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Ben's POV

„Morgen“, gähnte jemand neben mir, mit leichtem russischem Akzent. Blinzelnd sah ich auf und blickte direkt in die gold-grünen Augen meines besten und (fast) einzigen Freundes Kay. Gut… er war erst Anfang dieses Jahres auf diese Schule gewechselt, aber es hatte quasi von Anfang an… gefunkt.

„Auch morgen“, erwiderte ich, mindestens genauso müde und sah schläfrig zu wie er sich neben mich fallen ließ und dann auch schon den Kopf auf die Arme legte, um Schlaf nachzuholen, den er heute vermutlich beim Computerspielen versäumt hatte. Ich wollte gerade wieder dieselbe Position einnehmen, als unser Tisch zum Ziel der Mädchen- (bzw. Zicken-) Clique unserer Klasse wurde. Innerlich stöhnte ich genervt auf.

Wäre ich allein gewesen, sie wären gar nicht erst gekommen. Nicht das ich unbeliebt wäre – eigentlich war ich sogar ziemlich beliebt, nur traute sich keiner mich anzusprechen. Kurz gesagt; ich war ein schlecht gelaunter Einzelgänger – aber anscheinend fanden die Mädels hier meine Unnahbarkeit unheimlich toll, und so wurde ich zu einer Art „Eisprinz“ erklärt.

Nun ja, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen; ich hielt nur den Mund, weil Kay da war, und der sich gern mit den Barbies abgab. Um genau zu sein, er gab sich gern mit Theresa ab – seiner Freundin.

„Ach, Liebling, du musst kommen! Ich tanze doch da“, schnurrte die gerade.

Oh mein Gott… das schon wieder, dachte ich. Es ging um die diesjährige Karnevalssitzung des Dorfes, aus sowohl ich als auch (leider) Theresa kamen. Seit Wochen versuchte dieses Mädchen ihn zu überreden da hinzugehen – was nicht besonders viel brachte, weil Kay nun mal Ausländer war und nichts von dem Thema verstand. Eigentlich wäre mir das auch nicht so lieb, weil ich nun mal auch da sein würde… und garantiert nicht ganz nüchtern, das könnte zum Problem werden.

„Ben? Gehst du denn?“, wurde ich da angesprochen. Bevor ich Kay anguckte, glitt mein Blick zu Theresa, der man schon ansehen konnte wie sehr es sie ankotzte, dass ihr Freund erst mich fragte. Grinsend zwinkerte ich ihr zu – und provozierte damit eine leichte Zornesröte in ihrem Gesicht.

„Was denn, ich? Wahrscheinlich…Wir können uns morgen treffen und zusammen hingehen“, erklärte ich an den gebürtigen Russen gewandt, der von dem Verhalten seiner Barbie gar nichts mitbekam.

„Gut“, meinte er in meine Richtung und wandte sich dann wieder an Theresa. „Dann geht das klar, Süße. Treffen wir uns vor Ort?“

Widerwillig nickte sie, beugte sich dann runter und drückte Kay demonstrativ ihre Lippen auf, bevor sie wieder  davonstöckelte. Natürlich nicht ohne mir einen verächtlichen Blick zuzuwerfen – was mir ein Grinsen auf die Lippen zauberte, das die  ganzen nächsten Stunden nicht verschwand.

 

Um Punkt 13:00 Uhr klingelte es zum Schulschluss, und da heute der Freitag vor einem langen Wochenende war, hatten wir tatsächlich mal keinen Nachmittagsunterricht.

Kaum aus dem Schulgebäude raus, liefen Kay und ich auch schon in Richtung unseres Stamm-Italieners. Wie jedes Mal setzten wir uns an den Tisch, der am nächsten an der Küche war.

„Ah, hallo Jungs!“, rief Sekunden später auch schon der Koch, Vito, der auf uns zugelaufen kam und uns direkt Getränke hinstellte. „Schön, dass ihr mal wieder da seid!“

„Buon Giorno, Vito!“, meinte ich darauf. „Ist Lui da?“

„Naturalmente, ich schicke ihn gleich runter. Ihr nehmt das gleiche wie immer?“

„Was denn sonst“, lachte Kay.

