Es war fürchterlich kalt und dunkel, der eisige Wind blies durch Mark und Pfennig, keine Menschenseele war zu sehen. Die Häuser waren alle gut verschlossen. Es war einer der kältestens Winter seit langer Zeit.
Die schweren Stiefel des großen, schlanken Mannes knirschten durch den hart gefrorenen Schnee, nur ein schmaler Weg war frei getreten, rechts und links davon türmte sich der Schnee über die Kniehöhe des Mannes. Er stemmte sich gegen den eisigen, starken Wind und zog die dünne Uniformjacke um sich.
Der schmale Weg neigte sich etwas und noch weit entfernt sah der Mann ein paar Lichter in der trüben Dämmerung. Unruhige Gedanken gingen ihm während seines Weges durch die eisige Kälte durch den Kopf. Lange war er durch den Krieg und der Gefangenschaft von seiner Familie getrennt gewesen, zu lang? Bange wurde es ihm bei dem Gedanken an das Wiedersehen, an Frau und seine beiden Söhne.
Der Mann hatte die kleine Siedlung erreicht und hielt im Windschatten eines zerbombten Hauses an und kramte mit steif gefrorenen Fingern einen Zettel aus der Jackentasche. Nur schwer konnte er in dem Dämmerlicht die Hinweise lesen, wo seine Familie wohnen könnte. Er ging von Tür zu Tür und versuchte Namensschilder zu finden. Hausnummern gab es ja nicht.
Dann stand der Mann in der eisigen Kälte vor einer Hausruine, schwarz ragten die zerstöten Mauerreste in den grauen Himmel. Er wollte sich schon weg drehen, als er hinter einem Fenster schwachen Licht schimmern sah. Schrecken schnürte ihm die Kehle zu, aber doch nicht hier in diesem Trümmerhaufen, das kann einfach nicht sein, hier kann doch kein Mensch wohnen.
Unsicher ging er auf die Tür zu und klopfte mit dem Knöchel dagegen, durch das Klopfen öffnete sich die Tür und er sah eine Frau, seine Frau und drei Kinder, seine Kinder, die sich um den kleinen Ofen drängten. Große, etwas ängstliche, auch vorsichtige und misstrauische Augen sahen ihn an,
Der Mann schloss die Tür und langsam löste sich die Frau von ihren Kindern, stannd auf und ging zögernd auf den Mann zu, der vor Kälte zitternd an der Tür stand.
Fragende, hoffende Augen sahen ihn ungläubig an: „ Bist Du es, bist Du es wirklich?“
Der Mann nickte nur und nahm seine Frau in die Arme. Die drei Kinder sahen völlig verwirrt zu ihrer Mutter, die immer noch den fremden Mann umklammerte.
Nach einer ganzen Weile kamen dann die Beiden zu den Kindern und jetzt erfuhren sie, dass der fremde Mann ihr Vater ist.
Noch etwas fremd ließen sich die Kinder von dem Mann in den Arm nehmen. Erst danach nahm der Mann die große Tasche von seinen Schultern, öffnete sie und holte eine Köstlichkeit nach der anderen heraus! Schokolade, Fleisch in Dosen, Brot in Dosen, Käse in Tuben, Kakao, Milchpulver, eine Blechschachtel voller kleiner Kuchen. Den Kinder quollen die Augen über, ihre Mutter stellte den einzigen Topf auf den kleinen Ofen und der Mann öffnete die Dosen mit dem Fleisch. Ihre Mutter legte die verbeulten Blechteller auf den wackligen Tisch, legte Löffel dazu, es folgte das Brot, heißer Kakao und die köstlichen kleinen Kuchen. Da nur vier Stühle vorhanden waren, nahm die Mutter das kleine Mädchen auf den Schoss und dann wurde gefuttert!
Wie auf Kommando redete plötzlich alles wild durch einander, das erste Lachen klang auf, eine Familie hat sich wieder gefunden und feierte beinah ausgelassen Weihnachten vier Tage vor dem Fest!
Leise, fast behutsam,schwebten dicke Schneeflocken aus den grauen Wolken auf die Erde und deckten alles zu. Auch auf die kleinen grauen Häuser nahe der Zeche, mit der weißen Decke auf dem Dach waren sie beinahe schmuck.
Die Kinder tobten ausgelassen in der weißen Pracht und vergaßen darüber die Kälte, die der Schnee mit gebracht hat. Der erste Schneemann war schnell gebaut und eine Schlinderbahn auch. Die kleineren Kinder begannen zu jammern, die Finger und die Füße brannten vor Kälte. Und schon klangen die Rufe besorgter Mütter durch die Schneestille, der Pulk der spielenden Kinder wurde sichtlich weniger.
Zu den still fallenden Schneeflocken mischte sich die herein brechende Dunkelheit. In den ersten Fenster leuchtete Licht auf. Ein Mädchen stand still und schaute zu einem der kleinen Häuser, Die anderen Kinder wurden aufmerksam und sahen jetzt auch zu dem Haus.
In dem einzigen, erleuchteten Fenster strahlte ein buntes Bild, staunend gingen die Kinder näher an das Fenster heran. Mit glänzenden Augen und offenen Mündern staunten sie das bunte Bild an, dass von einer Kerze erhellt wurde.
Das Bild zeigte eine von Kinderhand gemalte Familie mit Mama, Papa und zwei Kindern und darunter stand in ungelenkten Buchstaben: Papa ist da, jetzt haben wir auch Weihnachten!
Die Kinder sahen sich voller Verständnis an und ein größeres Mädchen aus der Gruppe Kinder sagte zu den anderen: „ Ihr Vater ist endlich aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekommen.“
Der letzte Winter besorgte uns ja jede Menge Schnee und die Menschen schüppten und schoben die Schneemassen von den Gehwegen in den Rinnstein. Ich genoss auf unseren kleinen und gemütlichen Weihnachtsmarkt nach einer langen Fahrrad Tour ein Glas Glühwein. Es war richtig lausig kalt und ich legte meine Hände um das heiße Glas.
Etwas belustigt sah ich den Bemühungen der fünf Männer zu, die sich gewaltig anstrengten, der Schneemassen Herr zu werden.
Keuchend und schwitzend trotz der Kälte, schoben sie den Schnee zu beachtlichen Haufen am Straßenrand zusammen. Ein etwas dicklicher Mann stellte seinen Schneeschieber senkrecht und stützte seine Arme schnaufend darauf. Die anderen Männer sahen etwas giftig zu ihm, machten aber weiter.
Vor Lachen verschluckte ich mich fast ein meinen Glühwein, denn es begann leise zu schneien und aus der schmalen Gasse kam singend eine Gruppe Sternsinger. Die Kinder kamen näher und ich konnte verstehen, was sie sangen: Leise rieselt der Schnee!
Ein frohes,
ein gemütliches,
ein angenehmes
und kuscheliges
Weihnachtsfest,
mit einen Moment Zeit für
den Mitmenschen
und ein paar Sekunden
zum Nachdenken.
Euch allen von Klaus
Texte: Klaus Blochwitz
Bildmaterialien: Coverbild: Klaus Blochwitz
Tag der Veröffentlichung: 29.11.2013
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