Hallo. Mein Name ist Liana. Liana Matthews. Ich war in einer Psychatrie, als Patentin 31. Eigentlich bin ich ein ganz normales Mädchen, habe schulterlange braune Haare, grau-blaue Augen und eine mollige Figur. Sonderlich beliebt war ich nie, ich habe meinen eigenen Humor den nicht jeder mag und eine Art, die nicht jedem gefällt, aber ich bin immer ich selbst . Dennoch habe ich ein paar Freunde, die mit mir ungefähr auf gleicher Wellenlänge sind. Obwohl ich da wohl eher die Vergangenheitsform benutzten muss, denn sie sind nicht mehr meine Freunde, nicht mehr seit ich in der Psychatrie war. Manchmal kam die ein oder andere noch zu Besuch, aber nach einigen Monaten, war niemand mehr da. Meine Eltern haben mich nur einmal besucht, mit einem Anwalt damals. Ich weis nicht mehr was sie von mir wollten, aber es war und ist eine Frechheit. Seit ich wieder raus gekommen bin, bin ich in eine kleine Stadt gezogen. Meine Wohnung ist klein und liegt ziemlich außerhalb am Waldrand. Aber sie ist schön und ich habe hier Haustiere. Meinen Papageien habe ich nicht mehr, mein Vater hat ihn verkauft als ich in der Psychatrie war. Aber bevor ich mich jetzt in langen Reden vertiefe, warum und wie und weshalb das und dies in meinem Leben läuft, erzählte ich erst einmal wie ich überhaupt in die Psychatrie gekommen bin, denn für alles andere habe ich nachher noch genug Zeit.
Es war ein Wochenende wie viele andere auch. Die meiste Zeit habe ich in meinem Zimmer verbracht, habe am Laptop gesessen oder gelesen. Mit meinem Vater habe ich nicht mehr viel geredet, er war sauer auf mich nach dem letzten Donnerstag. In kurzer Zusammenfassung, ich böse Tochter habe ihn gezwungen sich anzuziehen und mit dem Hund raus zugehen weil ich für die Schule arbeiten wollte. Wie auch immer. Wir hatten Sonntagabend und ich bin mit dem Hund raus gegangen. Alles war nebelig und man konnte außer den Laternen nichts mehr sehen. Ich lief wie immer die lange Straße hinunter und dann wieder nach oben. Die Straße hinunter laufen war kein Problem, uns kam nur ein Hund entgegen. So vom Nebel aus kann ich nicht sagen was es war, ich schätze aber ein junger Rotweiler. Als ich jedoch wieder nach Hause laufen wollte, hörte ich im kleinen Waldgebiet neben mir das Rasseln von Ketten, von schweren Ketten. Dann fing meine Musik wieder an. Angst beschlich mich, meine Gedanken wurden laut wer oder was wohl zwischen den Bäumen lauern könnte. Ich schnappte mir meinen Hund und rannte so schnell ich konnte. Adrenalin strömte durch meine Adern, doch bereits nach wenigen Metern war mein Sprint vorbei, ich habe noch nie viel Ausdauer gehabt. In der Schule war ich immer nur gut in Sprinten und das auch nur 200 Meter. Also stand ich keuchend auf dem Bürgersteig, mein Hund aufgeregt neben mir. Aus dem Nebel kam eine Gestalt auf mich und meinen Hund zu, um beide Handgelenke waren dicke Ketten geschlungen. Ich schob meinen Hund hinter mich und trat mehrere Schritte zurück. "B-bleiben Sie wo sie sind!", rief ich ihm mit zitternder Stimme zu, doch die Gestalt dachte nicht einmal daran. Stur lief sie auf mich und meinen Hund zu. Wieder versuchte ich zu rennen, doch das ergab sich als ich über die Leine stolperte und mich längs auf die Straße legte. Die Hände hatte ich mir aufgeschürft, aber