Leise summend sah Lucy aus dem Fenster. Sicher, sie hatte immer noch Schule und saß auch noch genau neben dem Lehrer doch er kümmerte sie nicht. Es waren nur noch wenige Minuten vor dem Schulsschluss. Alle Schüler die um sie herum waren, waren beinahe eingeschlafen, hatten schon gepackt oder starrten gebannt auf die Tür als ob sie sich von selbst öffnen würde wenn man sie nur genug anstarrte. Es war so seltsam leer hier, viele waren noch im Austausch. Und obwohl keiner mehr aufpasste redete die Lehrerin an der Tafel weiter als würde sie es überhaupt nicht bemerken. Ihre Haare, wieder einmal ungemacht, hingen wie Fetzten an ihr herunter und brachen sich an ihren Schultern. Es sah so aus als ob man ein fettiges Stück Holz in der Mitte brach und irgendetwas Rotes dazwischen steckte. Ihre Bluse hing weit, sehr weit, über ihrem Bauch, verdreckte ihn aber nicht wirklich. Nein es verschlimmerte diesen riesen Bauch nur noch. Unter ihren Achseln hatte sich ein breiter Bach aus Schweiß gebildet, den man wahrscheinlich Meterweit gegen den Wind riechen konnte. Auf ihren Lippen war ein eisiges Lächeln eingefroen und jede Falte schien durch dieses Lächeln nur noch tiefer zu werden. Neben Lucy gähnte jemand, die Person in die sie verliebt gewesen war. Matthew Adams. Noch immer konnte seine Stimme oder allein sein Name ihr einen Schauer über den Rücken jagen doch im Moment wollte sie einfach nur raus. Endlich klingelte es zum Schluss und mit einem Satz auf den nächsten waren alle Schüler aus dem Klassenraum verschwunden. Nur Lucy saß noch auf ihrem Platz, sie hatte die Klingel verschlafen. Träge erhob sie sich und zog sich ihren Rucksack über die Schultern. Vorher hatte sie schon gepackt, wie immer. Ohne den Stuhl hoch zustellen oder die protestierende Lehrerin zu beachten verlies sie den Raum ebenfalls und strich sich kurz ein paar Haare aus der Stirn. Ein Freund von ihr wartete an der Treppe und grinste sie breit an. "Ausgeschlafen?" neckte er sie leise und sie schüttelte grinsend den Kopf. "Ethen sei still!" fuhr sie ihn gespielt böse an und umarmte ihn kurz. Ethen Miller war einer ihrer besten Freunde seit sie in die neue Klasse gekommen war. Es war vielleicht ein wenig schwierig am Anfang gewesen doch inzwischen waren sie so gut wie unzertrennlich. Ja sie konnte sich gut an die Zeit erinnern in der sie noch weg wollte, weg von der Welt und weg von jedem der sie störte doch jetzt war sie froh ihn zu haben. Zusammen liefen die beiden die Treppe hinunter, raus auf den Pausenhof. Überall Schüler die zu den Bushaltestellen liefen oder auch rannte, viele Schüler die hier wohnten und nach hause liefen und diese lauten Stimmen überall. Kurz musste Lucy den Reflex unterdrücken sich einfach die Ohren zu zuhalten und sich wünschen das sie einfach im Wald war wo kein Mensch mehr war. Doch diese Zeiten waren jetzt auch vorbei. Hinter ihr gelassen zusammen mit der Zeit die sie nur in ihrem Zimmer gesessen hatte und weinte. Seufzend verabschiedete sie sich noch von Ethen dann sah sie sich um. Irgendwo hier musste ihre Freundin doch sein. Da hinten redete sie mit ein paar Freundinnen von ihr. Lucy lief langsam zu ihr hin. "Danke das du gewartet hast Thalia." murmelte sie bissig und schüttelte traurig den Kopf. Thalia Baker war eine ihrer besten Freundinnen, schon seit vielen Jahren doch inzwischen schienen sie sich immer fremder zu werden. Außer das sie im gleichen Haus, nur in unterschiedlichen Wohnungen, wohnten schienen sie nichts mehr gemeinsam zu haben. Der Bus kam, sie stiegen hinein und quetschten sich