Für Chris
Aeris ist tot...
Ich konnte und wollte nicht glauben, was ich da hörte. Meine Welt schein einen Augenblick still zu stehen, nur um dann in 1000 Scherben zu zerbrechen. Warum sie? Warum unser über alles geliebter Avatar? Jeder hatte Gelegenheit sich von ihr zu verabschieden und so kam es, dass auch ich irgendwann bei ihr kniete. Die Tränen rannen mir in Strömen über die Wangen. Ich nahm die Hand der Toten und legte ihr eine rote Rosenblüte hinein. Mit tränenerstickter Stimme sagte ich: "Ich liebe Euch. Ich werde Euch nie vergessen!" Dann wandte ich mich ab und irrte ziellos durch die Gegend.
Mit meiner Trauer begann sich eine unbändige Wut zu mischen. Wie in Trance kehrte ich in unser Lager zurück und schnappte mir meinen Anderthalbhänder, der mir schon so oft treu zu diensten gewesen war. Der Xerikan konnte was erleben!
Meine ohnmächtige Wut lenkte mein Handeln und ich habe keine Ahnung wie ich es schaffte spät Abends heil wieder in unserem Lager anzukommen. Heil und doch leer. Aeris, meine geliebte Aeris...
Ich wusste, dass ich weit viel zu viel für sie empfand, aber ich konnte es nicht ändern. Früher hatte ich meinen Bruder darum beneidet, dass er der Erstgeborene war und es nach Vaters Tod an ihm wäre zu regieren, aber jetzt war ich froh, dass ich der jüngere von uns beiden war. Als Kronprinz hätte ich meiner Trauer gewiss nicht so freien Lauf lassen dürfen.
Der nächste Tag war schrecklich. Am Abend war dann ihre Trauerfeier zu der ich niedergeschlager erschien. In ihrem Lager hieß es immer wieder, wir sollten nicht in Trauer versinken, aber was blieb mir noch anderes wenn mir das liebste genommen wurde? Auch durfte ich sie nicht auf ihrem letzen Wege tragen. Das taten Leute eines anderen Landes.
Als ich nach der Trauerfeier ins Lager zurückkehren wollte, hörte ich wie eine - dem Kleid das sie trug nach zu urteilen - adelige Frau zu einem Mädchen sagte: "Er hat sich extra die Krone aufgesetzt um zu zeigen, selbst gekrönte Häupter tragen diese Frau" - Ihre Aussage zerriss mir das Herz. Wie gerne hätte ich zu denen gehört, die sie trugen...
Fest hielt ich den Anhänger meiner Kette in der Hand. Jene Kette mit SEINEM Bild. Ich dachte an seine wunderschönen Augen in deren Grau sich mein Blick viel zu oft verloren hatte, doch das Bild wurde sofort wieder von einem schrecklichen Bild verdrängt.
Deutlich sah ich den weißen Transporter an mir vorbei fahren unter der Eisenbahnbrücke am Hammer Bahnhof. Dann ein Quietschen hinter mir, ich sah mich um, ein schwarzer BMW versuchte zu bremsen und knallte mir ordentlicher Geschwindigkeit in den Transporter. Wie in Zeitlupe flogen Glassplitter auf mich zu, aber ich wusste, dass das alles rasend schnell passierte. Zu schnell um den Blick noch schützend abzuwenden. Das Glas riss meine Welt in ein ewiges Dunkel.
Verzweifelt ließ ich den Anhänger los. Ich wusste, dass nichts je wieder so werden würde wie es war und alles was mir blieb war die Erinnerung an IHN. Nie wieder würde ich ihn sehen und mich ermahnen müssen, ihn nicht die ganze Zeit anzusehen. Nie würde ich verstehen, dass es so ist. Er ist der Einzige, der mir je so viel bedeutete und er wird der Einzige bleiben. Ich werde nie einen Freund haben, denn wer will schon mit einem BLINDEN Mädchen zusammen sein. Plötzlich hörte ich wie die Tür auf ging, wandte meinen Kopf in die Richtung und sah – nichts. Ich hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, obwohl ich schon seit zwei Wochen aus dem Krankenhaus zurück war, doch was ich hörte ließ mich die Dunkelheit für einen Augenblick vergessen. Diese Stimme hätte ich immer wiedererkannt. ER war gekommen um mich zu besuchen! „Wie geht es dir?“, fragte er und ich konnte mir nicht verkneifen zu lächeln. Wunderbar, weil DU bei mir bist – schoss es mir durch den Kopf, doch ich hielt die Worte zurück. Ich wusste, dass er mich nicht liebte und ich wollte nicht unnötigerweise herausfordern, dass er mir das noch mal sagen würde. „Den Umständen entsprechend.“, antwortete ich ausweichend. Ich hörte, wie er sich neben mir aufs Bett setzte. Dann legte er seinen Arm um mich. „Kopf hoch, du schaffst das schon. Du bist so eine starke junge Frau.“ Ich lächelte ihn an. „Danke, dass du noch immer zu mir hältst obwohl ich blind bin und obwohl ich dich glaub ich in der letzten Zeit ein bisschen genervt habe mit allem, was ich so geschrieben und gesagt habe. Ich liebe dich, aber ich weiß, dass du nicht so empfindest und ich wünsche dir und deiner Freundin alles, alles Gute.“ - „Weißt du,“ sagte er „du bist ein ganz wundervolles Mädchen und irgendwann wirst auch du jemanden finden, der deine Liebe erwidert. Und noch eins: Ich werde immer zu dir halten.“
Von diesem Tag an war meine schwarze Welt schon nicht mehr ganz so schlimm, denn ich wusste, ich hatte jemanden, dem ich hundertprozentig vertrauen konnte.
Tag der Veröffentlichung: 02.04.2014
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