Minuten später befand sich unser Essen vor uns und zeitgleich kam Lui in unser Sichtfeld gesprungen. Lui – 1.70m geballter italienischer Energieüberfluss, lustig, verdreht und immer für irgendwelchen Quatsch zu haben. Er war sowas wie mein Kindheitsfreund und bei praktisch allen Aktionen dabei, die in meinem Leben so liefen.

„Und“, setzte er gerade an. „Heute Abend geht’s rund, oder?“

„Nun… ich denke mal“, kommentierte Kay. „Ben geht ja auch hin.“

„Klar geht er dahin, er…“, prustete Lui, doch ich knallte mein Glas etwas lauter auf den Tisch, unterbrach ihn damit. Nicht das Kay es nicht mitbekommen würde wenn er dann auf die Sitzung ging, aber er musste ja jetzt noch nicht wissen, dass ich Teil des Programms sein würde.

Unglücklicher Weise war meine Mutter nämlich ein äußerst aktives Mitglied im Karnevalsverein und daher hatte sie mir seit jeher mit grauenhaften Konsequenzen gedroht, sollte ich mich weigern mich irgendwie an dem ganzen Kram zu beteiligen.

Lui warf mir einen undeutbaren Blick zu, doch ich aß schweigend weiter – wie auch Kay. Und so redeten wir nur noch über den üblichen Klatsch und Tratsch, bis wir fertig waren. Dann machten wir noch eine Zeit aus wann wir uns treffen wollten und gingen dann jeder unserer Wege.

Draußen vor der Pizzeria sah ich noch Kay nach, der ganz locker in Richtung seines Hauses ging. Gerade bog er um die Ecke, als ein knatsch-roter Kleinwagen neben ihm anhielt. Ein Fenster ging auf und zum Vorschein kam Theresa, deren unechten, mit Lipgloss verschmierten Schmollmund ich bis hierhin erkennen konnte. Mir lief ein Schauer über den Rücken – sowas war doch total ekelhaft. Aber mein Kumpel fand das anscheinend klasse, denn er beugte sich vor um sich von ihr abknutschen zu lassen, was mir einen jähen Stich versetzte.

Leider… irgendwie hatte ich mich in ihn verknallt. Dass ich schwul war, wusste ich schon eine ganze Weile. Aber erst als Kay in unsere Klasse gekommen war, hatte ich das erste Mal so richtig, richtig heftiges Verlangen nach einer Art Beziehung gehabt. Das war auch der Grund warum ich ihn nicht wie alle anderen völlig abgeblockt hatte.

„Du kannst nichts dagegen machen“, hörte ich plötzlich neben mir Lui sagen. „Jedenfalls nicht so lange du dich wie ein eingeschüchtertes Küken versteckst und ihn nichts wissen lässt.“

„Ich weiß“, erwiderte ich resigniert. „Aber bei mir hat sich ein Klischee eingestellt. Ich will nun mal wirklich nicht riskieren das er mich nicht mehr mag.“„Aber dafür guckst du dir jeden Tag an wie die Barbie ihn abknutscht. Ich bin ja froh so ein Problem nicht zu haben, aber ganz ehrlich… ich würde es zumindest versuchen. Denke ich.“ Jetzt musste ich lachen.

„Du hast gut reden, Lui. Du bist ja auch immer so abgeschottet von deinen Gefühlen, das du sie nicht mal richtig als deine eigenen siehst“, meinte ich bitter. Mein Kumpel lachte und klopfte mir dann auf die Schulter.

„Ja. Aber überleg mal ob das jetzt gut oder schlecht ist.“ Dann ging er weg.

 

Es war viertel vor zehn am Abend, als ich das letzte Mal in den Spiegel schaute und meine Verkleidung begutachtete. Eigentlich hatte ich als Schotte gehen wollen, aber wegen meines Auftritts hatte meine Mum mich gezwungen, Klamotten anzuziehen, die mich aussehen ließen wie Micheal Jackson. Jedenfalls fast. Das einzig Coole an diesem Aufzug war der typische Hut, und die Tatsache dass meine hellblonden Haare mich mit damit und mit dem roten Blazer über der ansonsten weißen Kleidung wie einen osteuropäischen Mafioso aussehen ließen. Ich hatte mich geweigert sie zu färben oder eine Perücke aufzuziehen. Um ehrlich zu sein, es gab schlimmere Verkleidungen.

