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Kapitel 1

San Francisco, Herbst 2001.
Isabel spürte Gefahr.
Ausgerechnet jetzt, wo ihr Gefährte Magnus auf Jagd war. Denn für vampirische Verhältnisse konnte sie sich mit ihren achtunddreißig Jahren so gut wie nicht verteidigen. Dazu kam, dass sie erst seit einem Jahrzehnt unsterblich war und somit noch relativ schwach.
Mit einem mulmigen Gefühl tappte sie barfüßig zur Terrassentür des Bungalows und überblickte den Garten durch die bodentiefen Fenster. Ihre grünen Augen schweiften über den Rasen zum beleuchteten Pool, dann an der Gartenmauer entlang, aber es war nichts zu sehen. Alles schien ruhig. Doch ihre feinen Antennen registrierten plötzlich die Schwingungen von mehreren Unsterblichen und sie kamen näher. Ihr Instinkt sagte ihr, dass dies nichts Gutes bedeutete. Was wollten sie?
Mist, und sie war ganz allein hier. Die junge Vampirin ahnte, dass die anderen keine friedlichen Absichten hatten. Auch wenn die Auren der Fremden eher jung waren. Mit der Überzahl von vieren fertig zu werden, überstieg ihre Fähigkeiten. Daher rief sie in Gedanken nach ihrem Prinzen. Vielleicht erreichte ihn der Ruf, wenn er nicht weit weg wäre. Oder sie floh einfach. Das erschien Isabel als die beste Option, und so huschte sie zur Terrassentür hinaus.
Aber es war bereits zu spät. Vier Männer setzten vor ihr im Rasen auf und sahen eindeutig nach Ärger aus. So wie die Isabel anstarrten und anzüglich grinsten. Nach ihren schäbigen Klamotten zu urteilen, waren es Vagabunden. Abermals rief sie nach ihrem Gefährten. Diesmal eindringlicher. »Magnus, komm bitte! Hier sind vier Typen und die führen nichts Gutes im Schilde.«
Der Blonde mit dem abgewetzten Ledermantel trat vor, legte den Kopf schief und musterte sie abschätzend. »Was haben wir hier denn Schönes? Eine rassige Rothaarige.«
Isabel ergriff eine letzte Chance, wollte in die Luft hochschießen, aber zwei Hände packten ihren Knöchel und hielten sie zurück.
»Du bleibst schön hier, meine Süße«, sagte der Blonde und begann, sie Richtung Boden zu ziehen. Aber Isabel kämpfte mit aller Kraft dagegen an, bis ein anderer sie am zweiten Bein packte und sie zurück in den Garten gezogen wurde. Verzweifelt versuchte sie, sich aus deren Griff zu befreien, aber gegen zwei kam sie nicht an. Mit ihrer Gegenwehr machte sie es den Angreifern nicht leicht, sie im Zaum zu halten. Die Typen mussten all ihre Kräfte aufbieten.
»Lasst mich los, ihr Mistkerle!« Isabel biss einen in den Arm, aber der schlug ihr seine Hand ins Gesicht. Die scharfen Fingernägel rissen die Haut an ihrer Wange auf. Sie fühlte, wie das Blut herunter rann und die einsetzende Heilung in den Wunden kribbelte.
Der Blonde lachte. »Kratzbürstiges Biest!«
Währenddessen hörte Isabel ein Poltern und Krachen von drinnen und wie Glas zersplitterte. Die anderen beiden demolierten die Einrichtung. Bestimmt war das eine dieser Gangs, die über Reviere von Älteren herfielen, um sie zu erobern. Isabel überkam bei dem Gedanken Panik. Würde sie am Ende vernichtet werden?
»Oh, Magnus, bitte komm!«, schickte sie gen Himmel. Abermals versuchte sie, sich aus den Umklammerungen zu befreien. »Was wollt ihr?« Sie gaben ihr jedoch keine Antwort.
An den rötlichen Lippen und der rosigen Haut erkannte Isabel, dass alle erst kürzlich frisch getrunken hatten. Sie brauchten wohl alle Energie für ihr Vorhaben. Nur der Blonde schien über hundert zu sein. Sicherlich der Anführer der Bande.
Nachdem die anderen ihre Zerstörung beendet hatten, kamen sie wieder heraus. Da riss der Anführer mit einem Ruck ihr Strandkleid entzwei und begann, ihre Brüste zu betatschen. »Und nun zu dir.«
Sofort knurrte sie ihn bedrohlich an und zischte: »Nimm deine Dreckpfoten von mir!«
Er grinste nur. »Ich werde noch was ganz anderes mit dir machen. Ob es dir nun passt oder nicht.«
Auf keinen Fall würde sie das zulassen und versuchte, sich mit aller Kraft loszureißen. Die beiden Kerle, die sie festhielten, begannen, sie jetzt zu Boden zu drücken. Voller Panik setzte ihr Überlebensinstinkt ein und sie verwandelte sich in eine Furie, die wie von Sinnen um sich trat, fauchte und nach allem schnappte, was ihr vor die Kiefer kam. Ihr Körper handelte völlig unbewusst, aber leider erwischte sie keinen der Angreifer.
Mit Hilfe des Anführers gelang es ihnen schließlich, sie zu Boden zu zerren. Drei waren eindeutig zu viel. Isabel trat mit den Beinen nach ihm, aber einer seiner Komplizen biss plötzlich in ihre Schulter und saugte Blut. Auch der Zweite schlug die Zähne in ihr Fleisch, um sie zu schwächen. Im Eifer des Gefechts zerkratzen die Typen ihren Bauch und die Schenkel. Überall kribbelte es und Isabel wurde bereits schwächer. Jetzt drückte der Blonde lachend ihre Beine auseinander. »Das wird ein wilder Ritt, bei der bockigen Stute.«
Isabel wand sich verzweifelt, aber sie konnte es nicht mehr verhindern, dass der Kerl seine Hose öffnete und sich zwischen ihren Beinen positionierte. Sie schloss die Augen, um die Fratze nicht sehen zu müssen, und konzentrierte sich auf ihre Wut, die sich im Bauch zusammenballte.
Plötzlich wurde ihr Peiniger von ihr weggerissen. Begleitet von einem Fauchen, das sie nur zu gut kannte. Dem Himmel sei Dank! Magnus!
Unendlich erleichtert schlug Isabel die Augen auf. Ihr Gefährte war genau im richtigen Moment gekommen, bevor das Ekel sie hatte schänden können. Nur einige Augenblicke später, dann … Daran durfte sie jetzt nicht denken.
Die beiden anderen ließen sie los, um auf ihren Prinzen loszugehen. So außer sich vor Zorn hatte sie ihn noch nie erlebt. Magnus schleuderte die beiden Artgenossen mit voller Wucht ins Gras, packte dann einen am Arm und schlug ihn mehrmals wie eine Puppe zu Boden. Dabei knackten die brechenden Knochen, begleitet von heftigem Knurren und Fauchen der Gegner. Der Rest der Bande griff Magnus gleichzeitig an. Von hinten sprang der Anführer auf seinen Rücken. Den packte er am Mantel, zog ihn über die Schulter nach vorn und riss ihm die Kehle heraus. In einem Schwall ergoss sich das Blut auf ihren Gefährten und schon nahm er sich den nächsten vor.
Alles ging so schnell, dass die drei kurze Zeit später zerschmettert, mit herausgerissenen Kehlen im Gras lagen und sich kaum noch rühren konnten. Das erinnerte Isabel an Magnus’ Erzählung über die vier vorigen Bewohnerinnen des Bungalows, die ihn hatten aussaugen wollen und die er auch so zugerichtet hatte. Unglaublich, wie stark ihr Gefährte mit über tausend Jahren inzwischen war. Beängstigend und faszinierend zugleich. Da er allerdings siebenhundert davon verschlafen hatte, besaß er noch nicht die volle Macht eines so alten Unsterblichen. Doch seine Kräfte wuchsen schnell.
