„Hey du Schwulette! Lass meine Magierin los! Sie hat dir nichts getan!“
Daniel schrie fast in sein Headset. Er hatte zum berieseln nebenbei einfach LoL angemacht, als Marvin ihn auf Skype angerufen hatte.
Da Marvin das jedoch nicht wusste, war er nun ziemlich verwirrt.
„Ich bin keine Schwulette! Und welche Magierin?“
„Hä was?“ Daniel sah kurz verwirrt auf seinen anderen Monitor. „Dich mein ich doch gar nicht Marvin. Dieser kleine Wichser hier in LoL hat es auf mich abgesehen. Der lässt mich einfach nicht in Ruhe.“
Marvin gab ein verstehendes Geräusch von sich: „Ich bin trotzdem keine Schwuchtel!“
Daniel lehnte sich zurück und zeigte seinem Monitor den Mittelfinger. Der Typ, der ihn verfolgt hatte, hatte ihn gerade getötet.
„Quatsch keine Opern Marv. Du bist ne Schwuchtel. Sonst wäre unser Shipping doch erst gar nicht so bekannt geworden im Internet. Gib‘s ruhig zu.“ Das ganze sagte er mit einem fetten Grinsen in der Stimme, so dass auch Marvin es verstehen musste.
„Alter! Ich bin voll Hete. Heteroer kann man gar nicht sein.“ Marvin klang viel ernster als Daniel gehofft hatte. „Du Marv, ich hab keinen Bock mehr zu Skypen. Ich bin gerade von diesem Wichskind getötet worden und bin angepisst auf den. Und ich bin müde.“
Marvin stimmte Daniel zu. Er war mittlerweile auch müde und verabschiedete sich deshalb. Sie wünschten sich noch eine gute Nacht und dann legte Daniel auf.
Ein wenig traurig schmiss er sich im Schlafzimmer auf sein Bett.
Marvins Aussage hatte ihn schwerer mitgenommen als gedacht. Es hatte ihm weh getan zu hören, dass Marvin ein absoluter Hete war.
Daniel hatte ein stechen in seinem Herzen gespürt und das war der Moment gewesen, wo er keine Lust mehr gehabt hatte, mit Marvin zu skypen. Wenn der wüsste, dass Daniel in ihn verliebt war…
Mit einem Seufzen warf Daniel sich auf seine andere Seite. Er wollte jetzt nur noch schlafen und lieber seine Gedanken aus seinem Kopf verbannen.
Warum wollte denn niemand seine Liebe erwidern? Es wäre alles viel einfacher, wenn er eine Frau wäre und kein schwuler Kerl.
Mit diesem Gedanken schlief er dann auch ein.
>Ich wäre am liebsten eine Frau. Dann wäre alles viel einfacher.<
Daniel wachte auf dem Rücken liegend auf. Mit dem Blick an die Decke gerichtet kratzte er sich über die Arme. Er fühlte sich anders.
Als hätte er ausnahmsweise mal richtig gut geschlafen.
Er gähnte herzhaft. Mit etwas Glück würde heute ein schöner Tag werden.
Mit dem Schwung der guten Laune schwang er sich aus dem Bett. Jedoch kippte er weiter nach vorne als geplant und stolperte gegen den Schrank an der Wand. Verwirrt stieß er sich zurück. Da war er wohl ein wenig zu energisch aufgestanden.
Er kippte jedoch aus dem Stand wieder nach vorne, weshalb er verwirrt nach unten schaute, in der Erwartung, seine Füße zu sehen, die sich verknotet hatten oder etwas in der Art, was jedoch nicht der Fall war. Beziehungsweise konnte er sich da nicht so sicher sein, da er seine Füße nicht sah.
Etwas Schweres auf Höhe seiner Brust war ihm im Weg. Genauer gesagt seine Brüste waren ihm im Weg. Sie wabbelten vor seinen Augen hin und her und ließen nicht zu, dass er seine Füße sah.
Sofort merkte er das unangenehme Gefühl von dem frei schwingenden Gewicht. Fast schon automatisch hob er die Arme und hielt seine Brüste fest. Viel besser.
Jedoch verlor er dadurch beinahe wieder das Gleichgewicht. Was war das denn für eine komische Körperfett Verteilung? Er schwankte zu dem Spiegel in der Schranktür und schaute verwirrt hinein.
Gestern hatte er noch ganz anders ausgesehen. Was war denn über Nacht passiert? Geschockt sah er auf seine verschränkten Arme im Spiegel. Über seine Unterarme quoll eine erhebliche Menge an Fett. Vorsichtig drückte er von unten dagegen. Das Fett gehörte eindeutig zu seinem Körper.
