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Montag (1)

Montag

 

 

1     Gehwege, Dächer, Sträucher und Bäume waren mit Schnee bedeckt. Kaum sichtbare Flocken fielen vom Himmel. Die Eltern verabschiedeten sich von ihren Kindern, die auf dem Schulhof vor einem abfahrbereiten Bus standen. Jeder herzte jemanden, nur einer nicht: Björn. Mehrmals hatte er nun schon mit den Augen gerollt und sich immer wieder die gleiche Frage gestellt: Wieso fahre ich überhaupt mit? Es war eine berechtigte Frage, denn Björn war bereits volljährig und hätte den einwöchigen Schulausflug in dieser kalten Jahreszeit auf einem Bauernhof auch sausen lassen können. Allerdings hätte er die Tage dann mit seiner Tante verbringen müssen, da sie Urlaub hatte.

Noch ein halbes Jahr, dachte Björn, während er auf seine Klassenkameraden blickte, dann werde ich meinen Abschluss haben, und dann können die mich alle mal kreuzweise am Allerwertesten lecken.

„Björn!“, rief Frau Stotter. Auf eine Reaktion wartend starrte sie auf die Rückenansicht ihres ältesten Schülers. Ihr passte es nicht, dass er nicht reagierte. „Björn!“ Genervt stemmte sie die Hände in die Hüften. „Sag mal!“, fluchte sie und ging zu ihm hinüber.

Plötzlich spürte Björn eine Hand auf seiner Schulter. Erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich um. Er schaute der einen Kopf kleineren Lehrerin ins Gesicht. Ihre grauen Augen wirkten auf ihn wie der Tod höchstpersönlich – nur nicht so sympathisch. „Ja?“

„Was stehst du da noch herum?“, fragte sie gestresst. „Die anderen sind schon alle drin!“

Björn sah zum Bus und zuckte gleichgültig die Achseln. „Und?“

„Wie und?“

Warum Frau Stotter sich immer so gekünstelt aufregen musste, hatte Björn noch nie verstanden. „Kein Weltuntergang.“

„Wir wollen jetzt aber so langsam los!“ Stotter schüttelte den Kopf. „Die Fahrt dauert schließlich drei Stunden!“

„Kann man noch eine rauchen?“, fragte Björn gelassen.

Fassungslos sah Stotter ihn an. „Es wird nicht geraucht! Weder jetzt noch auf dem Bauernhof! Erwische ich dich beim Rauchen …“, sie hielt inne, denn Björn schien von ihren Worten ziemlich gelangweilt. „Ich beschlagnahme jede Zigarette, die ich finde!“

Björn musste schmunzeln. Er wusste, dass sie ihm gar nichts wegnehmen konnte. Schließlich war er 18 Jahre alt.

Herr Nadeltief machte einen Schritt aus dem Bus und schaute zu seiner Kollegin hinüber. „Kommt ihr jetzt endlich mal?“

„Los!“, forderte Stotter. „Sonst …“

„Sonst was?“, fragte Björn mit spöttischem Unterton und ging mit einem kleinen Lächeln an ihr vorbei. Er stieg in den Bus, der nach zig verschiedenen Parfums stank – gemischt mit etwas Schweiß – und vernahm das Gerede seiner Mitschüler wie im Dämmerzustand. Für ihn gab es nichts Schlimmeres als tratschende Weiber am frühen Morgen, und pubertierende Jungs, die einen auf ganz cool machten. Nach ganz vorn setzte Björn sich. Einzelplatz, denn mit den anderen wollte er einfach nichts zu tun haben. Sie waren ihm zu kindisch, zu unreif. Kurz gesagt: Einfach zu dumm. Manchmal hasste er seine Tante dafür, dass sie so oft umzog und er ständig die Schule wechseln musste. Ganze dreimal war er sitzen geblieben, weil er einfach nicht mehr mit dem Lernstoff hinterhergekommen war. Eigentlich hätte er die Schule abbrechen und seinen Abschluss auf einer Abendschule machen können. Doch so kurz vorm Ziel wollte er den Schwanz nicht einziehen. Dass er allerdings überhaupt noch auf der Gesamtschule sein konnte, verdankte er seiner feurigen Tante, die gerne einmal in die Luft ging. Im Prinzip hätte der Rektor ihn einfach abgehen lassen können, da Björn seine zehn Jahre längst voll hatte.

Der Bus fuhr los und Björn steckte sich die Stöpsel seines MP3-Players in die Ohren. Das Geschnatter der anderen nervte ihn tierisch. Vor allem die immer freundlich tuende Christina mit ihrem blondierten Kopf, auf dem sich außerdem noch viele verschiedene Farben befanden (blaue Strähnen, rote, schwarze), ging ihm auf die Nüsse. Zwar tat sie immer einen auf nett, aber sobald man ihr den Rücken zukehrte, fing sie an zu lästern. Obendrein war sie mit ihren 16 Jahren ziemlich naiv. Dann gab es noch Werner, den Björn am liebsten in Stücke gehackt hätte. Immer wenn Werner umherlief, dachte Björn, es ereigne sich ein Erdbeben. Werner war nicht mollig, nein, er war fett. Stolze 140 Kilogramm brachte der gerade einmal 178 Zentimeter große Typ auf die Waage. Beim Sport hatte Björn immer die Befürchtung, dass die Unterschenkel des Mops auseinanderbrechen würden. Manchmal traute Björn sich gar nicht, zu ihm hinzugucken. Er hätte womöglich mehr bei einem Knochenbruch gelitten als der Beschädigte selbst.

Trotz der Lautstärke seiner Musik konnte Björn sie lachen hören: Mathilda! Es klang grauenvoll. Mathilda lebte in ihrer eigenen Welt. Sie war stets bunt gekleidet und wirkte auf Björn wie eine, die sich täglich irgendwelche Drogen einschmeißt. Einst hatte Björn ein Gespräch zwischen Mathilda und ihren Freundinnen Sissy und Francisca mitbekommen. Sissy, die sich gerne wie eine Prinzessin kleidete (auch in der Schule), hatte erwähnt, wie Mathildas Zimmer geschmückt war. Die eingebildete Gottesanbeterin Francisca war ganz begeistert von Mathildas Einhörner- und Puppensammlung, den vielen Barbies und dem ganzen anderen Scheiß, den sich kleine Mädchen kaufen.

Björn konnte nicht verstehen, wie Tussen zwischen 15 und 17 so dumm sein konnten. Sie taten ständig einen auf allwissend, verstanden ihre eigenen Worte aber nicht. Wer es wagte, sich auf eine Diskussion mit ihnen einzulassen, der hätte sich auch gleich die Kugel geben können. Es wäre auf jeden Fall nicht so schmerzhaft gewesen wie eine Unterhaltung. Aber so war es ja immer. Mädchen wie diese wollten nur das hören, was sie wollten. Was anderes ließen sie gar nicht zu, und wenn sie merkten, dass sie gegen jemanden keine Chance hatten – wie einst gegen Björn –, dann fing die Lästerei an.

In seiner Schulklasse war Björn alles andere als beliebt. Als Ältester fühlte er sich einfach fehl am Platz. Was interessierten ihn schon die neuen Stöckelschuhe von Schieffuß Christina oder welcher Typ welche Tusse am Wochenende geknattert hatte? Björn hatte auch kein Interesse daran, andere zu beleidigen oder bescheuerte Streiche zu spielen. Erst recht wollte er sich nicht besaufen, nur um dazuzugehören. Ja, Björn war definitiv bestraft und er wusste nicht, weshalb.

„Wirst du …?“, vernahm Björn eine Stimme. Fragend schaute er auf und blickte in das Gesicht von Herrn Nadeltief. Die Fratze von Nadeltief ekelte Björn dermaßen, dass ihn ein kalter Schauder überkam. Björn nahm einen Stöpsel aus dem Ohr.

„Endlich nimmst du mal die Stöpsel aus den Ohren“, sagte Nadeltief. Für Björn hatte er von Beginn an kein Verständnis gehabt. Das ganze Auftreten des braunhaarigen Schülers mit den blonden Strähnen war ihm ein Rätsel. Nie hatte er verstanden, warum Björn sich selbst von den anderen ausschloss.

„Werde ich was?“, fragte Björn.

Nadeltief schüttelte verständnislos den Kopf. „Und da wunderst du dich, dass du keine Freunde hast.“

Björn runzelte verwirrt die Stirn. „Wer sagte denn, dass ich mich wundere?“

„Du hättest schon längst deinen Abschluss in der Tasche haben können.“

„Und das sagen Sie mir jetzt – mal wieder – weil …?“

Nadeltief zog die Augenbrauen nach oben. „Du bist nichts Besseres als die anderen. Und ich bezweifle, dass du dich an den Aktivitäten im Urlaub beteiligen wirst.“

„Und wie immer sprechen Sie in Rätseln.“

„Ich verstehe dich nicht.“

„Ohrenstäbchen helfen manchmal“, gab Björn angestrengt zurück. Als er automatisch auf Nadeltiefs schiefe Vorderzähne sah, wäre ihm fast das Frühstück wieder hochgekommen.

„Wir können uns alle wirklich glücklich schätzen, wenn du endlich weg bist.“

Gerade, als Björn darauf antworten wollte, schnitt ihm ein Schüler das Wort ab.

„Wieso bist du eigentlich mitgekommen?“, wollte Nils wissen, der sich neben ihn gestellt hatte.

Behelligt von Nils Anwesenheit, steckte Björn den Ohrstöpsel wieder rein. Nils hatte er gefressen! Ein arroganter Kiffer mit hässlichen grünen Augen. Für etwas ganz Besonderes hielt sich Nils. Aus dem Augenwinkel erkannte Björn, dass der Lehrer und Nils beim Davongehen abschätzig dreinblickten. Darauf ging er aber nicht ein, denn es wäre pure Zeitverschwendung gewesen.

