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Prolog

In einem dunklen Raum saßen 12 Männer. Jeder hatte ein Tablet vor sich auf dem sie sich Notizen machten und ihre Unterlagen hatten. Die Luft war stickig, denn die Männer waren schon mehrere Stunden in dem Raum und es gab kein Fenster. Nichts von dem was in dem Raum passierte, sollte ihn jemals verlassen. Noch nicht einmal seine Existenz sollte bekannt werden. Alle Männer trugen grüne Uniformen, bei denen es auf Funktion und nicht auf Aussehen ankam. Das einzige nicht grüne an der Uniform waren die Knöpfe. Sie waren bei allen schwarz. Nur einer hatte rote Knöpfe. Der Mann war groß und hatte schwarze Haare, die an einigen Stellen unter der grünen Kappe hervor schauten, seine Augen waren von einem eisigen blau. Die Kälte in seinen Augen wich keine Sekunde. Nur Entschlossenheit und Überlegenheit waren darin zu erkennen. Sein Mund war schmal und die Lippen kaum zu erkennen. Er saß kerzengerade auf seinem Stuhl. Nur seine Finger klopften monoton auf die Tischplatte. Es war in dem Moment das einzige Geräusch, das zu hören war. Die anderen versuchten seinem Blick auszuweichen, mit dem er alle nacheinander fixierte, bis sie begannen sich auf den Stühlen wanden wie Maden und demütig den Kopf senkten.

Schließlich räusperte sich einer der Männer und begann zu sprechen. Seine Stimme zitterte leicht: „Wir wissen es nicht. Wir haben alles versucht, aber wir konnten nichts erreichen.“ Der Mann mit den kalten Augen, der ihr Anführer zu sein schien, verzog keine Miene. Er blieb ruhig und sprach mit einer kalten emotionslosen Stimme: „Wenn Sie alles versucht haben, wieso haben Sie dann keine Ereignisse? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das sollten Sie alle wissen.“ Der Anführer stand auf und begann um den Tisch zu schreiten, „ Meine Herren ich muss Sie wohl nicht an den Ernst der Lage erinnern. Es geht um unser aller Schicksal. Ich lasse nicht zu, dass einer von Ihnen das aufs Spiel setzt.“ Einige zuckten leicht zusammen andere bekamen nur große Augen. Der Anführer blieb hinter dem Sprecher stehen und legte eine Hand auf seine Schulter. Aus dem Gesicht des Sprechers wich jede Emotion. Er wappnete sich für das Unvermeidliche. In dem Gesicht des Sprechers zeigte sich zum ersten Mal eine Regung. Sein rechter Mundwinkel begann leicht zu zucken, als ob er ein Lächeln unterdrücke würde. „Kann ich damit rechnen, dass Sie alles tun werden um uns weiter zu bringen?“, fragte er mit kalter Stimme. Erleichtert antwortete der andere: „Natürlich! Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen.“ „Das will ich Ihnen geraten haben“, mit diesen Worten setzte sich der Anführer wieder auf seinen Platz. Er räusperte sich: „Nun kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. X. ist wichtig. Durch X. kann es sich für die eine, aber auch für die andere Seite stark verändern. Sie alle wissen das eigentliche Problem ist der Skorpion. Er und seine Leute sind stärker als wir dachten, doch X. kann eine persönliche Bindung zu ihm aufbauen. Wenn X. auf unserer Seite ist können wir den Skorpion entscheidend treffen. Männer bei dieser Aufgabe kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Wir müssen schneller sein als er sonst haben wir diese Chance vertan. Ich erwarte Präzision und Diskretion. Niemand darf auch nur den leisesten Verdacht schöpfen. Sie wissen was zu tun ist“, mit einem Nicken signalisierte er das Ende des Treffens und ging zu der Sicherheitstür um sie zu öffnen.

Als er alle Sicherheitsvorkehrungen wieder außer Kraft gesetzt hatte, beeilten sich die 11 Männer den Raum möglichst schnell zu verlassen und verschwanden in verschiedene Richtungen. Der Anführer warf einen letzten Blick in den Raum und verließ ihn dann. Nachdem er sich versichert hatte, dass der Raum von außen nicht erkennbar war, ging auch er. Zurück blieb der dunkle verlassene Raum. Der Dreck, der aus den Schuhen der Männer gefallen war, klebte an dem Boden. Der Raum blieb still und verlassen bis zum nächsten Treffen der Männer.

Kapitel 1

Ich versuchte mich auf die Worte der Dozentin zu konzentrieren. Doch meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Kein Wunder. Bei dieser Frau ist selbst das spannendste Thema langweilig. Sie hatte bestimmt das Studienfach “Wie langweilige ich meine Schüler am meisten“ belegt. Ich schaute zu meiner besten Freundin Tally. Sie gähnte mir demonstrativ zu und grinste mich an. Ich grinste zurück. Mein Blick wanderte weiter durch den Raum. Es wirkte so als hatte man allen eine Narkose gegeben. Glasige Augen, abgestützte Köpfe und offene Münder waren überall zu sehen. Ich musste mir ein Lachen verkneifen als ich den Sabberfaden an Toms Mundwinkel sah. Ich schaute wieder zu Tally. Sie versucht mir irgendwas mitzuteilen. Aber ich weiß nicht was. Ich deute ihre Zeichen als “Verschwinde!“. Ich sollte verschwinden, aber wir hatten gerade Unterricht und ich konnte nicht einfach verschwinden. Ich schaute sie verständnislos an. Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Kevin und sofort war mir klar was sie meint. Doch dann klingelte es und ich weiß, dass ich verloren war. Trotzdem sprang ich auf und versuchte den Klassenraum so schnell wie möglich zu verlassen. Aber ich war wie immer zu langsam.

An der Tür wartete Kevin und versperrte mir den Weg. Ich holte tief Luft und versuchte mich für das unvermeidliche zu wappnen. „Ach Ash, dich habe ich ja gar nicht gesehen. Was ein Zufall, dass ich dich treffe.“, ein großer Zufall, wenn man bedenkt, dass wir in die gleiche Klasse gehen. Ich traute mich jedoch nicht etwas zu sagen, das würde alles nur noch schlimmer machen. Also lasse ich das ganze über mich ergehen. „Ich habe dich gestern ganz alleine gesehen.“ Scheiße, das muss gewesen sein als ich Kim abgeholt habe. Meine kleine Schwester war gestern auch zum Mittagessen im Kindergarten, weil meine Mutter arbeiten musste. „Das muss doch einsam seien. Weißt du was frag doch mal jemand, ob er mit dir etwas machen möchte dann musst du nicht mehr so alleine seien. Aber stimmt tut mir Leid ich hatte es vergessen mit dir will keiner was machen.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich wusste, dass Tom mich damit nur verletzten wollte und leider schaffte er das auch, aber damit würde er sich nicht zufrieden geben. Er würde weiter machen. Die anderen aus der Klasse standen mittlerweile im Halbkreis um uns herum und amüsierten sich köstlich. Aus dem Augenwinkel sah ich Tally zu einer Erwiderung ansetzten, doch Kevin war schneller „Ah, stimmt, ich habe die Zicke vergessen, die nicht weiß wann es besser ist den Mund zu halten und ach ja die Schwuchtel“, ich schaute zu Shane, er ich konnte sehen, wie er die Fäuste ballte und die Zähne zusammen biss. Es tat mir leid, dass er nun auch mit hineingezogen wurde, aber ich hatte gerade selbst genug damit zu tun nicht vor allen los zu heulen. Das durfte auf keinen Fall passieren. Dann würde ich ihm genau das geben was er wollte und es würde nur noch schlimmer werden. „Aber keiner braucht hier ein schlechtes Gewissen zu haben. Wer kann es euch vorwerfen, dass ihr nichts mit ihr zu tun haben wollt. Ich meine, seht sie euch an. Sie ist ein hässlicher Zwerg, der mit niemandem redet.“ Ich war an dem Punkt an dem alles egal war. Ich ertrug es einfach. Kevin blickte in die Gesichter der Zuschauer und ich wusste er holt zum vernichtenden Schlag aus. „Wer von euch will sie hier haben. Keiner, oder?“. Alle riefen begeistert zurück: „KEINER!!!“ Sie wiederholten dieses Wort immer wieder. Ich ging zur Tür und stolperte. Ich blickte hoch und sah in Kevins grinsendes Gesicht. Dieser Arsch hatte mir ein Bein gestellt. „Noch nicht einmal laufen kann sie!“ Schnell rappelte ich mich auf und flüchtete aus dem Klassenraum aufs Mädchenklo.