Nun widmete sich ihr Prinz ganz dem Anführer. Immer noch loderte die Wut in seinen eisblauen Augen. Genüsslich zertrat er ihm die Glieder, bis nur noch eine fleischige Masse übrig blieb. So gnadenlos hatte Isabel Magnus noch nie gesehen. Mit ihm war wirklich nicht zu spaßen und für sie war es sehr beruhigend, einen so starken Gefährten zu haben.
Schließlich ließ er von dem vollkommen geschwächten Bandenchef ab, der sich nur noch wenig rührte. Vermutlich weil er Unmengen Blut verloren hatte. Genauso wie die anderen drei, die sich vor Blutverlust nicht mehr bewegen konnten.
Magnus’ grimmige Miene wich sofort einer besorgten, als er sich Isabel zuwandte. Er ging neben ihr in die Hocke, begutachtete ihre Verletzungen. »Das verheilt alles wieder.« Dann strich er seine langen hellblonden Haare zur Seite und bot ihr die Halsseite an. »Trink zuerst einmal.«
Beim Anblick der bläulichen Schlagader unter der hellen Haut konnte sich Isabel nicht beherrschen und schlug die Zähne hinein.
Während sie saugte, schmeckte sie die Würze seiner Wut heraus und hörte ihn zischen: »Das werden sie büßen. Ich werde deine Schmach rächen. Sag, was soll ich mit ihnen tun?«
Isabel musste nicht lange überlegen. Als sie sich von der Bisswunde löste, sagte sie: »Töte sie, wie du die Frauen getötet hast. Ich will, dass sie elend verrecken. Zu gern würde ich dabei zusehen.«
Magnus lächelte vielsagend. »Solche Worte von dir. Das überrascht mich!«
»Diese Typen verdienen keinen Gnadentod«, rechtfertigte sich Isabel.
Während ihr Gefährte den Kerlen die Kleider vom Leib riss, richtete sie sich langsam auf. Dank seines starken Blutes konnte sie sich nun auf den Beinen halten. Mit zaghaften Schritten schlich sie ins Haus, hinterließ blutige Fußabdrücke auf dem hellen Fliesenboden und stieg schließlich in die Dusche.
Als das Wasser an ihr herunterlief, beobachtete sie, wie das rot gefärbte Nass im Abfluss der Duschwanne verschwand, solange sie unter dem warmen Wasserstrahl stand. Isabel war so unendlich froh, dass es dank ihres Liebsten nicht zum Äußersten gekommen war. Bei dem Gedanken, dieser Typ hätte seinen Schwanz in ihr versenkt, stieg Wut in ihr hoch und ein bedrohliches Knurren löste sich aus ihrer Kehle. Angeekelt schüttelte sie sich und verdrängte diese Vorstellung schnell. Bestimmt hätten sich die anderen auch noch an ihr abreagiert. Ihre Art hatte zwar den Vorteil, dabei keine Schmerzen zu empfinden, allerdings reagierte der Körper darauf nicht mit Abneigung. Ganz im Gegenteil. Grobe Praktiken lösten Lust aus, und das hätte sie erst recht gedemütigt, wenn sie vom eigenen Leib verraten worden wäre.
Nach ihrer Verwandlung hatte sie geglaubt, dass ihr so etwas als Unsterbliche nie passieren könnte, weil sie viel stärker als die Menschen war. Dass auch Artgenossen so drauf sein konnten, hatte sie nicht bedacht.
Isabel betrachtete ihr zerkratztes Gesicht im Spiegel, als Magnus hinter sie trat. Mit den blutverschmierten hellblonden Haaren, die wirr herabhingen, und dem ganzen Blut auf den aristokratischen Zügen sah er wie ein Racheengel aus. Dagegen fiel es an seinen schwarzen Lederklamotten fast gar nicht weiter auf.
»Zum Glück bin ich kein Mensch mehr. Sonst müsste ich jetzt so entstellt weiterleben«, sagte sie und er nickte nur.
Dann fragte er zynisch: »Willst du dich noch persönlich von ihnen verabschieden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich will so lange wie möglich wach bleiben, um zu sehen, wie sie verschmoren.« Den Typen wollte sie nicht mehr unter die Augen treten. Lieber blieb sie im Haus und beobachtete alles aus der Ferne.
Ihr Geliebter umarmte sie von hinten und küsste ihr rotes Haar. »Ja, das solltest du tun.«
Es tat gut, von ihrem Prinzen gehalten zu werden, denn Isabel fühlte sich gerade so verwundbar. Am liebsten hätte sie losgeheult, aber sie wollte keine Schwäche zeigen und genoss einfach seinen starken Leib an ihrem.
Als der Morgen sich ankündigte, schloss ihr Gefährte die Jalousien des Wohnzimmers und Isabel setzte die Sonnenbrille auf, um durch einen winzigen Spalt zwischen den Lamellen sehen zu können. Die nackten, zerfleischten Körper der Todgeweihten bewegten sich hilflos auf dem Rasen, denn Magnus hatte jeden mit einer Eisenstange am Boden fixiert. Sie konnten nicht entkommen.
Erst färbte sich der Himmel in ein dunkles Blau und wurde dann langsam heller. Die Sonne war noch weit entfernt, als die Kerle zu jammern anfingen, nur der Anführer schien zu stolz dafür zu sein. Plötzlich begannen zwei zu schreien, obwohl noch kein Sonnenstrahl auf die Erde fiel. Ihre Haut färbte sich in kürzester Zeit knallrot, warf Blasen und wurde dann allmählich schwarz. Die furchtbaren Schreie, wie Isabel sie noch nie gehört hatte, gingen ihr durch Mark und Bein.
Bei dem Dritten setzte dieser Prozess später ein und der Anführer verschmorte als Letzter. Ihn musste die Sonne direkt treffen und seine Schreie erfüllten Isabel mit einer unendlichen Genugtuung. Trotz der Brille war das Licht unheimlich grell für die Unsterbliche und sie fühlte regelrecht, wie die Hitze gegen die Fensterscheiben schlug. Sie war heilfroh, im Schutz der Dunkelheit zu stehen, doch jetzt erfasste bleierne Schwere ihre Beine und sie musste sich abwenden. Magnus stützte sie, so dass sie es zum Aufzug schaffte, und trug sie unten angekommen ins Schlafgemach. Dabei verlor sie noch auf seinen Armen das Bewusstsein.

Isabel spürte Magnus’ Aura nirgends, als sie erwachte. Sie kletterte erst einmal aus der großen Alukiste, die mit Kissen und Decken ausgepolstert war. Dabei fiel ihr Blick auf die roten Striemen an den Schenkeln, die von den Verletzungen noch übrig waren. Zum Glück verlief die Heilung verhältnismäßig schnell.
Die Unsterbliche hatte Hunger und wollte sich gerade für die Jagd anziehen, als es klingelte. Wer konnte das sein?
Vorsichtig schlich sie zum Bildschirm der Kamera über dem Eingang und schaltete ihn an. Er zeigte einen Jungen mit einer Pizza auf dem Arm. Das war bestimmt Magnus gewesen. Wie rücksichtsvoll von ihm, ihr Essen zu bestellen. Doch Isabel war noch nicht sicher, ob sie es tun sollte. Wieder betätigte der Mensch den Klingelknopf, und so entschied sie, dass sie ihn reinlassen würde, denn sie fühlte sich noch zu schwach, um auf Jagd zu gehen. Also drückte sie den Türöffner und empfing ihn an der Haustür. »Hi!«
Er streckte ihr die Schachtel entgegen. »Guten Abend! Ihre Pizza, Ma’am.«
»Danke. Was macht es?«
Er starrte unverhohlen auf ihren knapp bekleideten Leib. »Sieben Dollar.«
Isabel kehrte ins Haus zurück, um so zu tun, als ob sie Geld suchte. »Komm doch kurz rein. Ich muss mein Portemonnaie suchen.« Er war leichte Beute, weil ihn ihr Charisma schon eingelullt hatte. Isabel fühlte seine Blicke auf ihrem Hintern, während sie die Schubladen der Kommode aufzog. Dann wandte sie sich mit einem verführerischen Lächeln zu ihm um. »Kann ich das auch anders bezahlen?« Dabei nestelte sie am Kragen ihres Kimonos herum.