ich spürte den Schmerz nicht, denn in diesem Moment sprang mein Hund vor und versuchte meinen Angreifer zu beißen. "SAMMY!", brüllte ich noch laut, hob eine Hand und versuchte ihn noch zu greifen, doch es war zu spät. Ein Kettenglied traf meinen Hund gegen den Kopf, Blut spritzte, ein paar Spritzer auf mein Gesicht und ein paar auf mein Obereil. Ich schrie schrill, doch die leblose Gestalt meines Hundes landete vor mir. Ich weis es hört sich verrückt an, doch in diesem Moment war mir alles egal. Durch den Schleier meiner Tränen, sah ich die Gestalt und hätte schwören können das sie lächelt. Neben dem Gefühl unendlicher Leere, breitete sich ein anderes Gefühl in mir aus. Hass. Ich wollte das Blut dieses Tiermörders an meinen Händen spüren, ich wollte das erlischende Licht in seinen Augen sehen wenn ich ihm dieses ausblasen würde. Langsam nahm ich meinem Hund das Halsband ab, welches noch an der Leine war. Doch bevor ich etwas machen konnte, fuhr ein Auto an uns vorbei und die Gestalt verschwand so schnell sie gekommen war. Frustation machte sich in mir breit und all meine Kraft verlies mich. Die Leine landete auf dem Boden, ich sank auf die Knie und vergrub die Hände im Fell meines toten Hundes. Inzwischen weinte ich hemmunsglos, schluchzte und flüsterte immer wieder seinen Namen, in der Hoffnung das er doch noch aufwachte, doch tief in meinem Innerem fühlte ich, das meine Hoffnung erlosch, denn alles war umsonst. Ein Auto hielt vor mir an, das Paar stieg aus und sah mich weinend neben meinem Hund. Als sie mich fragten, erzählte ich die Wahrheit, doch wenn ich gewusst hätte was mir das alles einbringt, hätte ich wohl eher die Klappe halten sollen. Die beiden glaubten mir nämlich kein Wort und dachten ich hätte in einem Wutanfall meinen Hund getötet. Und so haben sie die Polizei gerufen, die mich schließlich in die Psychatrie abgeschoben hatten und am Anfang auch noch in die geschlossene Abteilung. Am Anfang habe ich noch versucht Kontakt aufzunehmen, habe ich geschrien, mit den Fäusten gegen die Tür geschlagen und weinend gerufen, das der Mann mit den Ketten ein Mörder sei, das er noch immer frei rumliefe und das ich nichts getan hätte, doch mit der Zeite hatte ich auch das aufgegeben.
Bevor ich aus der geschlossenen Abteilung konnte, musste ich Wochen oder vielleicht auch Monate (ich habe mein Zeitgefüh da drin verloren. Immer nur weiße Wände, da wird man ja bekloppt!) jeden Tag mit einen Therapeuten darüber geredet warum ich hier bin und was so in meiner Vergangenheit los war. Geweint habe ich oft, ich rede nicht gerne über meine Vergangenheit, sie macht mich fertig. Nachdem ich diesen Test schließlich endlich bestanden hatte, wurde ich endlich zu den anderen Patienten gelassen. Dort habe ich viele Leute kennen gelernt, mit vielen Problemen. Einer mit Suzidgedanken, einer der sich "nur" ritze, einer mit einer Phobie vor Keimen und und und.. Mit zwei Mädchen habe ich mich angefreundet. Ich weis nicht wie sie wirklich hießen, wir wurden nur mit unseren Nummern angesprochen und diese beiden waren schon so lange dort, das sie ihren eigenen Namen bereits vergessen hatten. Sie nannten sich '23' und '15' und mich nannten sie einfach '31'. Als ich ihnen erzählte weshalb ich bei ihnen war, glaubten sie erst ich wäre ein Tiermörder. Es hat lange gedauert sie davon zu überzeugen das ich unschuldig hier bin. Sie glaubten mir, denn auch die beiden waren hier, weil sie Schuld an einem Mord sein sollten. 