Dort schloss ich mich in einer Kabine ein. Ich begann lautlos zu weinen. Das schlimmste an Kevins Worten war, dass er recht hatte. Ich hörte, dass jemand in die Toilette kam. Ich versuchte mit dem weinen aufzuhören. „Ash mach auf ich bin´s“, hörte ich Tally sagen. Als ich die Tür aufmachte nahm Tally mich in den Arm und schloss die Tür wieder ab. „Kevin ist ein Arsch. Ist doch egal, was er sagt“, versuchte sie mich auf zu muntern. „Aber er hat Recht“, flüsterte ich. Tally schaute mich an: „Die Nummer die er eben abgezogen hat war echt gemein. Keinem kommt die Idee etwas dagegen zu sagen aus Angst der nächste zu sein.“ Ich schwieg und Tally wusste, wo meine Gedanken waren. „ich will dich hier haben und das weißt du“, ich lächelte Tally an. „Hilfst du mir bei der Schadensbegrenzung?“, fragte ich Tally, sie nickte. Wir gingen aus der Kabine und Tally half mir die verweinten Augen zu überschminken.  Wir schafften es gerade so. Als ich den Klassenraum wieder betrat spürte ich alle Blicke auf mir, doch keiner traute sich etwas zu sagen.

Die Dozentin Frau Meier war schon da und vor ihr hatten alle großen Respekt. Das war auch der einzige Grund, warum keiner etwas zu mir sagte. Ich war froh, als Frau Meier den Unterricht begann und zu Aufmerksamkeit sich nach vorne und nicht mehr auf mich richtete. Mir fiel es schwer mich zu konzentrieren. In meinem Kopf wurde immer wieder "KEINER! KEINER! KEINER..." gerufen. Ich fragte mich, was an mir falsch war. "Ashley, vielleicht kannst du meinen letzten Satz noch einmal wiederholen", forderte mich Frau Meier auf. Shit! Ich hatte keine Ahnung, was sie gesagt hatte. Ich schaute durch den Raum. Ich sah Kevins grinsendes Gesicht und ich sah Tally übertrieben mit den Augen rollen. "Sie sagten, dass wir uns anstrengen müssen. Wir haben in 2 Jahren unseren Abschluss." Frau Meier schaute mich erstaunt an und wandte sich wieder der Klasse zu. Ich lächelte Tally dankbar an.

Frau Meier sagte immer wieder, dass wir bald den Abschluss machen und uns anstrengen sollen. Tally und ich hatten uns angewöhnt jedes Mal, wenn sie das sagte die Augen zu verdrehen. Gerade war ich sehr dankbar, denn so konnte mir Tally zu verstehen geben, was sie gesagt hatte. Frau Meiers Blick wanderte immer wieder prüfend zu mir und ich versuchte zuzuhören und mir Notizen zu machen. Das gelang mir sogar ganz gut. Vor allem nach dem ich Kevins enttäuschten Blick gesehen hatte, als ich die Antwort wusste. Ich wusste, das ist nichts gegen das, was er hier gerade eben abgezogen hatte, aber ich fühlte mich allein dadurch ein klitzekleines bisschen besser.  Frau Meier sinnierte an der Tafel über die verschiedenen Zeiten. Das Passe compose, das Imparfait und das plus-que parfait sollten als Folterinstrumente eingestuft werden. Französisch würde mir immer ein Rätsel bleiben. Diese ganzen unregelmäßigen Verben hatte sich doch jemand ausgedacht nach dem er ein paar Bier zu viel getrunken hatte. Und dann gab es bei den regelmäßigen Verben auch noch tausend verschiedene Möglichkeiten. Ich habe gehört Wissenschaftler arbeiten an einem Gerät mit dem man Daten direkt auf das Gehirn übertragen kann. Ich hoffe sie beeilen sich mit dieser Erfindung. Oder man legt eine einheitliche Sprache fest. Aber so schnell geht das nicht ich muss mich wohl oder übel noch weiter mit Französisch quälen.

Ich schielte auf die Uhr und sah, dass ich diese Stunde gleich überstanden hatte. Das Klingeln erlöste mich wenige Minuten später. Schnell stopfte ich alles in meine Tasche und wartete auf Shane und Tally. Zusammen gingen wir zu unserem Stammplatz. Wir setzten uns in der Mittagspause nie in die Cafeteria, wir saßen immer auf dem Schulhof im Schatten einer großen Eiche. Keiner von uns hatte je den Grund dafür ausgesprochen, aber wir gingen nicht in die Cafeteria, da wir dort von Kevin und dem Rest nicht in Ruhe gelassen wurden. „Alles ok, Ash?“ fragte Shane. Ich wusste, was er meinte. Ich versuchte das „KEINER!“ aus meinem Kopf zu verbannen. „Ja, alles in Ordnung“, antwortete ich. Beide wussten, dass es nicht so ist, aber sie wussten auch, dass ich nicht darüber sprechen wollte.

Also planten wir heute Nachmittag zusammen ins Kino zu gehen. „Ich muss heute Mittag Kim abholen und auf sie aufpassen bis meine Mum nach Hause kommt, deswegen kann ich nicht“, sagte ich. „Bring Kim doch mit“, schlug Tally vor, „Wir können auch in einen Film gehen, in den sie mit kann.“ Ich liebte die beiden dafür. Sie wussten genau was sie tun mussten um mich auf zu muntern. „Klar, bring sie einfach mit. Wir verbinden ihr die Augen und stopfen ihr Watte in die Ohren, dann können wir sogar in einen spannenden Film gehen.“, damit brachte Shane uns alle zum lachen. Ich packte mein Essen aus und biss in mein Brot. „Oh wisst ihr ich liebe diese Salami“, schwärmte Tally, „willst du mal probieren?“. Sie grinste mich erwartungsvoll an. Wahrscheinlich würde sie nie aufhören mich damit auf zu ziehen, dass ich Vegetarierin bin. Während wir unser Essen aßen, erzählte Shane von einem seiner Videospiele. Er hatte unglaublich viele Spiele und war süchtig nach ihnen. Seine Mutter hatte schon alles versucht. Ihn zu allen möglichen Sportarten geschleift, doch nichts hatte Shane davon abhalten können stundenlang zu zocken. Mittlerweile hatte sie es aufgegeben und versuchte Alex seinen kleinen Bruder davon abzuhalten es Shane gleich zu tun.

Kapitel 2

Den Nachmittagsunterricht hatte ich ereignislos hinter mich bringen können. Ich war nun auf dem Heimweg. Erst mit der Bahn einige Minuten und dann von der Station nach Hause. Die Bahn war wie immer brechendvoll. Ich stand eingezwängt zwischen den ganzen Menschen wartete ich auf meine Station. Bei jeder Station stiegen Leute aus und die Bahn leerte sich langsam. Nach einigen Haltestellen konnte ich mich auf einen der sterilen Sitze setzen. Die Gespräche waren verstummt denn es waren nur noch vereinzelt Menschen in der Bahn. Meine Gedanken gingen zurück zum heutigen Tag. Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber meine Gedanken wanderten automatisch immer wieder zurück zu Kevins gehässigem Gesichtsausdruck. Seine Worte gingen mir nicht aus dem Kopf „…noch nicht mal laufen kann sie… seht sie euch an… wer will sie schon“, Kevin hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Keiner wollte mich. Vor meinem inneren Auge sah ich es. Blaue Augen, die mich enttäuscht und vorwurfsvoll anschauten, ein schmaler Mund der sich angewidert verzog und die Falten um die gerümpfte Nase. Der Ausdruck mit dem meine Mutter mich anschaute war jedes Mal, wie ein Schlag ins Gesicht.

Mein Vater hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er mich nicht leiden kann. Meine kleine Schwester war ein Engel und ich war der Teufel. Ich redete mir oft ein, dass ich mich daran gewöhnt hatte, doch es verletzte mich immer wieder aufs Neue. „KEINER! KEINER! KEINER..“Diese Worte fraßen sich tief in mein Gehirn. Ich fragte mich, ob Kevin gewusst hatte, dass er die Wahrheit sagte und ob er es gesagt hätte, wenn er es gewusst hätte. Die Bahn hielt. Eine blecherne Stimme verkündete, dass dies die Endstation sei. Die restlichen Fahrgäste verließen die Bahn. Wie immer war ich froh, als der beißende Geruch aus meiner Nase verschwand.

Ich ging durch die engen, dunklen Gassen. Hier wohnten zu viele Menschen auf zu wenig Platz. Die Häuser waren hoch und die Wohnungen klein. Keines der Häuser war gestrichen. Alle waren matschig braun. Immer wieder begegnete ich auf der Straße spielenden Kindern. Sie spielten mit dem, was sie auf der Straße fanden. Über der Straße waren dutzende Wäscheleinen gespannt. Nach einiger Zeit sah ich das große weiße Haus am Ende der Straße. Es schrie förmlich: „Schaut her! Ich bin besser als ihr alle. Seid ruhig neidisch!“, wie ich es hasste. Ich verstand nicht, warum mein Vater unser Haus ausgerechnet so renoviert hat. Mittlerweile glaubte ich fast, dass er allen, die hier wohnen zeigen wollte, dass wir besser und reicher sind als sie. Meine Eltern hatten früher in der Stadt gewohnt, aber dann war mein Vater beauftragt worden hier in der Nähe zu arbeiten und ihnen wurde das Haus zur Verfügung gestellt. Ich erinnere mich noch, als ich es das erste Mal betrat – das war natürlich vor der Renovierung – das Haus war wunderbar. Es war alt, aber nicht heruntergekommen. Es gab Geheimgänge, faszinierende Wandverzierungen. Am meisten mochte ich den Keller indem noch viel Gerümpel stand. Aber meine Eltern haben alles renoviert und jetzt ist alles steril und neu. Nichts war von dem alten verwunschenen Haus übrig geblieben. Ich hasste dieses Haus.