Die Fahrt zog sich in die Länge und aus angeblichen drei Stunden wurden mehr als fünf. Zu oft musste einer der Mädchen aufs Klo oder der Bus stand im Stau.

Montag (2)

 

2     Endlich!, dachte Björn, als das Ziel gegen 14 Uhr so gut wie erreicht war. Sie fuhren durch einen schmalen Weg, der von schneebedeckten Bäumen umgeben war. Der Bus hielt an und Björn war der Erste, der den Wagen verließ. Prompt lief er einige Meter durch den Schnee, der unter seinen schicken und teuren Stiefeln von Frye knatschte. Er öffnete den Reißverschluss seiner Leder-Winterjacke, fasste in die Innentasche, holte eine Schachtel heraus und entnahm ihr eine Zigarette, die er sich anzündete. „Boah, tut das gut!“ Von Weitem beobachtete er die anderen, wie sie die Koffer aus dem Bus hoben und ins Innere des Gebäudes gingen. Andauernd hatte jemand etwas zu lachen. Nur Christina nicht, denn sie war so blöd gewesen und hatte sich bei diesem Wetter Stöckelschuhe angezogen. Es war ja nicht nur so, dass es kalt war und sie keine Socken anhatte, nein. Obendrein waren überall dreckige Pfützen, in die sie natürlich reinlatschen musste. Dass sie auf dem Schnee nicht ausrutschte, war pures Glück.

„Wo ist Björn?“, fluchte Frau Stotter. Sie blickte um sich. „Wo ist er? Seine Taschen kann er schön selbst rausheben!“

Björn schnippte den Zigarettenstummel weg und ging zurück zum Bus.

„Da bist du ja!“ Stotter machte ein genervtes Gesicht – etwas, was sie andauernd tat, wenn ihr irgendetwas nicht passte. Und Scheiße, der Frau passte so einiges nicht.

Wortlos nahm Björn seinen Rucksack und seine Sporttasche an sich.

„Hallo?!“ Fassungslos sah Stotter ihm nach. „Dieser Junge treibt mich noch in den Wahnsinn!“

Björn kniff grinsend die Lippen zusammen und sah fasziniert auf das zweistöckige Bauwerk. Große verschlossene Tore, wo sich wahrscheinlich die Kühe oder sonst etwas dahinter befanden. Weiter rechts stand noch ein kleines Häuschen. Ansonsten nur Zäune und eine schneebedeckte Landschaft. „Dann wollen wir mal“, murmelte er und ging durch den Eingang. Seine Klassenkameraden standen alle vor einem großen Raum. Wahrscheinlich die Lobby oder so, dachte Björn.

„Sind wir jetzt alle anwesend?“, wollte Nadeltief wissen. Er sah zu Björn und wartete auf eine Antwort.

Björn schaute ratlos über die Schulter und sah Stotter hineinkommen. Sie lief an ihm vorbei und streifte dabei seinen Arm. Warum sie ihn berühren musste, kapierte  Björn nicht. Schließlich war genügend Platz vorhanden.

Stotter stellte sich auf die Zehenspitzen und zählte die Köpfe. „Eins, zwei …“ Sie tat es so lange, bis sie bei 25 ankam. „Alle anwesend.“

„So!“, sagte Nadeltief. „Jetzt seid mal alle bitte ruhig, damit die Inhaberin des Bauernhofs, Frau Damita, euch begrüßen kann.“

„Ist der vielleicht süß“, vernahm Björn die Stimme von Mathilda.

„Ja, der ist voll schnuckelig“, bestätigte Sissy.

Mathilda blickte auf ihre Puppe, die sie in der Hand hielt. „Der ist voll süß, nicht?“

Björn fand es irritierend, dass die Weiber von einem Mann sprachen, denn der Lehrer sagte doch Frau Damita und nicht Herr Damita. Nun wollte er unbedingt wissen, wer sonst noch da vorn stand. Da ihm die anderen aber die Sicht versperrten und ihn auch nicht vorbeiließen, hüpfte er mehrmals auf und ab. Leider sah er auch so nicht viel mehr. Brummend blickte er zu der Treppe, die sich rechts von ihm befand.

„Hallo auch!“, hörte Björn eine Frau reden. Er stellte sich auf die dritte Stufe. Endlich konnte er sie sehen. Die Inhaberin hatte langes dunkelbraunes Haar und es schien aus der Entfernung sehr gepflegt. Eigentlich hatte Björn mit einer dicken, ungepflegten Tusse gerechnet. Eben solch eine, wie man sie so oft im Fernseher sah, aber die Latina sah im Allgemeinen wie ein Topmodel aus. Total sexy gekleidet und eine Hammerfigur. „Ich darf euch alle herzlich auf unserem Damita Bauernhof begrüßen!“

Björn zuckte zusammen, denn die anderen klatschten unerwartet in die Hände. Manch einer jubelte sogar, was Björn total bescheuert fand. Noch lustiger fand er aber den Vergleich zwischen Stotter und der attraktiven Latina. Stotter sah neben der Frau wie ein armseliges, heruntergekommenes Mauerblümchen aus.

„Ich bin Gabrielle und das“, sie zeigte zu ihrer Linken, „ist nicht nur mein bester Freund, nein!“ Gabrielle verlor für einen Moment den Faden, als sie auf Christinas Füße äugte. „Ähm, wo war ich? Genau.“ Sie lächelte, hätte aber viel lieber laut gelacht.

Björn schaute sich den Mann von Kopf bis Fuß an. Ihm wurde auf der Stelle wärmer. Anzüge fand er in der Regel bescheuert, denn den meisten Kerlen standen sie einfach nicht. Nicht aber bei diesem Mann, dessen kurzes braunes Haar so schön im Licht glänzte.

„Also“, sagte Gabrielle, „das ist Daniel.“

„Süß“, hörte Gabrielle ein Mädchen schwärmen.

„Und nein“, fuhr Gabrielle fort. „Daniel ist nicht mein Mann. Und bevor gleich noch welche in Ohnmacht fallen: Daniel ist homosexuell. Macht euch also keine Hoffnungen.“

„Was?“, fragte Mathilda sichtlich enttäuscht und ließ fast ihre kostbare Puppe fallen.

Björn hörte die Jungs, wie sie leise kicherten und tuschelten, während so manches Weib fast in Tränen ausbrach. Er selbst hingegen fand es toll.

Daniel räusperte sich und flüsterte Gabrielle leise zu: „Musst du gleich immer mit der Tür ins Haus fallen?“

„Na, du willst doch keins dieser Mädchen plötzlich nackt in deinem Bett vorfinden, oder?“

„Nein, gewiss nicht.“

„Dann sei mir gefälligst dankbar.“ Gabrielle lächelte in die Runde, hätte aber viel lieber eine Knarre benutzt. „Habt ihr euch dann wieder beruhigt, ja? Gut. Dann können wir ja fortfahren.“

Sissy machte einen Schritt nach vorn. „Sind Sie wirklich schwul?“, fragte sie Daniel ohne Umschweife.

Daniel guckte in ihr bitterernstes Gesicht und wusste gar nicht, was er erwidern sollte. Hilflos schielte er zu Gabrielle.

„Ja, das ist er“, antwortete Gabrielle und scheuchte die Schülerin mit schnellen Handbewegungen zurück zu den anderen. „So! Außer Daniel …“

„Der schwul ist“, kicherte Werner.

„Was?!“, fragte Gabrielle erschüttert und versuchte den Laberkopf ausfindig zu machen. „Hat jemand was gesagt?“

„Schwul“, flüsterte Werner erneut.

„Ja!“, sagte Gabrielle etwas lauter. „Daniel ist schwul und Frauen“, sie sah auf die Schülerinnen, „also echte Frauen“, meinte sie hastig, „die können solche Großkotze wie dich nicht ausstehen. Wer also ein Problem damit hat, dass mein Geschäftspartner homosexuell ist, der kann sich gerne ein Taxi rufen und abzischen. Wenn es nämlich eines gibt, was ich nicht ausstehen kann, dann sind es Menschen, die sich über andere in der Öffentlichkeit lustig machen.“

„Aber echt!“, fügte Frau Stotter hinzu. „Ein wenig Anstand bitte!“

Daniel räusperte sich. „Meine Homosexualität“, sprach er mit einem edlen Akzent, der Björn ganz in seinem Bann zog, „steht hier nicht zur Debatte. Und falls ich mich nicht täusche, sehe ich hier mindestens drei oder gar vier Schüler und Schülerinnen, die das gleiche Geschlecht bevorzugen.“

Sofort verstummten alle. Björn fand das urkomisch und hätte am liebsten laut gelacht.

„Seht ihr“, sagte Gabrielle begeistert, „geht doch. Also … neben Daniel und mir gibt es noch drei weitere Mitarbeiter in diesem Hause. Frau Lena Mops, die für die Sauberkeit zuständig ist, und zwei, Peter und Christian, die eben alles andere machen. Ihr lauft ihnen sicherlich irgendwann über den Weg.“

„Und jetzt“, sagte Daniel, „wo wir das auch geklärt haben, werden wir euch gleich zu euren Zimmern führen. Ich nehme doch mal schwer an, dass jeder weiß, wer mit wem zusammen in einem Zimmer schläft.“

„Ähm …“, sagte Stotter peinlich berührt, „so ganz genau haben wir das noch nicht festgelegt. Wir haben 14 Mädchen und 11 Jungs.“

„Und wir“, meinte Daniel, „haben zehn freie Zimmer.“

Björn hätte sich am liebsten ein Taxi gerufen. Er war fest davon ausgegangen, dass jeder sein eigenes Zimmer bekommen würde. Warum sonst wurde nie besprochen, dass es keine Einzelzimmer gab? So etwas tat man doch vorher und nicht erst, wenn man bereits am Urlaubsort angekommen ist!

