In den sechziger Jahren wurde noch mehr Zug gefahren als mit dem eigenen Auto zu reisen. Auch meine damalige Firma schickte ihre Mitarbeiter per Zug auf Geschäftsreisen, so auch mich.
Ich musste am Montag Morgen recht früh in Hamburg sein, also nahm ich einen passenden Zug und hatte Glück, dass der Zug sehr gering besetzt war, Ich hatte ein sechser Abteil für mich alleine und konnte so meine Unterlagen übersichtlichg ausbreiten.
Der Zug ruckte, ich sah hoch, langsam verschwand das Schild Dortnund HBF. Wir hatten das Ruhrgebiet verlassen. Der Zug nahm Fahrt auf, der nächste Stop war Bielefeld.
Jemand klopfte sehr höflich an der Abteiltür. Ich sah hoch und die Abteiltür wurde aufgeschoben. Ein großer, kräftiger Mann fragte fast bescheiden, ob er sich hinzu setzen darf. Klar, bitte, kam meine schnelle Antwort und schon schoss mir das erkennen durch den Kopf, Mensch, das ist doch...
Mein gegenüber streckte wohlig seine langen Beine aus, hach, tut das gut. Ich nickte gerne zustimmend.
Danach war erst mal Ruhe in dem Abteil, jeder hing wohl seinen Gedanken nach. Bis sich mein gegenüber räusperte: „Wenn es Ihnen recht ist, würde ich Ihnen gerne etwas vortragen?“ Ich nickte sofort bejahend. „Wissen Sie, ich stehe öfters auf der Bühne und deswegen ist es für mich immer gut, wenn ich neue Texte jemanden vortragen kann!“
Der Mann setzte sich zu recht und legte los! In einem Kohlenpott Dialekt erster Klasse trug er mit starker Stimme seinen Text vor und nach wenigen Minuten lachte, grinste und schmunzelte ich vor Vergnügen.
Mein Vergnügen und meine Freude stachelte ihn wohl richtig an, denn er stand auf und unter strich Gesten reich seine Worte.
Der Zug fuhr schon eine ganze Weile auf Hannover zu und mein Mitreisender trug immer noch seine Texte vor. In einer Atempause sagte ich, dass, wenn er die eine Doppelzeile so und so formulieren würde, hört es sich vielleicht noch geschmeidiger an. Er überlegte einen Moment, ging wohl in Gedanken meinen Vorschlag durch, schniefte durch die Nase, lachte breit, das der Schnäuzer noch größer wirkte.
„ Dein Vorschlag ist Klasse!“ grinste er mich an, „darf ich das so verwenden?“
„Klar, gerne!“ Ich grinste genau so vergnügt zurück. Dann streckte er mir seine rechte Hand entgegen, ich darf Dich doch dutzen, wir sind ja wohl beide aus dem Kohlenpott!
Nach Hannover hatte der Mann seinen Text durch gearbeitet, lehnte sich erleichtert und zufrieden in die Polster zurück, sah mich an und begann mit seiner Frage, wo ich im Ruhrgebiet wohne, ein Gespräch, dass bis Hamburg-Dammtor dauerte.
Nach einer herzlichen Verabschiedung, steuerte ich mein Hotel an. Ein letztes winken, dann verschwand mein Reisegefährte auf der Treppe.
Sie ahnen vielleicht schon, wer mein Reisegefährte war? Klar, es war Tegtmeier, auch Jürgen von Manger genannt!
Texte: Klaus Blochwitz
Bildmaterialien: Klaus Blochwitz
Cover: Klaus Blochwitz
Tag der Veröffentlichung: 12.07.2014
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