Das einzige, was mich hier hielt war meine Schwester Kim. Sie störte das alles nicht so sehr, denn sie war erst 5. Aber manchmal fragte sie, warum wir in einem Krankenhaus wohnten und warum ich im Schrank schlief. Sie war diejenige, die die Situation am treffendsten beschrieben hatte. Meine Eltern wollten nicht, dass sie mit den anderen Kindern auf der Straße spielte. Sie hatte Angst sie könnten einen schlechten Einfluss auf sie haben. Doch wenn sie nicht da war, ging ich mit Kim – nachdem sie mir versprochen hatte keinem etwas zu erzählen – nach draußen zu den anderen Kindern. Kim liebte diese Stunden. Am Anfang waren die anderen Kinder skeptisch gewesen und wollte wissen, ob sie nicht doch eine verwöhnte Göre ist. Das war sie nicht und ich hoffte, dass sie das nie werden würde.

Ich war schon fast bei dem weißen Ungetüm von Haus angekommen, als ich hinter mir eine Stimme hörte: „Ash! Ash! Du musst uns helfen! Ben ist hingefallen! Er blutet sogar!“, aufgeregt sprang Ellen vor mir auf und ab. Sie trug einen braunen Kittel der ihr bis über die Knie ging. Ich nahm sie bei der Hand und forderte sie auf: „Führst du mich zu Ben? Dann guck ich mal, was ich machen kann.“ Sie zog mich in eine enge Seiten Gasse. Dort sah ich wie einige Kinder um den auf den Boden sitzenden Ben standen. Sie ließen mich durch und ich kniete mich vor Ben: „Was hast du diesmal angestellt?“ „Nichts!“, kam die Antwort ein wenig zu schnell, „ich bin nur hingefallen, als ich den anderen zeigen wollte, dass man mich nicht mehr sieht, wenn ich ganz schnell laufe.“Das klang nach ihm, er lebte in seiner eigenen Welt. Er schaute mich mit seinen großen blauen Augen an: „Ist es schlimm?“ Ich warf einen schnellen Blick auf sein Knie. Es war nur eine Schürfwunde. Ich holte geräuschvoll Luft: „Das sieht nicht gut aus…“ Das tat ich immer, wenn er fragte, ob es schlimm ist. Er grinste mich an: „ Mach schnell, ich will wieder mitspielen!“ Aus meiner Tasche zog ich Desinfektionsmittel und Pflaster – das war nicht mein erster Einsatz als Krankenschwester – und verarztete sein Knie. „So das sollte reichen“, stellte ich fest sobald ich fertig war und strubelte ihm durch die Haare. Er sprang auf und rannte wieder zu den anderen.

Lächelnd ging ich nach Hause. Ich schloss auf und ging in meinen Schrank. Das Zimmer in dem ich wohnte hatte die Größe eines Schrankes, deshalb nannte ich es auch so. Ich hatte versucht mein Zimmer so einzurichten, wie es war bevor wir hiereinzogen. Es war mir zwar nicht ganz gelungen, aber es war immer noch besser als der Rest des Hauses. Ich schmiss meine Tasche aufs Bett und machte mir ein Müsli. Schnell schaufelte ich alles in mich hinein. Dann machte ich meine Hausaufgaben. Ein ungutes Gefühl begann sich in meiner Magengrube breit zu machen. Als erstes kamen mir die Cornflakes in den Sinn doch sie waren noch gut. Aber das ungute Gefühl blieb. Es war eher, so als ob ich wüsste, dass heute noch etwas passieren wird. Sofort verbat ich mir den Gedanken und lenkte meine Konzentration auf meine Hausaufgaben.

Um kurz vor drei machte ich mich auf den Weg um Kim abzuholen. Ich zog mir meine zerfledderte Jacke an. Und schlüpfte in meine Schuhe. Ich schloss die Haustür und ging in Richtung Kindergarten. Auf dem Weg sah ich, wie Ben mit den anderen fangen spielte. Ich lief durch die verwinkelten Gassen, ohne auch ein einziges Mal an einer Kreuzung überlegen zu müssen. Als ich schließlich beim Kindergarten ankam war es drei Uhr. Die Tür bekam ich mittlerweile problemlos auf, aber früher hatte ich damit immer so meine Probleme gehabt, denn man musste einen Knopf drücken und gleichzeitig die Tür aufmachen, das war ab einer gewissen Größe kein Problem mehr, aber ich war noch nie sonderlich groß gewesen. Seit zwei, drei Jahren war ich groß genug. Ich erinnere mich noch gut, wie ich Kim von der Kinderkrippe – im gleichen Gebäude – abholen wollte und warten musste bis mir jemand die Tür auf macht. Kim kam sofort auf mich zu und fiel mir in die Arme. Ich fing sie auf. „Na du! Was ist denn los?“, fragte ich sie. Sie schniefte: „Rick hat mich geärgert.“ Rick war ein verwöhntes und verzogenes Kind. Seine Eltern waren reich und er bekam immer alles, was er wollte. „Was hat er denn gemacht“, wollte ich wissen. Kim schaute mich mit ihren großen Augen an. Dann vergrub sie den Kopf in meinen Haaren "Er hat gesagt, dass ich genau so abnormal bin wie meine Schwester. Unsere Eltern hätten da ein ganzschönes Pech gehabt. Und dann... und dann habe ich ihm ins Gesicht gehauen.", das letzte sagte sie ganz leise. Das hörte sich sehr nach Kim an. Wenn jemand sie angriff hatte das Konsequenzen. Auf der Straße wurde sie von den anderen Kindern deshalb geschätzt denn das galt auch für ihre Freunde. Manchmal beneidete ich sie um ihren Mut. Ich würde Kevin auch ganz gerne mal eine reinhauen, aber das traue ich mich nicht. "Ich habe eine Überraschung für dich." "Was ist es?", sofort schaute Kim mich abwartend an und Rick war vergessen. "Wir gehen mit Tally und Shane ins Kino" Kim begann zu jubeln und ich nahm ihre Hand und wir gingen in Richtung Bahnstation. Auf dem Weg erzählte Kim mir, was im Kindergarten so passiert war. Sie hatte dort ein paar Freunde, doch dort waren zum Großteil reiche und verzogene Kinder. Das würde ich zu Kim so nie sagen, aber sie merkte es trotzdem. Deshalb waren ihre besten Freunde Ben und die anderen Kinder von der Straße.

Kapitel 3

In der Bahn setzten wir uns auf die sterilen Sitze. Es stank nach Desinfektionsmittel. Kim rutschte auf meinen Schoß. Die Bahn war vollkommen weiß. Nirgendwo war auch nur ein Dreckfleck. Ich fragte mich immer wieder, wie das funktionierte. Aber dadurch war es hier total ungemütlich. Die Bahn fuhr und aus den kleinen Fenstern konnte man sehen wie die Häuser immer großer und bunter wurden je weiter wir fuhren. Kim begann unruhig auf meinem Schoß herum zu rutschen. "Du musst noch ein bisschen Geduld haben. Bis zum Kino dauert es noch ein bisschen." "Aber das ist sooo langweilig", beschwerte sie sich. "Was kann man denn da machen?", fragte ich mich laut und zwickte sie in die Seite. Sie quietschte und meinte:"Erzähl, was dir heute passiert ist!" Ich grinste:"Also", begann ich, "Heute ist eigentlich nicht spannendes passiert. Frau Hippo hat sich geärgert und hat sich dann in ein Warzenschwein verwandelt. Dann musste der Biologie Lehrer Herr Teyson kommen um sie wieder ein zu fangen, weil sie wie verrückt durch die ganze Schule gelaufen ist und keiner durfte mehr den Raum verlassen. Das war‘s. Sonst ist nur noch der Clan Krieg weiter geganngen." Kim begann zu kichern:, "Das stimmt doch nicht! Zeigst du mir das Wildschwein?"

Ich griff in meine Tasche und holte einen meiner wertvollsten Schätze heraus. Es war ein altes Buch. Das Papier war vergilbt und es hatte einige Eselsohren und Flecken, doch darin waren wunderschöne Zeichnungen von Tieren, die früher hier gelebt hatten. Außer Kim wusste niemand von dem Buch, denn meine Eltern würden mir so einen kostbaren Besitz nicht erlauben. Ich hatte es gefunden, als ich Kim abgeholt hatte. Es lag in einer dunklen Ecke einer der kleinen dunklen Gassen, die es bei uns in der Gegend so oft gibt. Ich schlug es auf der Seite der Wildschweine auf und zeigte es Kim. Sie fuhr mit ihren Fingern über die Zeichnung. Das Tier sah wütend aus und die Hauer, die aus dem Mund des Tieres schauten waren lang und spitz. "Ich würde gerne mal ein Wildschwein sehen", sagte sie und gab mir das Buch zurück. "Ich auch", flüsterte ich nur zurück, doch wir wussten beide, dass das unmöglich ist. Langsam kam die Bahn zum Stehen wir waren an der Richtigen Haltestelle. Wir stiegen aus. Ich nahm Kim bei der Hand und wir machten uns auf den Weg in Richtung Kino.

