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In windeseile zog ich mich in der kleinen Umkleidekabine um. Ich hoffte der Fettgeruch hatte sich heute nicht allzusehr in meinen Haarenen festgesetzt. Mit einem schnellen Blick in den Spiegel überprüfte ich ob es für einen Abend in der Bar reichte und kam zu dem Schluss das es einfach reichen musste. Da ich schon viel zu spät dran war und kaum etwas mehr hasste als Unpünktlichkeit. Ich machte nur selten etwas aus meinen Aussehen, so lies ich es bleiben und machte mich los.

Kaum war ich auf der Straße, hörte ich auch schon hinter mir mein geliebtes Lachen ertönen.
„Ich glaub es nicht, du bist wirklich schon wieder eingesprungen.“
„Wenn man Student ist, ist man um jeden Cent glücklich,“ sagte ich und verzog mein Gesicht.
„Tiffany, die blöde Kuh hat sich mal wieder nen Gelben besorgt. Bestimmt hat sie sich nur einen ihrer ach so tollen Plastik Nägel abgebrochen.“
Er lächelte mich kopfschüttelnd an.
„ Jetzt sag aber erst mal `Hallo´ zu deiner besten Freundin!“
Ich grinste schief und drückte meine beste `Freundin´ und lies mich von meinen blonden Engel küssen. Dieser hieß Tobey, war 1.80m groß und hatte traumhafte grüne Augen.
Er ist der liebste Mensch den ich kenne und meine bevorzugste Party Gesellschaft, seit ich hier hergezogen war und auf die Uni ging.
Wir lernten uns auf einem Festival kennen und merkten schnell das wir auf der gleichen Wellenlänge lagen.
Seine Präfernz bei Partnern ist, wenn ich sage wie er Musicals perfekt nachsingen kann, von Cocktails leben könnte und dazu nach jedem Klamottentrend hinterher rennt, eindeutig. Ich hakte mich bei ihm unter und wir gingen zu der neuen Bar.

Sie lag er genau zwischen meiner Wohnung und der Arbeit. Damit gehörte es zu der wunderbaren Möglichkeit ein Stammplatz für uns zu werden.
Sie hieß Serendipity und erinnerte mich an die Muse aus dem Film Dogma. (Sollte jeder den mal gesehen haben, wenn nicht sogar als DVD besitzen. Schließlich war Ben Affleck damals noch heiß und Matt Damon ultra süß). Und ich hoffte das Sie für mich auch einen glücklichen Zufall irgendwann bedeutete.
Wir gingen über eine Treppe in den Kellerbereich des alten Hochhauses und wurden gleich von einer angenehmen Rockballade begrüßt. Der Raum machte auf den ersten Blick nicht viel her. An der linken Wand stand eine schöne Theke aus Holz, die über und über mit Aufklebern von den verschiedensten Bands und Veranstaltungen beklebt war.
Wir gingen vorbei an den hohen Tischen mit Barhockern und fanden hinten eine kleine Ecke mit wirr zusammengewürfelten Sofas, Sesseln mit riesigen Kissen.
Einfach Genial!

„Was kann ich euch bringen, ihr Süßen?“, fragte die Kellnerin, kaum das wir uns setzten.
Sie war mittleren Alters und zeigte ihre grauen Strähnen mit Stolz. Auf ihren Namensschild stand Mimi.
„Ein Cosmo für mich und eine Beam Cola für meine reizende Begleitung.“
„Das mit dem Cosmo geht klar, aber wir haben nur Jack Daniels hier.“
Der erste Minuspunkt, war auch zu schön um war zu sein. Also dann mein zweitliebstes Getränk.
„Gut, dann nehme ich Havanna Club mit Cola,“ sagte ich enttäuscht.
„Na na, wer wird denn gleich so traurig sein. Wenn ihr das nächste mal kommt, kann ich dir das bestimmt anbieten.“ Sie grinste niedlich und ging weiter.
„Und wie siehts aus. Werden wir dafür sorgen das sie was vernünftiges zu Trinken für dich haben?“
„Wenn ich die Karaoke-Bühne dort drüben mal übersehe, könnte ich es mir gefallen lassen öfters hier her zu kommen.!“ sagte ich lächelnd.
„Keine Bange, ich bekomme dich noch dazu uns das ein oder andere Liedchen zu trällern. Jetzt aber sag mal, wie war deine Woche? Ist dir endlich die große Liebe oder einfach nur ein hinreißender Hintern begegnet?“
Oh konnte er dieses Thema nicht einfach mal überspringen.
„Im Gegensatz zu anderen notgeilen Personen hier, habe ich besseres zu tun als andauernd nach irgendwelchen Kerlen ausschau zu halten.“
„Ach komm schon. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich für eine Nonne halten. Aber dafür Fluchst du zu viel und meidest Kirchen als wär der Teufel persönlich von dir besessen.“
„Haha.“
„Na komm schon, ein kleiner Flirt hin und wieder würde dir nicht schaden,“ sagte er versuchsweise aufmunternd.
„Und letztens habe ich das perfekte Kleid für dich gesehen. Wir haben eine neue Kollektion ins Haus bekommen, und als ich es sah musste ich sofort an dich denken. Es ist wie für dich gemacht.“
Tobey arbeitete in einer großen Boutique. Er wurde gerade vom normalen Verkäufer zu einem leitenden Angestellten befördert. Und ich freute mich zu sehen wie glücklich ihn das machte. Er arbeitet dort schon seit seinem Studium, fast 10 Jahre, und fühlte sich mit seinen 33 Jahren schon sehr unwohl und überlegte zu kündigen, obwohl der Laden sein zweites zu Hause geworden war. Alle Mitarbeiter liebten ihn, und der Chef schien endlich auch seine Qualitäten bemerkt zu haben.
„Danke, aber nein Danke. Du weißt wie es um meine Finanzen steht. Und wozu sollte ich auch bitte ein schickes Kleid anziehen.“
„Na bei einem Date mit einem hinreißenden Typen. Ach überings glaub ich das ich dort einen entdeckt habe, aber keine Sorge. Der ist für mich!“
Unsere Getränke kamen und Tobey machte sich an sein Opfer heran.