„Dann müssen wir“, sagte Nadeltief, „eben kurz überlegen, wer mit wem in welchem Zimmer schläft.“

„Wir haben ein paar Doppelzimmer und welche für drei Personen“, klärte Daniel auf. „Mädchen schlafen getrennt von den Jungs! Dies ist nämlich ein Ferienbauernhof und kein Bordell.“

Schnell war entschieden, dass Björn sich ein Zimmer mit zwei Schülern teilen durfte, und das ausgerechnet mit Werner und Nils! Björn war alles andere begeistert und schaute auch dementsprechend grimmig drein.

„Sobald“, sagte Gabrielle, „ihr eure Sachen in den Zimmern verstaut habt, treffen wir uns alle hier unten wieder. Da Mädchen anwesend sind, sagen wir so in einer Stunde. Dann werden wir mit euch einen Rundgang machen.“

„Habt ihr verstanden?“, fragte Nadeltief herrisch. Ein angestrengtes „Jaaaa“, bekam er als Antwort.

„Dann auf!“, sagte Daniel mit erhobener Stimme. Kaum einen Fuß nach vorn gesetzt, machten ihm die Schüler auch schon Platz. Ob es aus Höflichkeit war oder aus Angst, sich mit Homosexualität anzustecken, konnte Daniel nur erahnen. Er ging zur Treppe und blieb abrupt stehen, als er Björn vor sich stehen sah.

Björn schluckte schwer, als er in Daniels braune Augen sah. Noch nie stand er einem Mann gegenüber, der so viel Charme versprühte.

„Du bist mir ja noch gar nicht aufgefallen“, sagte Daniel mit einem kleinen Lächeln. „Abseits von den anderen und stiller als eine Maus.“

„Heimliche Taktiken des Überlebens“, antwortete Björn, dem in Daniels Nähe wohlig wurde. „Manch einer würde dazu geistige Absenz sagen, andere wiederum okkultes Engagement.“

„Und gebildeter als die Schar, die ihn umgibt.“ Daniel war beeindruckt. „Und wie würdest du es nennen?“

„Sich nicht bemerkbar machen, um dem Wahnsinn zu entkommen.“

Daniel musste schmunzeln. „Kann ich verstehen“, flüsterte er, als er an Björn vorbeiging.

Björn blieb auf der Stelle stehen und ließ die Schüler an sich vorbeilaufen. Grinsend blickte er auf und sah ihnen nach.

Frau Stotter und Gabrielle zeigten den Mädchen ihre Zimmer, während Daniel zusammen mit Nadeltief die Jungs in ihre Behausungen führte.

Werner freute sich, als er auf das große Bett sah. „Das ist meins!“ Er schmiss seinen Rucksack darauf.

Nils guckte auf das Doppelhochbett. „Ich liege oben!“

Dabei wollte Björn oben liegen! „Wie auch immer“, stammelte er und legte sein Zeugs unters Bett.

Daniel öffnete den Kleiderschrank. „Hier könnt ihr euer Gepäck verstauen.“

Nie im Leben hätte Björn seine Sachen mit denen von Nils und Werner in einen Schrank gelegt.

„Noch Fragen?“, wollte Daniel wissen.

„Ja!“ Werner rubbelte sich aufgeregt in die Hände. „Wo sind die WCs?“

Daniel wollte es nicht, doch er tat es: schlecht über den Molligen denken. Wie kann man nur so fett werden? „Im Gang gibt es eins für die Herren und eins für die Damen.“

„Mit Wanne?“, fragte Werner weiter.

Da würdest du nicht reinpassen. „Nur Duschen“, verneinte er.

„Ähm …“, überlegte Björn.

„Ja?“, horchte Daniel interessiert auf.

Irgendwie machte diese Reaktion Björn ein wenig verlegen. „Jetzt hab ich ganz vergessen, was ich fragen wollte“, gab Björn peinlich berührt zurück. Er fühlte schon die Hitze in seinem Gesicht aufkommen.

„Ich bin mir sicher, dass es dir wieder einfallen wird“, meinte Daniel mit einem Lächeln.

Nadeltief sah seine Schüler an. „Wir treffen uns dann gleich unten. Und kommt nicht zu spät!“

„Wir doch nicht“, versprach Werner mit einem frechen Grinsen.

Der Lehrer und Daniel verließen das Zimmer und Björn wusste, dass er es mit Sicherheit keine längere Zeit – zusammen mit diesen beiden Jugendlichen – in diesem Raum aushalten würde. Wenige Minuten wartete er, bis er hinaus ging.

„Wo willst du denn hin?“, hörte er Nils nicht gerade sehr freundlich fragen, doch darauf gab er ihm keine Antwort. Björn schlich die Treppe hinunter und schaute sich immer wieder vorsichtig um. Geschafft! Er war draußen angelangt und keiner seiner Schüler oder Lehrer war zu sehen. Tief atmete er durch und guckte sich ein wenig mit einer Zigarette in der Hand um. Irgendwer schien in dem großen Stall zu sein. Björn spähte um die Ecke, erblickte aber niemanden. Er ging einfach hinein. Plötzlich wurde er von einer Kuh erschreckt. „Muh!“

„Scheiße!“, fluchte Björn und schreckte zurück. Fast hätte er das Gleichgewicht verloren, doch zum Glück hielt ihn jemand von hinten fest. Fragend drehte er sich um und machte große Augen. „Oh!“

„Hat der Rundgang schon begonnen?“, wollte Daniel wissen.

„Nein-nein“, stotterte Björn sich einen ab und wollte heimlich rasch die Zigarette austreten – klappte nur irgendwie nicht. Verkrampft lächelte er den Mann mit dem Dreitagebart an. Zu seiner Verwunderung blieb Daniel ganz cool und holte etwas aus der Innentasche seines Jacketts raus. Das, was Björn dann sah, ließ ihn erstmal verwundert dreinblicken, denn Daniel zündete sich eine Zigarette an. „Sie rauchen?“

„Falls mich nicht alles täuscht, tust du es doch auch, nicht …?“

„Björn.“

„Björn“, wiederholte Daniel. „Ein skandinavischer Name. Brauner oder auch Bär genannt.“

„So schaut es aus. Nur, dass ich alles andere als bärig bin, und ja, ich rauche.“

„Und wieso versuchst du es dann vor mir zu verheimlichen?“, wunderte Daniel sich.

„Weil Sie …“

„Du kannst mich ruhig beim Namen nennen. Daniel.“ Er reichte Björn die Hand.

„Oh, okay“, erwiderte Björn und berührte Daniels Finger, die trotz der kühlen Außentemperatur angenehm warm waren. „Freut mich.“

„Und mich erst.“ Daniel betrachtete Björn einen Moment lang. „Darf ich dich was fragen, Björn?“

„Klar, aber immer doch.“

„Warum bist du in dieser Schulklasse?“

„Genau das habe ich mich auch schon tausend Mal gefragt“, murmelte Björn.

„Du scheinst anders zu sein als die anderen.“

„Inwiefern?“

„Reifer – irgendwie auch älter.“

„Bin ich auch. Also älter – und reifer wahrscheinlich auch, aber das klingt so arrogant, wenn ich das sagen würde, was ich soeben getan habe …“ Björn hielt inne, denn ihm wurde sein Geschnatter peinlich.

„Es ist nicht arrogant, wenn man von sich selbst sagt, dass man reifer als die Schar ist, die einen umgibt. Es zeugt von Selbstbewusstsein und Stärke.“

„Ach, ist das so?“

„Du solltest dich mit Menschen umgeben, die deiner würdig sind, mein lieber Björn, und nicht mit einem Haufen, der dir weit unterlegen scheint.“

„Ganz genau mein Denken“, sagte Björn staunend. „Endlich mal jemand, der meiner Meinung ist.“

„Wie alt bist du, Björn?“

„Achtzehn.“

„Was macht ein Achtzehnjähriger in einer zehnten Klasse?“, wunderte Daniel sich.

„Lange Geschichte“, meinte Björn. „Eine verdammt lange Geschichte.“

„Na, vielleicht hast du ja Lust, sie mir später mal zu erzählen.“

„Ohne Scheiß?“

„Natürlich nur, wenn du es möchtest.“

„Ja, na klar. Warum denn nicht?“

„Und so endet die Geschichte“, sagte Daniel, „eines unsichtbaren und unverstandenen Mannes, indem er jemanden kennenlernt, der mit ihm auf einer Wellenlänge ist.“

„Da stellt sich mir jetzt die Frage: War das auf mich oder auf dich bezogen?“

„Finde es heraus“, antwortete Daniel und trat die Zigarette aus. „Wir sehen uns  gleich drinnen.“

Björn sah ihm lächelnd nach. Gott, ist der vielleicht sexy, dachte er und zündete sich erneut eine Zigarette an. Ganz beeindruckt war er von Daniel. Vor allem von der Wortwahl und diesem aufreizenden Akzent. Nachdem er aufgeraucht hatte, ging er auf direktem Weg zur Lobby. Dort angelangt wäre er aber gern wieder zurückgegangen, denn Frau Stotter saß dort zusammen mit Herrn Nadeltief in einer Sitzecke, die vor einem Kamin stand. Auf der gegenüberliegenden Couch saßen Gabrielle und Daniel. Nur der Sessel war noch frei.

Schnell wollte Björn seine Beine in die Hand nehmen, doch zu spät, denn Frau Stotter erblickte ihn und rief seinen Namen.    

„Nicht so schüchtern“, lächelte Gabrielle. „Wir beißen schon nicht.“

Björn ging zu ihnen hinüber.