Hier waren die Wege breit. Früher waren das Straßen auf denen Autos fuhren, doch heute gibt es kein Benzin mehr und Benzin betrieben Autos wurden verboten, denn es war ein riesiger Schwarzmarkt für Benzin entstanden. Elektro- und Gasautos waren für die meisten zu teuer und die die welche hatten wohnten im Reichenviertel. Ich war noch nie dort gewesen, aber man erzählte, dass die Menschen dort Häuser haben die größer sind, als die Schule. Sie sind angeblich mit Wachen abgesichert und von riesigen Mauern umschlossen. Angeblich um vor Dieben zu schützen, aber die Meisten glauben sie wollten sich vor unserem Anblick schützen dreckig und in alten Klamotten. Kim begann an meiner Hand aufgeregt auf und ab zu hüpfen. Wir gingen selten ins Kino, aber sie liebte es. Nach ein paar Minuten standen wir vor dem Kino. Es war ein großes viereckiges Haus und überall hingen alte und neue Filmplakate.

Neben dem Eingang warteten schon Tally und Shane auf Kim und mich. Als sie uns entdeckten winkten sie uns aufgeregt zu. Kim machte sich von meiner Hand los und lief auf die beiden zu und umarmte beide stürmisch. Shane und Tally hatten mir schon oft Gesellschaft geleistet, wenn ich mal wieder auf Kim aufpassen musste."Na! Du bist aber groß geworden meine kleine Prinzessin", Shane hatte regelrecht einen Narren an ihr gefressen. Er nannte sie immer seine kleine Prinzessin und sie liebte es. "Die Auswahl an Filmen war nicht sonderlich groß. Wir können mit Kim schlecht in einen Horrorfilm gehen", flüsterte Tally mir zu. Ich zuckte nur entschuldigend mit den Achseln. Mir war es eigentlich egal in welchen Film wir gingen. "Schau mal Prinzessin, in den Film gehen wir!" Shane zeigte auf eines der vielen Filmplakate. Darauf war ein Mädchen mit einem kleinen Teddybären in der Hand. Im Hintergrund war das Ziffernblatt einer Uhr zu sehen. Kim strahlte: "Super" Sie lief in Richtung Eingang des Kinos und wir folgten ihr.

An der Kasse saß die gleiche Frau wie immer. Sie hatte ein strenges Gesicht und bewegte sich als hätte sie einen Stock verschluckt. Das hatte schon für ordentlich Lachtränen gesorgt. Als wir das erste Mal mit Kim hier waren, hat Kim sie gefragt, wann sie wieder richtig laufen kann und ihr eine gute Besserung gewünscht. Damals war sie 3. Das Gesicht der Frau werde ich nie vergessen. Seitdem bin ich froh das Blicke nicht töten können. "Vier Karten, bitte!", bestellte Shane, er war damals nicht dabei gewesen, an dem Tag lag er mit Fieber im Bett. Als ich mein Geld auspacken wollte trat Tally vor und bezahlte für mich und Kim mit. "Ich...", setzte ich an, doch Tallys strenger Blick brachte mich zum Schweigen."Das hatten wir doch schon", sagte sie streng. Sie hatte Recht. Wir hatten das schon tausendmal aus diskutiert. Tally und Shane wussten, dass ich von meinen Eltern nicht sonderlich viel Geld bekam. Eher gesagt bekam ich keins. Da ihre Eltern zu den reicheren gehörten bestanden sie, wenn wir ins Kino, Schwimmbad oder ähnliches gingen, darauf für mich zu zahlen. Doch mochte es nicht denn ich konnte es ihnen nicht zurück geben. Wir gingen in den Raum mit der Leinwand und setzten uns in die alten schon etwas abgenutzten Sessel. "Wir waren schon so lange nicht mehr hier", Shane räkelte sich in seinem Sitz. "Wir sollten wieder öfter hier her kommen" "Ja ", sagten alle. Kim war begeistert. Sie freute sich auf den Film. Für sie war das immer ein Höhepunkt.

"Meine Mutter hat versucht mich vom zocken abzuhalten", erzählte Shane und wir mussten grinsen das war nichts Neues."Und das mit einem Passwort." Er schaute beleidigt. "Das ist eindeutig eine geeignete Möglichkeit um dich auf zu halten." Bei Tallys ironischen Worten mussten wir alle Lachen. "Hat sie schon eingesehen, dass es sinnlos ist", fragte ich."Das hat sie schon lange, deswegen sind ihre Versuche auch so verzweifelt." "Gibt es nichts, was dich vom spielen abhalten könnte. Ein Junge oder so?" "Vielleicht treffe ich ja irgendwann den Richtigen, aber bis dahin nein." Shane mied das Thema Freund, denn er wurde öfter damit geärgert, dass er auf Jungs stand und konnte es deshalb nicht so ganz akzeptieren. "Ich muss  noch aufs Klo", stellte Tally fest."Typisch Mädchen" war Shanes Kommentar.

Also verschwanden Kim, Tally und ich noch mal aufs Klo. Zu dieser Zeit liefen nur Kinderfilme und die Klos waren zum Glück relativ leer. Nur eine Mutter mit ihrem Sohn, der auf keinen Fall das Damen Klo benutzen wollte. Er sei doch ein Mann. Ich musste grinsen, als ich das sah.  Wir machten uns auf den Rückweg. Unterwegs beschlossen Tally und Kim noch was zur Verpflegung zu besorgen. "Ich sag Shane Bescheid, wo ihr bleibt." Ich wandte mich ab und lief los. Plötzlich legte sich eine Hand über meinen Mund. Ich schrie, aber man hörte nichts. Mit einer schnellen Bewegung fuhr ich herum: "Shane, das ist nicht lustig..." In dem Moment wurde mir klar, dass es nicht Shane war. Wer auch immer es war er stieß mir etwas in den Oberarm und mein Sichtfeld verschwamm. Das letzte was ich hörte war Kim die meinen Namen rief und ein Fluchen. Dann wurde alles schwarz.

Kapitel 4

Mein Kopf fühlte sich an als hätte jemand mein Gehirn durch Wackelpudding ersetzt ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich versuchte die Augen zu öffnen aber ließ es bei dem Versuch. Von dem hellen Licht bekam ich Kopfschmerzen. Was war passiert? Warum hatte ich Wackelpudding in meinem Hirn? Ich war mit Tally, Shane und Kim im Kino, und dann? Was hatte ich gemacht? Ich hatte keine Ahnung. Das hatte ich noch nie gehabt. Ich beschwor mich ruhig zu bleiben und nicht in Panik auszubrechen. Was war das letzte woran ich mich erinnerte? Wir waren auf der Toilette und dann wollten Kim und Tally noch was zur Verpflegung holen und ich.....ich wollte zu Shane zurück gehen. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern angekommen zu sein. Was war nur passiert? Ich beschloss, dass das Einzig sinnvolle, was ich jetzt tun konnte war meine Augen auf zu machen. Ich blinzelte ein paarmal und es fühlte sich an als würde mir jemand ein Messer in den Wackelpudding, also mein Hirn, rammen. Als mein Sichtfeld klar wurde und ich erkennen konnte, dass ich in einem Zimmer, indem ich noch nie war, auf dem Boden lag. Als ich mich hinsetzen wollte begann der Raum sich zu drehen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich hier hergekommen war. Ich schaute mich um, die Tür war mit einem Code gesichert und die Fenster verschlossen und zum Teil vergittert. Dahatte es jemand aber darauf angelegt, dass ich hier nicht raus kam. Ich könnte jetzt versuchen den Code zu knacken. Aber er hatte 6 Zeichen und die Zahlen von null bis neun waren auf der Tastatur. Meine Chancen standen 1:1000000, dass ich beim ersten Mal richtig lag. Und ich vermutete, dass jeder falsche Code irgendwo gemeldet wurde und Aufmerksamkeit konnte ich auf keinen Fall gebrauchen. Ich fragte mich nur, warum jemand mich hier einsperren wollte. Ich machte mich auf die Suche nach etwas, das mir helfen konnte. In dem Raum standen Schränke mit Akten ohne Ende. Das konnte mir nicht sonderlich helfen. Da ich keine Ahnung hatte was ich nun tun sollte suchte ich nach Namen, die ich kannte. Bei einem Namen hielt ich inne. Es war der Name meiner Mutter.