„Dein süßer Begleiter scheint sich für ein anderes Törtchen zu interessieren?“ meinte Mimi und setzte sich zu mir und legte die Füße hoch.
„Hey hast du schon Pause?“ erklang es hinten von der Bar.
„Mach mal halb lang Henry. Lass nich gleich deinen wütenden Bären raus hängen.“
„Netter Chef?!“
„Netter Ehemann!“
Ich musste wohl ziemlich blöd glotzen, denn sie fing an zu lachen.
„Keine Sorge. Er lässt auf Arbeit gern den Brummbär raushängen. Aber glaub mir, er ist ganz zahm. Und zu Hause ist er der süßeste Kuschelbär. Aber verrate ihm nicht das ich dir das erzählt habe. Sonst versucht er mir wieder weiss zu machen, er würde mein Gehalt kürzen. Dabei kümmere ich mich um die Finanzen. Er weiß nicht mal wie man einen Scheck ausstellt, noch eine Überweisung ausfüllt.“
„Hey, hier gibt’s noch andere Kundschaft, und die haben auch Durst,“ knurrte es von drüben.
Mimi seufzte, „Na dann werd ich mal weitermachen, sonst setzt er sich später an den PC und versucht irgendeine Buchhalteraufgabe. Und er weiß wie sehr ich es hasse wenn er an mein Baby geht.“
Sie bediente weiter und Tobey kam mit einem Typen wieder, der Aussah als würde er ein Unterwäsche Model sein. Er stellte uns Gegenseitig vor und unterhielt sich mit ihm. Er versuchte mich immer wieder in das Gespräch einzubeziehen, aber ich hatte nicht wirklich Lust mich zu beteiligen. Ohne guten Grund musste ich an früher an mein `zu Hause´denken, und meine Laune sank von Minute zu Minute.
Mimi versorgte uns weiter reichlich mit Drinks und schon bald war ich zu besoffen um mir noch irgendwelche schlechten Gedanken zu machen.
Ich setzte mich zu Henry und kippte so lange Drinks in mich, bis er Tobey bescheid gab weil ich fast vom Stuhl kippte. Ich gab mich geschlagen und ließ mich nach Hause bringen. Tobey erzählte dabei die ganze Zeit von seinem Kerl. Kann auch sein das er sich ein bischen über meinen Zustand beklagte. Aber ich war einfach froh als ich endlich meine Wohnungstür hinter mir schließen und ins Bett gehen konnte.


Ich fasste es nicht, das kann doch keiner ernst meinen.
Ich meine ich liege hier ganz normal in meinem Bett, kann endlich mal ausschlafen und irgendwer meint in meinem Gehirn Löcher bohren zu müssen.
Ich schmiss meine Bettdecke noch mal weit über meinen Kopf. Tief durchatmen. Das ist bestimmt nur ein versehen. Es hört bestimmt gleich auf. Diese überlaute Schlagermusik hat gleich eine Ende.
Ich strich mir durch meine total verwuschelten Haare. Ich hatte von meinen Vermieter Hank schon gehört das die Wohnung unter mir jetzt neu vermietet wurde. Irgend so ein Kerl von weiter Weg. Er sollte gestern einziehen.

Aber mir war ja auch alles schöne vergönnt. Leise hörte ich, wie mein Handy anfing zu klingeln, “Represent, Cuba”, vom Soundtrack von Dirty Dancing 2.
Ja, Ja. Ich weiß wie das vielleicht ausschauen mag. Ich liebe und vergöttere Rock Musik, von Metal bis Indie. Alles was richtig knallt. Aber in meiner Plattensammlung findet man neben Nirvana, Onkelz und Metallica auch U2, Cranberries oder Alanis Morrissette. Ich liebe Soundtracks, viele sind besser als ihre Filme. Nehmen wir mal “City of Angels”. Wer ist schon scharf auf einen Nicolas Cage der einen ewig trübsinnigen Engel spielt. Aber die Musik. WOW. Das ist was unter die Haut geht und das Herz zum singen bringt.
Na ja, egal, wo war ich nochmal? Ach ja, genau mein Handy meinte mich auch noch zu stören. Total verpennt nahm ich es mit unter die Bettdecke und ging ran.
“Was gibt’s?”
“OH, es ist wach! Wie komm ich zu dieser freudigen frühen Kontaktaufnahme?”
Es war Tobey. Wir liebten die gleiche Musik, Filme und Bücher (das sind die drei Sachen, die mein Leben bestimmen).Er ist einfach der coolste schwule Rock-Fan aller Zeiten. Und er ist mein größter Schatz.Aber jetzt hätte ich ihn erschiessen können.
“Du bist doch der, der meint das ich heute um diese Uhrzeit schon zu erreichen sei, und jetzt sag nicht das du diesen Krach nicht mitbekommst!”
“Und ich hatte auch recht, oder? Schließlich habe ich dich erreicht. Also jetzt sag mal, Kleine, woher kommen diese Klänge, die dir so die Sinne rauben?”
“Neuer Nachbar”, meinte ich zerknirscht.
“O.K. Ich würde sagen, wir haben keinen Neuen, der sich mit uns mit dem Fahren abwechselt, wenn wir ausgehen!”
Ich murrte einfach nur als Antwort.
“Ich ruf überings nur an um dich daran zu erinnern das ich dich heut Abend nicht abholen kann, sondern wir uns in der Rock Fabrik treffen, aber ich fahre dich dann auf jeden Fall nach Hause.”
Ich stöhnte auf. Ach stimmt ja, Tobey hatte gestern noch jemanden kennen gelernt, ich hatte seinen Namen schon wieder vergessen. Aber sie wollten sich heute wieder Treffen und noch vor der Ro-Fa etwas essen gehen.
“Kein Problem, wir treffen uns dann dort. Zeit wie immer?”
“Klar 23Uhr, bis dann Jacky Maus, hab dich lieb!”
Ich grummelte noch mal zur Antwort. Ich hasste es wenn er mich so nannte. Mein Name ist und bleibt Jack. Er steht so in meinem Ausweis. Gut es ist mein Nachnahme, aber meinen Vornamen sagte ich echt niemanden.