23 sollte einen Nachbarn erschlagen haben und schwört das ein großer Mann mit einem Brecheisen ihn erschlagen hat und 15 wiederrum sollte ihre beste Freundin mit einem Seil erdrosselt haben und auch sie schwört das sie unschuldig ist und ein großer Mann mit dünnen Ketten sie erdrosselt hat. Also hatten wir gleich etwas das uns einte. Das musste auch so sein, denn es waren unmenschliche Zustände unter denen wir dort lebten. Wir bekamen nur einmal am Tag etwas zu essen und das war meistens nur ein Teller Suppe oder ähnliches, ich verlor dennnoch nicht an Gewicht, ich glaube da waren Mittel drin. Auch unsere Tabletten konnten wir nicht alleine schlucken, die stopften sie uns in den Hals und zwangen uns zu schlucken wenn wir atmen wollten. Vor Menschenversuchen machten die Pfleger auch nicht halt. Teilweise wurden wir an Maschienen angeschlossen, die, sobald wir Angst bekamen uns einen Stromschlag versetzten und dann zwangen sie uns über unsere 'Erscheinungen', wie sie ihn nannten, zu reden. Wir wiederrum bekamen erst wieder Angst vor der Gestalt und dann Angst vor weiteren Stromschlägen und bekamen mehr Stromschläge. Es war ein verdammter Teufelskreis! An einen Tag kann ich mich besonders gut erinnern. 23 war abgeholt worden für neue Test, die angeblich wichtig für die Forschung wären. Stundenlang hörten wir nur das Ticken der Uhr die an der Wand hing und ihre Schreie die durch die ganze Klinik zu hallen schienen. 15 hielt sich bald die Ohren zu, wiegte sich vor und zurück und murmelte etwas unverständliches vor sich hin. Ich für meinen Teil hätte auch am liebsten alles ausgeschaltet, doch ich konnte nicht, die Aufseher hatten mir mein Handy geklaut. Nach gefühlten Jahren kam 23 endlich aus dem Keller, geführt von einem Pfleger. Sie lief gebückt, hatte am ganzen Körper Blutergüsse und offene Wunden. Sie blutete nicht wenig. 15 und ich liefen so schnell wir konnten zu ihr, schubsten den Pfleger weg um sie zu schützten, doch sie schubste uns weg. "Lasst mich in Ruhe.", flüsterte sie mit heiserer Stimme und verlies weinend und schluchzend den Raum. Ich wollte ihr zwar hinterher, doch 15 legte mir eine Hand auf die Schulter. "Lass sie, sie kommt schon wieder.", beschwor sie mich. Also blieb ich, doch ich konnte keine ruhige Minute mehr finden. Wie wild tigerte ich durch den Raum, die Finger verschränkt und murmelte etwas vor mich hin. Mein Kopf gab wieder keine Ruhe, ich grübelte hin und her was mit ihr da unten geschehen konnte das sie so wieder nach oben kam. Auch wir hatten schon einmal Blutergüsse, doch keine von uns hatte je geblutet. Eine Patentin, derren Nummer ich nicht einmal kannte, hielt mich irgendwann fest. "Hör endlich auf hier so rumzurennen, du kannst einen ja total wahnsinnig machen!" Sie schrie schon beinahe und ich schob sie von mir weg. "Lass mich in Ruhe." Ohne es zu merken bleckte ich die Zähne. Ja das ist eine dumme Angewohnheit von mir, ich reagiere eher mit Instinkt als mit Verstand oder Gefühl. 15 schob mich schnell von ihr weg, denn wir kannten uns inzwischen gut genug um zu wissen, wie das weiter gehen würde.