Das konnte doch nicht sein. Was war das denn?
Er stellte seine Füße so hin, dass sein Stand sicherer war und er nicht jeden Augenblick das Risiko hatte, nach vorne zu kippen. Dann hob er langsam sein T-Shirt, in dem er geschlafen hatte und inspizierte seinen Körper Zentimeter um Zentimeter.
Er sah seinen Bauch. Er war genauso flach wie gestern. Das war schon mal gut, doch er sah trotzdem anders aus. In der Breite… irgendwie.
Da waren seine Hüftknochen. Sie stachen hervor wie gestern auch, doch seine Hüfte war viel breiter als Gestern. Sie war breit und rund.
Er hob sein T-Shirt höher und konnte nun seine Taille sehen. Die war erheblich schmaler als gestern. Daniel bekam das Gefühl, seine Hände an diese schmale Stelle zu legen, damit er nicht abknickte.
Das war ein merkwürdiges Gefühl.
Er löste einen Arm und strich vorsichtig mit den Fingern über seine Hüfte. Es war eindeutig seine.
Im Spiegel sah er nun, wie etwas unter dem Saum des angehobenen T-Shirts hervor schaute. Mit dem Zeigefinger piekte er dagegen. Er wusste was er gleich sehen würde.
Ihm war nicht ganz wohl dabei, das T-Shirt höher zu heben. Er war sich nicht sicher, ob er sehen wollte, was ihn da erwartete. Nicht das er Brüste nicht mochte, aber der Moment in dem er gerade welche an sich selber entdeckte war verstörend.
Er sammelte seinen Mut zusammen und hob sein Shirt bis zu seinem Hals an. Er sah Brüste.
Blanke, echt Brüste. Brüste einer Frau. Nicht irgendwie Manboobs, sondern wirkliche Frauenbrüste „Scheiße man!“
Das war beängstigend.
Panisch zog Daniel sein Shirt herunter und hielt seine neuen Brüste wieder fest. Was ging hier gerade ab? Wie war das möglich?
Warum war er eine Frau? Warum steckte er in dem Körper einer Frau? Wie ging das?
Er fing an, auf und ab zu gehen. Was sollte er jetzt machen? Wie konnte er wieder zu Danielel werden? Wer war er denn jetzt überhaupt?
Was wäre, wenn er gar keine ganze Frau war! Er blieb mit aufgerissenen Augen mitten im Raum stehen. War er eine ganze Frau?
Er legte seine Hand an sein Bein.
Jetzt war er schrecklich nervös. Wenn er kein Mann mehr war, musste er sich in einem Frauenkörper zu Recht finden, bis er wieder zu einem Mann würde und wenn er zumindest Unten rum noch ein Mann war, dann wäre das noch komischer. War er dann ein Zwitter?
Langsam schob er seine Hand zwischen seine Beine. Da war nichts!
Er fuhr höher, doch noch immer kam nichts.
Als er in seinem Schritt angelangt war, stellte er fest, dass er wohl keinen Penis mehr hatte. Er griff nach dem Bund seiner Boxer und sah nach unten. Es war kompliziert an seinen Brüsten vorbei zu schauen, doch er schaffte es und warf nun doch neugierig geworden, einen Blick zwischen seine Beine.
Das erste Gefühl, was in ihm hoch kam, war, dass ihm etwas fehlte. Das zweite war, dass es eigentlich ganz angenehm war, dass dort nichts baumelte.
Er konnte nicht anders. Er musste einfach grinsen.
Er war eine vollständige Frau. Hatte er sich das gestern nicht noch gewünscht? Hatte er sich nicht gewünscht, eine Frau zu sein, damit Marvin ihn lieben konnte?
Egal wie es passiert war und egal wie lange es halten würde. Das musste Daniel einfach ausnutzen. Er würde sich heute versuchen an seinen Körper zu gewöhnen und morgen würde er zu Marvin fahren und…ja was dann? Eine Idee keimte in seinem Gehirn auf. Sofort stürzte er zu seinem Rechner und startete ihn. Skype machte er möglichst schnell wieder aus. Wehe er würde jetzt angerufen werden. Mit einer Hand startete er eine Aufnahme seiner Stimme, während er mit der anderen darum kämpfte, seine Brüste richtig zu positionieren. Er konnte nicht richtig mit einem angezogenen Bein sitzen. Das klemmte ihn doch ziemlich ein. Wie schafften Frauen es, so zu sitzen?
„Hallo ich bin die Daniela. Ich mache hier einen kleinen Stimmentest in der Hoffnung, dass sich meine Stimme über Nacht nicht allzu sehr verändert hat.“
Konzentriert hörte er sich die Aufnahme an. Seine Stimme war höher.