zusammen. Thalia hatte bevor sie ausgetiegen waren nur mit ihren anderen Freundinnen geredet während Lucy vor sich hin kochte. Sie hasste es so ignoriert zu werden, vorallem wenn sie sich auch noch ständig die Mühe machte ihr zu helfen. Immer hörte sie ihr mit den Problemen zu und versuchte ihr zu helfen doch jetzt war sie einfach nur noch Luft. Bis ihre sogenannte Freundin wieder ein Problem hatte. Wütend auf jeden und alle stieg sie an ihrer Haltestelle aus dem Bus und wartete auch noch auf Thalia. Beide redeten ein wenig über die Lehrer und fingen schon nach wenigen Schritten an schwer zu lästern. Lachend stiegen sie schließlich durch die Glastür vor ihren Mehrfamilienhaus. Lucy klingelte an ihrer Haustür sturm und sah ihrer Freundin noch ein wenig nach die hoch in den zweiten Stock laufen musste. Das Summen am Türschloss zog sie zurück in dieses Treppenhaus als sie kurz davor war komplett ab zuheben. Außerdem wäre sie beinahe in die Wohnung gefallen. Auf dem harten Lamitnatboden lagen viele Hundehaare und Flecken soweit das Auge reichte, doch diese hatte Lucy in ihr Herz geschlossen. Mit einem Lächeln und freundlichen Worten begrüßte sie ihren Hund zuerst, so wie immer. Mit einem Satz war ihr Rucksack auf dem Boden gelandet und das Mädchen lief den Gang zum Wohnzimmer entlang. Kurz streifte ihr Blick den Spigel der an der Wand hing und schüttelte wieder stumm den Kopf. Es waren nicht viele Tage in denen sie in den Spiegel, oder in die Reflexion des Buses, sah und sich einfach nur dachte wie gut sie trotz Schule doch aussah. Grinsend sah sie ihren Vater an als sie im Wohnzimmer stand und stemmte eine Hand in die Hüfte. Wieder einmal erzählte sie ihm von der Schule und wie ätzent ihre Lehrerin doch war. Ein wenig Verzweifelt weil ihr Vater ihr wieder einmal nicht zuhörte, lief sie in die Küche und aß ein wenig. Viel passte nicht in ihren Magen, der Klumpen in ihrem Bauch lies keine Nahrung mehr zu. Ihr Vater verschwand um Arbeiten zu gehen, Lucy beachtete ihn nicht einmal mehr. Mit einem Ruck schlug die Tür zu, das Mädchen zuckte zusammen und legte den Kopf auf die Tischplatte vor sich und fing wieder einmal an zu weinen. Immer wieder hörte sie die Klagen ihrer Freundinnen das ihre Eltern sie zu viel beachten oder sie nervten, doch bei ihr war es genau umgekehrt. Sie konnte sich grün und blau reden ihr Vater würde sie nie wirklich beachten solange sie den Hund, den Fernseher und den Laptop hatten. Seit drei Jahren saß sie täglich allein in der Küche, spürte das der nahrungsverweigernde Klumpen in ihrem Magen wuchs und weinte. Ihre Tränen waren vielleicht kostbar für andere doch für sie einfach nur schmerzlich dafür das sie nie ein normales Leben führen würde. Schniefend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Keiner ihrer Freundinnen oder Freunde, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, wussten von ihrem Problem zu Hause. Die meisten kannten sie einfach als das bleiche Mädchen mit den vielen schwarzen Klamotten und dem ewigen '7-Tage-Regenwetter' - Gesicht. Vielleicht war das auch gut so. Sie wusste es nicht und um es nach zuprüfen fehlte ihr die mentale Kraft. Wie immer erhob sie sich und lief in ihr Zimmer. Dort wartete sie, Stunde über Stunde starrte sie auf den Fernseher in ihrem Zimmer, sah die Bilder die dort ständig wechselten, hatte aber eigentlich keine Ahnung worum es da ging. In ihrem Kopf wollten sich diese Sätze nicht zusammen fügen. Es ging einfach nicht. Ihr Kopf war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Mit der Schule, ihren Haustieren, die