„Setz dich ruhig“, bat Gabrielle und reichte ihm prompt die Hand. „Ich bin Gabrielle.“

„Freut mich“, erwiderte Björn und setzte sich auf den Sessel. Neben seinen Lehrern wollte er nun wirklich nicht hocken. Vor allem nicht, da sie ihn nicht gerade sehr freundlich ansahen.

„Also“, sagte Gabrielle, „irgendwie habe ich das Gefühl, als seist du der Älteste.“

„Der älteste Schüler, jupp.“

„Ist ja interessant“, meinte sie. „Du bist so völlig anders als die anderen.“

„Oh ja!“, bestätigte Herr Nadeltief sofort. „Komplett anders.“

Gabrielle lächelte ihn zwar an, aber Björn schien es so, als ob sie es nur aus Höflichkeit tat und ihn viel lieber erdrosselt hätte.

„Björn ist“, begann Nadeltief zu erzählen, „Anfang des Schuljahrs auf unsere Schule gekommen. Eigentlich hätte er seinen Abschluss auch auf einer Abendschule machen könne, aber seine Tante wollte unbedingt, dass er auf unsere Schule kommt – aus welchem Grund auch immer.“

„Ja, sehr interessant“, stammelte Gabrielle – immer noch lächelnd. „Also, Björn?“

„Ja?“

„Hast du dich schon ein wenig umgeschaut?“

„In der Tat“, antwortete er.

Stotter schaute ihn grimmig an. „Du sollst doch nicht allein irgendwo hingehen.“

Gerade als Björn ihr antworten wollte, übernahm Gabrielle das Wort. „Ach, kommen Sie schon. Der Junge ist volljährig und kann sich frei bewegen.“

„Ja“, stimmte Stotter ihr zu. „Aber die Schule haftet nicht, wenn ihm etwas geschieht.“

„Da mögen Sie recht haben“, sagte Daniel. „Dafür würden wir dann haften, da es unser Grundstück ist.“

„Wollten Sie“, fragte Björn etwas genervt, „was Bestimmtes, Gabrielle?“

„Oh, nein. Ich wollte dich nur kennenlernen. Machst nämlich einen sympathischen Eindruck.“

Nadeltief schmunzelte. „Und das sagen Sie, während Ihr Mann beruflich unterwegs ist?“

„Björn ist eben ein Sympathieträger, auch wenn er kein Prominenter ist.“

„Eine komische Art der Sympathie“, meinte Nadeltief leicht abwertend.

„Sympathie“, erklärte Daniel, „ist eine sich spontan ergebende gefühlsmäßige Zuneigung. Ganz anders als die Antipathie. Sympathie bedeutet nicht sofort, dass man jemanden sexuell attraktiv findet, obwohl das auch mal der Fall sein kann.“ Daniel blinzelte mit einem kleinen Lächeln zu Björn, der ganz verlegen wurde.

Herr Nadeltief atmete schwer durch. „Unser Björn nimmt nie am Sportunterricht teil und schwänzt auch gern mal den Technikunterricht.“

„Und in Ethik fehlt er auch oftmals“, fügte Frau Stotter hinzu.

„Was nichts anderes bedeutet“, sagte Daniel, „als dass er vom Lernstoff gelangweilt zu sein scheint.“

„Ach, Daniel“, sagte Gabrielle. „Das kannst du aber nun auch nicht wissen.“

„Ethikunterricht“, erwiderte Daniel, „ist Ersatzunterricht für Leute, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ist es nicht so, Frau Stotter?“

„Ja, das ist richtig. Trotzdem muss man am Unterricht teilnehmen.“ Sie schaute zu Björn, der überall hinsah – nur nicht zu ihr. „Nicht, Björn?“

„Häh, was? Ich habe nicht wirklich zugehört.“

„Wieso?“, wollte Herr Nadeltief wissen. „Wieso machst du eigentlich kein Sport mit? Jetzt kannst du es uns ja sagen. Deine Mitschüler sind ja nicht da.“

Darauf wollte Björn nun wirklich nicht antworten.

Daniel blickte zum Lehrer. „Was steht denn so auf Ihrem Stundenplan, wenn ich höflich fragen darf?“

„Ach, wir machen ganz viel“, behauptete Herr Nadeltief. „Wirklich. Eine ganze Menge. Dies und jenes.“

„Zum Beispiel?“, erkundigte Gabrielle sich.

Nadeltief wusste, dass es so viel gar nicht war. „Nun, wir laufen zu Beginn jeder Stunde fünfzehn Minuten lang.“

„Und dann?“, wollte Daniel wissen.

„Na, Sport eben.“

„Nicht so schüchtern“, sagte Gabrielle mit schmunzelndem Unterton. „Geben Sie sich einen Ruck.“

Nadeltief fühlte sich wie einst vor Gericht, als man ihn wegen des Besitzes von Kinderpornografie beschuldigt hatte.

„Aerobic?“, erkundigte Daniel sich. „Oder vielleicht Akrobatik? Wie wäre es mit Ausdauer, Badminton, Basketball, Bewegungskünsten, Dehnübungen, Gymnastik oder Handball? Vielleicht aber auch Klettern, Springen, Radfahren, Motoriktests, Schwimmen, Tischtennis oder Turnen?“

„Oh!“, schoss es aus Herrn Nadeltief heraus. „Wir turnen sehr viel.“

„Und was zum Beispiel?“, wollte Gabrielle neugierig wissen. „Geräteturnen, Kippbewegungen oder Saltos? Oder etwas ganz anderes?“

„Bockspringen“, antwortete Nadeltief.

Daniel sah zu Björn. „Springst du nicht gerne über einen Bock?“

„Wenn, dann will ich etwas bespringen und nicht drüber hinwegspringen.“

Gabrielle verschluckte sich beinahe an ihrem Tee.

„Und“, sagte Nadeltief stolzen Hauptes, „wir spielen Fußball.“

„Oh ja!“, bestätigte Björn. „Eigentlich könnten Sie den Unterricht auch so benennen.“

Der Lehrer schüttelte den Kopf. „Wieso weigerst du dich nur immer mitzumachen?“

„Ich mag es einfach nicht, Bällen hinterherzurennen, die ich sowieso nicht behalten kann“, gab Björn ermüdet zurück.

Gabrielle musste kurz lachen. „Ja, so ist das mit den Bällen. Die, die man haben will, bekommt man nicht. Aber Themawechsel, bevor uns noch eins der Kinder hört.“ Sie schaute zu Frau Stotter und korrigierte sich rasch. „Ich meinte natürlich Schüler. Die müssen so etwas ja nicht unbedingt mitbekommen, nicht?“

„Ach“, meinte Frau Stotter mit einem Wink. „Die haben doch eh schon alle Sex.“

„Ach, wirklich?“, staunte Gabrielle. „Die meisten machen nämlich nicht den Eindruck, als ob sie schon wüssten, wie das überhaupt geht.“

„Glauben Sie mir ruhig, Gabrielle“, meinte Stotter. „Die hüpfen doch heute schon von einem Bett zum nächsten.“

„Ja, aber Sie wissen schon, dass Sex nur mit zwei Menschen funktioniert, oder?“

Frau Stotter brauchte einen Moment. „Ja, natürlich.“

„Und einer dieser Menschen muss dann einer von Ihren Schülern sein, der ja von einem Bett zum nächsten hüpft.“

Daniel stupste sie sachte an und flüsterte: „Lass gut sein, Gabrielle.“

„Was denn?“, wisperte sie zurück. „Ich mach doch gar nichts.“ Gabrielle lächelte die Lehrerin heuchlerisch an.

Björn kratzte sich schmunzelnd am Hinterkopf und schielte immer wieder mal auf Daniels Oberschenkel. Er fand sie unglaublich sexy. Vor allem, da es keine Stelzen waren.

„Oh!“, sagte Herr Nadeltief erfreut. „Da kommen die ersten Schülerinnen.“ Er erhob sich. „Doris und Silvia. Ihr seid die Ersten – Glückwunsch.“

Gabrielle und Daniel waren etwas verwirrt, denn Björn war doch die erste Person gewesen, die dazugekommen war.

Daniel blickte zu den beiden Mädchen und fragte sich auf der Stelle, warum einer der beiden eine Kamera in der Hand hielt.

„Das sind“, klärte Nadeltief auf, „Silvia und Doris.“

„Hallo“, grüßte Daniel vornehm und reichte ihnen die Hand. Auch, wenn er Doris lieber nicht die Hand gegeben hätte, denn das kleine pummelige Mädchen kam ihm sehr ungepflegt vor.

Silvia war ganz aufgeregt und ließ fast ihre Kamera fallen.

Gabrielle hatte keine Lust aufzustehen. „Fotografierst du schon alles, ja?“

„Ich“, verkündete Silvia aufgekratzt, „liebe diesen Ort! So viele Sachen, die ich einfach fotografieren muss! Haben Sie Katzen?“

„Auf dem Hof laufen sicherlich welche herum. Weshalb fragst du?“

Silvia und Doris freuten sich lauthals und sagten gleichzeitig: „Wir lieben Katzen!“

Björn rollte genervt die Augen, was Daniel wiederum total süß fand.

„Ich muss einfach jede Katze fotografieren!“, sagte Silvia. „Meine Freundinnen nennen mich auch schon Cat.“

„Ho!“, sagte Gabrielle mit höhnischem Unterton. „Ist doch ein toller und sehr einfallsreicher Name.“

„Sehr originell“, fügte Daniel schmunzelnd hinzu.