Der Kleine fing an zu schwitzen, grinste verlegen und erwiderte: »Ich muss weiter.«
Dem Unschuldsengel fielen fast die Augen heraus, als Isabel den Mantel öffnete und sie darunter nackt war. Hin- und hergerissen zwischen Weglaufen und seinem Verlangen stand er im Flur. Da wollte sie ihm die Entscheidung leichter machen und strich sanft über seine Schulter und die Brust. »Warum so schüchtern? Willst du mich nicht?«
»Doch … doch. Du bist … wunderschön«, stammelte er.
Isabel nahm ihn an die Hand und führte ihn ins Wohnzimmer. »Dann komm mit.«
Bei der Sitzgruppe angekommen, begann sie, ihn auszuziehen. Er ließ alles mit sich geschehen, und so langsam berührte er die Vampirin ebenfalls. Oh, diese heißen Hände auf ihrer Haut. Ihre Lippen fuhren über seine stoppelige Wange und wanderten tiefer. Für was er die vielen roten Linien auf der Haut wohl hielt? Für Misshandlungen oder einen Unfall? Aber Isabel machte sich nicht die Mühe, in seinen Gedanken zu lesen. Jetzt stieg die Gier in ihr hoch und sein Duft umnebelte sie. Mit den Zähnen ritzte sie die Haut an, bis ein dünnes Rinnsal über seinen Nacken lief, das sie genüsslich ableckte. Dann begann sie, an dem Kratzer zu saugen. Inzwischen war ihr Sog stark genug, dass sie auch aus kleinen Wunden ausreichend Blut herausbekam. Die Unsterbliche wartete den Zeitpunkt ab, an dem ihr Opfer von den Stoffen in ihrem Speichel berauscht sein würde. Als es so weit war, rammte sie ihm ihr komplettes Gebiss in die Halsseite und saugte jetzt schneller, bis er kurz darauf starb.
Danach kauerte Isabel neben der Leiche auf den Fliesen und lauschte dem pochenden Blut in ihren Adern. Endlich war sie wieder im Besitz ihrer ganzen Kraft.
Voller Elan sprang sie auf, zog den Kimono über und trug den Toten zu seinem Lieferwagen. Dort setzte sie ihn auf den Fahrersitz, verteilte ein wenig Blut auf dem Lenkrad und dem Sitz und legte ihn dann in den Keller, um ihn später zur Verbrennungsanlage zu bringen. Jetzt musste sie nur den Wagen entsorgen. Die kurvigen Straßen hier waren gefährlich, und so täuschte sie einen Unfall vor, indem sie das Auto einen Abhang hinunter schob, wo es in den Büschen hängen blieb. Es sollte so aussehen, als hätte der verletzte Fahrer das Fahrzeug verlassen.
Wieder zu Hause musterte Isabel die Pizza, die vor ihr in der Schachtel lag, und versuchte, sich an den Geschmack zu erinnern, obwohl ihr Menschsein erst einige Jahre her war. Riechen konnte sie alle möglichen Zutaten daran, aber sie empfand nichts dabei. Nicht einmal Ekel wie manche Artgenossen. Ihrem Bekannten Martin zum Beispiel waren Essensgerüche zuwider. Er führte es darauf zurück, dass er zu Anfang seines vampirischen Daseins sich einmal an blutigem Fleisch vergriffen hatte. Die Gier als Neugeborener war so groß gewesen, dass er es kurzerhand verschlungen hatte. Danach war zuerst nichts geschehen. Doch nach einigen Minuten hatten ihn schreckliche Bauchkrämpfe befallen. Er hatte sich nicht mehr auf den Beinen halten können, sich am Boden gewunden und dann alles wieder erbrochen. Damit waren die Schmerzen jedoch nicht vorbei gewesen. Er hatte gedacht, es würde mit ihm zu Ende gehen, aber sein sterblicher Bruder hatte ihm Tierblut besorgt und erst, nachdem er das getrunken hatte, waren die Krämpfe verschwunden. Seither hatte er eine Abneigung gegen menschliche Speisen. Verständlich!
Isabel schnupperte an dem Belag und dann leckte sie vorsichtig am Schinken. Es geschah nichts. Sie schmeckte Salz, Oregano, Tomaten und den Käse.
»Was treibst du da?«, riss Magnus sie aus ihrer Erkundung.
Vor Schreck ließ sie die Pizza aus den Händen gleiten und die klatschte mit der Oberseite auf die Fliesen. »O Gott! Hast du mich erschreckt.« Sie war so vertieft gewesen, dass sie seine Anwesenheit überhaupt nicht gespürt hatte.
Er stand in Lederklamotten an der Terrassentür und der Geruch nach frischer Erde wehte zu ihr herüber. »Wolltest du vorhin essen?«
Sie schüttelte lachend den Kopf. »Nein. Ich weiß, was es in uns anrichtet. Mich interessierte der Geschmack und ob ich irgendetwas dabei empfinde. Es war auf jeden Fall interessant.«
Er kam näher, strich über die rosige Haut ihres Arms. »Wie ich sehe, hat der Pizza-Junge geschmeckt.«
»Ja, hat er. Danke, dass du daran gedacht hast.«
»Du weißt doch, dass ich alles für dich tue. Ich habe dir schon einmal gesagt, es soll dir an nichts fehlen.«
Ja, Isabel erinnerte sich. Das war vor über fünf Jahren in Florenz gewesen, als sie zu ihm gezogen war.
»Wo warst du eigentlich schon so früh?«
Magnus blickte zu den Terrassenfenstern hinaus. »Ich habe ihre Überreste verscharrt.«
Isabel war ihm so dankbar, dass dieser Alptraum von gestern vorbei war. Ihr starker Beschützer!

Kapitel 2

 

Einige Nächte nach der Vernichtung der Bande flog Isabel ganz nach Vampirart zum Grundstück des Stadtherrschers Antonio und landete neben der Terrasse. Da sie befreundet waren, konnte sie sich so ein Eindringen in sein Revier erlauben.
Theoretisch könnte Magnus die Herrschaft des über Fünfhundertjährigen in San Francisco beenden, wenn er wollte, denn inzwischen war er der stärkste Unsterbliche der Stadt, aber er begnügte sich mit seinem Revier und der Freundschaft zu Antonio. Ihr Prinz schien gar nicht auf die Idee zu kommen, dem bisherigen Oberhaupt seinen Platz streitig zu machen.
Antonios Liebhaber Martin saß gerade draußen und begrüßte sie freudig: »Isabel! Schön, dich zu sehen.«
»Hi! Heute keine Disco?«
Er lachte. »Später noch.«
Der äußerlich 20-Jährige mit dem markanten Kinn und den schwarzen kurzen Haaren arbeitete immer noch im Unsterblichen-Club. Nebenher machte er auch schon seit einer Ewigkeit den DJ im »Barbarella«, einem sterblichen Club, der gleichzeitig sein Jagdrevier war. Da gab es immer genügend willige Mädels, die sich ihm an den Hals warfen. Denn er war einer der Unsterblichen, der die Sexschiene fuhr, um an das Blut seiner Opfer zu kommen. Das hieß, er verführte sie, bevor er sie aussaugte.
Isabel setzte sich zu ihm auf einen der verschnörkelten Gartenstühle und unterhielt sich über dies und das, bevor sich Antonio zu ihnen gesellte. Seine Erscheinung und Aura waren wie immer beeindruckend für die Jüngere. Die dunkelbraunen Haare, die bis über den Rücken reichten, trug er heute offen. Dazu ein weißes Hemd und eine dunkle Jeans.
»Guten Abend, Isabel! Noch nicht lange aus London zurück, da machst du gleich von dir reden. Oder besser gesagt dein Gefährte. Damit hat er uns allen einen Dienst erwiesen. Die Kerle hätten vermutlich noch länger die Gegend terrorisiert.«
Dabei dachte sie an die versuchte Vergewaltigung und es machte sie immer noch wütend.