Informationen ihrer Freundinnen, die Bilder die gesehen hatte aber nie sehen sollte. Irgendwann kam ihr Vater nach hause, grüßte sie nicht sondern lief einfach zum Wohnzimmer und lies sich auf die Couch sinken. Lucy konnte es an dem Ächzen der Federn hören. Langsam wurde es vor dem Fenster dunkel und die Sterne kamen auf der schwarzen Decke der Nacht zum Vorschein. Lucy erhob sich, zog sich warm an und lief mit ihrem Hund hinaus in die eisige Nacht. Der kalte Wind schlug ihr ins Gesicht, peitschte ihr die Haare gegen die Stirn und wieder hatte sie dieses Gefühl als würde ihre Haut aufplatzen. Leise klackend trafen ihre Schuhe auf den Boden während sie immer mit gerissen vom Rythmus der Musik, die sie immer anhatte wenn sie in die Nacht hinaus trat. Sie verscheuchten unheimliche Geräusche und liesen ihr Platz zum Denken oder schalteten ihre Gedanken aus wenn sie nichts denken wollte sondern einfach nur den Kuss der Nacht. Das einzige das sie ärgerte waren die vielen Straßenlaternen die hier aufgebaut waren. Sie nahmen der Nacht viel von ihrem Glanz und auch die Sterne waren verdeckt. Nur ein wenig doch es schien als hätten sie ein Stück von ihrem Glanz eingebüßt. Dies war eines der vielen Dinge über die Lucy sich ärgerte. Hier war nicht einmal eine Stadt doch überall mussten Laternen stehen. Sie konnten auch so etwas sehen! Für wie blöd hielten die Leute von der Stadt die Leute die dort wohnten? Naja eigentlich war es ja ein Dorf, aber so genau nimmt das doch niemand. In der Nacht konnte Lucy weinen, lachen oder singen soviel es ihr passte, die Dunkelheit war ihr Schutz vor der Menscheit, denen die sie immer verspottet hatten und es auch teilweise noch taten. Heute empfand sie keine Emotion und hörte einfach nur ihrer Musik zu und ein wenig ihren verdrehten Gedanken die in ihrem Kopf wirbelten. Ihr Hund lief hechelnd neben ihr her, schnupperte hier und da und rannte wieder vor sie. Sie sah erneut hoch zu den Sternen und musste einfach lächeln. Der hellste Stern schien sie zu verfolgen, auf sie zu scheinen egal wohin sie ging, egal welche Fehler sie beging. Das musste ihr verstorbener Verwanter sein der so auf sie aufpasste. Kurz schwankten ihre Beine unter ihrem Gewicht doch sie hatte sich schnell wieder gefasst und lief normal weiter. Irgendwann wurden ihre Gedanken immer leiser und leiser bis sie sie überhaupt nicht mehr wahrnahm. 'Ja geht ihr nur, später könnt ihr immer noch zurück kommen' dachte Lucy glücklich, schloss kurz die Augen und lief so weiter. Ihre Beine kannten den Weg bereits da sie hier nicht zum ersten Mal lang lief. Wieder einmal schwebten die Gedanken des Mädchens um ihr Leben. Und wieder einmal hatte sie das Gefühl in diese verdrehte Welt nicht hinein zu gehören. So ganz konnte sie ihre Gedanken wohl doch nicht los werden. Trotzdem fühlte sie sich einfach vollkommen fehl am Platz. Selbst ihre beste Freundin ignorierte sie wenn es ihr nicht mehr passte mit Lucy. Inzwischen war sie am Rand des Weges angekommen, sah kurz nach links und rechts und nahm dann ihren Hund an die Leine. Schnell überquerte sie die Straße, hinein in das Stück ohne Straßenlampen. Um sie herum nur Bäume und Wiese, unter ihr ein Weg aus Schottersteinen. Genussvoll hörte Lucy den Steinen zu wie sie knirschten. Dann wurden die Geräusche auch schon von der Musik verschluckt die jetzt wieder laut durch ihren Kopf hämmerte und sie zurück zu ihrem vorherigen Thema brachte. Wie von selbst griff ihre Hand in die Hosentasche. Als das Mädchen die Hand öffnete glitztere eine Glasscherbe auf ihrer