Ich atmete noch mal laut durch. Es war jetzt egal, ich konnte nicht mehr einschlafen.
Unter dem lauten krach schaute ich unter meiner schönen, warmen Bettdecke hervor. Durch die Ritze meiner Vorhänge blitzte die Frühlingssonne hervor und lies den fliegenden Staub wie tanzende Feen in einem Märchenwald scheinen.
Ich hatte eigentlich mich hier in meiner Wohnung schön eingerichtet. Helle Farben mit ein paar kräftigen Blickfängern, wie zum Beispiel meine Bordeaux-Rote Megacouch, die einfach zum rumlümmeln, lesen, Filme schauen und Musik hören einlädt.
Aber auch das schwärmen für mein Sofa brachte nichts, ich musste aufstehen.
Doch da der Lärm sich nicht vermindert hatte, und meine Morgenmuffeligkeit, die schon reichte um Weltkriege zu starten, griff ich zur Fernbedienung meine Stereo-Anlage, die an meinem Rechner angeschlossen war, und stellte Sepultura “Roots” auf volle Lautstärke in meinem Wohnzimmer ein.
Auf dem Weg ins Bad ging ich kurz in die Küche um meinen Wasserkocher anzuschalten. Noch zu faul für eine Dusche musste eine Katzenwäsche reichen. Dann machte ich meinen schwarzen Tee fertig (Kaffee habe ich noch nie gemocht) und zog meine Hausklamotten an und wollte die Zeitung reinholen, die mir Hank immer nachdem er sie gelesen hatte vor meiner Wohnungstür legte.
Träge gähnend machte ich, in meinem schon hundertmal geflicktem Pearl Jam Shirt, ausgelatschter Stoffhose und dicken Wollsocken, natürlich selbstgestrickt, die Tür auf.
Nur mit halben angeschaltetem Gehirn (hallo es war 11 Uhr in der Früh, an meinem freien
Samstag blickte ich nach unten um erstaunt 2 Füße zu entdecken. Darüber, in locker sitzenden Jeans, die aussahen als würden sie sagen <wenn ich mich umdrehe kommt ein Knackarsch in Sicht>, lange starke Beine und ein Oberkörper in einem Hemd mit hochgekrempelten Armen, die ein sehr kompliziert Aussehendes Tattoo nicht ganz verstecken konnten. Genauso wenig wie die leichten Wölbungen einer nicht übertrieben trainierten Muskulatur.
Auch der Blick ins Gesicht lohnte sich, fein geschwungene Lippen, eine Nase die von einer griechischen Skulptur herrühren konnte. Und unter dunklen, leicht welligen Haaren, die geplant ungeordnet leicht in seine Stirn fielen, die klarsten blauen Augen die ich je gesehen habe. Da kann sogar Jared Leto nicht mithalten, und das will was heißen.
Während ich so noch vor mir hinschwärmte und mir dachte, das mich diese Augen an einen klares Meer in der Südsee, mit weißen Sandstrand und Palmen erinnerte, merkte ich das etwas mit seinem Blick nicht stimmte. Er blickte irgendwie sauer, fast schon böse.
Als er sich plötzlich räusperte musste ich feststellten, das ich ihn bestimmt schon eine Minute nur angehimmelt habe. Und das warme Gefühl in meinem Unterleib sich in kaltes Entsetzen mit mega Bauchkribbeln änderte. Mir schoss die Röte ins Gesicht und bekam nur ein stotterndes “...ähm..., Hallo,” heraus.
Statt mir etwas zu entgegnen, drückte er mir die Zeitung in die Hand und ging direkt auf meinem Computer zu, um die Musik auszuschalten.
“Ey, lass gefälligst deine Finger davon!” Meine Stimmung wechselte wieder mal von peinlich berührt zu stink wütend. Hatte er da gerade MEINEN Rechner angefasst. Ich lasse doch keinen Fremden daran.
Wütend drehte er sich um.
”Du machst hier so einen verdammten Krach, das in meiner Wohnung das Glas anfängt zu Zittern.”
Ja, auf mein Boxensystem, worauf ich echt lang gespart hab und selbst alles aufgebaut habe, war ich echt sehr stolz.
“Ich sag dir mal was, das gibt dir noch lange nicht das Recht mein persönliches Eigentum anzutatschen und mich wegen der lauten Musik zu beschimpfen, wo doch bei dir die Ruhestörung aus allen Ritzen kriecht. Und einem aus dem Bett fallen lässt,” schrie ich ihn an.
Wenn blicke töten könnten, ich würde wahrscheinlich nur noch röchelnd am Boden liegen.
Er schnaufte nur und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen aus meiner Wohnung und schloss die Tür.
Mein Atem bebte vor Wut. Was bildete sich dieser Kerl nur ein. Ich war mir sicher das er nie wieder Herzrasen bei mir auslösen würde.
Nach einem Moment merkte ich, das der Krach von unten, immer noch nicht leiser gemacht worden ist.
“Na, dem wird ich’s aber zeigen.”
Ich rannte die Treppe runter, und ging Schnurschnacks in seine Wohnung durch die noch offene Tür.
Und, fing an wie doof zu lachen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören und so langsam musste ich Pipi.
Mein neuer Nachbar kniete verzweifelt vor einer riesigen Anlage an der Flat Screen, Dolby System und Musik Anlage anzuschließen war. Er hatte einen Radiosender mit besagtem Krach an und drückte alle mögliche Knöpfe um dies wohl zu beenden, wogegen eine sehr zerfledderte Aufbauanleitung neben ihm lag.
Wütend schaute er mich an, während mir ein paar Tränen entschlüpften.
“Es ist schon ein Profi unterwegs um es anzuschließen,” meinte er hochnäsig.
Ich unterdrückte ein Kichern, was mir mehr schlecht als Recht gelang. Dann ging ich zur Anlage schaute sie mir einen Augenblick an un zog den Stecker raus.
Es muss alles immer so modern sein, ob es sich lohnt und etwas nutzt oder auch nicht.
“Männer und Technik”, sagte ich mit arrogantem Blick. Und wollte den gleichen Abgang machen, wie er in meiner Wohnung eben noch, als ich mit Hank zusammen stieß. Und sehr unsanft auf den Boden plumpste. Nun sah ich aus den Augenwinkeln, das er sich nicht das Lachen verkneifen konnte. Ich wurde wieder knall Rot im Gesicht.
“Ach, Guten Morgen Jack. Wie ich sehe hast du schon Mr. Smith kennen gelernt.”
“Nennen sie mich doch Damien, Mr. Mullen.”
“Aber nur wenn du mich Hank nennst. Immer wenn einer Mr. Mullen zu mir sagt fühle ich mich noch älter als ich bin.”
Bäh, schmalz, schmier, schleim.
Na gut vielleicht übertreibe ich ja. Aber so wie sich Hank und unser teuerster Mr. Damien Smith anlachten, als sie sich begrüßten, war meine Laune schon wieder im Keller. Hank sollte mir nicht in den Rücken fallen, sieht er denn nicht das mich mein neuer Nachbar ankotzt.
Hank war ein Alt-Rocker in den 50ern. Er trug gerne Leder, trug einen Biker Schnurrbart und hatte schon einige graue Haare. Aber er ist mir schon nach kurzer Zeit einer der liebsten Menschen geworden. Ich bekam immer seine Zeitung, dafür versuchte ich mich um den kleinen Garten zu kümmern, der hinter dem Haus lag.
Er wohnte im umgebauten Keller und hatte die coolste Plattensammlung die man sich vorstellen kann.
“Gut, du scheinst dein Problem ja voerst behoben zu haben?”
“Na klar, im Notfall einfach den Strom abschalten.”
Oh man, ich muss hier weg bevor ich mich noch übergeben muss.
“Ich werd mich dann mal schleichen, wo “er” doch endlich eine Lösung für das Problem gefunden hat, so ganz alleine.”
Damien beachtete mich schon nicht mehr und Hank winkte zum Abschied.

