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Ann

„Fahren wir Musikexpress?“, kommt eine leise einfache Frage aus Anns Mund. Ohne ein Wort zu erwidern steige ich in den nächsten Wagen und bemerke dann erst, dass ihr Bruder bereits darin sitzt. Die Fahrships werden eingesammelt, wobei ich Ann einen ausgeben muss, da sie keinen hat, was ich aber gerne tue und dann geht es los. Unglücklicherweise sitzt Ann jetzt ganz außen, was sie aber clever löst indem sie sich einfach ganz unerschrocken halb auf meinen Schoß setzt. 'Bitte nicht.', denke ich mir. 'Dein Bruder sitzt doch neben uns!' Doch schon im nächsten Augenblick habe ich meine Bedenken vergessen. Es ist einfach nur schön, sie so nah bei mir zu haben, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Ich sehe wie ihr Haar im Fahrtwind fliegt, bewundere das erfreute glitzern in ihren Augen und ihr strahlendes Lächeln. Auf einmal denke ich, dass dies der Richtige Zeitpunkt sei und bewege meinen Mund ganz dicht an ihr Ohr. „Ich liebe dich.“, flüstere ich und lächele. Sie lächelt ebenfalls. Einen winzigen Moment ruht ihr Blick auf meinen Lippen, doch dann umarmt sie mich nur, wofür ich ihr sehr dankbar bin, da ja immer noch ihr Bruder mit im Wagen saß. Nach der Fahrt ist der Zauber verflogen. Wir schlendern weiter über den Jahrmarkt, aber nicht Hand in Hand wie ein verliebtes Pärchen, sondern ganz normal wie Freunde eben. Zu gerne hätte ich ihre Hand gehalten, aber es ging nicht. Nicht in der Öffentlichkeit.

Die nächsten Tage vergingen ohne irgendwelche besonderen Ereignisse. Nur unsere Blicke wenn wir einen Augenblick allein waren sagten, was wir einander bedeuteten.

Dann kam dieser eine Tag, der schlagartig alles ändern sollte. Ich war im Kellerraum der zu der Wohnung von Anns Familie gehörte um eine Kiste mit Sachen, die ich ihrem Bruder geliehen hatte zu holen, als sie plötzlich vor mir stand. „Warum muss nur alles so geheim sein?“, fragte sie und schenkte mir einen zuckersüßen Blick. Ich stellte die Kiste weg und strich ihr mit der rechten Hand sanft über ihr dunkelbraunes Haar. „Du weißt das es nicht anders geht.“ Seufzend umarmte sie mich und mit dem was dann geschah hätte ich nie im Leben gerechnet. Langsam hob sie den Kopf, sah mir einen Moment lang tief in die Augen und küsste mich. Ich war überwältigt. Wie lange hatte in meinen Gedanken kaum noch etwas anderes außer ihr eine Rolle gespielt und jetzt stand sie hier und küsste mich. Ohne recht zu wissen was ich tat, ging ich einen Schritt vorwärts, so dass sie mit dem Rücken ganz leicht die Wand berührte und vertiefte den Kuss. Meine Hände auf ihren Hüften zog ich sie ein kein wenig zu mir, hoffte der Moment würde nie enden, doch genau in diesem Moment löste sie sich von mir. „Karin hatte doch recht! Ihr wollt immer nur das eine von einem Mädchen!“, zischte sie, doch die Enttäuschung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Auch ihre Augen schienen zu sagen 'Ich hatte gehofft, Ihr wäret anders!'

Plötzlich hörten wir Schritte auf der Treppe. Reflexartig flüchtete ich aus dem kleinen Kellerraum in die hinterste Ecke des Kellers. „Ann? Was suchst du hier?“, erkannte ich die Stimme von Computerass Jake. „Ich suche nur nach meinem Fechthandschuh, ich wollte Freitag mal endlich wieder zum Training gehen.“ - „Achso, komm aber gleich hoch, das Essen ist fertig.“, sagte Jake und ich hörte, wie sich seine Schritte wieder entfernten. Vorsichtig kroch ich aus meinem Versteck und ging zu ihr. „Ann...“, begann ich einen Satz und wurde sofort von ihr unterbrochen. „Vergesst es, wir beide sind fertig miteinander!“ Bevor ich noch ein Wort sagen konnte hatte sie sich ihre Fechtsachen, von denen sie offensichtlich genau gewusst hatte wo sie waren, geschnappt und war nach oben verschwunden. Verwundert und alleine bleib ich im Kellerraum zurück.