Silvia freute sich ungemein. „Danke, danke, danke! Ich bin so aufgeregt!“ Sie sah zu Daniel. „Ich finde es so mutig von Ihnen, sich zu outen!“

Daniel wusste gar nicht, was er darauf erwidern sollte. „Ähm …“

Gabrielle musste lachen. „Nicht so schüchtern, Daniel. Da lobt dich einer.“ Schnell korrigierte sie sich. „Ich meinte eine. Bedank dich mal.“

„Ja, danke“, meinte Daniel flüchtig.

„Wirklich!“, plapperte Silvia weiter. „Ich finde Homoerotik voll geil.“

Schnell hielt sich Björn die Hände vors Gesicht und tat so, als müsse er niesen. Dabei musste er sich mit aller Macht das Lachen verkneifen.

„Nicht?“, fragte Silvia ihre Freundin.

Doris nickte überirdisch schnell. „Und wie! Ich finde das so romantisch.“

Gabrielle lachte auf. „Hätten wir das auch geklärt.“ Sie erhob sich und sprach schnell ein anderes Thema an. „Und wo bleiben die anderen?“ Gabrielle erblickte ein paar Schüler um die Ecke kommen. „Die Frage hat sich erübrigt.“

Frau Stotter gesellte sich zu ihren Schülern. „Kommen wir auch endlich mal?“

Gabrielle beugte sich zu Daniel hinunter. „Findest nicht auch, dass Doris mehr durchhängt als ihr BH?“

Björn hatte ihre Worte mitbekommen und kicherte.

„Wehe“, warnte Gabrielle ihn mit dem Zeigefinger, „du sagst es weiter.“

Björn tat so, als würde er einen Reißverschluss auf den Lippen haben und zog ihn zu.

„Keine Sorge“, versicherte Daniel ihr. „Björn wird wohl der letzte Mensch auf Erden sein, der etwas ausplappern würde.“

„Selbst dann nicht“, sicherte Björn zu. Gabrielle ging schmunzelnd an ihm vorbei. „Willst du“, fragte Björn an Daniel gewandt, „nicht zu den anderen gehen?“

„Ich muss mich erst von meinem plötzlichem Coming-Out erholen“, erwiderte Daniel.

„Klingt ja beinahe so, als sei es dein erstes gewesen.“

„Meines Erachtens muss ein Mensch nicht erwähnen, welches Geschlecht er bevorzugt. Ein Heterosexueller outet sich schließlich auch nicht.“

„Wie recht du doch hast.“

„Aber wenn wir schon mal dabei sind“, sagte Daniel mit einem Lächeln, „wann hattest du das deinige?“

„Wie du schon sagtest: Nicht der Rede wert“, erwiderte Björn und erhob sich.

Daniel stand auf und richtete die Krawatte. „Also wissen sie es nicht?“

„Soll mir ehrlich gesagt egal sein, was sie wissen oder denken.“

„Keine Angst, dass man dich verspotten könnte?“, fragte Daniel, als er sich neben ihn stellte und auf die Horde von Schülern blickte.

Björn spürte Daniels Arm dezent an seinem. „Noch schlimmer, als mein Leben sowieso schon ist, kann es eh nicht werden“, meinte er und blickte zu Daniel auf. „Wie lebt es sich da oben eigentlich so?“, schmunzelte er.

„Ich bin gerade mal 180 Zentimeter groß.“

„Was zehn Zentimeter mehr sind als bei mir.“

„Und damit meintest du jetzt sicherlich die Körpergröße.“

Björn wurde ganz rot. „Ähm, natürlich.“ Er kam ins Schwitzen. „Was sollte ich sonst meinen?“

„Es wäre nämlich sehr bedauernswert, wenn es nur sechs wären.“ Daniel räusperte sich und ging mit einem kecken Lächeln zu den anderen.

„Häh?“ Björn brauchte einen Moment, ehe er es verstand. „Oh. Oh!“

„Also!“, sagte Gabrielle mit erhobener Stimme. „Sind wir dann jetzt komplett?“

Frau Stotter gesellte sich zu ihr. „Alle sind da.“

„Gut. Dann können wir jetzt den Rundgang beginnen. Ich gehe vor und ihr folgt mir. Und damit auch niemand heimlich das Weite sucht, wird Daniel am Ende des Glieds laufen.“

„Glied“, kicherten manche.

„Ja, ich weiß“, sagte Gabrielle gespielt heiter. „Glied ist ein wirklich sehr lustiges Wort.“

Nils musste sich einfach dazu äußern. „Ich habe ein sehr schönes Glied.“

„Das da schon in deiner Mutter gesteckt hat“, entgegnete Gabrielle trocken. Jeder verstummte. „Bei deiner Geburt natürlich“, sagte Gabrielle peinlich berührt. „Was dachtet ihr denn?“ Mann, was für ein versauter Haufen. „Dann mal auf! Es geht zuerst in den Speisesaal, den wir extra für euch umgestellt haben. Eigentlich machen wir das nur, wenn uns Grundschüler besuchen. Wir stellen die Tische dann zusammen, sodass niemand ausgeschlossen wird.“ Sie öffnete die Tür.

Björn lief neben Daniel her. Immer wieder musste er zu ihm schauen.

„Irgendetwas scheine ich an mir zu haben, was dich zu faszinieren scheint“, meinte Daniel.

„Ähm … Es ist nur …“

„Ja?“

„Ach, nicht so wichtig. Du sag mal, wie alt bist du eigentlich – wenn ich fragen darf?“

„32“, antwortete Daniel. „Für dich gewiss schon viel zu alt.“

„Wenn du wüsstest.“

„Wenn ich was wüsste?“

„Ach, nicht so wichtig.“

Gabrielle erklärte den Schülern alles, während Björn nur noch Ohren für Daniel hatte.

„Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, dann kannst du jederzeit zu mir kommen.“

„Da bedauert man glatt die Tatsache, dass man nur eine Woche hier sein wird.“

Darauf wollte Daniel nicht eingehen. „Ein halbes Jahr musst du noch, nicht?“

„Ja, ein halbes Jahr“, stimmte Björn ihm zu. „Dann bin ich diesen Haufen endlich los.“

„Und hast schon eine Ahnung, was du danach machen möchtest?“

„Ganz ehrlich?“ Björn zuckte planlos die Achseln. „Soweit denke ich gar nicht voraus. Ich versuche nur den Tag zu überstehen.“

„Hat man dir noch nie die sehr bedeutsame Frage gestellt, wo du dich in zehn Jahren siehst?“

„Doch.“

„Und?“

„Irgendwo – sofern nicht schon tot.“

„Kein Fan von Zukunftsfragen?“

„Woher soll ich wissen, was ich in zehn Jahren machen werde? Heute sage ich: In zehn Jahren sehe ich mich zusammen mit meinen Traummann auf einer einsamen Insel. Dies wird keine ausreichende Antwort sein. Also muss ich sagen, was ich beruflich machen werde. Darauf muss ich dann sagen: Das, was ich wahrscheinlich beruflich machen werde. Dies wird aber wieder nicht ausreichend sein. Also muss ich mir irgendeinen Scheiß ausdenken. Und dazu habe ich keine Lust.“

„Daraus schließe ich, dass du ein Tagträumer bist.“

„Kann schon sein.“

„Aber irgendetwas machst du doch sicherlich gerne.“

„Oh ja!“

„Und das da wäre?“, horchte Daniel interessiert auf.

„Schlafen. Oh! Und essen. Shoppen ist auch ganz lustig.“

„Shoppen ist ein Gen-Defekt, den eigentlich nur die Damenwelt besitzt. Und für mich siehst du alles andere als weiblich aus.“

„Brüste würden mir auch nicht stehen. Also gibt es keinen Beruf für mich.“

„Ich kenne nur einen Beruf, der auf dich zutreffen könnte.“

„Und der da wäre?“, fragte Björn.

„Der einer Hausfrau. In deinem Fall dann wohl eher Hausmann.“

„Aber die müssen doch putzen“, sagte Björn weniger enthusiastisch. „Und Wäsche waschen und so.“

„Kannst dich glücklich schätzen.“

„Ach, kann ich das?“

„Gewiss. Du wärst der Erste, bei dem ich den Keller nicht sofort unter Wasser setzen würde.“ Gespannt wartete Daniel auf Björns Reaktion.

„Deine Geschäftspartnerin ist eine Frau.“

„Ja, und auch die einzige weibliche Person, mit der ich Kontakt pflege. Und das nicht nur, weil wir zusammen arbeiten. Sie ist meine treue Kameradin. Die einzige.“

„Und alle anderen Frauen gehören in den Keller?“

„Gewiss nicht alle. Aber bei einigen würde ich glatt ja sagen.“

„Die Emanzipation der Frau ist wohl an dir vorbeigegangen.“

„Nein, das ist sie nicht. Nur manche der Eigenlebigen übertreiben es. Halt mich für unzeitgemäß, aber Frauen sollten die Finger vom Fußball lassen. Seitdem es Frauenfußball gibt, interessiere ich mich nicht mehr für diesen Sport.“

„Ah, ein Kerl, der auf Typen in Fußballkleidern steht“, erkannte Björn. „Lass mich raten: Als du eine Frau in weißen Socken sahst, ist dir dieser Fetisch von jetzt auf gleich flöten gegangen.“

„Nicht nur der Fetisch“, sagte Daniel. „Es gibt eben Berufe oder Dinge, die meines Erachtens nicht zu einer Frau passen.“

„Und die da wären?“

„Früher, leider vor meiner Zeit, waren Frauen mehr oder weniger dazu verdonnert, als Hausfrau zu enden. So um 1820 rum entstanden zwar einige Mädchenpensionate, die auch höhere Tochterschulen genannt wurden und von gehobenen Gesellschaftsschichten besucht wurden, aber das Ziel war keine gute Allgemeinbildung. Es ging eigentlich nur darum, die Damen auf das Leben als Mutter und Hausherrin vorzubereiten. Irgendwann gelang es ein paar Zofen, neue Ausnahmeregelungen durchzusetzen. Sie durften endlich lernen, wie es die Männer taten.“

„Ganz böse“, schmunzelte Björn.