Den Tag hörte ich manchmal nur noch ein lautes Fluchen, welches wohl von “Profi Elektriker” kommen musste.
Ich lümmelte musikhörend auf der Couch und las mein Buch weiter, nachdem ich mit meiner Zeitung fertig war. Eigentlich sollte man an so einem schönen Tag spazieren gehen, oder andere wären wohl shoppen gegangen, aber all das war nix für mich.
Ich telefonierte noch mal mit Tobey, wo ich erfuhr das seine neue Flamme Milo hieß.
Dann kam mal wieder seine Rede darüber das ich lockerer und vor allem offener dem anderen Geschlecht werden sollte. Wie mich das nervt. Er tut immer so als wäre ich so unnahbar.
Dabei bin ich nur wählerisch. Ich vertraue nicht gleich jedem.
Dazu kommt das ich nicht gerade Aussehe wie der Traum aller Männer. Ich hab so ein durchschnittliches Gesicht und Matschfarbene Haare. Nur meine Augen, die stachen raus, denn sie waren grau. Tobey sagte immer wie eine stürmische See sind meine Augen und meine Launen. Ich bin nicht gerade dünn, ein wenig moppelich halt.Ich bin nicht der große Esser, ich liebe sogar Obst und Salat über alles, aber ich hasse Sport.
Aber die Figur hatte ich schon immer, womit meine Schulzeit auch zur Hölle wurde. Ich denke mein Aussehen war nicht der einzige Grund, aber als es vorbei war vermisste ich keinen meiner Mitschüler.
Danach legte ich noch mal einen späten Mittagsschlaf hin und kochte Pesto.
Abends machte ich mich dann mit meinen üblichen Klamotten fertig. Etwas Schminke, aber ja nicht zu viel. Ich stand weder auf Tussen-Look, noch auf Goth. Gut ich habe nix gegen Gothic Musik, aber deswegen muss ich noch lange nicht mein Gesicht zu kleistern.
Ich nahm den Bus zur City und war innerhalb einer halben Stunde da.
Tobey stand schon mit Milo an der Bar, und so bald er mich sah bestellte er Jim Beam Cola.
Heute spielte eine Band die ich schon mal auf einem Festival gehört hatte, sie waren echt geil. Kärbholz, ich muss mir unbedingt deren Alben kaufen.
Wir gingen nach vorne um zu rocken.
Ich hatte riesen Spaß und ließ mich nach einer Weile einfach von der Musik tragen und vergaß alles um mich herum.
Irgendwann begann ich mich beobachtet zu fühlen und merkte das die beiden Jungs nicht mehr da waren. Ich ging zur Bar, aber dort fand ich sie auch nicht.
Mir wurde ein wenig mulmig. Das ist doch gar nicht Tobey´s Art ohne ein Wort zu gehen. Ich ging raus auf den Parkplatz um zu schauen, ob sein Auto noch da steht. Aber es war nicht mehr zu sehen.
Der einzige Wagen der meine Aufmerksamkeit erweckte, war ein schwarzer Mustang Shelby GT. Wenn ich auch keine Ahnung von Auto´s hab, mein Traumauto erkenne ich immer sofort.
Schon wieder fühlte ich mich als würde ich beobachtet werden. Aber außer einer kleinen Gruppe am Eingang war niemand zu sehen. Und schon gar keiner der mich beachtete.
Ich schaute auf mein Handy nach ob ich eine Nachricht von ihm bekommen hatte. Nichts. Ich versuchte ihn anzurufen, aber nur die Mailbox meldete sich. Da ich Milos Nummer nicht hatte, konnte ich es in der Richtung auch vergessen.
Also musste ich mich wohl zu Fuß auf den Nachhauseweg machen. Es fuhr kein Bus mehr in meine Richtung, und ich hatte nicht genug Geld für ein Taxi. Mürrisch ging ich los und grub in meiner Tasche um mein Pfefferspray zu suchen, man weiß ja nie wen man so trifft.
Langsam bekam ich jetzt auch noch das Gefühl verfolgt zu werden. Ich drehte mich immer wieder um, aber nie war jemand zu sehen. Langsam dachte ich, ich würde Paranoid werden. Aus Vorsicht aber ging ich nicht durch den Park, der zu dieser Stunde nur noch schlecht beleuchtet war.
Ich meine in den Horror Filmen, sind die, die in den Park oder Wald gehen doch auch immer die Idioten.
Aber nicht mit mir. Ich machte den mühsamen Umweg über die Sraße. Welche aber auch nicht viel belebter war. Es kamen nur vereinzelt Auto´s an mir vorbei, und Fußgänger waren keine mehr unterwegs zu dieser Stunde.
Ich hörte meine Stiefel auf dem Asphalt klackern. Die Straßenlampen kamen nur sehr selten, und leuchteten auch nicht sehr stark.
Der Himmel war bedeckt, und vom Mond war nichts zu sehen.
Ich fühlte mich immer unwohler, ich sah schon Schatten die sich bewegten. Und jetzt fiel mir auch auf, das der Mustang schon z um2. mal an mir vorbei fuhr. Ich konnte nicht sehen wer da drin saß, es war einfach zu dunkel. Scheiße ich bekam echt schiss.
Ich begann zu joggen. Verflucht morgen melde ich mich als erstes in einem Fitnessclub an. Mein Herz begann in einem immer schnelleren Rythmus zu schlagen. Meine Lunge fühlte sich schon nach kurzer Zeit als wollte sie bersten. Mir ran der Schweiss in die Augen.
Als ich in die nähe meiner Wohnung kam, hatte ich die übelsten Seitenstechen meines Lebens. Es fühlte sich an, als ob mein Herz und die Lunge aus meinen Mund springen wollte. Es wurde mir richtig schlecht.
Ich musste erst mal verschnaufen, bevor ich auch nur daran dachte die Treppen in den zweiten Stock zu steigen.
Im Haus brannte kein Licht. Hank musste schon schlafen. Und wo sich Mr “Obercool” befand war mir ja eh scheiß egal, das versuchte ich mir auf jeden Fall einzureden.
Als ich mich etwas beruhigte, ging ich hoch.
Kaum angekommen überprüfte ich gleich zweimal ob ich die Tür richtig abgeschlossen hatte. Genauso die Balkontür. Ich schaltete in jedem Zimmer ein Licht an und kuschelte mich auf die Couch.
Ich bereute es das ich keine Zeit für einen Hund hatte. Denn die Angst wollte einfach nicht verschwinden.
“Ach Jack, du hast dir das alles nur eingebildet. Du übereagierst.”
So sehr ich auch versuchte mich zu beruhigen, drückte ich mein Kissen immer fester an mir und starrte die Wand an.