»Tut mir leid«, ergänzte Antonio und Isabel nickte nur.
Martin stand jetzt auf und verabschiedete sich, um in den Club aufzubrechen.
Sobald Isabel mit Antonio allein war, meinte er: »Magnus hat dich wirklich vermisst, nachdem du ihn in der Toskana verlassen hattest. Das habe ich dir seither nie erzählt, obwohl ihr bereits einige Monate in der Stadt seid. Er blieb extra hier, in der Hoffnung, dass du in deine Heimat zurückkehrst.«
Isabel erinnerte sich an ihre überzogene Flucht aus Siena über die Alpen nach London zu Jack, dem Freund ihres vernichteten Schöpfers, und konnte darüber jetzt bloß den Kopf schütteln. Sie senkte schuldbewusst den Blick. »Ja, da habe ich völlig überreagiert.«
Damals hatte sie gedacht, dass Magnus zusammen mit einem Artgenossen ein Mädchen ausgepeitscht und missbraucht hätte. Doch Ronaldo war es ganz allein gewesen. Sie hatte das geschundene tote Mädchen in seinem Keller gefunden und ihren Gefährten mit verdächtigt. Durch diesen Vorfall hatte sie die Gerüchte über Magnus geglaubt, die Cornelius und Jack öfter über ihn geäußert hatten. Dass er gefährlich und grausam wäre. Mit so jemanden hatte sie nicht zusammenleben wollen und hatte Angst, er würde sie daran hindern, ihn zu verlassen. Zum Glück hatte sich Jahre später alles als ein riesiges Missverständnis herausgestellt.
Antonio lächelte. »Hauptsache, ihr habt das geklärt. Jack hatte ja in dem Jungen eine neue Liebe gefunden und du warst wieder frei für Magnus.«
Isabel fragte verwundert: »Woher weißt du von Jack und Alexander?«
Jetzt grinste er breiter. »Ich hatte dir doch gesagt, dass ich gern in anderen lese.«
Langsam schwante ihr etwas. Hatte er etwa die Finger im Spiel gehabt, als Alexanders Schöpfer vor bald drei Jahren auf dem Neujahrsfest vernichtet worden war? Aber woher hatte er wissen sollen, dass Jack sich in Alexander verlieben würde? Oder hatte Antonio im Vorfeld schon mehr als die Beteiligten gewusst? Aus dem Kerl wurde Isabel einfach nicht schlau und er genoss das. Zu gern würde sie in seinen Kopf sehen können. »Ja, das hattest du mal erwähnt. Mir tat der unerfahrene Junge eben leid. So ganz allein. Da wollte ich ihm helfen und auch weil mich alles an Cornelius erinnerte. Ich wusste, wie man sich fühlt, wenn man seinen Schöpfer verliert.«
Der Ältere wurde wieder ernst: »Dir wurde dein Geliebter wenigstens von einem Flugzeugabsturz genommen. Ein tragischer Unfall. Aber bei mir waren es abergläubische Sterbliche und Michelles verdammter Starrsinn.«
»Du hast sie doch gerächt«, wandte die Jüngere ein und er nickte bedrückt.
Im 18. Jahrhundert hatten Vampirjäger Antonios damalige Gefährtin in Paris in der Sonne verbrennen lassen. Er hatte erbarmungslos die Täter mitsamt ihren Familien dahingerafft und war danach in Depressionen über Michelles Verlust verfallen. Anscheinend hatte er das nie vollkommen überwunden. Genau wie Isabel ihren Schöpfer immer vermissen würde.
Sie verließ Antonio nach einer Weile wieder und kehrte nach Hause zurück. Als sie dort ankam, machte sich Magnus gerade zur Jagd zurecht und Isabel wunderte sich, dass er sich dazu so herausputzte. Er trug Lederklamotten, die nicht so abgewetzt waren wie die anderen, und band seine langen Haare zu einem straffen Pferdeschwanz zurück.
»Wo gehst du hin? Suchst du dein Opfer heute in einem Club?«
Er entblößte lächelnd seine kräftigen Hauer. »Ich geh zur Full-Moon-Party.«
Isabel erwiderte verdutzt: »Full-Moon-Party? Was ist das? Habe ich noch nie gehört.«
Magnus schritt zur Garage rüber. »Das wäre nichts für dich.«
Sie folgte ihm. »Wieso nicht?« Das wollte sie jetzt schon genauer wissen.
Er öffnete das Tor. »Na ja. Es ist ein ziemliches Gemetzel.«
Jetzt wurde sie erst recht neugierig. »Erzähl schon. Ich bin nicht mehr so empfindlich wie früher.«
Ihr Prinz bestieg seine Harley. »Also schön. Alle paar Monate bei Vollmond wird auf einem verlassenen Fabrikgelände eine Disco veranstaltet, wo Sterbliche erwünscht sind. Um Mitternacht wird dann der Eingang verrammelt und die Blutorgie beginnt.«
Isabel schüttelte den Kopf. »Das war ja klar, dass dir das gefällt.«
Er zuckte die Schultern und ließ den Motor an. »Und es war klar, dass du das verabscheust. Also, bis später.« Damit brauste er aus der Auffahrt.
War das jetzt die harte Version einer Blutparty? Denn ansonsten luden die Unsterblichen Menschen zu einer vermeintlichen Party ein, auf der diese dann als Futter endeten. Die Vampirin interessierte brennend, wo dieses Event heute stattfinden sollte, und sie würde ihrem Gefährten schon zeigen, dass sie nicht mehr so weich war, wie er glaubte. Bloß wie fand Isabel den Ort?
Genau, Martin! Als DJ im Club wusste er doch bestimmt Bescheid und bis Mitternacht waren es noch zwei Stunden. Also, schnell umziehen und los.
Sie wählte ihr Latexkleid, das sie sich für solche Zwecke besorgt hatte.
Martin legte heute in seiner Sterblichendisco auf. So wie er vorher gesagt hatte. Isabel drängelte sich durch den heißen Strom aus warmen, vibrierenden Leibern bis zum DJ-Pult.
Natürlich wusste Martin über diese Veranstaltungen Bescheid, aber er sagte, das sei nichts für ihn. Antonio sei aber schon einmal dort gewesen. Er erklärte ihr den Weg und sie machte sich so schnell wie möglich dorthin auf. Ihr blieb nur noch knapp eine Stunde.
Als sie endlich vor der Stahltür des verlassenen Fabrikgebäudes stand, die gleichzeitig als Eingang und Ausgang diente, meinte der Türsteher grinsend: »Bist spät dran. Ich mach gleich zu.«
Isabel erwiderte beim Hineingehen: »Ging nicht früher.« Aus den Augenwinkeln sah sie noch, wie er die Tür verschloss und den Riegel vorschob. Dann war sie sprichwörtlich in letzter Minute gekommen. Eine Treppe führte hinunter in das dichte Gedränge, das in der gekachelten Halle herrschte. Sterbliche und Unsterbliche tanzten unbeschwert zu harten Beats. Fast alle, Vampire wie Menschen trugen Leder oder Gummiklamotten. Abwaschbar! Es sah aus wie in einem gewöhnlichen Club, aber Isabel fühlte die Unruhe, die in der Luft lag. Je näher die Zeiger der Zwölf rückten, desto weniger konnten es die Artgenossen abwarten. Bei vielen glitzerte bereits die Gier in den Augen. Vorwiegend junge Unsterbliche und nicht unbedingt die wohlhabenden hielten sich hier auf. Magnus konnte sie allerdings nirgends entdecken, so voll, wie es war. Bei den noblen Partys herrschte ein Mischungsverhältnis von ziemlich genau halb und halb, aber hier überwogen die Menschen.
Fünf vor zwölf!
Die anderen nahmen ihre potenziellen Opfer ins Visier, ließen sie nicht mehr aus den Augen. Isabel spürte die steigende Spannung um sich herum. Sie selbst war jedoch nicht hungrig, war nur als Zuschauerin hier.
Plötzlich wurde es stockfinster. Überraschtes Raunen ging durch die Menge, überall erklang Flüstern.