Es klingelte an der Tür, und eine halbe Minute später polterte Lui die Treppe herunter, die zu meinem Zimmer im Keller führte. Er kam ins Zimmer stolziert und ich bekam erst Mal einen Lachanfall – jetzt lief er an meiner statt als Schotte rum, was mit seinen italienischen Gesichtszügen recht schräg aussah. Er hatte sogar eine orangene Perücke auf.

„Nette Kopfbedeckung“, begrüßte ich ihn.

„Gleichfalls“, meinte er, packte mich und zog mich direkt wieder die Treppe hoch. „Wir sollten los, so überpünktlich wie dein lieber Freund immer ist.“

„Tsk… als ob dich das groß stören würde“, meinte ich grinsend. „Du willst bloß Plätze in der Nähe der Theke haben, lüg mir nichts vor.“

„Und wenn es so wäre?“

„Dann sollten wir uns extra beeilen – oh scheiße ist das kalt“, kommentierte ich als wir draußen waren.

Beschwer dich nicht, du hast wenigstens noch eine Hose an!“, erklärte Lui, und ich musste so lachen, das ich kaum richtig laufen konnte. Ehrlich – Schottenröcke sind das größte.

Fünf Minuten später – mein Haus lag nicht weit von der ‚Festhalle‘ entfernt – trafen wir auf Kay und gesellten uns zu den anderen, bereits feiernden Leuten in dem Gebäude.

„HEY, KAY“, brüllte Lui kurz darauf – es war unglaublich laut hier drin. „Du bist ja gar nicht verkleidet! Das geht gar nicht!“

„Stimmt ja!“, setzte ich hinzu, während ich mir gerade mein zweites Bier krallte (ein Glück dass Mitarbeiter nichts bezahlen mussten, ich hatte nämlich vor mich richtig volllaufen zu lassen). „Das geht wirklich nicht!“

„Wenn ihr meint“, antwortete mein Kumpel lächelnd. „Dann nehme ich den hier. Reicht das?“ Und schon hatte er sich meinen Hut geschnappt. Oh Mann. Wie gerne hätte ich mich jetzt schon richtig vollaufen lassen… aber vor meinem Auftritt ging das schlecht, ich konnte mich ja nicht lallend auf die Bühne stellen.

„Ich denke das klappt“, lachte Lui, während ich ihn (ich geb’s zu) bewundernd anstarrte. Der Kerl sah so schon verdammt cool aus, aber dieser Hut – der hob das Level nochmal an. Hatte ich erwähnt, dass ich total auf diese Dinger stand? Jedenfalls stand die Kopfbedeckung in einem wunderbaren Kontrast zu den dunkelbraunen Locken und dem schwarzen Blazer, den er über einem schlichten weißen Shirt anhatte.  Verdammt, er sah einfach gut aus. Beinahe hätte ich mich an ihn ran gehangen oder so, doch genau in dem Moment schmiss sich ein schwarzhaariges Etwas an seine Seite, das ich, nach einigem Überlegen wegen dem ganzen Make-Up und der Perücke, doch noch als Theresa identifizierte.

„Hallo Liebling“, schnurrte sie laut, sodass auch ja jeder es noch mitbekam, doch als Kay ihr gerade einen obligatorischen Kuss geben wollt, schlug sie entsetzt seine Hand weg. „Gott, pass doch auf! Das Make-Up!“

„Entschuldigung“, brummte er, wirkte aber nicht sonderlich enttäuscht. Gut, ich wäre wohl auch eher froh gewesen, erst recht wegen der Schminke, aber sollte ein Freund nicht zumindest ein bisschen beleidigt sein?