Handfläche. Sie hatte sie zufällig mal gefunden als sie mit dem Hund draußen gewesen war. Seufzend wickelte sie einen Ärmel, den linken Ärmel, nach oben und fuhr sich kreuz und quer über den Arm. Wie oft sie das tat wusste sie nicht, sie zählte nicht mit. Als schließlich kleine Blutsflüsse über ihre Arme und vernebelten ihren verstand. Jetzt war Lucy alles egal, sie roch und spürte das Blut auf ihrem Arm, spürte die Schmerzen die die ihrer Seele wieder spiegelten und fühlte sich kurz vollkommen glücklich. Keine drei Sekunden später kam sie zurück auf den Teppich der Wirklichkeit, spürte den stechenden Schmerz auf ihrem Arm während die Wunden sich verschließen wollten, hörte das die Musik inzwischen gewechselt hatte und hatte wieder diese unsagbare Traurigkeit in sich. Ja sie gehörte nicht in diese Welt, sie war zu ..... zu sie selbst. Für sie gab es nicht einmal eine richtige Bezeichnung. Das einzige was zählte war, das sie hier alles andere als hingehörte. Tränen liefen ihre Wange hinunter, fielen auf ihre Jacke während das Blut auf ihre Hose tropfte und immer weniger wurde. In Lucy schwand die Energie, die Beine schienen wie aus Blei gemacht und jeder Gedanke war ein Gewicht von 100 Kilogramm. Das einzige was sie noch konnte war weinen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie eine Bank erreicht auf die sie sich dankbar fallen lies. Ihre Hände bedeckten ihr Gesicht während die schluchzend und jämmerlich weinend einfach nur dort saß. Ohne Lebenswillen und ohne den Mut alles zu beenden was ihr Schmerzen bereitete. Erneut griff sie nach der Glasscherbe, setzte sie an der Pulsader an und drückte sie. Angst überkam sie sofort. Was wenn sie überlebte? Wie würde die Standpauke ihrer Eltern aussehen? Oder würden die sich wie gewohnt nur um sich selbst kümmern? Von diesem Gedanken wurden die Tränen noch schlimmer, ihr Herz zog sich qualvoll zusammen und sie schrie vom Schmerz gepeinigt auf. Die Scherbe jedoch wandere zurück in ihre Tasche. Sie lief weiter, spürte die echte Narbe an ihrem linken Oberarm. Zwar konnte sie sich noch gut daran erinnern wie sie sie bekommen hatte, dachte da jedoch nicht gerne dran. Sofort verscheuchte sie die Gefühle, nahm sich einen Ohrstöpsel aus dem Ohr, blicke nach oben zum Himmel und rief so laut sie konnte "Warum hast du mich verdammt nochmal hier gelassen? Hättest du mich nicht mitnehmen können?" den Sternen entgegen. Keine Antwort, nur Wind der ihr die Haare zurück schlug. Seufzend steckte sie sich den Ohrstecker wieder ins Ohr und lief weiter, drehte die Musik noch lauter und lies sich von ihr beherschen. Inzwischen waren auch ihre Tränen versiegt. Je näher sie dem Fluss, dem richtigen Wald kam desto ruhiger wurde sie. Auch verspürte sie mit jedem Schritt etwas weniger Gefühle. Je näher sie dem Ziel kam um so kalter wurde sie. Fügte sich dem Wind der sie umschlich hinzu. Dies war einfach eine ihrer Lieblingsmomente. Die in denen sie überhaupt nichts fühlte, keine Trauer, keinen Schmerz. Da war nur noch sie mit der Musik, der Nacht und dem Hund. Sie krämpelte ihren Ärmel wieder hinunter und lief weiter. Bald war sie an der Brücke angekommen und konnte auf die tosenden Wassermassen hinunter sehen. Wieder spielte sie mit dem Gedanken einfach zu springen, doch die Brücke war weder hoch genug noch das Wasser tief genug. Seufzend lief sie weiter, ihre Gedanken verschwanden bei dem Kerl den sie sehr mochte. Lieben würde sie jetzt nicht unbedingt sagen, das konnte aber auch an ihrer jetztigen Situation liegen. Sofort dachte sie wieder daran wie telefoniert