... An mich selber hab ich dabei überhaupt nicht gedacht, das gebe ich auch zu. Ich wollte ihm einfach nur zeigen, dass ich für ihn da bin, auch wenn er komplett am anderen Ende von Deutschland wohnt (irgendwo bei Freiburg). Hab vorhin auch noch mal mit Uwe darüber gesprochen ... Er meinte, genau wie Tom vorgestern Abend schon, dass ich ihn dann einfach blocken soll. Ich könnte ihm ja dann schreiben, er soll sich inworld dann an Tom wenden, wenn er wieder auf dem Damm ist, und dann wieder entblocken. Vielleicht wäre das wirklich erstmal die sicherere Variante, ich weiß es nicht ..." Jenny seufzt. "Weißt du, Maus, ich hab einfach Angst, dass er sich dann doch etwas antut. Ja, vielleicht mache ich mir da zu viele Gedanken, aber du kennst mich ... Ich bin eben immer für andere da und irgendwann breche ich dann zusammen ... Und dann mach ich so nen Scheiß wie Donnerstag ... Aber okay, egal, anderes Thema ... Gleich kommt Tom online und bin schon gespannt, was wir anstellen - egal ob in Skype oder in SL ..."
Ein leicht verträumtes Lächeln legt sich auf Jennys Gesicht, sie streift sich eine Strähne aus dem Gesicht und murmelt leise: "Ich müsste echt mal wieder zum Frisör ..." Dann grinst sie ihren Laptop an, streckt ihm die Zunge raus und muss nur noch mehr grinsen.

Da ihr gerade nicht mehr einfällt, schickt sie den Post erstmal ab und grinst als ihr dabei 'to be continued' durch den Kopf spukt. Sie freut sich schon jetzt auf den nächsten Post ...

"Tja, Maus, meine Art Second Life hat sich heute erledigt." Sina zuckt mit den Schultern. "Naja, war ja klar. Ich hake meins ab und hoffe, dass es dir anders geht." Sie lächelt wehmütig. "Aber zum Trost: ich hab recherchiert. Es gibt durchaus Real Life-Beziehungen, die im Web anfingen. Es ist zwar nicht grade die Regel, dass es bis ans Ende des Lebens hinhaut, aber das ist RL ja auch nicht grad anders."
Sina blinzelt eine Träne weg. "Der Großteil der Erfahrungsberichte, die ich gelesen habe, ist positiv. Nur wenige sagen, es kann nicht sein, dass Liebe oder Freundschaft im Web anfängt. Die Hälfte sagt, es sei gut, wenn man in der Lage sei, zu differenzieren." Sina stockt. "Naja, dazu bin ich ja durchaus in der Lage, wieder stenta bene in die Realität umzuschalten. Aber der Stachel bleibt."
Sie überlegt, ob sie noch mehr loswerden kann. "Nun ja, einige weitere Erfahrungsberichte erzählen von Freundschaften, die im Web anfingen. Glückliche Fälle in Sachen Beziehung fand ich zwei Hände voll. Manche halten noch immer, manche immerhin ein paar Jahre."
Sina kratzt sich am Kopf. "Aber in einem sind sich alle einig: Ohne ein Treffen in der Realität kann es nicht funktionieren." Sie zuckt wieder mit den Schultern. "Naja, mir wurde an den Kopf geknallt, es war alles nur Spiel." Sie lächelt. Sie grinst. "Der Kerl vergisst nur eines: Dass ich auch spielen kann. Jedenfalls liegt mein Online-Problem erst mal auf Eis. Ebenso wie mein Herz. Die Zeit der Tränen ist für mich vorbei. Es lebe die Eiskönigin." Entschlossen und heftig klickt Sina auf "Senden".