Nach weiteren Stunden kam 23 endlich wieder, sie hatte anderen Sachen an und blutete nicht mehr. Schlimm sah sie dennoch aus. Ich konnte es nicht lassen, rannte zu ihr hin und umarmte sie. "Oh Gott, was ist dir da unten passiert?", flüsterte ich zitternd und sie schmiegte sich eng an mich ran. Ihre Finger vergrub sie in meinem Hemd. Wir standen wahrscheinlich ewig so da, bis sie schließlich den Mund aufmachte und anfing zu erzählen: "Erst kam das ganz normale, diese Stromschläge bei unserer Angst. Dann kam der Leiter von diesem Ding hier zu mir und bot mir an das ich hier schneller rauskäme, wenn ich ihm einen Gefallen tun würde. So gern wie ich euch beide hab, so gern will ich auch hier raus. Also hab ich eingewilligt. Zwei Stunden lang, hat er mich mit Stöchen verprügelt während einer seiner Männer sich an mir austoben durfte. Als er endlich fertig war und ich schon keine Stimme mehr hatte, sagte er mir, ich wäre nicht gut genug gewesen, deswegen müsste ich wohl hier verroten." Sie hatte wieder angefangen zu weinen. Ich drückte sie fester an mich, doch ich hatte eine schlimme Vorahnung. Wenn sie nicht 'gut genug' war, konnte es sein das der Leiter es an uns anderen ausprobieren wollte. Und mein Instinkt sagte mir, das es vollkommen egal war, ob wir nun einwilligten oder nicht, er würde mit uns das Gleiche tun. Ob nun als Strafe oder dafür das wir hier endlich rauskommen. 23 schob 15 in unsere Mitte dieser Kreis blieb bestehen. Viel zu früh tauchte neben uns ein Pfleger auf. "15, 23, 31 geht auf euer Zimmer, die Nacht bricht gleich herrein." Ohne uns zu sträuben liefen wir die Treppe nach oben, in den Gang in denen unsere Zimmer lagen. 15 verabschiedete sich zuerst von uns, danach 23 uns schließlich ich. Mein Zimmer sah trostlos aus. Überall wo man hinsah war nur weiß. Das runde Bettgestell, der Schrank mit den abgerundeten Ecken und die Wände, die waren komischer Weise nicht abgerundet. Okay, vielleicht finde das nur ich lustig, aber ich darf das lustig finden, immerhin war ich über 10 Jahre lang da drin eingesperrt. Einen Schreibtisch gab es nicht, auch wenn ich gerne einen gehabt hätte, vorallem noch mit Bleistift oder Kuli und Papier. Dann hätte ich malen können, oder wenigstens irgenwas tun können, außer nur auf meinem Bett sitzen und an die weiße Wand zu starren. Ich habe übrigens nachgezählt, an einer Wand sind 3014 weiße Punkte und 109 komische Punkte dessen Farbe ich nicht wirklich benennen kann. Und ich glaube ich will es auch gar nicht. Meine Decke hatte genau 10030 Fussel und mit jedem Tag wurden es weniger, da ich immer einen abmachte und noch einmal zählte. So hatte ich wenigstens die Tage irgendwie im Kopf. Aber an diesem Tag war mir nicht nach Punkten oder Fussel zählen. Ich lies mich seufzend auf mein Bett nieder, tippte auf meinem Bauch herum und überlgete. Was sollte ich nur tun, wenn der Leiter der Anstalt zu mir kommen würde? Ich konnte weder abschlagen noch zustimmen.. Und wenn ich gar nichts sagte? Das würde er wahrscheinlich als Zustimmung oder noch schlimmer als Verweigerung ansehen und erst recht damit anfangen. Ich fing an zu weinen, zog die kratztige Decke über mich und zog die Beine an, das war übrigens gar nicht so leicht oder habt ihr mal versucht mit dicken Oberschenkeln die Beine an einen dicken Bauch zu ziehen? Ich weinte dennoch ungehemmt weiter, wahrscheinlich mehr als sonst. Nach einer guten halben Stunde, war ich endlich fertig und schlich mich in mein Badezimmer mit, wer hätte das gedacht?, weißen Fliesen, weißem Waschbecken und einer weißen Toilette. Übrigens die letzte Sache die ich mir schwor als ich rauskam, war nie wieder etwas zu kaufen das weiß war! Ich drehte den Wasserhahn auf und trank etwas davon, Wasser war zum Glück eines der Dinge die wir haben konnten ohne auf die unhöflichen Pfleger angewiesen zu sein. Nach wenigen Schlucken zog ich mich in mein Bett zurück, legte mich hin und starrte an die Decke. Die nächsten Tage vergingen unertäglich langsam, wir alle saßen zusammengekauert auf der Couch und jedes mal wenn die Pfleger kamen um einen von uns zu holen, hatten wir Angst. Doch irgendwie kam nichts.