Irgendwann muss ich wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn ich wurde von einem hämmernden Geräusch geweckt.
Erschrocken blickte ich um mich. Ich war sofort hellwach. Und begab mich vorsichtig zur Tür, woher der Lärm kam. Als ich mich näherte, hörte ich Tobey schon wie bekloppt meinen Namen rufen.
Ich öffnete die Tür und wurde von ihm fast erdrückt. (Der trainierte ja auch regelmäßig).
“Oh Jack, meine liebste Jack”, schniefte er immer wieder.
“Ich hab mir ja solche sorgen um dich gemacht.”
“Bitte, Tobey, ich ersticke”, ächzte ich leise, weil ich mehr nicht herausbekam, da er nicht merkte, das er mich zerquetschte.
“Ah, tut mir leid, tut mir leid, tut mir wirklich so leid.”
Langsam kam er von mir los und schaute mich leicht verheult an.
Dann viel mir ein, was ich wegen ihm gestern durchgemacht habe und fing an wie doof, mit einem Sofakissen auf ihn einzuschlagen.
“Du verdammter Mistkerl, was fällt dir ein so einfach und ein Wort zu sagen, mich ganz allein zu lassen.”
Er atmete einmal tiel durch und setzte sich mit mir auf das Sofa.
“Als, du vor der Bühne warst, sind wir vor die Tür gegangen um Luft zu schnappen.” Er wirkte auf einmal sehr sauer.
“Da kamen zu ein paar Typen und haben Stress gemacht. Das artete in eine kleine Schlägerei aus und Milo haben sie voll im Gesicht erwischt. Er blutete wie sau aus der Nase und ich hab ihn gleich ins Krankenhaus gefahren. Ich wollte dich nicht alleine dort lassen, aber vor Schreck hab ich dich vergessen.”
Er schaute ganz traurig drein.
“In der Notaufnahme hatte ich kein Empfang und später hab ich immer wieder versucht dich anzurufen.”
Ich musste den Schreck erst mal verdauen.
“Geht es Milo gut?”
“Er hat eine gebrochene Nase und eine leichte Gehirnerschütterung. Sie haben ihn stationär aufgenommen. Und ich bin über Nacht geblieben, weil wir seine Familie nicht erreicht haben. Heut früh bin ich gleich zu dir gefahren, weil ich mir solche sorgen gemacht habe.”
Ich musste mehrmals schlucken bis ich meine Stimme wieder fand.
“Er wird doch wieder?”
“Ja, keine Sorge. Sie behalten ihn für ein paar Tage zu Beobachtung dort. Seine Schwester wird heut Vormittag bei ihm vorbeischauen. Und ich wollt am Nachmittag wieder zu ihm.”
Der Kerl musste ihm ja wirklich was bedeuten. Ich kramte nach meinem Handy und stöhnte.
“Na klasse. Akku lehr. Diese scheiß neuen Handys kann man echt bald jeden Tag aufladen.”
Ich warf es achtlos in die Ecke und drückte meinen Engel ganz fest an die Brust.
“Soll ich uns Frühstück machen?”
“Danke, aber nein. Jetzt wo ich mir sicher sein kann das es dir gut geht, werd ich mich nach Hause machen, wenn das o.k für dich ist. Ich bin sehr müde.”
“Das glaub ich dir. Ich leg mich auch noch mal ins Bett.”
Er gab mir einen Kuss und ging zur Tür.
“Wir telefonieren dann später nochmal, wenn ich heut abend nach Hause komme und du dein Handy wieder aufgeladen hast.”

Den Tag verbrachte ich mit kitschigen Liebesfilmen, Essen vom Lieferservice und einer ganzen Menge heißer Schokolade.
Als ich mit Tobey telefonierte, überlegte ich, ob ich ihm von meiner gestrigen Panik Attacke erzählen sollte. Fand es aber übereilt ihn von meiner Paranoia zu berichten. Entweder er machte sich über mich lustig, oder hielt mich für verrückt. Da mir beides nicht passte hörte ich einfach nur zu wie er mal wieder über Milo sprach.

Am Montag Morgen ging ich zur Uni.