Das konnte doch alles nicht war sein! Was unterstellte sie mir da so mir nichts dir nichts einfach, dass ich von einem Mädchen immer nur das eine wollen würde? Nun, ich war 21 Jahre alt und manch einer in diesem Alter mochte wohl so denken, aber ich doch nicht! Kopfschüttelnd nahm ich die Kiste mit meinen Sachen und ging ebenfalls nach oben.

Als ich die Kiste im Flur abstellte hörte ich schon laute Stimmen aus dem Zimmer von Ann und Karin. „...dachtest du, das fällt keinem auf, wenn ihr Beide so kurz nacheinander im Keller verschwindet!“, hörte ich Karin sagen. „Glaubst du etwa, es war meine Absicht?“, kam es von Ann wütend zurück. „Tja, wahrscheinlich dachtest du dir einfach, ein kleines Techtelmechtel mit dem Kronprinzen verschafft dir eine bessere Stellung bei Hofe!“, stichelte Karin. „DAS hast DU nicht gesagt!“, empörte Ann sich lautstark. „Gerade du, die doch so gut wie immer förmlich um die Aufmerksamkeit der hohen Herren bettelt! Ich habe NIE danach gestrebt, einem von ihnen zu gefallen!“ - „Glaub doch was du willst du dumme Gans!“, zischte Karin verächtlich. „Ich kenne unseren ach so lieben Herrn Kronprinzen leider etwas besser als du denkst!“ - „Was willst du damit sagen?!“, rief Ann mit sich überschlagen wollender Stimme.

Ich wollte nicht lauschen, denn das gehörte sich für den künftigen Fürsten nun wirklich nicht, aber das interessierte mich nun doch, woher Karin mich so gut kennen wollte.

„Was glaubst du wohl, woher ich weiß, wie der Typ denkt?!“, sagte Karin beschwörend und ich konnte mir ihr vielsagendes Lächeln nur zu gut vorstellen. „Das ist nicht wahr!“, schrie Ann und begann zu weinen. „Doch“, sagte Karin mit zuckersüßer Stimme. „sieh es ein Schwesterchen. Wir haben ihm beide nie etwas bedeutet und jetzt hat der die gerechte Strafe dafür erhalten, was er mir angetan hat!“ - „Wie meinst du das?“, fragte Ann. Karin versuchte abzuhauen, stand aber als sie die Tür öffnete dummerweise mir gegenüber.

„Das würde mich jetzt aber auch mal brennend interessieren.“, sagte ich und schob sie zurück in das Zimmer. „Ann, es – es tut mit leid. Ich habe das nur so rumerzählt, dass er kein Mädchen von der Bettkante schubsen würde, weil...“ Karin begann zu weinen. „Es tat so weh als Ihr mich damals abgewiesen habt und als ich dann bemerkte wie meine Schwester dem Blick Eurer wunderschönen Augen ebenso verfallen zu sein schien wie ich, da musste ich doch etwas unternehmen um sie zu schützen!“ - „Um mich zu...?! - Karin, SAG, DASS DAS NICHT WAHR IST!“, donnerte Ann. „Kannst du das denn nicht verstehen Ann? Ich wollte nicht zulassen, dass er dich ebenso verletzt wie mich!“ Ich war geschockt, dennoch trat ich Karin ruhig gegenüber. „Karin, das ist vier Jahre her. Wie kommst du darauf, jetzt noch einen Racheplan zu verwirklichen? Dadurch, dass du das Glück deiner Schwester zerstörst, erreichst du doch höchstens, dass sie nichts mehr mit dir zu tun haben will und so sollte das nicht sein. Ihr seit immer noch eine Familie, ganz egal was passiert. Ich kann dir die Liebe die du für mich empfindest nicht zurückgeben. Es ist nun mal so, dass ich Ann liebe und nicht dich und daran wird sich auch nichts ändern."

 

Vier Wochen später war Ann bereits zu uns ins Schloss gezogen. Ihre Geschwister und die Eltern waren erst mal in ihrer alten Wohnung geblieben. Mein Vater hatte es zwar zunächst nicht gut gefunden, dass meine Liebste eine Jungzofe war, aber Mutter hatte ihn überzeugen können, dass wir doch schließlich nicht mehr im Mittelalter leben. Und was mich betrifft, ich bin mir sowieso sicher, dass Ann eine wundervolle Fürstin sein wird, genau so wie meine Mutter...

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Tag der Veröffentlichung: 17.04.2014

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