Eine Woche ist vergangen seit 23 so zugerichtet wurde. Wir sitzen jeden Tag auf der Couch, dicht an dicht zusammen gekuschelt und zittern. Haben Angst vor jedem Pfleger den den Raum betritt. Es ist der elfte Tag inzwischen, die Uhr (die übrigens seit meiner Ankunft hier nicht mehr funktioniert) zeigt 2 Uhr morgens an. Oder Mittag. Oder vielleicht auch beides. Die Pfleger kommen, diesmal sind es zwei. Beide stehen an meiner Seite, fassen mich an den Armen. Ich zische auf, meine Wunden am Arm tun weh. "31", fängt der eine an mit einer eiskalten Stimme das es mir den Rücken runterläuft, "du kommst mit uns. Verabschiede dich." Mir gefriert das Blut in den Adern. 'Ich will nicht sterben!', ist der erste und einzige Gedanke in meinem Kopf. Während mich beide Pfleger mit Leichtigkeit hochheben (oh man wie stark sind die eigentlich?!) und nach unten tragen, strample ich so gut ich kann und versuche mich von ihnen zu befreien. Meine Wunden am linken Arm sind wohl aufgegangen, das Blut tropft von meiner Hand auf den Boden und befleckt die weisen Fliesen (hab ich eigentlich irgendwann einmal erwähnt das ich diese Farbe hasse?). Um mich herum wird es immer dunkler, nur noch einzelne nackte Glühbirnen beleuchten den langen Gang, manche von ihnen flackern und machen mich verrückt. Inzwischen habe ich den Kampf aufgegeben. Ihre Griffe sind nur härter geworden und meine Schmerzen schlimmer. Am Ende des Ganges ist eine offene Tür und in diesen Raum werde ich hineingezerrt. Doch dieser Raum hier ist anders, keine Liege in der Mitte sondern nur ein Tisch mit komischen Dingen darauf. Der Boden ist nicht weis (Gott sei dank!) sondern schwarz gefliest und die Wände sind auch nicht weis sondern rot. Über meine Arme geht eine Gänsehaut und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, als ich die wahre Farbe der Wand erkenne. Es ist nicht rot, keine Farbe aus dem Baumarkt sondern Blut. Schmutziges und noch schimmerndes Blut. An manchen Stellen tropft es von der Wand. Galle steigt in mir hoch und ich kann mich gerade noch so beherrschen bevor ich mich übergeben muss. Es sind Lautsprecher an der Decke angebracht und aus denen dringt eine komische, unheimliche... ja fast verstörende Melodie. Langsam laufe ich ein Stück nach vorne, ich traue hier drinnen keinen Zentimeter, überall könnte eine Falle sein. Nach wenigen Schritten stehe ich vor dem Tisch. Ein Messer liegt darauf und etwas das aussieht wie so ein alter Bohrer. Beides ist blutverkrustet und ein ekliger Geruch steigt von ihnen nach oben und in meine Nase. Wieder steigt Galle in meinem Hals hoch und diesmal kann ich mich nicht beherrschen. Ich halte mich am Tisch fest während ich mich vorbeuge und das letzte Essen von gestern Mittag auf dem Boden verteile. Tränen laufen mir über die Wange und ich schluchze als ich mir den Mund abwische. Durch die Lautsprecher dröhnt eine Stimme. Ich kann nicht verstehen was sie sagt, aber sie ist zu laut. Mein Kopf vibriert, meine Zähne wollen mir aus dem Mund fallen. Ich sinke auf die Knie und halte mir die Ohren zu, mehr Tränen rollen über meine Wange. Jaja, ich weiß es klingt total bekloppt das ich so reagiere wegen einer lauten Stimme aus einem Lautsprecher, aber ich bin durch diese Klinik, durch dieses Gefängnis, ziemlich an den Rand meiner Nerven gekommen. "Hör auf!", brülle ich laut und schüttle den Kopf. Und tatsächlich, es wird leiser bis es irgendwann ganz aufhört. Ich schaue auf, nehme die Hände von den Ohren. Tränen verschleiern meinen Blick. Ich sehe eine Gestalt, ganz in schwarz gehüllt. Sie klatscht. Peinlich berührt schniefe ich und wische mir die Tränen weg. Die Gestalt entpuppt sich als der Leiter dieser Klinik. Naja, nicht