hatten, hörte sein Lachen und wieder die Schmerzen des Wissens das sie nie bei ihm sein könnte. Sofort verscheuchte sie den Jungen aus ihren Gedanken. Das er sie noch eine Weile begleiten würde, konnte sie ja noch nicht wissen. Während sie noch überlegte was sie alles mit ihm machen würde und schon gemacht hatte, lief sie weiter und war bald wieder bei ihrem Zuhause angekommen. Müde ging sie nach oben in ihr Zimmer, zog sich um und ging schlafen. Zumindest versuchte sie es. Sicher sie wusste das sie sich seit Jahren vollkommen hängen lies doch sie hatte keinen mehr der ihr beistehen konnte, keinen mehr der ihr half mit allem fertig zu werden. Es dauerte eine Weile bis sie eingeschlafen war.
So vergingen die Monate für sie. Jede Nacht ging sie mit dem Hund raus, rizte sich die Haut auf nur um nichts mehr spüren zu müssen, wurde von ihren 'Freundinnen' ignoriert außer wenn etwas für dieser raus springen würde, wurde von ihrem Vater ignoriert und telefonierte so oft es ging mit dem Jungen der ihr die Gedanken stahl. Lucy fiel immer weiter in dieses Loch welches sie sich selbst gegraben hatte, stürzte weiter in die dunkle Welt in die sie geworfen worde, ohne Hilfe. Obwohl sie versuchte sich irgendwie ab zufangen und wieder hoch zu klettern doch immer wenn sie dabei war wieder hoch zu kommen kam ein neuer Schlag der sie um so tiefer unterdrückte, sie zog sich immer mehr zurück bis sie bald komplett auf sich gestellt war. Sie hatte sich von ihrem Vater distanziert und bei ihren Freunden hatte sie nicht einmal nachhelfen müssen, die hatten gemacht was sie die ganze Zeit getan hatten, sie vollkommen ignoriert. Selten noch lachte sie, trug nur noch komplett schwarze Sachen und schminkte sich mit einem dicken Kajalstrich um ihr Auge. Selbst im Unterricht machte sie kaum noch mit, redete nicht mit dem Lehrer und schwänzte oft. Sie war sich sicher den Tiefpunkt in ihrem Leben erreicht zu haben (sie sollte sich noch irren, sehr sogar!), das sie nicht mehr tiefer sinken konnte. Gerade noch war sie mal wieder online als sie von einem Jungen angeschrieben wurde. Sie machte sich keine große Hoffnung mehr. Lucy hatte sich vorgenommen sich heute das Leben zu nehmen, ihr Vater war nicht da. Geplant hatte sie es natürlich auch schon, sie würde sich die Pulsadern aufschneiden. Doch während sie mit dem Jungen schrieb besserte sich ihre Laune zunehmends. Ihr Plan für die Nacht geriet ins Schwanken bis er irgendwann ganz fiel. Sein Name war Samuel, später kam raus das er sie deswegen angelogen hatte und eigentlich Riley hieß. Conner, so hieß der erste Junge den sie mehr mochte als die anderen, war damit jedoch alles andere als einverstanden damit. Ständig fragte er sie aus, wollte wissen worüber sie geschrieben hatten und ob es ihr gefallen hätte. Bald ging Lucy Conner's Eifersucht ziemlich auf die Nerven und als sie es ihm sagte wies er sie, wie erwartet, zurück und distanzierte sich von ihr. Samuel und sie kamen nach wenigen Tagen zusammen, doch es ging schneller zu Bruch als sie sich gewünscht hatten. Obwohl er ihr geholfen hatte wieder ein Stück hoch zuklettern nachdem sie erneut so tief gefallen war hörte sie täglich wie schlecht sie für ihn war. Leider war es so das Lucy schon immer mehr auf andere als auf sich geachtet hatte und so trennte sie sich von ihm, besser gesagte sie provozierte ihn zur Trennung. Um ihn zu schützen sperrte sie ihn und fiel erneut in dieses tiefe Loch zurück. Die Wunden wurden tiefer, bluteten mehr als früher und hinterliesen Narben. Ihre Tränen wurden öfter vergossen, egal ob