Ich lief durch die Flure um zu meiner Vorlesung nicht zu spät zu kommen. Wie eintönig diese weißen Wände sind. Man müsste doch meinen, das sie in einer Bildungsstätte mehr aufbieten könnten als miese Kunstdrucke an den Wänden. Immerhin ist die Universität Seraphim mit seinen 150 Jahren schon ein echter Hingucker. Und dieses ´Schloss` ist noch viel Älter, und einfach riesig. Kennt ihr das Banff Springs Hotel im Banff National Park, in Alberta, Kanada? Mit der Größe lässt es sich gut vergleichen.
Es wirkt mit seinen im barocken Stil märchenhaft. All diese schwingenden Formen und Kuppeln. Die reich verzierten Aussenwände mit seinen ornamentalen Schmuck, den man nur sieht wenn man sich die Mühe macht alles genau zu betrachten. Wo bei dem beeindruckenden Gebäude kaum einer hinsieht. Es hat überall Aussichtspunkte, um die umgebenen Berge zu beobachten. Und man kann den größten Teil der City, im Tal, überblicken.
Ich könnte mich stundenlang damit beschäftigen, da man immer wieder etwas neues findet. Vor allem haben es mir die Engel angetan. Es gab nicht nur Putten, die für die Zeit der Erbauung so typisch waren. Überall fand man Figuren, Statuen und Bilder von Personen mit Heiligenschein, Flammenschertern und Flügeln.
Mmmhh. Flügel. Fliegen.
Was würd ich nicht dafür geben Fliegen zu können. Die Augen schließen, Einatmen und in die höhe zu schießen. Und dann einfach treiben. Die Welt von oben sehen. Abstand von diesem Elend nehmen das sich Leben nennt.
Wie oft ich schon geträumt habe dieser Welt entfliehen zu können.
Ich lebte seit dem letzten Sommer hier. Und dieser Ort ist gut. Schließlich bin ich soweit wie möglich weg von meiner Heimtat, ohne in einer menschenlosen Eiswüste leben zu müssen.
Gut so schlimm ist es für mich nicht Alleine zu sein. Ich bin es sogar gerne. Aber um die Vergangenheit nicht zu wiederholen, würde ich alles machen.
Nie wieder!

Ich eilte in den Vorlesungssaal, und dachte darüber nach, wie ich dieses neue Sommersemester beginnen sollte. Ich weiß eigentlich nicht was ich mal werden will. Und so schreib ich mich immer wieder für Sachen ein die mich wenigstens halbwegs interessieren. Denn studieren kann ich so lange ich will. Hab so ne Art Treuhänderfond der das ganze bezahlt so lange ich studieren will. Es ist auch ein wenig für Unterkunft und Essen drin. Aber sonst nichts. So ein Typ bezahlt die Uni und ich bekomme monatlich immer einen Scheck für das nötigste geschickt.
Da es aber nicht wirklich fürs Leben reicht, kellnere ich nebenbei. Ich würde zwar lieber in einer verstaubten Bücherei sortieren. Aber das ist gegen die Regeln. Ich muss ein paar Menschen auffallen. Ideshalb habe ich Freunde und Bekannte. irgendwer soll sich erinnern und sich fragen wo ich bleibe, wenn...

„Guten Morgen, und Herzlichst Wilkommen zum neuen Semester. Mein Name ist Professor Smith, Damien Smith. Und das ist die Vorlesung zum Thema Angelogie aus dem Bereich der theologischen Dogmatik.“
NNNNNNNNNNEEEEEIIIIIIIIIINNNNNNNNNNN!!!!!!!!!!!
Das ist jetzt nicht war. Scheiße, er war es wirklich. Ich musste mehrmals hinschauen. Aber da stand er. Meine Fresse. Und er sah auch noch total scharf aus. Das meinten wohl auch andere Kommolitoninnen, die grad hastig aufgesprungen waren um zu ihrer richtigen Vorlesung zu kommen und sich eilligst wieder setzten.
„Wie schön dich hier zu sehen `Jack´. Und das auch noch ohne uns mit deinem hysterischen schreien zu beglücken. Aber keine Sorge, ich werde nicht mehr so schnell irgendetwas von dir anfassen. Deine Reaktion ist doch gewöhnungsbedürftig.“
Ich wurde knallrot.
Um mich rum wurde gekichert und getuschelt.
Das würde er bereuen. Ich weiß nicht wann, oder wie. Aber es wird teuflisch.
Warum musste ich mich denn unbedingt hier für einschreiben. Ich war nicht religiös. Ich wollte doch nur mehr über Engel erfahren. Und als ich es im Vorlesungsverzeichnis sah wurde ich neugierig. Es wurde zum ersten mal hier an der Uni angeboten.
Normalerweise ist es ein Fach für Theologistudenten. Aber in der Beschreibung sagten sie, das es nicht nur um dogmatisches Denken ging, sondern eher Kulturen-, Zeitalter- und Religiös Unabhängig war. Mehr so was wie Geschichte. Nun ja. Die Geschichte des Mythos Engel.
Ob ich in einen anderen Kurs noch wechseln könnte?
Dienstags hatte ich Musikwissenschaft und Mittwochs Kunstgeschichte. Die restlichen Tage der Woche war ich lernen, arbeiten, lesen und Tobey.

„Das Wort Engel, lateinisch angelus und im griechischen ángelos, bedeutet Bote oder Abgesanter der in den jüdischen, christlichen und islamischen Religionen vorkommt.
Wir finden sie im Tanach, dem Alten und Neuen Testament, sowie im Koran.“
Ich konnte nicht anders als seiner beeindruckenden Stimme zu lauschen. Sie war stark, und ereichte jeden, bis in die hinterste Ecke. Und dabei sprach er nicht sehr laut.
„In den Schriften heißt das es verschiedene Ränge / Chöre unter den Engeln gab. An oberster Stelle standen die Erzengel. Je nach Ursprung, von Religion oder in der modernen Zeit der Esoterik, haben sie eine unterschiedliche Anzahl.“
Er ging während er erzählte durch den ganzen Raum. Dieser gehörte nicht zu den großen Vorlesungssäalen, sondern glich eher einem normalen Klassenzimmer. Eine Wand bestand nur aus großen Fenstern und zeigte den Park. Die riesigen Eichen und Buchen luden im Sommer zum Lernen und Lümmeln ein. Durch den Fenstern leuchtete das Licht bezaubernd durch den Raum. Diese Atmosphäre lies einen ganz in der Geschichte von Damien verlieren.
„Im Judentum sind Gabriel und Michael die ersten von sieben Erzengeln. Aber später zählten sie zusammen neun Erzengel. Darunter auch Raphael und Uriel.
Im christlichen Glauben sind diese vier genannten die meist genanntesten Erzengel, wobei Uriel nicht immer dazugehört hat. Bis heute wurden, je nach Schrift, die Gesammtzahl der Erzengel der Christen auf bis zu zwölf erhöht.
Der Koran nennt vier Engel mit besonderem Status:
Azrael, der Todesengel;
Israfil, der Engel des Jüngsten Gerichts;
Dschibril, der Übermittler der göttlichen Weisheit, den man bei uns als Gabriel kennt;
Mika´il/Mikaal, der Engel der Naturereignisse, welcher übersetzt Michael heißt.“