"Oje, ach man, Maus ..." Jenny wünscht sich, sie könnte sich jetzt mal eben klein machen und durch die Leitung kriechen. Da das aber selbst 2017 noch nicht möglich ist, starrt sie nur ihren Laptop an, blinzelt, schiebt ihre Brille zurecht und tippt dann schnell weiter. "Würde dich gerne jetzt ganz feste einfach in den Arm nehmen und dir sagen, dass ich für dich da bin ... Und wenn du dir den Frust aus den Fingern tippen musst, du weißt, dass auf jeden Fall was zurückkommt von mir. Okay, ich gebe zu, dann und wann dauert es etwas länger, ab und zu bedarf es auch eines gewissen - und ruhig auch mal festeren - Tritts in den Arsch, aber irgendwie finde ich doch den Weg immer wieder hier her." Jenny zwinkert, zögert und murmelt dann leise: "Ach, das kann sie ja gar nicht sehen." Etwas lauter führt sie dann fort: "Ich hab dir gerade durch den Laptop zugezwinkert, Maus. Vielleicht hast du ja einen Hauch davon gesehen."
Kurz überlegt Jenny, was ihr gerade für ein Gedanke durch den Kopf geschossen ist. Sie schiebt die Unterlippe ein Stück vor, atmet tief aus und muss lachen, als ihr Pony dabei dann nach oben weht. "Puh, wenn ich doch auch manchmal so schnell wäre wie meine Gedanken. Und vor allem, wenn doch manche Zeit so schnell verginge, wie die Gedanken kommen und gehen. Andererseits, ist unsere Zeit nicht eigentlich schon schnelllebig genug? Haben wir nicht eh kaum noch Zeit für irgendwas?" Jenny seufzt leise, spürt im gleichen Moment, wie sie etwas am Hals kitzelt und will sich schon instinktiv an der Stelle kurz kratzen, als ein Blick zur Seite ihr zeigt, dass es nur ihre Katze war, die mal eben mit ihren Schnurrhaaren den Hals gestreift hat. "Kleine Schmusekatze", kichert Jenny und krabbelt ihrer kleinen durchs Fell. "Hast wohl wieder gemerkt, dass ich bisschen sentimental werde ..."
Leicht in Gedanken schiebt Jenny ihr Headset zurecht, über das sie gerade ein bisschen Musik hört, während sie auf den Bildschirm schaut. Als sie bereits zum dritten Mal gähnt, schüttelt sie leicht den Kopf. 'Ich sollte echt sehen, dass ich mich gleich von der Couch ins Bett rolle.' Bei der Vorstellung muss Jenny wieder lachen und hofft im Stillen, dass dieses Bild ihrer Freundin zumindest ein leichtes Schmunzeln über die Lippen jagt.
Kurz überlegt sie, ob sie einfach ein paar Grimassen schneiden soll, dann fällt ihr aber ein, dass Sina das ja eh nicht sehen kann. Und auch wenn Jenny immer mal wieder ein paar verrückte Gedanken hat, soweit, dass sie irgendwelche Grimassenbilder ins Web stellt, kommt es dann doch nicht.
"Oh, weißt du was? Letzte Nacht hat es hier tatsächlich dann auch geschneit - ich glaube wir hatten heute morgen so zwischen einem und anderthalb Zentimeter Schnee - und prompt hatte die Bahn heute Morgen 15 Minuten Verspätung. Aber die Viertelstunde, die ich dann am Bahnhof im Kalten stehen durfte, hat mich den ganzen Tag verfolgt. Erst jetzt, wo ich bereits seit über fünf Stunden zuhause bin und mich mit Fleeceanzug - den hab ich letzte Woche zufällig bei Lidl entdeckt - und Decke auf der Couch eingekuschelt habe, wird mir endlich wieder 'richtig' warm. Der Schnee war heute Nachmittag übrigens schon wieder nahezu gänzlich verschwunden und der nächste Schnee soll angeblich von Mittwoch auf Donnerstag die Nacht erst wieder kommen, naja mal abwarten. Über so ein bisschen Puderzucker lacht ihr sicher nur."
Ein kurzer Blick auf die Uhr, ein kurzes Zögern. "Ich husche jetzt so langsam ins Bett, mal schauen wie schnell ich einschlafe, müde genug bin ich eigentlich. Falls du das heute noch lesen solltest, schlaf bitte nachher gut und träume was schönes. Wenn erst morgen, dann wünsche ich dir einen guten Start in den Tag."
Jenny nickt zufrieden und drückt dann auf "Senden".