jemand hinsah oder nicht. Drei Monate waren die beiden getrennt bis Lucy es nicht mehr ausgehalten hatte. Inzwischen war sie pro Monat ohne ihn immer tiefer gesunken, war schon oft volltrunken und beinahe nackt auf den Straßen herum getanzt. Ihre Freundin Thalia war natürlich überhaupt keine Hilfe. Von ihr konnte Lucy sich nur anhören wie blöd sie doch war sich in einen Jungen zu verlieben den sie nicht einmal richtig kannte, wie blöd Fernbeziehungen doch waren. Das Mädchen ging daran nur noch mehr kaputt, konnte hören wie ihre Seele splitterte. Doch nach drei Monaten schickte er ihr erneut eine Nachricht, nachdem sie die Sperre aufgehoben hatte. Beide vertrugen sich wieder, kamen auch relativ schnell wieder zusammen und endlich hatte Lucy einen Aufschwung in ihrem Leben. Doch auch das ging nicht lange gut, die beiden entfernten sich immer mehr von einander und irgendwann ignorierten sie sich wieder gegenseitig und es war wieder Schluss. Inzwischen war Lucy's Onkel im Rollstuhl gelandet, er hatte eine Hirnblutung erlitten, hatte in der Intensivstation gelegen und wieder raus gekommen. Ihr Cousing war mit seiner Tante weggezogen, nachdem sie sich von ihrem Onkel hatte scheiden lassen da sie es nicht mehr aushielt. Erneut ein Schlag für Lucy, ihre Familie komplett gespalten. Es blieben nur noch ihr Vater, ihre Oma und sie. Der Rest war überall nur nicht bei der Familie. Das Loch schien immer tiefer und dunkler zu werden, drohte das Leben von Lucy vollkommen zu verschlucken. So ging es mit ihr ein Jahr lang, in der sie immer abwechselnd single und wieder mit Samuel zusammen. Sie vertraute ihm, auch wenn er sie an den Händen nahm wenn sie aus dem Loch kletterte nur um sie wieder hinein zu stoßen. Je öfter er das tat um so misstrauischer wurde Lucy auch. Irgendwann meldete sie sich auf einer neuen Seite an, nachdem mit Samuel wieder einmal Schluss war. Dort lernte sie einen Jungen namens Ashton kennen. Beide verstanden sich beinahe sofort blendend, verbesserten die Laune des anderen und wieder einmal kletterte sie das Loch nach oben. Er war ihre erste Liebe, richtige Liebe nicht so kleine Flirts wie mit Conner oder Samuel sondern diesmal richtig. Und doch war Lucy an einem Tiefpunkt angekommen, rizte sich trotzdem weiter bis er sie bat damit auf zuhören. Beide einigten sich, er hörte mit dem Trinken auf und sie mit dem Ritzen. Fürs erste waren beide glücklich. Und doch konnte Lucy es nicht lassen abends mit dem Hund raus zugehen, die Gefühle ab zuschalten und einfach ihren Gedanken nach zuhängen. Immer wieder stellte sie sich vor wie sie zum Himmel empor heulte und schließlich zu einem Wolf wurde, neben ihrem Hund herlief und andere zerfleischte wenn sie ihr zu nahe kamen. Obwol sie wusste das es schlecht für sie war hatte sie ihre Trauer mit dem Gefühl Hass überspielt, konnte nicht anders als sich vor zustellen wie sie die Leute die sie gequält hatten einen nach dem anderen umbrachte, so qualvoll wie nur möglich. Und doch war sie irgendwann glücklich Ashton zu haben, jemanden bei dem sie sich vollkommen wohl fühlte und dem sie vertraute, beinahe so sehr wie sie Thalia vertraute obwohl diese kaum noch für sie da war. Doch mit ihr und Ashton ging es schwer bergab. Jeden Abend schlief er am Telefon ein, machte auch einmal zwischen drin Schluss. Als dann entgültig Schluss war hatte Lucy das Gefühl ihr würde das Herz aus der Brust gerissen, auf den Boden geworfen und darauf getanzt. Sie weinte die gesammte Nacht hindurch, spürte wie ihre Seele vollkommen verwelkte und wie ihr Lebenswille, den sie