Er hörte sich eine andere Aufnahme von ihm an. Seine eigentliche Stimme war zwar tiefer, aber tatsächlich nicht allzu viel.
Glücklich klatschte er in die Hände. So konnte er es machen. Er würde, sobald er diesen Körper kannte zu Marvin fahren, mit dem Vorwand, er hätte lange darüber nachgedacht und beschlossen, ihm die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit, dass er schon immer eine Frau war und sein Mikro ihn einfach immer tiefer geklungen lassen hat.
Dann würde Marvin zwar erst erstaunt sein, sich dann jedoch endlich in ihn verlieben können. Sie hatten so viel gemeinsam, waren sich in so vielen Hinsichten so ähnlich, wie sollte es sonst laufen? Marvin musste sich einfach in ihn verlieben.
Als Frau war alles viel einfacher! Marvin wohnte am anderen Ende des Landes. Sie kannten sich über das Internet. Genauer gesagt über YouTube, denn beide waren LetsPlayer und so förmlich mal übereinander gestolpert. Seit 3 Jahren waren sie nun praktisch jeden Abend zusammen auf dem Teamspeak oder in Skype, seit neustem ab und an mal im Discord, und redeten einfach drauf los. Mit keinem anderen Menschen verstand Daniel sich so gut wie mit Marvin. Jetzt musste Daniel sich nur noch darum kümmern, als Frau zu leben. Eins stand fest. Er brauchte dringend einen BH. Das war ja schrecklich so ohne.
Er ging zurück zu seinem Kleiderschrank und suchte sich Kleidung raus. Mit den Sachen auf dem Arm machte er sich auf den Weg ins Badezimmer. Dort zog er sich aus und stieg unter die Dusche.
Das Wasser drückte ihm die Haare an den Kopf und floss über seinen Körper. Er merkte, wie anders es war. Er merkte, wie unter seinen Brüsten praktisch kein Wasser ankam und wie das Wasser darüber floss.
Wenn Marvin sich in ihn verlieben sollte, musste er sich um seinen Körper kümmern. Rasieren, einsprühen. Das was Frauen eben machten.
Er streckte ein Bein aus. Seine Beine waren breiter als noch gestern, doch an der Behaarung hatte sich leider nichts geändert. Er würde sich wirklich rasieren müssen.
Er schielte zu seinem Badezimmerspiegel rüber. Dort auf einem kleinen Brett lagen seine Sachen. Ob der Rasierer den er dort liegen hatte wohl auch ging?
Er hüpfte aus der Dusche und bereute es im nächsten Moment schon wieder, da ihm seine Brüste bei der Bewegung folgten. Daran würde er sich dringend gewöhnen müssen.
Er stellte sein Bein auf den Rand der Dusche und hielt den Rasierer daran. Das war ja wohl nicht anders als sich das Kinn zu rasieren.
Er setzte an und schnitt sich. „Fuck! Als hätt ich mich noch nie rasiert!“
Danach ging es besser und er schaffte es, sich seine Beine blank zu schmirgeln ohne weitere Narben davon zu tragen. Seine Arme und Achseln folgten. An seinem Intimbereich brach er sich fast die Ohren. Einen Penis konnte man einfach halten und so mehr oder weniger sehen was man rasierte, Schamlippen nicht so wirklich, deshalb brauchte er auch gefühlt 2 Stunden, bis er komplett fertig war. Erklärte zumindest, was Frauen noch so lange im Bad hielt.
Es fühlte sich überaus komisch an, so kahl geschoren zu sein, doch es hatte irgendwie auch was.
Vorsichtig zog er sich seine Hose an. Sie saß ganz locker und rutschte ihm beim Laufen über den Hintern. Wie es schien brauchte er wohl generell neue Anziehsachen.
Sein T-Shirt hing schlaff an ihm herunter, spannte jedoch an seinen Brüsten, so dass man klar sehen konnte, dass er keinen BH trug.
Daniel kratzte sich am Kopf. Nippelalarm… So konnte er doch nicht raus gehen. Er fühlte sich wie der letzte Penner.
Im Kleiderschrank fand er dann noch eine kurze Hose, die er anzog und eine dünne Jacke, die ihm seine Mutter im Frühling gekauft hatte. Diese bedeckte notdürftig seine Brüste, so dass man wenigstens nicht mehr alles sehen konnte.
So machte er sich auf den Weg in die Innenstadt.
Im Bus kramte er sein Handy hervor. Er schaute auf Whats App und stellte fest,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4257-1
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