Er erzählte noch einiges über die jeweiligen Schriften. Und als die Zeit rum war, brauchte ich einen Moment um mich wieder im hier und jetzt widerzufinden.
Ich blinzelte ein paar mal und lockerte meine versteiften Schultern. Ich hatte gar nicht gemerkt wie steif ich gesessen hatte. Um mich herum packten die Leute ihre Sachen. Und Caroline machte sich gleich los um Damien zu bequatschen. Sie flirtete ziemlich heftig und lies dann auch noch ihren Stift fallen, um sich vor im bücken zu können. Dabei sieht man doch bei ihrem Mini Rock eh mehr Fleisch als Stoff.
Das ganze schien Damien zu gefallen. Und das ärgerte mich sehr. Und das ich mich darüber ärgerte machte mich sauer.
Hallooooo! Sagte ich zu mir. Er war, ist und wird auch in Zukunft ein Arschloch sein. Und ich interessiere mich kein bisschen für ihn. Punkt!
Aber in diesem Moment blickte er mich an. So durchdringend und intim, als könnte er in mein Innerstes sehen. Diese Augen, diese Kraft. Ich hörte auf zu atmen. Ein Gefühl der Wärme breitete sich in mir aus. Er schien genauso gefesselt zu sein wie ich von ihm. Ich sah ein leidenschaftliches Glitzern in seinen Blick.
Und dann, als wäre nichts geschehen drehte er sich um ging. Caroline schaute mich böse an, als sie den Raum verlies.
Was sollte das denn?

Ich begann meine Klamotten zusammen zu räumen, da fiel mir auf, das ich nichts mitgeschrieben hatte. Scheiße! Nein, egal. Ich will sowie so aus dem Kurs austreten.
Aber das wirkte ja so, als würde ich mich von ihm einschüchtern lassen. Und ihm würde es klar sein das er der Grund dafür wäre. Ich wollte ihm zeigen, das er mich nicht unterkriegen konnte. Das würde ich nicht zulassen.
Aber woher bekam ich jetzt Notizen her. Damien würde ich nicht fragen und Caroline bestimmt auch nicht.
Also, ab in die Bibliothek.
Wir sehr ich sie liebte. Sie wurde in einem ganzen Flügel untergebracht. Und der oberste Stock hatte in der Mitte ein rundes Glasdach. Im Winter ist dieses immer eingeschneit, aber jetzt im Frühling, kann man die Berge und die Sonne wieder bestaunen. Ich ging erst in die Theologische Abteilung und dann suchte ich noch ein paar Bücher der Esoterik heraus.
Ich lies mich mit meinen Stapel an einen der großen Tische nieder und begann zu lesen. Es war hier alles auf richtig alt getrimmt.
Große, schwere Holzregale hielten die Bücher. Das Leder in das noch viele Bücher eingebunden waren, fühlte sich rau, herb und warm an. Die Luft roch leicht modrig und war trockener, wie im Rest des Gebäudes. Es war neben meiner Wohnung, der schönste Platz den ich kannte. Da gab es die Schiebe-Leitern an den Regalen, stählerne Wendeltreppen und alles reich verziert. Hier fand man geschnitzte Meerjungfrauen auf den Sockeln und riesige Drachen hingen an der Decke. Und immer und überall Bilder und Statuen von Engeln. Die Computer waren mit hölzerne Trennwänden umgeben. Und die Tische hatten für jeden Platz eine kleine Tischlampe mit grünen Glasschirm.
Ich vergrub mich in meine Lektüre und lies die Stunden vergehen, während ich mir Notizen machte.

Der Erzengel Gabriel nennt man auch die „Stärke Gottes“.
Er verkündete Maria die Geburt Jesu und übermittelte den Propheten Mohammed die Verse des Koran. Auch tröstetete er Adam, nach der Vertreibung aus dem Paradies, welches er auch bewacht. Er zählt zu den sieben Wächterengeln und ist der Engel der Verkündung, des Neubeginns und Übergangs.
Er herrscht über das Wasser und regiert die Welt der Gefühle, der Emotionen und des Unterbewusstseins. Er bestehe nur aus Feuer und seine Zeichen seien die Farbe Blau, die Lilie, Gold und der Mond.


Der Erzengel Michael hat den Beinamen „Er ist wie Gott“.
Er ist ein Wächterengel und Schutzpatron des Volkes Israel. Er stürzte Luzifer hinab auf die Erde und tröstete Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies. Desweiteren unterstützte er Adam und Eva nach ihrem Tod und deren Sohn Seth. Er hütet das Tor des Paradieses und verwehrt den Menschen deren Rückkehr dorthin. Er erstellt ein Verzeichnis über die guten und schlechten Taten eines jeden Menschens und geleitet die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits. Er gilt als Vizekönigs des Himmels, der Fürst des Lichts und des Heer des Herrn, mit welchem er auch nach Sodom ging. Michael besteht ganz aus Schnee, ist barmherzig und langmütig. Seine Zeichen sind die Sonne, das Silber, die Waage, das Flammenschwert, und die Farbe ist Rot. Er ist der Patron der Soldaten und Krieger.

Ich verlor mich in den Buchstaben, und als ich merkte wie spät es war, nahm ich ein paar Bücher mit nach Haus.
Im Bus dachte ich noch einmal über Damien nach. Ich wurde plötzlich ganz kribbelig, bei dem Gedanken ihn jetzt so regelmäßig zu sehen. Ob ich ihn zu Hause treffen würde? Ich stöhnte über mich selbst, meine Gedanken und die Gefühle die er bei mir erzeugte.
Aber die Garage stand offen und leer. Kein Licht brannte in seiner Wohnung.