Isabels Augen benötigten einen Augenblick, um auf Nachtsicht umzuschalten. Allmählich tauchten Umrisse auf und schließlich hatte sie wieder volle Sicht. Da krallten sich die ersten Unsterblichen ein Opfer. Vereinzelte Aufschreie ertönten und dann brach wilde Panik aus. Gedränge, Kreischen und dazwischen das Fauchen der Vampire. Keiner ihrer Art brauchte hier seine menschliche Fassade wahren. Da schossen sie über die Menge hinweg durch die Luft, um ihr begehrtes Objekt zu packen. Manche Sterbliche gerieten unter die Füße der Flüchtenden und wurden in dieser Hysterie niedergetrampelt. In kürzester Zeit verwandelte sich die Disco in einen Hexenkessel.
Isabel versuchte, dem Geschehen auszuweichen, soweit das möglich war. Der Geruch von Blut hing schwer in der Luft und reizte auch ihre Adern, doch sie wollte dem nicht nachgeben. Auf einmal entdeckte sie Magnus wie er trinkend auf einem Mädchen lag, das bereits tot war. Kaum hatte er von dem Opfer abgelassen, stürzte er sich auf einen jungen Mann, dem er den Hals aufriss und seine Finger in den Leib krallte. Danach ließ ihr Gefährte ihn einfach fallen und verschwand in der Menge.
In dieser Atmosphäre gerieten viele in einen regelrechten Blutrausch und töteten wahllos weiter, ohne dass sie noch Blutdurst verspürten. Immer noch rannten Menschen panisch umher und versuchten, dem Grauen zu entkommen. Doch irgendwann fanden sie in den Fängen eines Unsterblichen ihr Ende. Isabel hatte bloß das Blut abgeleckt, das auf ihre Arme gespritzt war und ihre Gier wurde dadurch kaum angestachelt. Sicher hätte sie sich hungrig anders verhalten, aber so hatte sie bessere Gelegenheit alles zu beobachten.
Plötzlich stand Magnus vor ihr. Das Gesicht und die Arme voller Blut. Wortlos riss er sie in einen stürmischen Kuss. Seine Lippen waren so heiß und pulsierten an ihren. Der Geschmack des letzten Opfers haftete an seiner Zunge, die fordernd in ihren Mund drang. Isabel ritzte ihn dort mit den Zähnen an, worauf Magnus ihr das Latexkleid über die Hüfte schob. Er drängte sich mit ihr an einen Pfeiler und während sie sich noch immer küssten, schlang sie ihre Beine um seine Lenden und spürte ihn eindringen. Sofort loderte die Leidenschaft auf und sie vergaß ihre Umgebung völlig. Er packte mit den Kiefern ihren Hals und krallte sich in ihre Oberschenkel, die er festhielt. Sie liebte diese grobe Nummer bei ihm. Das Blut auf seinem Gesicht verteilte sich auch in ihrem und allmählich wurde Isabel immer mehr in einen Strudel der Begierde gezogen, denn die restliche Nacht lag sie zwischen anderen Unsterblichen und ließ sich von ihrer Lust mitreißen. Scheinbar unzählige Hände strichen über Isabels Körper. Ein Fremder, der über ihr lag, ließ sein Blut in ihren Mund tropfen, während ihr Prinz ihre Brüste streichelte. Dabei tauschte er Küsse mit dem anderen aus.
Irgendwann hatte sie genug von dieser Orgie. Magnus war gerade mit zwei Frauen beschäftigt und es sah nicht so aus, als würde er gleich aufhören wollen. Daher verließ Isabel den Keller allein. Durch das Herumwälzen in den Blutlachen war sie völlig verdreckt. Die anderen sahen auch nicht besser aus. Eigentlich ein gelungener Abend und ihr war klar, warum Magnus gern hierherkam. Erstens um ungezügelt zu trinken und zu töten und zweitens um ungehemmt seine Lust auszuleben. Das Ganze hatte schon etwas Reizvolles.
Als Isabel ins Freie trat, fuhr gerade ein dunkler Transporter vor den Eingang, aus dem zwei Unsterbliche stiegen. Sie öffneten die Hintertüren und begannen, die schwarzen Müllsäcke, in denen die Leichen steckten, hineinzuwerfen. Sicherlich brachten sie die Toten zur Verbrennungsanlage. Dabei kam ihr Las Vegas in den Sinn. Diese Stadt befand sich inzwischen in der Hand von Unsterblichen. Die erkauften sich mit hohen Bestechungsgeldern und Einschüchterung die Loyalität der Sterblichen. Aber die Menschen lebten gern in dieser Stadt der Illusionen. Las Vegas demonstrierte ihrer Art, dass es möglich war, die Sterblichen wie in einem goldenen Käfig zu halten, ohne dass sie sich dessen bewusst waren. Die Vampire besetzten hohe Posten in einflussreichen Positionen, waren die Hintermänner, hielten die Fäden der Macht in der Hand. Isabel würde sich ebenfalls gern mal in dieser Stadt amüsieren, in der alles künstlich war. Perfekt für Vampire! Kein Wunder, dass ihre Art dort herrschte. Sie würde Magnus vorschlagen, nach Las Vegas zu reisen.
Zu Hause ging sie als Erstes unter die Dusche, um den ganzen Dreck loszuwerden. Während sie so unter der Brause stand, spürte sie die Präsenz ihres Prinzen, der kurz darauf die Duschtür öffnete und zu ihr ins Becken stieg. Ein Grinsen breitete sich auf seinem blutbeschmierten Gesicht aus. »Hat’s dir gefallen?«
»War nicht schlecht. Ich hab allerdings nicht getrunken.«
Er zog sie erregt an seinen warmen Körper. »Kommst du nächstes Mal wieder mit?«
»Ich weiß noch nicht. Mal sehen.« Ihr Gefährte begann, ihren Hals zu küssen, und sie kommentierte: »Du bist unersättlich.« Dabei entwand sie sich seiner Umarmung und trocknete sich ab. »Wie würde dir Las Vegas gefallen?«
Magnus seifte sich das getrocknete Blut von den Armen. »Sicher gut. Warum?«
Isabel rubbelte ihre Haare mit einem Handtuch. »Da könnten wir uns richtig vergnügen und müssten uns nicht so verstecken wie hier.«
Er stieg nun ebenfalls aus der Wanne und griff nach einem Handtuch. »Das klingt verlockend. Wann sollen wir aufbrechen?«
Sie betrachtete durch den Spiegel seinen Adoniskörper. »Bald. Ich möchte vorsichtshalber ein Hotelzimmer buchen. Mir schwebt da das ›Luxor‹ vor. Alles im ägyptischen Stil.«
Er lächelte. »Mach ruhig. Ich folge dir überall hin, meine Jägerin.«

Voller Euphorie setzte sich Isabel vor Morgengrauen noch an den Computer und loggte sich in das Lamia-Net ein. Dem Internet zu dem nur Unsterbliche Zugang hatten. In den Hotels von Las Vegas gab es sogar Extraetagen nur für ihresgleichen. Das war für sie etwas völlig Neues und Magnus hatte davon bisher auch nichts gewusst. Wirklich cool! Dann konnten sie sich dort tagsüber absolut sicher fühlen. So buchte sie ein Zimmer im »Luxor« und konnte es kaum erwarten, bis es endlich losgehen würde.

Kapitel 3

 

Knapp eine Woche später war es endlich so weit.
Isabel packte voller Vorfreude ihren Koffer, den sie bequem mit sich tragen konnte, denn wie für ihre Art üblich, würden sie durch die Lüfte reisen.
Ratlos grübelte sie über ihren Klamotten, die sie auf dem Bett ausgebreitet hatte. Magnus hingegen wusste ganz genau, was er mitnehmen würde. Natürlich seine Lederklamotten, zwei Anzüge, Shirts, Jeans. Ruckzuck verstaute er alles und grinste sie dann triumphierend an. »Fertig!«
Isabel hob eine Augenbraue. »Männer haben es auch viel einfacher.«
Da lachte er nur und verließ das Zimmer.