den Leiter sondern die Leiterin. Ihre schwarzen Haare reichen ihr beinahe bis zur Hüfte und sind ziemlich lockig, geschminkt ist sie gar nicht. Langsam stehe ich auf, meine Hand fasst unbewusst zu dem Messer hinter mir. "Wer... wer sind Sie?", rufe ich mit brüchiger Stimme. Die Frau vor mir lächelt einfach nur mit einem gruseligen Gesichtsausdruck. "Du hast die Wahl, entweder tötest du mich oder... du hackst dir ein Körperteil deiner Wahl ab. Du kannst es auch ganz lassen, aber dann musst du hier bleiben, für immer in dieser wunderbaren Klinik verschmoren." Ich stehe da, der Holzknauf in meiner Hand fühlt sich seltsam schwer an. Sicher will ich nicht für immer hier bleiben, aber einen Menschen töten (ganz egal wie sehr ich ihn verachte) oder mir ein Körperteil abschneiden möchte ich auch nicht. Böse starre ich die Frau am anderen Ende des Raumes an, versuche sie mit meinen Blicken zu verscheuchen doch es klappt nicht. Sie zittert nicht einmal. Ich hasse sie jetzt schon mehr als jeden anderen auf der Welt. Langsam betrachte ich das Messer in meiner Hand, ein paar der freien Stellen zeigen mein verzerrtes Gesicht. Meine Wangen sind rot und die Augen glasig. Meine Haare stehen zu berge und sind schon wieder wellig. Ich verkneife mir ein Seufzen und richte den Blick wieder auf die Frau vor mir, spiele mit dem Messer herum. Langsam und zögerlich laufe ich auf die Frau zu, bleibe ein Stück vor ihr stehen und schaue zu ihr auf. Sie ist knapp einen Kopf größer als ich und hat harte blaue Augen. Ich werfe ihr das Messer auf den Fuß, die Spitze bohrt sich in ihren Fuß doch die Frau verzieht nicht einmal eine Miene. "Lieber verrote ich hier als zur Mörderin zu werden.", knurre ich ihr entgegen und laufe zur Tür. Hinter mir höre ich ein beängstigendes Lachen. "Aber du hast doch längst jemanden getötet!" Ich öffne die Tür und renne raus in den Gang. Ich hätte mehr aufpassen müssen welchen Weg die beiden Gorillas genommen haben, denn schon nach wenigen Metern die ich gerannt bin habe ich mich total verlaufen. In einer dunklen Ecke verlassen mich die Kräfte und ich falle auf die Knie. Meine Schultern beben während ich weine. "Bitte mach doch jemand das dieser Alptraum aufhört.", flehe ich an irgendjemanden der das ganze vielleicht beenden kann. Natürlich kommt keine Antwort, kein Verbündeter der hier nur auf mich gewartet hat, kein Pfleger der doch zu den Guten gehört. Nichts wie im Film, höchstens wie in einem Horrorfilm. Über meinem Kopf knackt es und die letzte Glühbirne, die das alles hier in schummriges Licht getaucht hat, brennt durch und ich sitze alleine im stockdunkeln. Ich sehe gar nichts mehr. Vorsichtig stehe ich auf, taste mich nach vorne bis ich eine Tür finde und diese auch öffne. Treppen! Ich atme erleichtert auf und krabble die Treppen Stück für Stück nach oben. Die Tür ist zwar geschlossen als ich oben ankomme, doch unter ihr ist ein kleiner Lichtschein. Ich drücke die Tür auf. Weise Wände, weiser Boden, weise Decke und grelles Licht. Ich taumle nach vorne und bin im Gemeinschaftsraum gelandet. "Endlich!", rufe ich erleichtert und lasse mich auf die Couch sinken. Ich schaue mich um, erwarte von 15 und 23 empfangen zu werden, gefragt zu werden was passiert ist, doch hier ist keiner. Und das meine ich auch so wie ich es sage. Hier ist wirklich niemand! Keine Menschenseele! Ein falscher Raum? Schlafenszeit? Ich sehe auf die Uhr. 2 Uhr morgens oder mittags. Ich seufze, lege mich auf die Seite und schließe die Augen. Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffne starre ich in die neugierigen Augen von kleinen Kindern.
Tag der Veröffentlichung: 01.06.2017
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