notdürftig aufgebaut hatte vollkommen zersplitterte und verschwand. In dieser Nacht baute sie eine Mauer um sich herum auf, Hass und Trauer waren die Bestandteile. Sie versteckte ihre anderen Gefühle vollkommen, lachte nicht mehr, weinte nicht mehr (außer sie hielt es nicht mehr aus) sondern gab immer nur die gefühlskalte Person ab die sie tief in ihrem überhaupt nicht war. Ein halbes Jahr dauerte es bis Lucy endlich über ihn hinweg war, in der Zeit war sie sehr tief abgesunken. Betrank sich beinahe jede Nacht, rauchte und ritze sich so schlimm wie noch nie. In diesem halben Jahr verstarb dann auch noch, nach vier Jahren Qualen, friedlich schlafend durch das Morphium. Dies war jedoch im neuen Jahr gewesen, nachdem Thalia und sie ordentlich getrunken hatten. Bei der Beerdigung fielen bei ihr keine Tränen, sie zeigte nur das was sie auch sonst immer zeigte, kälte. Und doch als niemand mehr hinsah flossen ihr mehrere Tränen über die Wange. Der Wind wehte sanft um ihre Wangen, kurz konnte sie schwören Worte zu hören doch die kamen wahrscheinlich von den Trauergästen. Inzwischen hatte sie das Gefühl das Loch in dem sie saß sich verschlossen hätte, sie mit ihrer Mauer vollkommen allein lies und sie ihr Leben nicht mehr auf die Reihe bekam. Nach wenigen Wochen jedoch änderte es sich. Auf einer anderen Seite lernte sie einen Jungen kennen der genau das war was sie sich immer gewünscht hatte, ehrlich, lustig, auch an ihrem Charakter interessiert und sonst auch in jedem Kritikpunkt passend. Schnell gewann er ihr Herz, mit jedem Schlag und jedem Tag hatte Lucy das Gefühl sich mehr in ihn zu verlieben doch sie konnte es ihm nicht sagen, die Mauer die um sich herum aufgebaut hatte lies es nicht zu. Schreiend hämmerte und trat Lucy gegen die Gefühlsmauer die um sie herum lag doch vergebens. Es brökelte mit jedem seiner Sätze nur ein Stück weit mehr. Sie müsste sich sehr anstrengen um die Mauer ein zureißen und sie wusste nicht ob er es schaffen würde. Viele Jungen waren schon an ihr kaputt gegangen, ob an ihr selbst, ihrer Mauer oder an ihrer Vergangenheit. Doch sie wusste das wenn die beiden zusammen halten würden, sie die Mauer schon zum Einsturz bringen konnten doch er brauchte Geduld. Und sie hoffte das er diese hatte.
Die Geschichte die ich hier erzählt habe ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben von Lucy Warren. Das hier sind ein paar der schmerzvollsten Momente die sie erlitten hatte und doch hatte sie es wieder nach oben geschafft. Das Mädchen gibt es wirklich, doch ich habe die Namen verändert. Was ich mit dieser Geschichte sagen möchte ist einfach nur folgendes: Spielt nicht mit den Gefühlen anderer, ihr habt gesehen wie das ausgehen könnte, schirmt euch nicht zu sehr von euren Mitmenschen ab, ihr braucht sie irgendwann. Und vorallem lasst euch nicht von einer Person, die ihr geliebt habt, das Leben ruinieren. Es will nicht jeder so enden wie Lucy Warren. Im Übrigen sind Lucy und Thalia nun wieder so dicke Freundinnen wie früher, wenn nicht sogar noch enger befreundet.
Ich hoffe die kleine Geschichte hat euch etwas unterhalten, gezeigt wie das Leben aussehen könnte wenn ihr euch aufgegeben habt und euch motiviert auch einmal Gefühle zu zeigen, auch wenn sie schmerzen, denn errichtet ihr eine Mauer so könntet ihr den Menschen die ihr liebt (und die euch lieben) mehr weh tun als ihr es je tun wolltet.
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Diese Geschichte habe ich bereits bei "Dunkelherz" einmal veröffentlicht. Ich werde sie allerdings noch einmal überarbeiten.