„Oh, hallo Theresa“, mischte sich da Lui ein – er konnte sie ungefähr genauso gut leiden wie ich. „Gehst du als Zombie oder hast du bloß vergessen dich fertig zu machen, nachdem du aus deinem Bett gekrochen bist?“ Allerdings zeigte er es auch in Kays Anwesenheit offen, im Gegensatz zu mir hatte er nämlich sogar einen erstaunlichen Mangel an Taktgefühl wenn es um unsere Freunde ging. Ansonsten war ich ja auch nicht gerade die Behutsamkeit in Person.

Theresas Gesicht nach diesem Spruch amüsierte mich so sehr, dass ich zumindest meine Verbitterung über die Unerreichbarkeit ihres Freundes vergaß.

Ich wollte gerade doch noch etwas zu dem Gespräch betragen, als vorne auf der recht großen Bühne jemand den offiziellen Anfang der Veranstaltung ansagte. Für die nächsten zwei Stunden mussten wir uns das Geplänkel des Elferrats und der Büttenredner anhören.

 

Als dann schließlich gegen fünf vor zwölf der vorletzte Act die Bühne verließ, verabschiedete sich Theresa mit einem besonders schmatzigen Luftkuss und erklärte, sie sei jetzt dran – wobei sie einen extra giftigen Blick in meine Richtung warf.

Innerlich verdrehte ich die Augen – als ob ich es toll fände mit ihr gemeinsam auftreten zu müssen. Das setzte dem Ganzen ja noch die Krone auf.

„Ich bin auch mal kurz weg“, meinte ich, eine Minute nach dem die Gute abgehauen war – es musste ja nicht allzu auffällig sein, selbst wenn Kay in spätestens fünf Minuten sowieso wissen würde was hier lief.

Ich lief in Richtung Ausgang, wo der Einmarsch beginnen würde. Irgendjemand drückte mir mit den Worte „Viel Glück“ (die nun überhaupt nicht danach klangen) ein Mikro in die Hand und schnell bekam ich noch irgendwas auf die Wangen gemalt, sodass ich auch wirklich als verkleidet durchging. Dann fing in der Halle auch schon die Musik an.

Während dem Intro lief die Tanzgruppe vor mir auf den Gang der zur Bühne führte, und gerade als ich als letzter an dessen Ende angekommen war, setzte ich zum Singen an:

 

„It's close to midnight

And something evil's lurkin' in the dark

Under the moonlight…

You see a sight that almost stops your heart

You try to scream…

But terror takes the sound before you make it

You start to freeze…

As horror looks you right between the eyes

You're paralyzed!”

 

Die Körper vor mir hatten begonnen sich zu bewegen, sehr zombiehaft, einige rasselten mit Ketten, und einige jaulten oder schrien. Im Publikum machte sich helle Begeisterung breit. Mit den Augen suchte ich schnell Lui und Kay, während mein Fuß den Takt mit tippte, damit ich meinen Einsatz nicht verpasste. Und als bei den nächsten Worten ein Spotlightstrahler auf mich gerichtet wurde, konnte ich genau erkennen, wie sich die Augen meines Schwarms überrascht weiteten.

 

„‘Cause this is thriller!“

 

Kay's POV

Ich hatte null Ahnung warum zum Teufel ich mich auf dieser Karnevalsparty befand.

An Theresa lag es bestimmt nicht, von der hätte ich mir nicht vorschreiben lassen wo ich hinzugehen hatte. Viel eher war das wohl Bens Schuld, der irgendwie immer noch mein einziger richtiger Freund war, und mit dem ich einfach gern Zeit verbrachte, selbst wenn es auf so einem  Ereignis war.

Was meine ‚Freundin‘ betraf – die ging mir mit dem Thema seit Wochen dermaßen auf die Nerven, dass ich ehrlich nicht mehr wusste warum ich mir ihr Geschwafel noch anhörte. Oder warum ich überhaupt noch mit ihr zusammen war. Und heute war das genauso.

Den ganzen verdammten Abend hing sie an meinem Arm und gab genervte Kommentare über das Köstum von diesem oder das schreckliche Make-Up von jenem ab, wenn nicht gerade auf der Bühne was los war.