 

 Anne Deilton:

Anne Delton (geb. Harrison) wurde am  02.04.2022 geboren. Ihre Eltern nahmen sie direkt mit nch Hause. Sie war nur zu den Vorsorgeuntersuchungen im Krankenhaus. Mit einem Alter von 3 Jahren wurde sie in den allgemeinen Kindergarten gebracht. Dort erwies sie sich als ein aufgeschlossenes und hilfsbereites Kind. Sie wurde nie gewalttätig und verstand sich mit allen gut. Daran änderte sich nichts als sie mit 6 Jahren in die Schule kam. Dort erwies sie sich als ein sehr intelligentes und fleißiges Kind. Es gab nie ein Problem mit ihr. Sie war unauffällig und wurde von allen gemocht. In der weiterführenden Schule gehörte sie zu den Klassenbesten. Die gleichaltrigen ärgerten sie mit ihren hervorragenden Leistungen. Alle waren sich einig ihre Eltern hatten ganze Arbeit geleistet, vor allem da ihre Geschwister(2 jüngere Brüder) genau so vorbildlich waren. Schließlich beendete sie die Schule mit einem sehr guten Abschluss. Sie begann Medizin zu studieren und war auch hier überdurchschnittlich gut. Viele Krankenhäuser hatten schon Interesse bekundet, doch nach beenden des Studiums wollte sie  erst ein Jahr in einem der bedürftigen Länder als Ärztin arbeiten. Von diesem Jahr existieren so gut wie keine Aussagen .Als sie zurück kehrte nahm sie eines der Jobangebote an und führte ein scheinbar normales  Leben. Doch ein paar Monate später stellte sich heraus, dass sie sehr engen Kontakt zum Skorpion hatte. Sie wurde gefeuert und die beiden wurden getrennt. Anne versuchte in ihr altes Leben zurück zu kehren, doch als sich das als unmöglich erwies heiratete sie. Heute lebt sie anscheinend glücklich mit zwei Töchtern in einem großen Haus und leidet nicht an Armut. Seit dem damaligen Kontakt war sie unauffällig und hat sich angepasst. Sie hat öfter ihr Bedauer und ihre Reue zum Ausdruck gebracht.

 

Meine Mutter hatte Kontakt zu einem Skorpion? Warum war das so schlimm? Ich blätterte die Akte durch und dabei fiel mir etwas ins Auge das mir womöglich helfen könnte. Einige Blätter waren mit einer Büroklammer aneinander geheftet worden. Ich löste sie und brachte die Akte zurück an ihren Platz. Mit der Büroklammer in der Hand lief ich zum Fenster und betrachtete das daran befestigte Schloss genauer. In ein paar Geschichten hatte der Held mit einer Büroklammer einfach das Schloss geknackt. Einen Versuch war es wert. Schlimmstenfalls würde ich danach immer noch hier festsitzen, aber das tat ich jetzt auch. Schnell stellte ich fest, dass es nicht so einfach war, wie es in den Büchern beschrieben war. Gerade als ich fluchend aufgeben wollte, machte es „Klick“ und das Schloss war offen. Erstaunt machte ich mich daran das Fenster zu öffnen. Schnell steckte ich die Büroklammer in meine Hosentasche. Ich hatte Glück, dass ich mich im ersten Stock befand und nicht im fünften oder so. Ich kletterte auf das Fensterbrett und hatte schon wieder Glück. Direkt neben dem Fenster war eine Regenrinne. Hoffentlich würde sie nicht unter meinem Gewicht nachgeben. Schnell zog ich das Fenster hinter mir zu und machte mich an den Abstieg. Die Regenrinne war morsch und knarzte immer wieder bedrohlich. Mit jedem Schritt konnte ich sehen, wie der Boden näher kam, doch trotzdem dauerte es ewig bis ich unten ankam. Als es nur noch ungefähr ein Meter war, sprang ich. Ich landete mit einem sehr lauten Geräusch schnell hielt ich die Luft an und horchte, ob irgendwo jemand auf meine Kletterpartie reagierte, doch es blieb still. Das Einzige, was ich hören konnte war das Pochen meines Herzens. Ich stand in einem Garten. Ich suchte nach einem Weg, auf dem man mich nur schwer sehen konnte. Als ich nichts Besseres fand machte ich mich auf den Weg zu einer kleinen Öffnung in der Hecke. In diesem Moment war ich froh, dass ich nur sehr klein war. So konnte ich mich irgendwie durch die Hecke zwängen. Dahinter war eine etwa zwei Meter hohe Mauer. Ich überlegte kurz, ob ich versuchen sollte zu klettern, entschied mich dann aber nach einer besseren Stelle zu suchen. Nachdem ich einige Zeit an der Mauer entlang gelaufen war, fand ich eine kleine Tür in der Mauer. Mit ein bisschen Gewalt bekam ich sie sogar auf. Schnell schlüpfte ich hindurch. Sofort war mir klar, wo ich mich befand. Überall waren hohe Mauern und gesicherte Tore. Zum Glück hatte ich eine kleine Tür gefunden, die wohl in eine Nebenstraße führte. Da ich sowie so kein Schimmer hatte in welche Richtung ich musste machte ich mich daran so schnell wie möglich zu verschwinden. Alles in diesem Viertel sah gleich aus. Ich fragte mich, in welcher Richtung wohl die nächste Bahn Station lag. Jedes Mal wenn jemand an mir vorbei ging, sah ich die misstrauischen Blicke, mit denen sie mich ansahen. Ich gehörte nicht hier her. Das konnte jeder an meiner Kleidung erkennen. Die Frauen hier trugen Kleider in allen Farben. Bei manchen sah es aus als ob sie an ihnen hinab fließen würden. Wieder andere hatte sehr, sehr knappe Kleider an. Ein Kleid war besonders schön. Es war dunkelblau und hatte Spagettiträger. Am Rücken war der Stoff durchsichtig und verschlungene Muster Zogen sich  dort entlang. Dann wurde das Kleid weit und ging bis kurz über die Knie. Hinten war es ein bisschen länger. Da kam ich mir mit meinem grauen Pulli und meiner Hose, die so verwaschen war, dass man noch nicht mal mehr die Farbe erkennen konnte, schon etwas lächerlich vor. Aber ich wollte nicht mit den Frauen tausche, denn es war Herbst und sehr kalt. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als plötzlich ein schwarzes Auto neben mir hielt.

Kapitel 5

 Das hatte mir gerade noch gefehlt! Jetztdurfte ich auch noch Babysitter spielen und auf das Mädchen aufpassen. Hatte ich nicht so schon genug zu tun? Aber nein! Marc war krank und dann musste ich als Mädchen für alles ran. Und dann hatten sie mir noch nicht einmal einen Raum zur Verfügung gestellt in den ich sie tun konnte. Sollte ich sie etwa in den Kühlschrank sperren. Das war die einzige Alternative zu dem Aktenzimmer. So klein wie sie war würde sie wahrscheinlich sogar in den Kühlschrank passen. Harry würde bald kommen. Hoffentlich nahm er sie mit. Was sollte ich auch mit ihr? Mich wunderte dass sie nicht versuchte wie verrückt den Code zu knacken. Sie hatte zwar keine Chance, doch ich hatte in den paar Mal in denen ich Marc schon vertreten hatte gelernt, dass sie es trotzdem versuchen würden. Schnell sortierte ich die Akten, schrieb und las die nötigen Emails, trug die wichtigen Informationen in die Akten ein, führte ein paar Telefonate und überarbeitete ein paar alte Dokumente. Das Mädchen war wirklich erstaunlich ruhig. Sie sollte schon seit zwei Stunden wieder bei Bewusstsein sein, doch sie hatte noch keinen Ton von sich gegeben. Ich sollte mal nachschauen, was sie treibt. Ich lief zum Aktenzimmer und tippte den Code ein. Die Tür ließ sich nun öffnen. Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ich konnte sie nirgendwo sehen. "Scheiße! Wo war dieses Miststück denn? Das Zimmer war gesichert. Damit wenn ich, wie jetzt Marc vertreten musste, ein ausbruchssicheren Raum hatte. Nach dem ich in jede Ecke geschaut hatte war ich sicher, dass sie weg war. Aber wie war sie hier rausgekommen, die Tür war die ganze Zeit verschlossen gewesen. Schnell lief ich  Die Fenster entlang und überprüfte die Schlösser. Beim dritten Schloss wurde ich fündig. Sie hatte das Schloss geknackt. Schnell überlegte ich wo sie seien könnte. Schlimmer ging es jetzt echt nicht mehr. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Das war sicher Harry. Es ging doch noch schlimmer. Jetzt musste ich ihm auch noch das Ganze erklären.  Als ich die Tür öffnete konnte ich an Harrys Gesichtsausdruck sofort erkennen, dass er etwas im Schilde führt Seine schwarzen Haare standen wie immer wirr in alle Richtungen ab. Die Narbe die seit einigen Jahren seine Wange zierte verzog sich, wenn er lachte, so dass es echt gruselig aussah. Die Frischlinge haben immer Angst vor ihm. "Wie geht es denn der kleinen?", fragte er. "Nun ja . Da gibt es ein Problem. Sie ist weg." "Sie ist also weg. Und du hast es nicht für nötig befunden sie aufzuhalten." Wütend knirschte ich mit den Zähnen:" Es war ja nicht so dass sie sich von mir verabschiedet hat." Harry grinste mich an. Irgendetwas war hier faul. "Was ist los?" Harry grinste mich weiter an. "Man scheiße! Sag mir, was hier läuft!" Langsam wurde ich echt wütend. Würde er endlich das teuflische Grinsen lassen und mir beim Suchen helfen? Oder musste ich nach helfen? "Bleib ruhig!", wies mich Harry streng zurecht. Wütend starrte ich ihn an, erwiderte jedoch nichts. "Ich habe heute eine entzückende neue Bekanntschaft gemacht" Ich wartete, dass er weiter redete doch es kam nichts." Und?" "Entzückende Person. Nur hatte ich nicht mit ihr gerechnet. Ich hätte echt mehr von dir erwartet. Du hast dich einfach von ihr übers Ohr hauen lassen!" Er hatte sie gefunden Erleichterung machte sich in mir breit. Das würde meine Strafe nicht mindern, aber die Folgen für die Operation. "Wo ist sie?" "Unten im Wagen" Harry wandte sich um und ging die Treppen hinunter. Ich folgte ihm. Ich würde nun alles tun um mein Strafmaß zu senken, fast alles. Ich frage mich immer noch, wie sie es geschafft hat zu entkommen. Den Schlüssel hatte ich ihr nicht gegeben. Und auch nichts Ähnliches. Harrys schwarzer Wagen stand direkt vor der Tür. Harry liebte es mit seinem Wagen anzugeben. Ich verstand nicht, was es bringen sollte ein tolles Auto zu besitzen, wenn man ein Arschloch ist. Aber das würde ich Harry nicht so sagen. Sollte er sich doch weiter für etwas Besseres halten, weil er ein tolles Auto fährt.  Er öffnete die hintere Tür und forderte mich mit einem Wink auf ihm zu helfen. Das Mädchen lag bewusstlos auf der Rückbank. Was er wohl mit ihr gemacht hatte. Ich hoffe es war schmerzhaft. Sie hat es verdient. Wegen ihr stecke ich jetzt ganz schön in der Scheiße. Ich hob sie hoch und warf sie mir über die Schulter. Auch dieses Mal fiel mir auf, wie leicht sie war. Aber das konnte auch daran liegen, dass sie so klein war. So schnell wie möglich brachte ich sie in die Wohnung. Skeptische Nachbarn waren das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Harry machte natürlich keine Anstalten mir zu helfen. Warum auch? Er war doch der Held der das Mädchen, das mir entkommen war gefunden hatte. Scheiße! Das schlimmste: Er hatte Recht. Ich hätte kotzen können.  

