Die Forscherin Charlotte A. erwachte eines morgens in einer ihr gänzlich unbekannten Gegend, umringt von sieben nachlässig bekleideten, lautstark schnarchenden Zwergen. Die Zwerge waren hässlich, das erkannte sie bald mit geschultem Blick. Auch roch es übel nach den Ausdünstungen, die der Körper erzeugt, um über die Atemwege im Übermaß genossenen Wein auszuscheiden. Auf der Suche nach ihren Kleidungsstücken, fand sie eines zwischen den Zähnen eines schlafenden Zwerges, dessen Züge den Anschein machten, als träume er gerade von dem genussvollen Verzehr einer erlesenen Speise, eines Brathähnchens oder ähnlichem. Ein anderer Zwerg murmelte im Schlaf: „Oh wie schmerzlich schön ist doch das Weib!“Ein Zwerg erwachte und fragte nach einem ausladenden Gähnen: „Lotte, besuchst Du uns bald wieder oder hast du ausreichend recherchiert?“ „Ich denke“, sagte Charlotte, „ich habe nunmehr genügend Stoff für meinen Artikel.“ „Schade“, sagte der Zwerg und schlief wieder ein.
Charlotte zückte ihren Notizblock und schrieb an Ort und Stelle: Es verhält sich wohl offenbar so, dass die zwischengeschlechtliche Energie im Wesen der Menschen, wie auch der Zwerge, die stärkste treibende Kraft im Charakter dieser Individuen darstellt. Diese Energie, so denke ich, ist stärker als alle anderen Bedürfnisse, stärker als das Bedürfnis nach Wissen und Nahrung etc. Sie fischte ihren Ohrring aus dem Mund eines Zwerges, der wohl die ganze kurze Nacht darauf herumgekaut hatte. Den zweiten konnte sie nicht finden. „Wie verhält sich der Überlebenstrieb zu den Gründen, die mir diese Nacht bescherten?“, fragte sie sich. „Ist der Wille zu überleben der Einzelnen stärker als der Drang selbiger Nachkommenschaft hervorzubringen?“ „Wie ist es mit dem Verstand?“ fragte sie sich als sie vollständig angekleidet war. „Ist der Verstand so kräftig wie die Triebe?“ „Der Verstand dieser Zwerge hier wohl sicher nicht“, flüsterte sie mit einem liebevollen Schmunzeln vor sich hin.
Was würde mein Freund sagen, wenn er erfuhr, dachte sie, dass ich mich mit Zwergen abgebe. Er wird es nie erfahren, schließlich ist es ja meine Berufung, so eine Art Praktikum. Für meine Sache zwingend notwendige Recherchearbeit vor Ort an der Basis. Ich muss gehen.
Charlotte stieß sich den Kopf an der nicht für ihre Größe gebauten Haustür des Zwergenhauses. Auf dem Weg durch den Wald musste sie über sich selber lachen und über die lustigen Bilder die die Nacht in ihr Gedächtnis geprägt hatte. Der kleinste der Zwerge war der Lustigste gewesen. Er hatte den Mund beständig voller drolliger Worte. „Ich habe einen Muskelkater im Bauch vom Lachen über seine Sätze“, dachte sie. Der beste Liebhaber von den sieben war ein Zwerg von gewöhnlicher Hässlichkeit, der offenbar keine rechte Freude am gesprochenen Wort zu finden vermochte. Am Waldrand angelangt, nahm sie den Bus in die Stadt.
„Wo bist Du gewesen, Charlotte“, fragte Sascha ihr Freund. „Ich war im Wald bei den Zwergen“ antworte sie „Die ganze Nacht?“, fragte er. „Ja die ganze Nacht“ sagte sie. „Was habt ihr all die Stunden gemacht?“ fragte er. „Wir haben kommuniziert“, entgegnete Lotte und nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu „erfolgreich und dann geschlafen.“ „Muss ich eifersüchtig sein, Lotte“, fragte er eindringlich. Lotte antwortete: „Eifersucht ist ein obsoletes Relikt der Menschheitsentwicklung, sie hat ihren Nutzen eingebüßt ist vollständig versteinert, sie ist veraltet, archaisch. Niemand braucht sie, sie ist störend und überflüssig.“ Sascha blähte die Backen und ließ die im Munde gefangene Luft stoßweise ab. Er ging zum Kühlschrank griff sich daraus ein Bier kam zurück und fragte: „Ok wie viele habe ich diesmal gut?“ „Schwer zu sagen“ entgegnete Lotte „es waren sieben Zwerge, keine Ahnung wie wir sie rechnen sollen. Für halbe Portionen? Dafür waren sie zu gut“ „Einer hatte die Manneskraft eines Riesen. Ich würde sie unehrenhaft verleumden, würde ich sie nicht 1 zu 1 rechnen. Kurz und gut du hast Minimum 7 volle gut.“ „6 sagte Sascha, eine habe ich bereits in weiser Voraussicht gestern gutgeschrieben.“ „Muss ich eifersüchtig sein?“, fragte Lotte. „Eifersucht ist ein obsoletes Relikt der Menschheitsentwicklung“, sagte Sascha. „Ich liebe Dich Sascha“, sagte sie. „Ich liebe Dich auch Lotte, auch wenn dieser Begriff durch seinen inflationären Gebrauch völlig verwaschen ist. Er wurde zu einer leeren Worthülse geschwätzt. Zu viele Verwerfliche und Würdige haben dieses Wort zu oft im Munde geführt. Ich weiß nicht nach was, aber du stinkst erbärmlich, „ sagte er zu ihr, „geh dich gründlich waschen. Dein Körper ist die Quelle eines unguten Geruches, ab ins Bad!“
Tag der Veröffentlichung: 22.01.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle Forscher und Forscherinnen