Nun gut, dann entschied sie sich jetzt zügig, damit sie sich auf den Weg in die Wüste Nevadas machen konnten.
Magnus nahm beide Koffer, weil er der Meinung war, dass sie dann schneller vorankamen, und Isabel tat ihm den Gefallen, weil er damit nicht unrecht hatte. Sie konnte zwar fliegen, aber ihr Prinz übertraf sie da bei Weitem.
Schon bald überflogen sie die ersten Canyons im Yosemite National Park und Isabel bewunderte die schroffen Felsen und tiefen Schluchten. Dahinter begann zerklüftete, trostlose Landschaft, so weit das Auge reichte. Die Wüste.
Nach einiger Zeit erkannte die Unsterbliche einen leuchtenden Schimmer am Horizont. Je näher sie kamen, desto deutlicher funkelten die Lichter von Las Vegas. Ein grandioser Anblick aus der Vogelperspektive. Die Hotels des Strips hoben sich deutlich aus dem Lichterteppich hervor und die Pyramide des Luxor stach unverkennbar zwischen ihnen durch die Lichtsäule heraus, die senkrecht von der Spitze aus in den Himmel strahlte. Darauf steuerte Isabel mit Magnus jetzt zu und machte den Haupteingang zwischen den Vorderbeinen der Sphinx aus, die vor der Pyramide thronte. Unbemerkt von Sterblichen landeten sie in der Nähe des Eingangs und betraten eine überwältigende Eingangshalle. Ägyptische Skulpturen flankierten den Weg zu einem Durchgang wie zum Portal eines Tempels. Dahinter erstreckte sich auf einer Seite der Halle die unendlich lange Rezeption mit unzähligen Schaltern. Vom äußersten am linken Ende empfing Isabel übernatürliche Schwingungen. Die Brünette, die dort stand, sah sofort zu ihnen herüber. Sie hatte es ebenfalls wahrgenommen. Zu der späten Stunde waren die Schalter eh spärlich besetzt und durch die Reservierung auf der Lamia-Net-Seite, wusste Isabel, dass dies der Check-in für Unsterbliche sein musste.
Die Angestellte begrüßte sie freundlich: »Willkommen im Luxor! Was kann ich für euch tun?« Dabei glitt ihr Blick sofort zu Magnus und Isabel sah die Faszination darin. Am liebsten hätte sie laut geseufzt, denn ihr Gefährte zog einfach immer sofort die Aufmerksamkeit auf sich mit den hellen Haaren. Bei Sterblichen war es ja nicht ungewöhnlich, aber bei Artgenossen nervig. Sie antwortete: »Wir haben ein Zimmer auf Isabel Clark reserviert.«
Magnus schmunzelte in sich hinein, als er die Reaktion der Hotelangestellten registrierte. Sie sah ja ganz passabel aus, aber im Moment war er nicht an einem Abenteuer interessiert. Trotzdem fühlte er sich geschmeichelt und bestätigt, wenn er so auf andere wirkte.
Die Angestellte händigte ihnen den Zimmerschlüssel aus und erklärte: »Mit dem habt ihr Zutritt zu unserem speziellen Fahrstuhl, der in die abgeriegelten Etagen fährt. Er befindet sich ein wenig versteckt dort drüben.« Dabei blickte sie in die genannte Richtung. Dann breitete sie einen Stadtplan von Vegas auf dem Desk aus. »Ich zeige euch hier noch einige wichtige Punkte.« Sie malte an einer Stelle ein Kreuz hinein. »Hier ist das ›Velvet‹. Das ist ein Club, wo ihr trinken könnt.«
Magnus zog die Stirn kraus. »Wie trinken? Unter Menschen?«
Die Dame lächelte milde. »Aber nein. In einem abgetrennten Bereich verkehrt nur unsereins. Ihr könnt euch da ein Opfer aussuchen, allerdings dürft ihr es nicht töten. Falls ihr lieber jagen wollt, steht euch das ganze Stadtgebiet zur Verfügung.« Sie schrieb eine Telefonnummer an den Rand des Plans. »Das ist die Nummer vom Abholservice. Da könnt ihr anrufen, wenn ihr mit eurer Mahlzeit fertig seid.«
Isabel entgegnete: »Ach, praktisch! In San Francisco gibt’s das nur nach Partys.«
Jagen war Magnus auf jeden Fall sympathischer. »Gibt es hier keine festen Reviere?«
Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. »In Vegas ist alles ein wenig anders. Es wird euch ganz sicher gefallen. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.« Dabei warf sie Magnus noch einen lasziven Blick zu, doch er ging nicht darauf ein und erwiderte nur: »Danke. Das werden wir sicher haben.«
Als Isabel sich umwandte, stand bereits ein Page, ebenfalls unsterblich, neben ihnen und stellte ihre beiden Koffer auf den Gepäckwagen. Sie folgten dem jungen Mann zu dem geheimen Aufzug, dessen Türen völlig unscheinbar und schmucklos waren. Er sah wie ein Dienstbotenaufzug aus. Umso mehr überraschte Isabel das luxuriöse Innere mit verspiegelter Wand und Holzvertäfelungen. Der Page drückte auf eine der Tasten und die Türen schlossen sich. Isabel kam es komisch vor, dass es so wenige waren. Das Hotel hatte doch so dreißig Stockwerke. Während der Fahrstuhl nach oben fuhr, erwähnte der Angestellte: »Man merkt es nicht, aber die Aufzüge im Luxor fahren schräg an der Außenseite entlang.«
Magnus sah zur Decke. »Wirklich?«
»Cool«, kommentierte Isabel. »Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Aber warum hat er nur die paar Knöpfe?«
Ihr Gegenüber entgegnete: »Die obersten drei Stockwerke sind vom Rest abgeschirmt und stehen nur uns zur Verfügung. Dieser Aufzug fährt allein diese Etagen an. Von den übrigen gibt es keinen Zugang.«
»Ich verstehe.« Wirklich gut durchdacht. So ahnten die Sterblichen nicht, dass es überhaupt noch drei weitere Stockwerke gab.
Kurz darauf öffneten sich die Türen und der Page schob den Gepäckwagen den Flur entlang. Nachdem er ihre Koffer im Zimmer abgestellt hatte, ging er zum schrägen Fenster. »Keine Sorge. Rechtzeitig vor Tagesanbruch fährt ein Schutz davor und bei Dunkelheit wieder hoch.«
»Beruhigend!«, kommentierte Magnus.
Auf dem King-Size-Bett lag jeweils eine Bettdecke und daneben ein Schlafsack. Nachdem der Page das Zimmer verlassen hatte, untersuchte Isabel das Teil. Außen bestand es aus einem reflektierenden Material. Interessant!
Schließlich ging sie mit Magnus auf Entdeckungstour in diesem riesigen Hotel. Da brauchte man eigentlich gar nicht mehr nach draußen zu gehen. Es bot Restaurants, 24h-Bars, Spielhallen, Shows, Wellness-Center, Kinos und Disco.
Isabel reizte das Spa-Center, denn seit sie unsterblich war, hatte sie so etwas nicht mehr genutzt. Doch zu ihrer Enttäuschung hatte es bereits geschlossen, als sie mit Magnus vor der Tür stand. »Ach, Mist! Zu!«
Ihr Liebster grinste nur und ließ per Konzentration das Schloss aufspringen. »Bitte, Ma’am. Treten Sie ein!«
Isabel schmunzelte und huschte hinein. Nachdem Magnus wieder per Gedanken die Tür verriegelt hatte, damit sie niemand ertappte, folgte er ihr.
Hier drin duftete es herrlich nach Badezusätzen, Cremes und Ölen. Sie gingen durch den Empfangsraum mit Regalen, in denen die ganzen Kosmetikprodukte standen, und kamen kurz darauf in den Bereich mit den Badebecken. Isabel streifte im Nu ihre Kleidung ab und warf sie auf einen Liegestuhl, um ins Wasser zu steigen. Im Spa war alles verlassen und dunkel. Perfekt! Dann waren sie völlig ungestört und konnten sich im warmen Wasser aalen.