Als ich die Haustür aufschloss, kam mir Hank entgegen.
„Na da bist du ja endlich. Ich warte schon eine ganze Weile auf dich!“
Ich schaute ihn neugierig an und sagte erst mal:
„Hallo, wie geht’s denn?“
„Oh, sehr gut. Ich wollt dich fragen, ob du heute bei mir Essen möchtest? Ich hab Risotto gekocht.“
O.K. Das kann ja nur bedeuten das er was will. Oder, auch nicht, dachte ich mir. Kann denn niemand was nettes für dich tun, ohne gleich Hintergedanken haben zu müssen?, beschimpfte ich mich.
Also lächelte ich zustimmend und ging mit Sack und Pack in seine Wohnung.
Sie war sehr spartanisch eingerichtet. Nur das nötigste, denn die riesige Plattensammlung nahm eine menge Platz ein. Wir gingen ins größte Zimmer, in der sich die Küche und das Wohnzimmer befand. Der Raum wurde von einer großen Theke getrennt, an der sich ein paar Stühle lehnten.
Es duftete nach Knoblauch und Zwiebeln. Manche Leute stört ja sowas, aber mich nicht. Es versprach ein richtig leckeres Essen zu werden. Über meinen Geruch Morgen, machte ich mir keine Gedanken.

„Das riecht ja so was von gut hier,“ sagte ich und setzte mich an die Theke.
„Nimm dir ruhig schon was zu Trinken, es wird gleich serviert.“
Ich nahm mir die Cola und horchte welche Musik gerade lief. Credence Clearwater Revival mit Bad Company. Nicht schlecht.
Es gab im Flur noch zwei weitere Türen zu denen man ins Bad und ins Schlafzimmer kam. Er besaß eine fette Harley und hat in seinem Leben schon viele Kilometer des Landes gesehen. Manchmal war ich schon neidisch auf seine Erfahrungen. Aber er lies durchblicken, das er einige seiner Entscheidungen bereute. Darauf er ging er nur nie näher ein.
„So da hätten wir einen Teller für dich und einen für mich. Da hab ich auch noch frisch geriebenen Parmesan extra.“
„Du verwöhnst mich“, sagte ich und langte zu.
„Wie war dein erster Tag in der Uni? Hattest du schon so viel Hausaufgaben auf?“
„Nein, ich hab nur für ein Thema aus meinem heutigen Kurs recherchiert. Und als ich die Bibliothek betrat, hab ich mal wieder alles um mich herum vergessen. Hätte ich nicht ne Flasche und ein Müsliriegel dabei gehabt, wär ich wohl dort, ohne es zu merken verhungert und verdurstet.“ Ich grinste leicht verschämt.
„Jack, Jack, Jack. Muss ich mir etwa sorgen machen um dich?“
„Nein Mama. Alles prima!“ sagte ich zum scherz.
„Na dann. Hast du denn auch unseren neuen Mitbewohner kennengelernt. Ich wollte ihn eigentlich auch einladen, er war nur kurz da, und meinte, das er es leider nicht schaffen würde.“
Ich verdrehte die Augen. Ich hatte mir heute verboten noch einmal an ihn zu denken.
„Jetzt sag schon. Beherbergen wir den neuen Nobel-Preisträger?“
Ich stützte meinen Kopf mit einer Hand ab um zu überlegen was ich sagen sollte. Er würde es ja eh rausfinden, von unserem Plappermaul.
„Ja. Er unterrichtet Angelogie. Das ist der Kurs den ich heute hatte.“ Muffelte ich mir zusammen.
„Was für ein glücklicher Zufall. Wer kann schon behaupten mit seinem Professer zusammen wohnen zu können? Er könnte dich ja mitnehmen zur Universität, dann bist du nicht mehr so auf den Bus angewiesen.“
Es klingelte und er ging die Tür aufmachen, als ich ihm hinterher rief:
„Wir wohnen nicht zusammen. Dieser Kerl lebt nur unglücklicherweise im gleichen Haus. Mehr will ich mit ihm nicht zu tun haben!“
„Ach, quatsch“, kam zur Antwort.
„Und du solltest nicht so über einen deiner Professor reden. Schon gar nicht, wenn wir zusammen Essen.“
Ich blickte verdutzt zur Zimmertür, und da stand er einfach. Er sah hinreissend aus. Und als er mich sah, fing er an zu grinsen.
„Ach guten Abend Jack. Schön dich wieder zusehen. Da kann ich ja gleich mal fragen wie die Studenten meine Vorlesung fanden.“
Als hätte nicht jeder kurze Rock sein Büro gesucht, um sich an ihn ran zu machen.
„Oh, sie erzählte mir gerade wie interessant sie es fand.“
Ich schaute Hank geschockt an.
„Bitte was? Nein!“ keuchte es aus mir heraus. Aber es beachtete keiner.
„Das freut mich zu hören Jack.“
„Ja und sie hat den ganzen Tag in der Bibliothek verbracht um für das Thema zu recherchieren. Sie hat sogar vergessen zu trinken und zu essen. So sehr haben sie sie für ihr Thema gefangen.“
„Das habe ich nicht gesagt.“ protestierte ich.
„Ach wenn nur jeder Student, so verantwortungsbewusst wäre“, sagte Damien in einem väterlichen Ton zu mir. Was bildete sich dieser Kerl nur ein. Und was dachte sich Hank dabei so ein scheiß zu erzählen.
„Ich dachte du hätten zu viel zu tun, als sich mit uns zu treffen?“
Ich war schon wieder stink sauer und mein Gesicht glühte bestimmt vor Röte. Das ist so peinlich.
„Ich war schon früher fertig als gedacht, und wollte sehen, ob ich es nicht doch noch schaffe.“
„Ja, schade das es geklappt hat!“
„Ach das meint Jack nicht so. Ihr ist es bestimmt nur unangenehmen das ich mich verplappert hab wie sehr sie dich bewundert.“
Wann ist aus Hank eine mütterliche Glucke geworden? Und was fällt ihm ein so ein schrott zu labern. Ich glaubte aus meinen Ohren müsste Rauch pfeifen.

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Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011

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