Nachdem ich den überheblichen Blick von Harry und seine Stichelleien seit einer halben Stunde ertragen musste war ich kurz davor ihm eine rein zu hauen. Das Mädchen lag wieder in dem Aktenraum, diesmal aber gefesselt und ich ging alle Viertelstunde nachsehen, ob sie wach war. Nochmal würde mir das nicht passieren. "Vielleicht solltest du bei deinem Schreibtischaufgaben bleiben. Als Gefängniswärter bist du ja nicht geeignet. Das überlässt du lieber mir." Ich fragte mich ob schon Dampf aus meinen Ohren kam. Es fühlte sich auf jeden Fall so an. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte an etwas anderes zu denken. Etwas anderes, etwas anderes ... Mir fiel nur leider nichts ein. Eine Blumenwiese mit ganz vielen Blumen, Haarys Gesicht, mit einem See und gutem Wetter, Harrys überhebliches Grinsen, da war eine große gelbe Blume, Harry, auf ihr saß eine Wespe, schon wieder Harry, die Biene stach mich. Der scheiß mit der Blumenwiese zur Beruhigung hatte ja viel geholfen. Jetzt hatte mich auch noch eine imaginäre Biene gestochen. ich würde wohl noch ein wenig weiter vor Wut kochen müssen. Plötzlich begann irgendetwas zu piepsen. Harry holte sein Handy aus der Hosentasche und nahm den Anruf an."JA ... alles gut...sie ist bewusstlos... es gab da einen Zwischenfall...ja verstanden..."Harry legte auf und wandte sich an mich. Sein Gesichtsausdruck lies nichts Gutes ahnen."Du wirst ein bisschen auf sie aufpassen müssen. Lass sie ja nicht noch einmal weg! Ich muss noch etwas erledigen und der Chef kommt morgen vorbei."Das waren gar nicht mal so schlechte Nachrichten. Harry würde sich endlich verpissen. Das einzige was mich störte war, dass ich noch ein wenig weiter den Babysitter spielen musste. "Das wird mir nicht nochmal passieren", stellte ich entschlossen fest. Harrys Blick sagte mir, dass er es gar nicht so schlecht fände, wenn ich nochmal versage würde. Wir waren schon seit langem Konkurrenten. Wir wussten bald würde einer von uns befördert, aber nur einer von uns. Dass wir uns auch sonst nicht sonderlich leiden konnten machte es  nur noch schlimmer. Den Gefallen, nochmal zu versagen, würde ich ihn nicht tun. Ich hatte dieses Miststück von Mädchen einmal unterschätzt. Das würde mir nicht nochmal passieren. Wenn sie wach war würde sie mir sagen müssen, wie sie das Schloss am Fenster geknackt hatte. "Na dann viel Spaß beim Babysitten", verabschiedete sich Harry und verschwand im Treppenhaus. Also kam es mir nicht nur so vor, ich war hier wirklich der Babysitter. Mit diesem nicht gerade ermutigenden Gedanken machte ich mich daran die Emails zu checken. Es war nur eine vom Chef. Er kündigte an morgen um 11 Uhr zu kommen. Das Mädchen musste echt bedeutend sein, wenn er dafür selbst vorbei kam. Ich hatte den Chef bis jetzt nur einmal gesehen, als ich hier angefangen hatte. Er machte grundsätzlich nichts. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es Zeit wäre nach dem Mädchen zu sehen. Ich gab den Code an der Sicherheitstür ein und diese schwang mit einem Leisen quietschen auf. Das Mädchen saß gefesselt in einer Ecke und schaute mich aus großen braunen Augen an. Sie war also wach.

Kapitel 6

Was war mit meinem Schädel passiert. Es fühlte sich so an als hätte jemand mein Gehirn durch Wackelpudding ersetzt. Moment! Das hatte ich doch schon! War ich in ein Wurmloch gefallen und  musste das Ganze noch mal erleben? Ich versuchte mich zu bewegen. Scheiße! Wenn ich in ein Wurmloch gefallen war, war das ein scheiß Wurmloch. Meine Hände und Füße waren gefesselt. Ich konnte mich gar nicht bewegen. Panik begann in mir zu wachsen. Wo war ich und warum war ich schon wieder in diesem Zimmer? Oder war ich immer noch hier? Die Theorie mit dem Wurmloch schloss ich aus. Ich war geflohen und dann... von der Tür kamen leise Geräusche. Mit einem Quietschen sprang sie auf. In der Tür stand ein heißer Junge. Er war groß und hatte schwarze Haare, die in alle Richtungen abstanden. Hohen Wangenkochen und strahlend blaue Augen zierten sein Gesicht. Um das Bild perfekt zu machen hatte er einen Körper, der sich sehen lassen konnte. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich zu Muskeln ab. Ich konnte nicht anders als ihn anzustarren. Was mich aber noch mehr beschäftigte als sein Aussehen, war die Frage, was er von mir wollte. Hinzu kam die Angst vor dem, was er mit mir vor hatte. Ich glaubte nicht, dass er von meinem Fluchtversuch begeistert war. Egal, was er mit mir vorhatte, er würde es nun verschlimmern. Das konnte ich in seinen Augen sehen. Sein Blick sage, du Miststück wirst das noch bereuen. Ich starrte ihn weiter an und wartete darauf, dass er etwas sagte oder mich anschrie oder irgendetwas anderes tat. Ich hoffte jedoch, dass es bei dem Sprechen bleiben würde, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was die anderen Alternativen waren. 

Der Junge trat in den Raum und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Seine Sorge, ich würde fliehen war völlig unbegründet. Ich konnte mich noch nicht mal an der Nase kratzen, so fest war ich gefesselt. Er drehte sich wieder zu mir um und ging auf mich zu. Kurz vor mir blieb er stehen. Er beugte sich zu mir herab und schaute mir direkt ins Gesicht. Ich versuchte von ihm weg zu robben, doch die Fesseln und die Wand in meinem Rücken hielt mich davon ab. Als er meine kläglichen Versuche sah breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Das ließ mich ruhig daliegen und sein weiteres Vorgehen ab zu warten. Nachdem er mich eingehend betrachtet hatte begann er zu sprechen:, "Du hast ganz schön viel Ärger gemacht. Weißt du das?"Damit hätte ich nicht gerechnet. Was wollte er? Es musste etwas wichtiges sein. Er versuchte sich gut mit mir zustimmen, damit ich keinen Ärger mehr machte. Es durfte nicht schief gehen."Ich frage mich immer noch, wie du das Fenster geknackt hast. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie du das schaffen könnte." Oder auch nicht. Wenn er sich mit mir gut stellen wollte, hatte er gerade große Rückschritte gemacht. Was sollte das heißen jemand wie ich? Was war an mir? Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mich sein letzter Satz ziemlich ärgerte. Das Genugtun würde ich ihm nicht geben. Er schaute mich abwartend an. Erwartete er ernsthaft eine Antwort? Träum weiter. Ich wusste nicht wo mein plötzlicher Kampfgeist herkam. Normalerweise tat ich immer, was von mir erwartet wurde, denn ich hatte gelernt, dass die Konsequenzen sonst fürchterlich sind. Das war eines der wenigen Dinge, die meine Eltern mir beigebracht hatten. Mit fünf hatte ich einen Streit mit meinem Vater. Ich wollte zu Tally gehen - wir waren schon damals beste Freundin - , aber er wollte nichts davon wissen. Mitten in dem Streit bin ich einfach zu Tally gegangen Doch irgendwas bewegte mich dazu nicht klein bei zu geben. Als ich keine Anstalten machte ihm zu erzählen, wie ich entkommen war fragte er: "Also wie hast du es geschafft?"