Magnus gefiel es hier. Er plantschte ein wenig herum und lehnte sich dann an den Beckenrand. Isabel schwamm auf ihn zu. Er zog sie in seine Arme und sie lehnte ihren Oberkörper gegen seine Brust.
»Hach, so lässt es sich aushalten«, seufzte sie.
So verbrachten sie die restliche Nacht in diesem Tempel der Entspannung.
Irgendwann wurde es für Isabel Zeit, ihr Zimmer aufzusuchen. Die ersten Anzeichen des nahenden Morgens machten sich bemerkbar. Magnus zog sich ebenfalls wieder an und begleitete sie nach oben.
Als sie im Zimmer ankamen, war der Schutz am Fenster bereits geschlossen. Das vermittelte Isabel Sicherheit und ließ sie entspannter ins Bett kriechen. Sie schlüpfte unter die Bettdecke und hörte noch, wie Magnus den Fernseher einschaltete und durch die Kanäle zappte.

Am nächsten Abend schlenderten die beiden Arm in Arm am Strip entlang. Das Luxor lag etwas abgelegen als zweitletztes Hotel am Südende des Strips, und so konnte Isabel auf ihrem Weg die vielen originellen Themen-Hotels bewundern. Am »Bellagio« begannen gerade die beleuchteten Wasserspiele. Dieses Spektakel war wirklich beeindruckend, wie die Fontänen im Takt der Musik in die Höhe schossen und immer wieder eine Wasserwand oder Kreise formten. Leider dauerte die Show nur einige Minuten. Sie hätte gern noch länger zugesehen.
Ab und zu spürte Isabel die Anwesenheit von anderen, aber das war in dieser Stadt ja nichts Besonderes. Viele kamen aus dem gleichen Grund her wie sie, um sich ungezwungen zu amüsieren. Nur waren Unsterbliche nicht unbedingt auf die Glücksspiele aus wie die Menschen, sondern eher auf andere Dinge.
Vor einem Club-Eingang fühlte Isabel plötzlich eine Menge Artgenossen. Beim Blick auf die violette Leuchtschrift wurde ihr auch klar warum. Sie hatten das »Velvet« erreicht.
Magnus sah an der Fassade hoch. »Das ist doch der Laden, den die vom Hotel eingezeichnet hat. Gehen wir mal rein! Das interessiert mich.«
Isabel wurde ebenfalls neugierig, und so betraten sie das Etablissement. Am Eingang zuckte der unsterbliche Türsteher kaum merklich zusammen, als Magnus an ihm vorbeiging. Die Aura ihres Gefährten flößte jungen Vampiren öfter großen Respekt ein und anscheinend war der Typ Besuch von Alten nicht gewohnt, folgerte Isabel aus dessen Reaktion.
Im Innern begrüßte die beiden schummrige Beleuchtung und auf der Bühne weiter vorn tanzten leicht bekleidete sterbliche Frauen wie in einem gewöhnlichen Nacht-Club.
Nach einem kurzen Überblick erkannte Isabel, dass hier menschliche und vampirische Gäste an den Tischen saßen, die auch von einigen unsterblichen Angestellten bedient wurden. Eine der Bedienungen kam auf sie zu und forderte sie beide auf, ihr zu folgen. Die schwarzhaarige Vampirin geleitete sie zu einer der mit lila Samt bezogenen Sitzgruppen in der Nähe der Bühne. Dort fragte sie: »Was darf ich euch bringen?« In Gedanken fügte sie hinzu: »Falls ihr kosten wollt, dann geht das Scheingetränk aufs Haus. Seht euch das Angebot an und sagt mir dann Bescheid.«
»Okay, dann nehme ich einen Caipi«, erwiderte Isabel. Sie mochte den Geruch der Limetten und es war als Sterbliche ihr Lieblingscocktail gewesen.
Ihr Prinz blickte noch unschlüssig in die Karte. »Habt ihr auch Rotwein?«
Die Vampirin antwortete: »Ich schau mal. Ansonsten?«
Magnus wies auf Isabel. »Dasselbe!«
Sie musste innerlich schmunzeln, weil er seine Angewohnheit, Wein zu bestellen, aus Italien immer noch beibehielt.
Ein junger, dunkelhaariger Mann brachte ihre Getränke an den Tisch und während er die Gläser abstellte, stieg Isabel sein verführerischer Duft in die Nase. Das sollte wohl ein Angebot sein und sie würde auf jeden Fall drauf zugreifen. Magnus musterte unterdessen die Tänzerinnen auf der Bühne.
»Willst du kosten?«, fragte sie nach.
Er wandte seinen Blick nicht von den Körpern ab. »Mal sehen.«
Isabel war sich fast zu hundert Prozent sicher, dass er es tun würde, so wie er die Mädchen betrachtete. Sie kannte inzwischen seinen Ausdruck, wenn ihm ein Opfer zusagte.
Sie bemerkte, wie manche Unsterbliche in Begleitung eines Menschen in den hinteren Bereich des Clubs verschwanden, und sie wurde neugierig, was sich dort befand. So winkte sie schließlich die eine Unsterbliche her und zeigte auf den Dunkelhaarigen, der sie bedient hatte. »Ich würde gern ihn nehmen.«
Die andere lächelte. »Gut. Ich bring dich hin.«
Sie führte Isabel zu den Separees und öffnete eines davon. Die Kabine hatte schwarze Wände und die roten Spots an der Decke verbreiteten ein diffuses rötliches Licht. »Bitte, nimm Platz. Ich schicke ihn gleich zu dir.«
Isabel lümmelte sich auf das samtbezogene Sofa und wartete auf ihre Bestellung. Aus der Nachbarkabine kamen eindeutige Geräusche. Eine Frauenstimme seufzte und stöhnte, während die männliche dunkel knurrte. Die Vorstellung, wie der andere es gerade mit dieser Frau trieb, gepaart mit dem intensiven Geruch nach Blut und Sex, erregten Isabel unweigerlich.
Als die Unsterbliche endlich mit dem Mann herkam, fragte Isabel in Gedanken: »Wie weit darf ich gehen?«
Sie antwortete: »Das liegt ganz bei dir. Allerdings höchstens bis zur Bewusstlosigkeit.« Umbringen wollte sie den armen Kerl eh nicht, da Isabel sowieso keinen großen Hunger hatte. Aber kosten war schon drin und ein wenig mit ihm spielen. Magnus ließ sich sicher eine junge Frau schmecken.
Während ihrer Annäherungsversuche erzählte der leckere Kerl von dem Job hier. Er genoss es, so viele hübsche Frauen hier zu treffen. An den feinen Narben am Hals konnte sie erkennen, dass schon etliche vor ihr von ihm gekostet hatten. Wusste er über ihre Art Bescheid? Nachdem Isabel in seinem Kopf gestöbert hatte, erfuhr sie, dass er nichts davon ahnte. Für ihn waren das wahrscheinlich Liebesbisse gewesen und er dachte, er wäre ein toller Kerl, wenn die Frauen sich so leidenschaftlich gebärdeten. Inzwischen lag sie mit ihm mehr auf dem Sofa, als dass sie saßen. Isabel ritzte mit den Zahnspitzen seine Haut an der athletischen Brust auf und leckte über die kleine Wunde. Es war jedes Mal ein Gefühl von Macht, das sie überkam, wenn die Sterblichen aufstöhnten und sich verloren, sobald sie anfing zu saugen. Diese absolute, bedingungslose Hingabe. Er klammerte sich an ihren Körper, damit sie nicht aufhörte. Ihre Zähne drangen tiefer in seine Brust, aber nach einigen Zügen stand sie auf und ließ ihn berauscht zurück.
Kaum hatte sie das Separee verlassen, kam die Schwarzhaarige abermals auf sie zu. »Hat’s geschmeckt?« Isabel lächelte nur. Dann sagte die andere: »Jemand möchte dich kennenlernen. Er sitzt in der VIP-Lounge. Folge mir einfach.«
Isabel wunderte sich, wer sie hier kennenlernen wollte, aber sie war neugierig. Ihr Prinz war sicherlich beschäftigt. Daher beschloss sie mitzugehen.