Lui und Ben warfen ihr dann immer Blicke zu, die regelmäßig zwischen Abscheu und Mitleid wechselten, sodass ich vor Scham gerne im Boden versunken wäre.

Als Theresa irgendwann verschwand, war ich daher ziemlich erleichtert, aber da danach auch noch Ben seinen Abgang machte, war ich nicht mehr ganz so glücklich – jetzt hatten wir schon Ruhe und er verzog sich?

„Der kommt gleich wieder, Großer“, meinte da Lui und klopfte mir auf die Schulter, aber irgendwas an seinem Grinsen sagte mir das da an seiner etwas nicht wirklich Aussage stimmte. Aber ehrlich gesagt war ich mir da auch nicht ganz so sicher… ich hatte eigentlich ein paar Bier zu  viel getrunken, als das ich fähig sein sollte aus einem Grinsen viel zu interpretieren.

Daher bekam ich auch eigentlich nur noch nebenbei mit, wie sich auf dem Hauptgang zur Bühne eine Gruppe von Zombies aufstellte, und irgendein Theater abhielten , während Michael Jacksons „Thriller“ anlief. Als jedoch der Gesang anfing, fiel mir auf dass das kein Playback war – es war eine schon fast bessere Interpretation des Songs als das Original. Und ganz ehrlich, ich liebte dieses Lied abgöttisch, also wollte das etwas heißen.

„Wer singt denn da?“, fragte ich Lui, der daraufhin grinsend zum Ende des Gangs zeigte, doch ich konnte in der Dunkelheit nichts erkennen.

Als die erste Strophe zu Ende war, befand ich mich wirklich in paralysiertem Zustand, aber vor allem wollte ich wissen wem diese Stimme gehörte. Sekunden später wusste ich es. Genau als der Refrain begann, wurde der Sänger beleuchtet und ich erkannte, dass es Ben war.

Ben, der mit erhobener Faust da stand, mich – und zwar genau mich - angrinste und mit aller Kraft ins Mikro sang.

Schon fast geschockt stieß ich meinen angehaltenen Atem aus – seit wann bitte konnte er so singen?

„Krass, nicht wahr?“, hörte ich neben mir Lui, der mich aus meinem Starren herausholte. Kurz huschte mein Blick zu seinem stetig grinsenden Gesicht, bevor er wieder von Ben angezogen wurde, der sich jetzt, wie auch die Zombies vor ihm, in Richtung Bühne bewegte.

„Seit wann macht er das?“, fragte ich abwesend, die Augen immer auf ihm lassend.

„Schon lange“, antwortete der Italiener neben mir, während er mir eine neue Flasche in die Hand drückte, die ich sogleich ansetzte. „Er stellt jedes Jahr das Highlight dar, auch wenn deine liebe Freundin sich einredet das läge an ihrer tollen Tanzgruppe. Er ist einfach besser als die mit ihrem Rumgehüpfe.“

„Verständlich“, murmelte ich, danach guckten wir beide einfach weiter nach vorne und sahen zu wie Ben breit grinsend scheinbar wahllos zwischen den Tänzern herumsprang, immer wieder kurz mittanzte und natürlich ab und zu einen typischen Michael Jackson Move samt Schrei zum Besten gab, was zu kollektiven Lachanfällen im Publikum führte. Wie er es schaffte dabei weiter zu singen, war mir ernsthaft ein Rätsel.

Nach dem Ende des Songs stellte er sich genau in die Mitte der Bühne, die Tänzer um ihn herum und dann verbeugten sie sich alle unnötig oft, weil Ben, der Quatschkopf, es immer wieder vormachte. Er lachte sich dabei natürlich total kaputt, und so dauerte es ein bisschen bis er sich gefangen hatte und anfing zu reden.

„So, erst mal… einen wunderschönen guten Abend, liebe Leute!“, rief er, und die Menschen in der Halle begannen erneut zu jaulen. Ich lachte bloß auf – das war ja als sei er ein Popstar. „Zweitens tut es mir wirklich leid – man hat mir meinen Hut entwendet, ansonsten hätte ich mehr Moves gebracht.“

Erneutes Lachen in der ganzen Halle, während ich mir ein wenig beschämt an den Kopf fasste.