"Schönen Mittag, Jenny." Mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht tippt Sina die Antwort. "Wir hatten bisher auch noch nicht sehr viel Schnee. Einmal für ein paar Tage ein bisschen mehr, aber der ging bald wieder weg. Jetzt sind wir schneefrei." Sina stockt und überlegt. "Wir liegen 300 Meter zirka über dem Meeresspiegel, so weit runter kommt heutzutage nicht mehr viel Schnee. Die Standardschneegrenze liegt bei minimum 500 Metern, und selbst da ist es noch selten."
Sina dreht ihren Kopf und legt ihre Hand an ihre linke Wange. "Naja, ich hab meinen Kopf nochmal aus der Schlinge gezogen. Das war auch so ein Kerl, der sich einmal als Frau ausgibt und einmal als Kerl. Checkte mich ab von allen Seiten, hofierte mich mit allen Finessen und was weiß ich. Ich glaube aber, wir hatten uns wirklich sehr gern. Aber wenn er nicht weiß, was er will und nicht hinnehmen kann, dass es nicht immer einfach ist: Was soll ich damit? Ich denke, jetzt ist es endgültig vorbei und irgendwo hoffe ich das auch." Ein trauriger Zug gleitet über Sinas Gesicht. "Ein gutes hat es: Jetzt kann ich unbelastet und ohne Druck in die Zukunft gehen. Und ich sage mir: Wer mich wirklich will, der wird mich finden. Egal wo ich bin. Ich meine jetzt im Real Life. Und wer mich wirklich will, gibt mich auch nicht einfach verloren, nur weil es schwierig ist. Egal ob in Freundschaft oder in Sachen Liebe." Sina legt wieder eine Hand an ihre Wange und anschließend auf ihren Mund. Sie legt eine längere Schreibpause ein. "Diesmal komme ich gut drüber weg, glaube ich. Schon weil ich gewappnet war. Aber ihm wünsche ich den heftigsten Liebeskummer der Welt an den Arsch. Dann kapiert er vielleicht mal, dass man mit der Liebe nicht spielt."

Mit trauriger Miene klickt Sina auf "Senden".

Erleichtert liest Jenny die Zeilen ihrer Freundin. "Puh, das klingt zumindest wirklich so, als wenn du wenigstens teilweise damit abgeschlossen hast. Ich wünsche es dir, Maus. Und ja, das Karma soll ihm so richtig schön den Liebeskummer vor die Füße scheißen (das war jetzt kein Tippfehler, ich meine wirklich scheißen), sonst merken so Idioten ja doch nicht, was Sache ist."
Leicht genervt verdreht Jenny ihre Augen. "Hier laufen grade wieder Diskussionen ... Wer mit wem beim Mittagessen an einem Tisch sitzt oder auch nicht, und vor allem wieso. Da kannst du echt nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Naja, mal schauen, wie der Rest des Tages noch wird, bin auf jeden Fall froh, wenn ich heute zuhause bin. Heute Abend gibt's in SL ein Konzert, wo ich hingehe. Vorher legt ein befreundeter DJ eine Stunde zum Warm-up auf und dann ab 21 Uhr steigt ein Tribute to Eisbrecher Konzert. Sagt dir die Band etwas? Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr so genau, was du für Musik hörst, muss ich gestehen. Ich würde sagen, Eisbrecher kannst du ungefähr mit Unheilig in eine Genre-Schublade stecken. Letztens hab ich ein total schönes Lied von denen gehört, aber natürlich hier in der Fortbildung nicht im Browserverlauf. Müsste ich dann zuhause mal raussuchen."
Mit einem leisen Seufzen lehnt Jenny sich kurz zurück, dann wieder halb über den Tisch, um den Laptop ein Stück näher zu sich zu ziehen. "Naja, ich werde jetzt auch erstmal einfach wieder so tun als ob ich was tue - oder so ähnlich ... Immerhin sind's 'nur' noch vier Stunden und sieben Minuten bis mein Zug nach Hause fährt. Das Ende ist also quasi in Sicht. Andererseits, bin ich gerade erst zweieinhalb Stunden hier, also vielleicht doch noch ganz schön lange bis zum Feierabend ... Aber irgendwie werde ich die Zeit schon rum kriegen - hoffe ich zumindest."