Glaubte er ernsthaft ich würde ihm das jetzt noch sagen? „Ich dachte, jemand wie ich kann das sowieso nicht schaffen“ Mist, jetzt hatte ich mir anmerken lassen, dass seine Worte mich getroffen hatten. Er grinste mich überlegen an. „Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht erwartet hätte“ Das machte es jetzt viel besser. Sein Blick sagte mir, dass er immer noch auf eine Antwort wartete. Da konnte er noch lange warten. Ich tat so als, würde ich ihn nicht bemerken. „Dann sag‘s mir halt nicht.“ Mein Gefängniswärter erhob sich und bewegte sich zur Tür. Wahrscheinlich wäre es schlauer es ihm zu sagen. Das war sowieso unwichtig. Aber irgendwie brachte ich es nicht über mich es ihm zu sagen. Denn dann hätte er gewonnen. Ich weiß das war albern. Bevor er den Raum verließ warf er mir noch einen Blick zu dessen Bedeutung eindeutig war. „Besser du sagst es mir jetzt. Das ist deine letzte Chance!“ Ich sagte trotzdem nichts. Dann zog er die Tür hinter sich zu.

Innerlich ohrfeigte ich mich. Ich hätte es ihm einfach sagen können. Er hielt mich gefangen. Er kann mit mir tun und lassen, was er will. Wie weit geht jemand, der schon zu einer Entführung bereit ist? Warum hatte er mich entführt? Warum ausgerechnet mich? Falls er auf Lösegeld hoffte, hatte er sich die Falsche ausgesucht. Meine Eltern würden nichts zahlen. Sie waren wahrscheinlich eher froh, dass ich weg war.

Andererseits war ich stolz auf mich. Ich hatte zum ersten Mal nicht klein beigegeben. Ich war stark geblieben. Und ich würde so weit gehen zu sagen, dass ich aus diesem Kampf als Sieger heraus gegangen war. Ich hatte auf lange Sicht keine Chance, aber es fühlte sich gut an einen Teilsieg zu erlangen. Jedes Mal nachdem Kevin mich fertig gemacht hatte, überlegte ich, was ich hätte tun können. Mir fallen immer tausend Möglichkeiten ein um es zumindest erträglicher zu machen. Nicht erträglich, nur erträglicher. Und ich nehme mir jedes Mal vor einfach wegzugehen, wenn Kevin mich fertig macht. Aber wenn es dann so weit ist kann ich nichts machen, ich stehe einfach nur da, bis es vorbei ist. So bin ich halt. Doch diesmal hatte ich es geschafft. Ich hatte nicht den Schwanz eingezogen. Leider machte das meine aktuelle Situation nicht besser. Am besten wäre es wahrscheinlich gewesen ich hätte wie immer klein bei gegeben. Ich versuchte mich bequem hinzusetzen. Es war jedoch zum Scheitern verurteilt, denn meine Hände waren auf meinem Rücken gefesselt.

Ich starrte auf die Wand sie war weiß. Die Zeit begann sich ewig hin zu ziehen. Ich wusste nicht, wann das nächste Mal wieder jemand nach mir schauen würde und ob ich es mir herbei wünschen oder mich davor fürchten sollte. Je länger ich an der Wand kauerte desto mehr wurde mir das Ausmaß der Situation, in der ich mich befand, bewusst. Der Typ da draußen konnte ein Vergewaltiger sein oder ein Mörder. Ich hoffte es nicht, aber er hatte mich entführt. Aber er musste damit irgendetwas bezwecken wollen? Nur was? War ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort oder hatte er lange auf einen geeigneten Moment gewartet? Ich tippte auf die erste Variante, denn meine Eltern waren nicht reich – und würden für mich sowieso nichts zahlen – und mir fiel sonst nichts ein, was ich hatte, was andere nicht haben, das ein Grund wäre mich zu entführen. Aber auch die erste Variante brachte nicht mehr Antworten, sondern nur Fragen. Ich seufzte und versuchte erneut mich bequemer hinzu setzen. Doch es war einfach unmöglich.

Durch die Fenster in dem Raum konnte ich sehen, dass es zu dämmern begann. Was Tally, Kim und Shane wohl gerade tun. Wie haben sie auf mein Verschwinden reagiert. Ich beobachtete in Gedanken bei meinen Freunden, wie sich der Himmel erst rot und dann schwarz färbte. Ich fragte mich wann meine Eltern merken würden, dass ich weg war und ob sie etwas tun würden um mich wieder zu finden. Ich denke nicht. Der Gedanke machte mich traurig. Ich legte mich hin und versuchte zu schlafen, doch auch im liegen war es nicht möglich eine bequeme Position zu finden. Außerdem war der Boden kalt und ich fror.

Kapitel 7

Ich schreckte hoch. Ich muss wohl doch irgendwann eingeschlafen sein. Mir tat alles weh. Jeder Muskel war verkrampft und hart. Ein Quietschen hatte mich aufgeweckt. Ich drehte mich in die Richtung des Geräusches. Dabei protestierten alle meine Muskeln. Ich stöhnte auf vor Schmerzen. Ich sah den Jungen in der Tür stehen. Ich versuchte mich hinzusetzen. Das gelang mir auch unter einigen Schmerzen. Ich konnte die Belustigung in seinen Augen sehen. Ich schaute ihn nur abwartend an. Einerseits wollte ich nicht klein beigeben, aber andererseits hatte ich auch ein wenig Angst. Ich lag gefesselt in dem Zimmer eines fremden Hauses und war entführt worden. „Mal sehen, ob du heute gesprächiger bist“, begann er. „Also wie bist du entkommen?“ Ich hatte eine Idee. Es war zumindest einen Versuch wert. „Nimm mir die Fesseln ab, dann sag ich es dir.“ Ich starrte ihn abwartend an. Würde er darauf eingehen oder nicht. Ich nahm das Zucken der Mundwinkel und das Aufblitzen der Augen wahr. Auch das Zusammenziehen der Augenbrauen entging mir nicht. Er war nicht begeistert von meinem Vorschlag, trotzdem lehnte er ihn nicht direkt ab. Also wartete ich weiter. „OK, Deal!“ Er hatte wirklich zugestimmt! Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet. „Ok, dann fang mal an!“ „Erst die Fesseln!“ „Träum weiter Schätzchen!“ Dann halt nicht! Ich würde einfach hoffen, dass er mich bald von den Fesseln befreien würde. Meine Hände waren schon ganz taub.