Ich war zwar amüsiert, aber irgendwie war mir unwohl, es passte mir nicht das er so plötzlich auch allen anderen gegenüber so freundlich und lustig war. Ich mochte es eigentlich, dass er nahe zu kühl war, wenn es um die Menschen um uns herum ging. Ich weiß – das klang nicht als wäre er wie ein normaler Freund für mich. Aber von der Vorstellung hatte ich mich sowieso schon seit längerem verabschiedet.

Um genau zu sein war ich glaube ich ziemlich nah dran mich seinetwegen als schwul (oder zumindest mal bisexuell) bezeichnen zu können.

„Also… wir sind hier gleichzeitig sowohl das Ende der Sitzung als auch der Anfang der After-Show-Party dar. Es gibt jetzt noch ein zwei Lieder und dann übernimmt unser werter DJ, damit ihr nicht mehr meine Stimme ertragen müsst.“ Nachdem er geendet  hatte, kamen einige enttäuschte Rufe, aber weitestgehend wieder Lacher von den Menschen unterhalb der Bühne, doch das legte sich, als das Intro des nächsten Songs bereits anlief.

Ich bekam dieses Mal gar nicht richtig mit was für ein Song es war, denn die Tanzgruppe machte ihren Abgang von der Bühne, doch statt dass sie in gesammelter Formation die Halle verließen, sah ich Theresa auf mich zu springen. Mir entkam ein genervtes Stöhnen – und diesmal nicht nur gedanklich.

„Und, Liebling? Wie hat’s dir gefallen?“, kreischte sie mir ins Ohr – jedenfalls wirklich es auf mich so.

„Gut, denke ich“, antwortete ich ihr.

„Denkst du? Hast du mir denn nicht zugesehen?“, meinte sie, einen übergroßen Schmollmund machend.

„Wohl eher Ben“, kommentierte Lui in dem Moment hämisch kichernd.

„Bitte was?“, keifte meine Freundin und quetschte sich noch etwas enger an mich. Ein bisschen zu eng.

Ich weiß nicht ob das Fass in dem Moment einfach überlief, oder ob es der Alkohol war, der mir den längst überfälligen Stoß gab. Jedenfalls Griff ich nach ihren Handgelenken, stellte sie gerade vor mich uns sah ihr direkt in die erstaunt dreinblickenden Augen.

„Theresa, ich glaube wir sollten mal reden“, sagte ich, ging an ihr vorbei und steuerte auf den Ausgang zu.

Draußen vor der Halle bog ich um die nächste Ecke und wartete, dass sie mir hinterher kam.

„Was ist denn los, Süßer?“, schnurrte sie, kaum dass wir uns wieder gegenüber standen. Offensichtlich kam ihr nicht mal der Gedanke, dass dies ein ernstes Gespräch werden könnte, denn kaum hatte sie gesprochen, kam sie hüftenschwingend auf mich zu. Lasziv – oder zumindest sollte es wohl so wirken – schritt sie auf mich zu, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen uns waren und wollte dann eine Hand auf meine Brust legen.

„Lass das“, sagte ich, kurz bevor sie mich berührte, und schlug ihre Finger vielleicht ein bisschen zu unsanft weg. Mit einer gewissen Genugtuung beobachtete ich, wie sie erschrocken zurückwich.

„Was…“

„Ich denke wir sollten aufhören“, kam ich ihr zuvor. „Ich meine mit uns. Das funktioniert nicht, du bist nicht die richtige Person für mich.“

Ich konnte ganz klar mit ansehen, wie sich mit jedem meiner Worte der Ausdruck in ihren Augen änderte, doch ich wunderte mich, welche Emotion am Ende in ihrem Gesicht überwog. Die blanke Wut.

„Also doch“, zischte sie.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.03.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dem KVA, einer musikalischen Entdeckung und allen Karnevalsmuffeln (zu denen ich eigentlich auch dazugehöre)!! "Karneval ist das aus tiefem Herzen kommende Bekenntnis der Deutschen zur Humorlosigkeit." - Unknown

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