Die Lounge thronte erhöht über dem Clubraum und am Eingang stand ein Aufpasser, der ihr die Tür aufhielt. Als sie eintrat, saß ein Unsterblicher mit dunklen, raspelkurzen Haaren, umringt von einigen Vampirinnen, auf der violetten Sofalandschaft. Er lächelte ihr mit strahlend weißen Zähnen entgegen und sein intensiver Blick aus grauen Augen jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken. Mit einer Handbewegung deutete er an, dass sie näher kommen solle, und seine jungen Begleiterinnen musterten Isabel dabei abschätzend. Aus der Nähe sah sie deutlich, wie sich seine Brustmuskeln unter dem weißen Hemd abzeichneten. Auf jeden Fall muskulös gebaut und auch sonst attraktiv.
»Willkommen in meinem Club! Ich hoffe, du hast dich bis jetzt ganz gut amüsiert. Setz dich doch!« Dabei wies er auf einen freien Sessel ihm gegenüber. Isabel nahm darin Platz. »Mit wem habe ich denn das Vergnügen? Ich bin nicht von hier.« Seine tiefe Stimme passte perfekt zu seiner dunklen Aura. Die Frauen lachten kurz auf und er grinste nur. Dabei entblößte er kräftige Hauer, was die erotische Wirkung auf sie nicht verfehlte. »Nun, ich heiße Alexeij. Mir gehören einige Clubs und Casinos in der Stadt. Und wie ist dein Name, schöne Frau?«
Also war er wahrscheinlich einer dieser Oberbosse, die das meiste kontrollierten. »Ich bin Isabel! Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Alexeij.«
Plötzlich verzogen sich die restlichen Frauen aus der Lounge und sie war mit ihm allein. Schickte er seine Tussis extra ihretwegen weg? Nun, dann hatte sie diesen faszinierenden Mann wenigstens ganz für sich.
»So, nun können wir uns ungestört unterhalten. Erzähl doch mehr von dir. Was führt dich nach Las Vegas?«
Gegen ein bisschen Flirten sprach ja nichts, so schlug Isabel die Beine übereinander und entgegnete: »Na ja, das, was die meisten herführt. Das Vergnügen!«
Er nickte grinsend, stützte dann sein markantes Kinn auf die Finger und schaute durch die große Glasscheibe nach unten. »Du bist nicht allein hier.«
Das klang wie eine Feststellung, aber beinhaltete wohl die unausgesprochene Frage, wer ihre Begleitung war.
»Mein Gefährte trinkt wahrscheinlich noch. Bei ihm müsst ihr nachher sicher sein Opfer zusammenflicken.«
Alexeij machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist kein Problem! Das funktioniert hier alles prächtig.«
»Interessant. Ja, das war einer der Gründe, warum wir hergekommen sind. Wir wollten einmal an einen Ort, wo wir uns nicht verstellen müssen. Ein bisschen Freiheit genießen.«
Alexeij lächelte wissend. »Du gefällst mir! Morgen Abend gebe ich eine Party und würde mich freuen, wenn du kommst. Sie findet in meinem Anwesen statt.« Dabei überreichte er ihr seine Karte. Isabel war unsicher, ob sie die Einladung annehmen sollte. Galt sie ihr allein? Alexeij hatte etwas Einnehmendes an sich, das konnte sie nicht leugnen. Während sie die schwarze Visitenkarte mit dem Namen »Alexeij Ivanowitsch Romanow« in goldener Schrift zwischen ihren Fingern betrachtete, fügte er gönnerhaft hinzu: »Dein Gefährte kann dich begleiten.«
Hatte er etwa ihre unausgesprochene Frage gehört? Von seiner Aura her müsste er schon einige Jahrhunderte alt sein, also wäre es möglich. »Danke, ich werde ihn fragen.«
Er beugte sich näher zu ihr und fixierte sie mit seinen grauen Augen. »Die Adresse steht auf der Karte. Du kannst es nicht verfehlen.«
Isabel vermutete, dass er gerade versucht hatte, in ihr zu lesen. Aber unter Artgenossen hielt sie eh ihre mentale Barriere aufrecht. Allerdings konnte sie nicht abschätzen, ob er trotzdem durchkam. Deswegen verabschiedete sie sich jetzt lieber. »Gut. Dann werde ich mal nach meinem Gefährten sehen. Vielleicht bis morgen!« Mit diesen Worten erhob sie sich, während der Clubbesitzer sich wieder entspannt zurücklehnte.
»Bis morgen, Isabel! Ich freue mich!«
Er schien wirklich fest davon auszugehen, dass sie kommen würde. Wahrscheinlich war er als Boss kaum ein »Nein« gewohnt.
Mit einem Kribbeln im Bauch kehrte sie zum Tisch zurück, wo Magnus bereits wartete. Verdammt, warum hatte dieser Russe so eine starke erotische Wirkung auf sie?
»Wo warst du?«, fragte ihr Gefährte neugierig.
Sie deutete mit dem Kopf zur Lounge. »Der Boss dieses Clubs wollte mich kennenlernen. Ihm gehören noch mehr Läden in der Stadt.«
Magnus sah zu Alexeij hinauf, der an der Glasscheibe saß und ihnen zulächelte. Irgendwie war ihm der Clubbesitzer nicht geheuer, aber er konnte nicht genau sagen aus welchem Grund. Er verzog keine Miene, während er kurzen Blickkontakt mit Alexeij hielt, und wandte sich dann Isabel zu. »Gehen wir.« Er wollte jetzt einfach hier weg.
Isabel wunderte sich über seine Reaktion. Hatte Alexeij ihm in Gedanken etwas mitgeteilt? Der Blickkontakt der beiden war ihr nicht entgangen.
Die Unsterbliche von vorhin kam jetzt zum Abkassieren, stutzte kurz und meinte dann: »Ihr braucht nicht zu bezahlen. Das geht aufs Haus.«
Eine nette Geste von Alexeij. Isabel lächelte zu ihrem Gastgeber hinauf, was er erwiderte, bevor sie mit ihrem Liebsten aus dieser Bar verschwand.
Irgendwie ein merkwürdiger Ort! Hier kamen Unsterbliche her, um zu trinken und dann dafür zu bezahlen. Schon seltsam, dass ihre Art bereit war, für Blut Geld auszugeben. Na ja, vielleicht war es die Bequemlichkeit. Die Suche nach Opfern wurde einem hier abgenommen.
»Wie fandest du den Club?«, fragte sie ihren Prinzen, während sie den Strip in Richtung Luxor zurück schlenderten. Nach seiner Hautfarbe zu urteilen, hatte er gekostet. So was würde sich ihr Gefährte doch nicht entgehen lassen.
Er lächelte vielsagend. »Ganz gut. Aber auf Dauer wäre das nichts. Ich brauche die Jagd.«
Da stimmte sie zu: »Ja, so geht es mir auch. Der Nervenkitzel fehlt hier total. Wir sind morgen übrigens bei diesem Alexeij eingeladen. Er gibt ne Party.«
Magnus reagierte nicht so begeistert. »Willst du da hin?«
»Ich finde, Beziehungen können nicht schaden. Es ist doch bloß eine Party.«
Er war immer noch skeptisch. »Der will dich eh nur flachlegen wie seinen ganzen Harem.«
Sie grinste. »Du hast eben eine attraktive Gefährtin. Ich muss zugeben, ich bin ja schon neugierig auf diese elitären Kreise hier. Wenn ihm einige Casinos und Clubs gehören, könnte er doch einer der geheimen Oberbosse sein. Oder was meinst du?«
Magnus legte den Arm um ihre Schultern und lenkte ein: »Kann gut sein. Okay. Wie du meinst? Aber sei vorsichtig bei dem Kerl. Mir ist er nicht geheuer.«

Impressum

Texte: Zenobia Volcatio
Bildmaterialien: Dream Design Cover and Art
Lektorat: Wortgewand13
Tag der Veröffentlichung: 29.11.2020

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