„Nein“, widersprach Daniel. „Jeder sollte die Chance kriegen zu lernen, aber das ist nicht das, was mich manchmal die Wände hochgehen lässt.“

„Und was wäre das?“

„1918 durften die Frauen zum ersten Mal wählen gehen. Und was haben wir heute davon? Eine Frau als Kanzlerin.“

„Kein Fan unserer …?“

„Nein.“

„Okay“, sagte Björn langsam. „Direkter ging es nicht mehr.“

„Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich habe nichts gegen das schwache Geschlecht, aber sie nehmen den Männern alles, was sie ausmacht.“

„Und damit meinst du sicherlich nicht nur deinen ehemaligen Fetisch.“

„Wenn eine Frau einen Mann schlägt, dann ist es okay. Aber wenn der Mann sich wehrt, dann wird er als Buhmann hingestellt.“

„Ich habe mal eine geschlagen“, beichtete Björn und zog peinlich berührt die Schultern hoch.

„Aus welchem Grund? Hat sie dich zuerst geschlagen?“

„Nein, das nicht. Aber die Olle laberte Scheiße über mich. Von wegen, ich würde in Stöckelschuhen herumlaufen, Frauenkleider tragen und mit ihr schlafen.“

„Und daraufhin hast du sie einfach …?“

Björn zuckte lässig die Achseln. „Ich konnte sie eh nicht leiden. Außerdem verstand sie nur diese Sprache.“

„Lass mich raten: Es hat jemand gesehen und man hat dich dafür verachtet.“

„Überhaupt nicht“, verneinte Björn grinsend. „Voll das Gegenteil. Man hatte mich sogar noch angefeuert – selbst die Frauen, die vom Fenster aus zusahen.“

Daniel war verwirrt. „Aber …“

„Frauen mögen sich heutzutage zwar viel erlauben können, aber wenn sie sich gegenseitig nicht riechen können, dann spielt es keine Rolle, wer wen zuerst schlägt. Sie wollen sich dann nur noch darüber freuen, wenn die Tusse, die sie nicht ausstehen können, eine geknallt bekommt. Schlimm wird es erst, wenn sie sich wieder vertragen.“

„Du machst auf mich jetzt aber nicht den Eindruck, als würdest du von Tür zu Tür gehen und den Damen eine reinhauen.“

„Was? Nein. Scheiße, nein. Das war eine einmalige Sache. Wobei ich manchmal …“

„Lass es lieber und denk dir deinen Teil“, bat Daniel.

„Tue ich.“

Gabrielle ging hinaus. „Jetzt schauen wir uns den Hof an. Ich hoffe, dass ihr alle etwas Warmes anhabt. Und wenn nicht, dann kann ich es auch nicht ändern. Als Erstes zeige ich euch jetzt den Ort, wo sich unsere Kühe aufhalten.“

„Männer“, sagte Daniel, „die Frauen schlagen, werden von der Gesellschaft – meistens von den Medien – fertiggemacht. Sie sind die bösen Buben.“

„Ich weiß. Aber ich bin allgemein gegen Gewalt.“

„Da hast du mich vielleicht falsch verstanden. Ich bin ebenfalls gegen Gewalt. Ich mag es nur nicht, wenn Emanzen den Mann entmannen.“

„Und wie stellen sie das an? Klär mich auf.“

„Sie sagen den Männern, was sie tragen sollen. Männer, die sich schminken oder Röcke tragen, werden von Frauen verhöhnt. Eine Frau darf sich alles erlauben – egal was. Sie kann tragen, was sie möchte, und wird dafür gelobt. Sie schicken die Männer einkaufen, verbieten ihnen Fußball zu schauen oder sich mit ihren Freunden zu treffen. Sie bestimmen den Alltag. Hysterische Weiber geben den Ton an, während der Mann zusammengekauert in der Ecke sitzt und heult.“

„Welche Frau hat dich nur so verstört?“, wollte Björn feixend wissen.

„Kennst du eine, kennst sie alle.“

„O-kay. Und was wäre die perfekte Frau für dich?“

„Dass ich mit Frauen nichts anfangen kann, hast du aber schon verstanden, oder?“

„Soweit war ich schon“, grinste Björn.

„Es ist einfach so, dass den Männern alles genommen wird. Wären die Frauen mehr so wie Gabrielle, würde ich keinen Hass verspüren, aber schau dir diesen Haufen an. Nimm zum Beispiel die Mädchen aus deiner Klasse. Kannst du dir vorstellen, dass eine von ihnen eines Tages über Recht und Unrecht entscheiden könnte?“

Björn blickte fast schon verzweifelt drein.

„Oder stell dir vor: Eine von denen wird eines Tages Handwerkerin und zimmert dein Haus zusammen.“

„Wenn ich ehrlich sein soll, dann kann ich mir nicht mal die Typen in einem Beruf vorstellen. Für mich gehören die alle in die Irrenanstalt.“

„Frauen können das machen, was sie wollen. Allerdings bin ich gegen die komplette Gleichstellung. Sicherlich soll eine Frau nicht leben wie vor hundert Jahren und ihren Mann anbetteln müssen, arbeiten zu gehen, doch sollten sie sich einfach nicht zu viel erlauben dürfen. Es gibt einfach Dinge, da sollten sie die Finger von lassen.“

„Und es liegt doch an den spielenden Fußballerinnen“, schmunzelte Björn.

„Schon mal eine Frau in Lederchaps gesehen?“

„Ähm …? Toll! Männer in Leder fand ich bis gerade eben noch recht attraktiv.“

„Genau das meine ich.“

„Aber Röcke sollten wirklich nur Frauen tragen.“

„Noch nie einen attraktiven Mann in einem Schottenrock gesehen?“

„Nicht wirklich.“

„Dann wird es vielleicht mal Zeit.“

„Klingt ja fast schon wie eine Einladung.“

Gabrielle öffnete die Tür zum kleinen Häuschen. „Und hier treffen wir uns gerne mal zum Bierchen. Für euch selbstverständlich nur Saft. Im Höchstfall mal eine Cola. Aber nicht mehr!“

„Ach, menno!“, jammerte Christina.

„Nichts menno“, gab Gabrielle zurück. „Alkohol ist nur was für Leute, die auch ein paar Gehirnzellen entbehren können.“

Christina machte ein nachdenkliches Gesicht. Sie (und viele andere) verstanden es nicht.

„Sagte ich doch“, murmelte Gabrielle. „Also. Hier haben wir …“

„Nein“, sagte Daniel. „Ich bin wohl doch schon ein wenig zu alt für dich.“

„Schubladendenken“, erwiderte Björn.

Daniel blieb stehen und sah ihn wissensdurstig an.

„Als ich neun war – oder so, da träumte ich eins von einem Mann, der schon um die Mitte zwanzig war“, erzählte Björn verlegen. „Irgendwie lustig.“

„Und was?“

„Er sah aus wie du“, offenbarte Björn nach kurzer Betrachtung und guckte hastig zur Seite. Ihm rutschte förmlich das Herz in die Hose.

„Verstehe“, schmunzelte Daniel. „Und was möchtest du mir damit mitteilen?“

„Ach, nüx“, schwindelte Björn und ging in das kleine Häuschen, während die anderen es bereits wieder verließen.

„Im Haus selbst“, sagte Gabrielle, „haben wir noch einen Spieleraum. Dort könnt ihr Billard spielen, basteln und so.“ Sie ging weiter.

Björn setzte sich auf einen der Hocker, der vor der kleinen Bar stand. „Ist echt schön hier.“

Daniel schloss die Tür hinter sich. „Wir sollten nicht allzu lange hier verweilen. Wenn Gabrielle mitbekommt, dass ich nicht anwesend bin, wird sie mir das tagelang vorhalten.“

„Keiner hat dich gezwungen hierzubleiben.“

„Und keiner hat dich gebeten, mein Interesse zu wecken.“ Daniel sah in das verlegene Gesicht von Björn und setzte sich schmunzelnd neben ihn. „Verzeih meine direkte Art und Weise.“

„Ah, passt schon.“

„Nein. Ich sollte mich ein wenig zurückhalten. Schließlich bist du ein Schüler.“

„Der da schon volljährig ist.“

„Das mag sein, Björn, aber ich möchte nicht, dass ein falsches Licht auf mich fällt.“

„Und welches zum Beispiel?“

Daniel hielt kurz inne. „Hinterher denkst du noch, dass ich das bei jedem gut aussehenden jungen Mann mache.“

„Ach, was machst denn?“, stellte Björn sich doof. „Und was soll das heißen?“

„Was genau?“

„Es gab hier schon mal einen gut aussehenden Kerl? Kann ja gar nicht sein. Bin das erste Mal hier.“

„Und er strotzt nur so vor Selbstbewusstsein.“

„Nein, eigentlich bin ich ganz anders. Weiß auch nicht, warum ich gerade so …“

„So?“

„Na, so eben …“

„Ich glaube, dass ich eine Ahnung habe, was mit dir los ist, Björn.“

Neugierig sah Björn ihn an. „Ach und was?“

„Das, mein lieber Björn“, Daniel erhob sich und richtete erneut seine Krawatte, „musst du schon selbst herausfinden.“

„Du bist gemein“, sagte Björn mit Schmollmund.

„Aber du musst dir auch eingestehen, dass ich verdammt begehrenswert bin, nicht?“ Mit einem frechen Grinsen öffnete Daniel die Tür und ging hinaus.