Er schaute mich auffordernd an.“Ok. Ich hab in dem Schrank da.“ Mit dem Kopf in Richtung des Schrankes. „WAS? Der war nicht abgeschlossen? Was hast du dort gefunden?“ „Nun ja, in der einen Schublade lag eine Büroklammer, mit der habe ich das Schloss am Fenster geknackt.“ Er fing an zu lachen.“Genau! Wie war es wirklich?“ Er glaubte mir nicht! Toll! Wie sollte ich denn jetzt die Fesseln los werden. Ich wollte meine Hände eigentlich noch behalten. Wenn ich diese Fesseln noch lange tragen muss, sind meine Hände bis dahin abgestorben. „Das ist die Wahrheit!“, versuchte ich ihn zu überzeugen. „So ich hatte jetzt wirklich viel Geduld mit dir, aber die geht langsam zur neige , also solltest du mir langsam die Wahrheit erzählen.“ Was sollte ich jetzt tun? Ich könnte mir was ausdenken, aber was sollte das sein? Ich würde ihm keine lügen auftischen. Also beobachtete ich ihn nur. Das schien ihm gar nicht zu gefallen. „Die Wahrheit! Jetzt oder du behältst deine Fesseln.“ Da fiel mir etwas ein. „Was denkst du? Dass ich das Fenster aufgebrochen habe, indem ich mit ihm gesprochen habe?“ „Auf jeden Fall nicht mit einer Büroklammer.“ Wie stellte er sich das denn vor? Dachte er ich hätte einen Bohrer in der Hosentasche? Oder ich hatte das Schloss geschmolzen? Ich musste ein grinsen unterdrücken. Er sah immer wütender aus. Ich überlegte, ob es nicht schön wäre ihn noch ein bisschen zu provozieren, auch wenn ich dann meine Fesseln behalten müsste. Aber ich spürte meine Hände kaum noch. Ich würde es ihm beweisen. Mit einigen Verrenkungen, die nach dem Gesichtsausdruck meines Entführers sehr lustig aussahen, kam ich an meine Hosentasche. Ich zog die verbogene Büroklammer heraus und lies sie ihm vor die Füße fallen. Selbstzufrieden beobachtete ich seinen erstaunten Gesichtsausdruck. Er hob sie auf und besah sie genau. Ich konnte in seinem Gesicht erkennen, dass er mir nicht glauben wollte, denn dann müsste er eingestehen dass er falsch lag. Er drehte sich um und ging in Richtung Tür. „Was ist mit meinen Fesseln?“ „Ich mache sie dir ab, so wie es versprochen war. Aber du hast nicht gesagt wann.“ Grinsend verließ er das Zimmer. So ein Arschloch. Jetzt wollte er mir einfach nur eins auswischen. Wenn ich ihm erzählt hätte, dass ich zufällig aus dem Fenster gefallen bin, hätte er mir die Fesseln bestimmt abgenommen. Meine Handgelenke fühlten sich immer schlimmer an, während ich meine Hände schon gar nicht mehr spürte. Ich begann zu zählen um mir die Zeit zu vertreiben. Als ich bei 354 angekommen hörte ich irgendwo einen Hund bellen, bei 834 begann ein Vogel zu singen, bei 1465 juckte meine Nase, was die Situation nicht bequemer machte. Ich war gerade bei 2000 angekommen, als sich die Tür wieder öffnete. Herein kam nicht nur der Junge der mich gefesselt hatte, sondern auch ein unglaublich dicker Mann, der sich mit seinen kleinen Augen hektisch im Raum umsah. Was wollte er von mir? „Jason, Stuhl!“, schnaufte der Dicke. Mein Entführer hieß also Jason, das war doch schon mal was. Er verschwand schnell nach draußen und kehrte kurz darauf mit einem Stuhl zurück. Der Dicke ließ sich darauf fallen. Sobald er saß fixierten seine Augen mich. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen und sein Blick war auch noch unangenehm, aber ich hatte gelernt das zu verbergen. Ich versuchte gelassen zu wirken und seinen Blick zu erwidern. In meinem Magen bildete sich ein immer größerer Stein. Nur nicht den Blick abwenden sagte ich mir immer wieder. Kevin hatte mich fertig gemacht, wenn ich Schwäche gezeigt hatte, was dieser Mann machen würde wollte ich mir nicht ausmalen, also schaute ich ihn weiter in die Augen. „Weißt du wer ich bin?“, fragte mich der Mann schließlich. Was sollte das denn? Woher sollte ich das denn wissen? Ich hatte ihn noch nie gesehen. „Nein…“, erwiederte ich zögerlich. „Jason hat erzählt du hättest Ärger gemach. Wie bist du entkommen?“ Nicht schon wieder diese Diskussion! „Das habe ich schon erzählt.“ „Ich würde es aber gerne nochmal von dir hören.“ Was erwartete er? Wollte er wissen, ob ich Jason angelogen hatte? „Ich habe eine Büroklammer gefunden und damit das Schloss am Fenster geknackt“, das musste ihm reichen mehr würde ich nicht sagen. Der Dicke nickte. „Weißt du warum du hier bist?“ Ich schüttelte den Kopf und hoffte, dass er es mir erklären würde. „Wir gehören zur Regierung. Wir sind für die Sicherheit der Bevölkerung verantwortlich und es kann sein, dass du dem schrecklichsten Terrorist begegnet bist und aus diesem Grund müssen wir dich hier behalten um zu sehen, ob du in Gefahr bist“ Der Mann musterte mich aufmerksam. Er analysierte jede meiner Regungen. Das fühlte sich sehr unangenehm an, als würde er alles über mich wissen. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, war ich einem Terrorist begegnet? Nicht dass ich wüsste. Vielleicht der Mann der mir letzte Woche zugenickt hatte als ich an ihm vorbei gegeangen war. Aber das wäre kein Grund mich fest zu nehmen. Während ich fieberhaft überlegte, wer gemeint seien könnte, schaute mich der Dicke weiterhin durchdringend an. Mir wurde klar, dass er auf eine Antwort wartete. Nervös räusperte ich mich: "Ähm... Ich habe keine Ahnung wovon sie reden. Ich bin niemandem begegnet, der ein terrorist seine könnte." Der Dicke legte nun eine dramatische pause ein - bestimmt um mich nervös zu machen und musterte mich von oben bis unten.  Seine dicke Hand  lag auf seinem Oberschenkel. Scheinbar war er entspannt doch bei genauerer betrachtundg sah ich, dass seine Wursfinger zuckten. Seine Miene verriet nichts, doch seine Haltung zeigte, das er nicht so gelassen war, wie er vorgab. Wahrscheinlich musste er gerade seine Pizza zurück lassen um mit mir zu reden, dachte ich mir. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Bestimmt musste er Treppen hochlaufen um hier her zu gelangen. Oder er war schon vom gehen sehr angestrengt. Während mir all das durch den kopf ging begann ich ruhiger zu werden und der dicke Mann wirkte nur noch wie ein Clown der sein Kostüm vergessen hatte. "Du brauchst nichts zu tun", versuchte er mich zu überzeugen mehr Informationen preis zu geben. Das waren jedoch Informationen, die ich nicht habe. "Es tut mir wirklich Leid sie entäuschen zu müssen, aber ich ahbe wirklich keinen Plan wovon sie sprechen." ich versuchte so unschildig, wie möglich auszusehen. Wahrscheinlach sah ich dabei aus als würde ich etwas sehr saures essen und versuchen mir nichts anmerken zu lassen "Ich habe generell nicht mit vielen Leuten zu tun. Außer meiner Famile sind da nur Shane und Tally." "Ich möchte ihnen nicht zu nahe treten junge Dame, aber diese Antwort ist nicht wahr und das wissen wir beide." Ich schaute ihn verdutzt an. "Was soll das den heißen?" "Sie wissen exakt von wem ich rede. Also lassen Sie die Schauspielerei. Damit ersparen sie uns beiden viel Zeit. Sind sie ebenfalls Terroristin ober haben sie sozialen Kontakt zu Ihm?" "Zu wem?", mir ging das irgendwie zu schnell. Der dicke Mann seufzte: "Zu dem Terroristen. Beantworten sie meine Fragen und Sie können wieder gehen." Das klang gut. Wenigstens musste ich nicht bis an das Ende aller tage hier bleiben. Ich würde seine Fragen beantworten und könnte dann zurück in mein Leben. Aber alles zu seiner Zeit. "ich beantworte Ihnen ihre Fragen", der dicke man sah erstaunt und erleichtert aus, ",aber zuerst müssen Sie meine beantworten." Jetzt sah er nicht mehr so begeistert aus. " Du hast drei Fragen. die du stellen darfst. danach bin ich dran", schlug er vor. Ich schaute ihn mit unbewegter mine an und musterte ihn. Je länger ich wartete desto nervöser zuckten seine Finger. Wer auch immer ihm sein Pokerface beigebracht hatte, hat das Kapitelkörpersprache wohl ausgelassen.

"Das klingt fair. Als erstes will ich wissen, warum sie mich entführt haben. Sie hatten auch einfach vorbei kommen können und mich normal um ein Verhör bitten können oder mich  festnehmen, wenn das unbedingt seien muss." 

Kurze Stille.

"Wir mussten dich so schnell, wie möglich verhören ohne zu riskieren, dass irgendjemand davon mitbekommt und dass du überrascht bist und keine Chance hast dich zu wehren."

Er versuchte alles so kurz wie möglich zu erklären und mir so wenig wie möglich Informationen zu geben.

"Woher wollen sie eigentlich wissen, dass ich mit wem auch immer in Verbindung stand?"

Er lächelte kurz.

"Wir haben da so unsere Quellen."

"Das kann unmöglich ihre Antwort sein!"

"Das ist alles, was du wissen musst." 

Ich war empört. Ich hatte eingewilligt seine Fragen zu beantworten und dann antwortete er mir so. Der konnte schon noch sehen, was er davon hat. Ich hatte noch eine Frage. Die wollte ich nicht verschwenden. Ich musste mir etwas überlegen, dass er wirklich beantworten würde, aber trotzdem nicht zu nebensächlich ist.

"Wie heißen Sie?"

Stille.

Verdutzt sah er mich an. Seine finder hatten aufgehört zu zucken. Damit hatte er nicht gerechnet.

"Agent Karl", sagte er ohne nach zu denken. Man sah direkt, dass er mir das gar nicht hatte sagen wollen.

Zufrieden lehnte ich micht zurück und wartete auf seine Fragen.

Kapitel 8

"Fangen wir mit etwas einfachem an", begann der dicke Mann aka Agent Karl. Für mich würde er wahrscheinlich der dicke Mann bleiben.  " Wie heisst du?"

"Ashley Newcastle"

"Wie alt bist du?"

"17"

"Mit wem hast du in den letzten 24 Stunden gesprochen?"

"Mit meinen Freunden Shane und Tally. Und mit meiner kleinen Schwester Kim. Wir wollten zusammen ins Kino."

"Sind Sie sich sicher, dass Sie niemanden vergessen haben?"

"Vielleicht noch diejenigen aus meiner Klasse. Und die Frau an der Essensausgabe in der Mensa."

Offensichtlich war der Mann nicht zufrieden mit meiner Antwort. Was wollte er den hören? Dass ich mit jemandem geredet habe dem auf die Stirn tätowiert war "ich bin Terrorist". 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.09.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die das Schreiben genauso lieben wie ich.

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