Björn war baff und eilte hinterher. „Wohnst du eigentlich auch hier auf dem Bauernhof?“

„Nein. Ich habe eine eigene Wohnung. Ich komme meist jeden Morgen …“

„Ui, du kommst also jeden Morgen“, feixte Björn.

„Mit dem Auto“, setzte Daniel schmunzelnd seinen Satz fort.

„Und dann noch mit dem Auto“, ärgerte Björn ihn weiter.

„Du bist ganz schön …“

„Frech?“, fragte Björn. „Ja, das habe ich schon oft gehört. Aber so frech bin ich gar nicht. Ich meine das ja nicht böse. Wenn du das so verstehen solltest, dann entschuldige ich mich auf der Stelle.“

„Eigentlich wollte ich liebenswürdig sagen oder schnuckelig, aber frech passt auch.“

Björn wurde ganz schamhaft und traute sich gar nicht mehr, etwas von sich zu geben.

„Und du solltest noch wissen, dass ich kein Frauenhasser bin. Vielleicht klang das gerade eben so, aber es ist nun mal halt so, dass ich vieles nicht akzeptieren kann.“

„Wie Frauenfußball.“

„Frauen sind tolle Geschöpfe. Einige von ihnen sind hinreißende Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen oder auch Models. Manche können sehr gut zeichnen, nur vom Schreiben sollten etliche die Finger lassen.“

Björn rollte die Augen. „Wem sagst du das. Ich sage nur: Feuchtgebiete!“

„Ich kann nicht verstehen, wie Millionen von Menschen das toll finden konnten“, meinte Daniel kopfschüttelnd. „Das Buch war das inhaltsloseste Werk, das ich je zwischen meinen Fingern bekommen habe. Nichtssagend und ekelig.“

„Du hast echt das komplette Buch gelesen?“

„Nicht nur das“, gestand Daniel schweren Herzens. „Ich habe sogar den Fehler begangen und mir den Film auf DVD angeschaut.“

„Oh Gott!“

„Hast du ihn schon gesehen?“

„Will ich gar nicht. War bei dem Buch schon nur bis auf Seite 50 oder so gekommen.“

„Gut. Dann rate ich dir, lass es. Einmal verlorene Zeit kannst du nämlich nicht wieder bekommen. Nutze deine Zeit auf Erden lieber für Angelegenheiten, die dir wichtig sind.“

„Bin schon dabei“, erwiderte Björn.

Daniel verstummte und machte große Augen.

„Wir sollten den anderen lieber ins Innere folgen“, schlug Björn hastig vor und ging voran.

Daniel ging ihm nach. „Liest du viel?“

„Wenn ich mal Langeweile habe, dann schnapp ich mir schon mal ein Buch. Meine Tante liest nämlich viel.“

„Und was zum Beispiel?“

„Ach, nichts Besonderes. Horror und so. Ist wie mit Filmen. Ich liebe Horrorfilme, aber auch Dramen.“

„Liest du auch homosexuelle Literatur?“

„Es gibt schwule Bücher?“

„Nun ja“, schmunzelte Daniel. „Bücher sind in der Regel nicht schwul, aber ja. Es gibt in der Tat Bücher für und über Homosexuelle. Die meisten werden allerdings von Frauen verfasst.“

„Höh?“ Björn schaute verwirrt drein. „Wie jetzt?“

„Bücher voller Geschlechtsteile“, sagte Daniel.

„Also nicht gut?“

„Das meiste kannst du ohne Reue in die Tonne werfen.“

„Wie gesagt, ich habe noch nichts Schwules gelesen.“ Björns schüttelte den Kopf „Wie sich das anhört … Schwules gelesen.“

„Es gibt ein paar wenige Autoren und hier betone ich das Wort Autor – männlich –, denn eine gute Autorin ist mir noch nicht zwischen die Finger geraten. Und sollte das jemals der Fall sein, dann werde ich wissen, dass sie vorher ein Er war.“

„Wie war das noch? Nicht frauenfeindlich?“

„Bin ich nicht“, versicherte Daniel. „Frauen können deine besten Freunde sein.“

„Keine Ahnung. Bin jedes Mal froh, wenn ich keiner begegne. Aber so geht es mir auch mit Typen, die sich wie Spinner aufführen. Oh, und Schwuchteln. Also solche Männer, die sich wie Tunten benehmen. Gebrochenes Handgelenk und so.“

„Also bist du bei jedem Menschen froh“, erkannte Daniel.

„Abgesehen von dir“, meinte Björn schüchtern und setzte sich in die Sitzecke.

„Wolltest du nicht zu Gabrielle und den anderen?“ Daniel setzte sich nah neben ihn.

„Ganz ehrlich? Ich schau mir lieber alles …“

„Alleine an?“

„Du bist echt gut.“

„Solltest du Fragen haben, dann wende dich einfach an mich“, bat Daniel.

„Das werde ich wahrscheinlich sogar in Betracht ziehen oder gleich ausnutzen.“

„Ausnutzen?“

„Gibt es echt keine Einzelzimmer?“

„Gewiss verfügen wir über welche. Aber diese sind für andere Gäste gedacht und aktuell leider nicht bewohnbar. Allerdings verfüge ich über ein Zimmer.“

„Ich dachte, du hast eine eigene Wohnung?“

„Ja, die habe ich auch“, sagte Daniel und schlug die Beine übereinander. „Nur manchmal, wenn Gabrielle zu viel zu tun hat, so wie jetzt, dann übernachte ich hier.“

„Du hast nicht zufälligerweise noch ein zweites Bett in deinem Zimmer?“

„Ich würde es dir zwar gerne anbieten, aber leider …“

„Schon okay.“ Björn seufzte. „Mir graut es nur vor den beiden Affen.“

„Du meinst den leicht auseinandergegangenen Typen mit dem unheimlichen Grinsen im Gesicht und den Kerl, den ich auf Anhieb abstoßend fand?“

„Nils und Werner – jupp.“

„Ich würde dir da liebend gern weiterhelfen, Björn, aber …“

„Schon okay, Daniel. Halb so wild. Nur wundere dich die Tage bitte nicht, wenn ich morgens oder nachmittags wie ein Zombie umherwandere.“

„Wieso solltest du das tun?“

„Die beiden Kinder werden mir sicherlich irgendwelche Streiche spielen. Keine Ahnung. Mir morgens ins Gesicht furzen oder dergleichen. Was weiß ich.“ Björn ließ den Kopf hängen. „Ausschlafen ist diese Woche wohl nicht drin.“

„Wenn es wirklich so schlimm werden sollte, dann sag mir Bescheid.“

„Wieso? Willst du dann ein ernstes Wörtchen mit ihnen reden?“

„Nein, dann werde ich dich in meine Obhut nehmen.“

„Häh?“

„Du könntest dann rein theoretisch in meinem Zimmer schlafen. Ich müsste dann am Abend nach Hause fahren und morgens zurückkommen. Gabrielle wird anfangs wohl sehr stinkig sein, aber sie wird es verstehen – denke ich.“

„Ach, Quatsch! Ich werde es schon überleben.“

Daniel hätte am liebsten etwas von sich gegeben, doch empfand er es einfach als viel zu früh. Er war sowieso der Ansicht, dass er schon zu weit gegangen war.

„Was ist eigentlich deine Aufgabe hier?“

„Meistens helfe ich Gabrielle im Büro. Ab und zu helfe ich auch in der Küche aus oder füttere die Kühe mit Heu. Manchmal melke ich sie auch.“

„Das kannst du sicherlich gut“, schwärmte Björn ungewollt.

„Das müsstest du die Kühe fragen. Aber sie geben immer sehr viel Milch.“

„Ja, da bin ich mir sicher.“ Wie gebannt starrte Björn dem 14 Jahre älteren Daniel auf die Lippen. „Ähm, was wollte ich sagen?“

„Hat was, wenn das Licht gedimmt ist, nicht? Dazu das Feuer im Kamin.“

„Ja, ist irgendwie total …“

„Romantisch?“, beendete Daniel fragend.

„Ja, irgendwie schon. Ist aber auch so ein …“

Daniel wartete gespannt. „Ja?“

„Ich weiß nicht. Es ist noch viel zu früh, um schlafen zu gehen. Aber diese Atmosphäre …“

„Bekommt man Lust zu kuscheln, nicht?“

„Geht das auch zu zweit?“

„In der Regel macht man es mit einer anderen Person. Wobei ein Gör lieber ihre Puppe zu benutzen scheint.“ Daniel konnte nicht anders und kicherte einen Moment. „Verzeih mir mein Benehmen.“

Plötzlich wurden beide von Gabrielles lautem „Aha!“ erschreckt. Gleichzeitig zuckten sie zusammen. „Hier bist du also, Daniel!“ Gabrielle hastete zu ihnen. „Du kannst mich doch nicht einfach mit dem Haufen alleine lassen!“

Daniel erhob sich auf der Stelle. „Entschuldige.“

„Ich meine, ich kann ja verstehen, dass du lieber mit Björn auf Kuschelgang gehen willst, aber könntest du das vielleicht auf später verschieben und mir endlich mit dem Pack da helfen?“ Sie grinste Björn frech an. „Dich meine ich damit nicht.“

Björn hob die Hände. „Ey, rede über die, wie du willst. Ich halt mich da raus.“

Gabrielle atmete tief durch. „Ernsthaft! Wie hältst du das nur tagtäglich mit diesen Kindern aus? Vor allem diese Christina geht mir auf die Eierstöcke! Die mit ihrer Fragerei!“ Gabrielle gab ein entnervtes Stöhnen von sich.

„Ganz ruhig“, versuchte Daniel sie zu besänftigen. „Hast es ja bald hinter dir.“

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Wir haben Montag und die sind noch bis Freitag hier!“ Wieder schaute sie zu Björn. „Wenn ich über die rede, dann fühle dich bitte nicht ein einziges Mal angesprochen, ja? Gut.“ Verzweifelt sah sie zu Daniel. „Die fragen mich andauernd über mich und meinen Mann aus. Alleine schaffe ich das nicht!“

„Vor allem, da du gar keinen Mann hast, nicht?“, schmunzelte Daniel.

Björn war verwirrt. „Wie jetzt?“

Gabrielle stemmte stöhnend die Hände in die Hüften. „Ich sage das nur, damit dieser pubertierende Haufen nicht versucht, sich an mich ranzumachen. Ich meine, ich weiß, dass ich eine attraktive Frau bin. Muss mich halt schützen. Und mein vorgetäuschter Mann ist wie Safer Sex – kinder- und orgasmuslos.“

Daniel und Björn versuchten nicht zu lachen.

„Was denn?“, fragte Gabrielle. „Ich gebe halt Acht auf mich.“

„Lass uns mal“, schlug Daniel vor.

„Ist ja schon gut.“ Gabrielle ging voran.

„Ich warte hier“, sagte Björn.

„Ihr“, meinte Gabrielle, „könnt euch nachher weiter annähern.“

Björn sah Daniel nach und bekam einen charmanten Blick von ihm zugeworfen.

Montag (3)

 

3    30 Minuten später hockte Björn immer noch auf der Couch. Prustend sah er auf sein Handy und entschloss sich, eine rauchen zu gehen. Leider war es draußen bereits dunkel und verdammt kühl geworden. Bibbernd zog er ein paar mal an der Zigarette (mehr war auch gar nicht drin, da die Kippen stets schneller verbrannten), und begab sich dann wieder ins Innere des Hauses. Da immer noch keiner anwesend war, ging er in sein Zimmer. Zu seinem Entsetzen lagen sein Rucksack und seine Tasche auf dem Bett. Dabei war er sich sicher, seine Sachen unters Bett gelegt zu haben. Sofort schaute er nach. Als er seinen Rucksack öffnete, erkannte er, dass jemand darin herumgewühlt hatte. Wutentbrannt stürmte er hinaus und machte sich auf die Suche nach Werner und Nils.

Gabrielle stellte sich vor die Horde von Schülern. „Jetzt habt ihr alles gesehen“, sagte sie und verkündete darauf: „Morgen Abend, wenn Vollmond ist, werden wir eine Wanderung durch den Wald unternehmen.“

„Ach nö“, klagte Sissy. „Ich habe doch gar kein passendes Kleid dabei.“

Gabrielle dachte sich verhört zu haben. „Liebe Sissy“, sagte sie so freundlich, wie es ihr noch möglich war. „Du sollst dich ja auch warm kleiden und nicht im Kleid herumlaufen.“

„Wird es sehr kalt?“, wollte Francisca wissen.

Zuerst wollte Gabrielle ihr nicht darauf antworten, da sie es für eine sehr dumme Frage hielt. „Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es …“

„Nils!“, brüllte Björn quer durch den Raum. Sofort waren alle Augen auf ihn gerichtet. „Was fällt dir ein?!“

„Ts“, meinte Nils abschätzig. „Was will dieser Lackaffe denn von mir?“

Werner stellte sich neben ihn. „Hast du die Taschen wieder unters Bett gestellt?“

„Nein, wieso?“

„Dann weiß er es.“

„Und?“ Nils zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Soll mir doch egal sein.“

„Was fällt dir ein?!“, wiederholte Björn aufgebracht und ging schnurstracks auf ihn zu.

Herr Nadeltief stellte sich zwischen sie. „Darf man fragen, was du so für einen Aufstand machst?“, fragte er an Björn gewandt.

„Diese Furzbirne …“, meinte Björn erbost.

„Furzbirne“, wiederholte Gabrielle kichernd. Ein paar der Schüler sahen sie seltsam an. „Was denn? Ich fand es lustig.“

„… hat zusammen mit Werner meine Sachen durchwühlt!“

„Stimmt doch gar nicht!“, verneinte Werner.

„Ach, nicht?“, fragte Björn.

„Nein, ganz sicher nicht“, versicherte Werner.

„Seltsam nur, dass die Kekspackung geöffnet ist, obwohl ich sie noch gar nicht aufgemacht habe.“

„Warum sollte ich an deine Kekse gehen“, stotterte Werner sich einen ab, „die man übrigens nur in Belgien bekommt?“

Gabrielle hätte sich am liebsten etwas Hartes vor ihrem Kopf geschlagen. So blöd kann doch niemand sein, dachte sie.

„Interessant, dass du weißt“, sagte Björn, „woher meine Kekse kommen.“

Nadeltief stöhnte genervt. „Machst du Aufstand, weil er an deine ach so kostbaren Kekse gegangen ist? Also ganz normal tickst du ja nicht gerade.“

Daniel musste sich einfach einmischen. Als er an Werner vorbeiging, schlug er ihm leicht gegen den Hinterkopf und tat so, als ob er es nicht gewesen wäre. „Ich für meinen Teil finde es eine Frechheit“, sagte Daniel und stellte sich selbstsicher dem hochnäsigen Lehrer gegenüber. „Es gehört sich nicht, an die Sachen anderer zu gehen, ohne vorher gefragt zu haben.“

„Es sind doch nur Kekse“, erwiderte Nadeltief.

„Es geht nicht um den Wert einer Sache, sondern ums Prinzip. Diebstahl bleibt Diebstahl.“

„So ein Spinner“, kicherte Nils.

„Ich verbitte mir diese Ausdrucksweise“, sagte Daniel mit strenger Stimme zu Nils, der bei diesem Blick ganz klein wurde.

Frau Stotter gesellte sich dazu. „Leute. Wir wollen uns doch jetzt nicht wegen Keksen streiten. Werner und Nils! Entschuldigt euch! Ihr bringt die ganze Klasse in Verlegenheit!“

„Entschuldige“, redete Werner vor sich hin, auch wenn er es nicht so meinte.

„Ja, von mir auch“, tat Nils es ihm nach.

Frau Stotter war dankbar. „Hätten wir das also geklärt.“

„Nein“, widersprach Daniel. „Ein kleines, unbedeutendes ‚Entschuldigung‘ rechtfertigt diese Missetat noch lange nicht.“

„Und was“, wollte Herr Nadeltief wissen, „sollen wir Ihrer Ansicht nach jetzt tun? Sie bestrafen?“

„Ich wäre für“, schlug Daniel ohne Bedenken vor, „eine Veränderung in der Zimmeraufteilung.“

Gabrielle huschte zu ihm. „Wir haben aber doch keine zur Verfügung.“

„Lass das mal meine Sorge sein.“

„Von mir aus.“

„Deswegen schlage ich vor“, fuhr Daniel fort, „dass Nils und Werner sich das Zimmer alleine teilen können und Björn ein Einzelzimmer bekommt.“

Der Aufschrei war groß.

„Wieso bekommt Björn ein Einzelzimmer?“, meckerte Sissy.

„Will auch eines“, klagte Doris.

„Wie jetzt?“, stutzte Silvia. „Ich dachte, du wärst froh, dass wir zusammen sind?“

„Bin ich ja auch“, antwortete Doris. „Ich wollte mich nur dazu äußern.“

„Und welches …“, flüsterte Gabrielle ihrem Freund ins Ohr, „willst du ihm geben?“

„Lass das mal meine Sorge sein.“ Daniel blickte zu Björn. „Björn?“

„Ja?“

„Sei bitte so lieb und hole deine Sachen.“

Das ließ sich Björn nicht zweimal sagen. Schleunigst eilte er davon, fragte sich aber rasch, wo er nun schlafen würde.

„Gut!“ Gabrielle klatschte einmal in die Hände und setzte ein gespielt fröhliches Gesicht auf. „Wir haben dann alles gesehen. Ihr könnt dann gehen und euch amüsieren.“ Keiner der Schüler rührte sich.

„Sie sagte ausschwirren“, meinte Daniel etwas unhöflich. Und schon hatten sie es kapiert.

„Nur wegen euch“, meckerte Christina die beiden Diebe an, „bekommen wir Ärger. Schämt euch!“

„Wir werden“, sagte Frau Stotter, „auch erst einmal ein wenig die Füße hochlegen. Wir sehen uns dann nachher zum Abendessen?“

„Oh ja!“, sagte Gabrielle mit einem Lächeln. „Um 20 Uhr treffen wir uns im Speisesaal.“

„Ist gut.“ Frau Stotter ging mit ihrem Kollegen davon.

Nachdem alle gegangen waren, trat Gabrielle ihrem besten Freund absichtlich auf den Fuß.

„Aua!“, beschwerte Daniel sich.

„Wo ist deine gute Stube hin?!“

„Du weißt ganz genau, wie ich auf solche Aktionen reagiere.“

„Mag sein, aber dieser unterbelichtete Haufen soll uns doch weiterempfehlen.“

„Seit wann mangelt es uns an Besuchern?“

„Gar nicht, aber je mehr, desto besser.“

Björn kam zurück. „Da wäre ich.“

Gabrielle sah ihn kurz an und schaute dann fragend zu Daniel. „Und in welches Zimmer soll er nun kommen? Die sind alle renovierungsbedürftig.“

„Ich weiß“, sagte Daniel. „Er kann bei mir schlafen.“

Ein ahnungsvolles Stöhnen drang über Gabrielles Lippen. „Verstehe. Soweit seid ihr beiden also schon. Na denn will ich euch mal nicht weiter stören. Es wartet eh noch eine Menge Büroarbeit auf mich. Wir sehen uns dann nachher beim Essen.“

 

Ende der Leseprobe.

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.06.2017

Alle Rechte vorbehalten

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