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Mein neues Leben

Ich stand vor einer Tür. In meinen Gedanken symbolisierte diese Tür einen Neuanfang, doch in Wahrheit war es nur die Tür zu einem Klassenzimmer. Meinem neuen Klassenzimmer. Langsam hob ich meine Hand, ballte sie zur Faust und klopfte sacht an die Tür. "Herein", kam es zurück. Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür. Dann betrat ich den Raum.

Die Klasse war recht groß. Vor mir saß die Lehrerin an ihrem Pult. Rechts von mir saßen etwa dreißig Schüler und sahen mich an. Ich musterte sie unauffällig, mir fiel auf, dass nur zwei Mädchen unter ihnen waren. " Hallo", meinte die Lehrerin freundlich und lächelte mich an, "ich bin Frau Krah. Du bist bestimmt Jenny." "Ja, die bin ich", antwortete ich. Daraufhin bat mich Frau Krah:" Dann stell dich doch bitte mal vor."

Es war unangenehm von all den neugierigen Blicken der Jungs angestarrt zu werden. Ich merkte wie meine Knie weich wurden und meine Hände langsam anfingen zu schwitzen. Das passierte jedes Mal, wenn ich vor anderen sprechen musste und das einzige was man hörte meine hohe Stimme war. Ich hatte mir doch vorgenommen dieses eine Mal etwas besser zu machen. Das war der Neuanfang auf den ich Monate lang ungeduldig zugesteuert war und mich immer wieder aus den Bahnen gerissen hatte. Dieses Mal würde alles anders werden.

Plötzlich wurde mir ganz kalt und meine Hände fingen an zu zittern, obwohl mir eben noch so heiß war. Meine Hände verkrampften sich und ich ballte sie zu kleinen zierlichen Fäusten zusammen. Okay, jetzt ganz ruhig und cool bleiben sagte ich mir immer wieder innerlich, aber das war nicht so einfach wie es klang. Jetzt schluckte ich noch einmal heftig und fing an zu reden:

"Hey Leute! Ich bin Jenny Hilson. Freut mich euch kennen zu lernen." Das klang gar nicht mal so schlecht. "Lasst uns gute Freunde werden." Na klasse, das war ja mal ein wirklich intelligenter Satz. Doch keiner schaute mich belustigt oder herablassend an, sie lächelten immer noch und musterten mich interessiert. Dann fügte ich noch hinzu:" Ich bin fünfzehn Jahre alt und habe bisher in Hessen gewohnt." Einer der Jungs hob die Hand und fragte:" Warum bist du jetzt hier? Und bekomme ich deine Handynummer?" Die ganze Klasse stöhnte genervt auf und er grinste. "Meine Nummer geb ich dir nachher", antwortete ich und lächelte schüchtern. Die andere Frage ignorierte ich. Das ging ihn nichts an.

Ich hörte wie der Nachbar des Jungen ihm zu flüsterte, dass er ihm meine Nummer auch geben sollte. Okay, entweder die wollen mich verarschen oder die finden mich hübsch. Das wäre aber ziemlich unwahrscheinlich, da mich in meiner alten Schule alle deswegen gemobbt haben.

"Jenny, setzt du dich bitte auf den freien Platz neben Naomi." Die Lehrerin zeigte auf den freien Platz am Fenster neben einem großen schlanken Mädchen mit langen blond-roten Haaren die ihr über die Schulter fielen. Als sie meinen neugierigen Blick registrierte, lächelte sie mich freundlich an und zeigte auf den Platz neben ihr. Ich war wirklich erleichtert als sie mich zu sich winkte. Es nahm mir irgendwie eine große Last von den Schultern. Als ich mich Schritt für Schritt meinem zugewiesenem Tisch näherte merkte ich wie sich einer der Jungs zu einem anderen beugte und anfing zu kichern. Was war so lustig? Der andere Junge reagierte jedoch nicht darauf und lehnte sich nur lässig zurück. Leider konnte ich sein Gesicht nicht genau erkennen, weil sein Kopf gesenkt war und seine Haare ihm ins Gesicht fielen. Als der Junge, der zuvor noch gelacht hatte, merkte das der Junge nicht darauf reagierte und seine Desinteresse in Kenntnis genommen hatte, wandte er seinen Blick wieder ab und schnalzte mit der Zunge. Als ich meinen Platz ereicht hatte, lächelte mich das Mädchen neben mir mit einem breiten grinsen an und zwinkerte mir zu. Sie lehnte sich zurück und fing an mich aufzuklären: "Nimm die Jungs nicht zu ernst. Sie wissen einfach nur nicht wann Schluss ist. Sie haben wahrscheinlich gelacht, weil du dich neben mich setzen musst. Also mach dir keine Sorgen, mit dir ist alles okay. Ich heiße übrigens Naomi." Irgendwie strahlte sie eine vertraute Aura aus. Ihre Worte wirkten so beruhigend auf mich.

"Aber warum sollten sie über dich lachen?" Jetzt grinste sie mich schelmisch an.

"Ich seh vielleicht nicht so aus, aber man könnte fast meinen ich bin ein Freak." Jetzt war ich überfordert.

"Ein Freak? Warum das?" Jetzt musterte sie mich interessiert und griff anschließend nach ihrer Schultasche.

"Na gut, wenn du es unbedingt wissen willst. Nur zu." Sie grinste mich schelmisch an und machte den Reißverschluss auf. Ich musste einmal mehr zwinkern um zu registrieren was genau da aus ihrer Tasche raus gequollen kam. Es waren unmengen an Shoujo-Mangas.

"Tja, ich bin halt ein richtiger Otaku.", prahlte sie stolz.

"Otaku? Was soll das denn sein?", fragte ich verwirrt.

"Was?! Nicht mal das weißt du? Ohje arme Mangas. Sie nimmt euch bestimmt nur auf den Arm." Oh Gott, jetzt fing sie auch noch an mit ihren Mangas zu reden. Ich verstand die Welt nicht mehr. So allmählich fing ich an zu verstehen, was sie mit Otaku meinte. Aber trotzdem war sie nett und irgendwie durch ihren eigenen kleinen Knall ganz süß. Jeder hat nunmal seine Macken.

Plötzlich hörte sie auf zu lachen und guckte mich ernst an:

"Aber da gibt es eine Sache die du hier unbedingt wissen solltest." Nun lief es mir eiskalt den Rücken runter.

"Was meinst du?", fragte ich ganz ruhig.

"Der Junge mit den blonden Haaren dort, der gerade schläft..." Unauffällig zeigte sie auf den Jungen, dessen Gesicht ich zuvor nicht erkennen konnte. So so, er schläft also. Muss wohl ein ganz feiner Typ sein, wenn er mitten im Unterricht einschläft. Aber wenn ich genau darüber nachdenke, war er der einzige der nicht gelacht hatte.

"Ja, was ist mit ihm?", wollte ich wissen. Sie fing weiter an zu reden: "Er mag vielleicht wie ein reiner kleiner Engel wirken, wenn er schläft, aber lass mich dich warnen, komm ihm niemals in die Quere." Wow, das hatte aber jetzt gesessen. Ich verstand nur noch Bahnhof. Als sie meine verwirrten Blick auffing grinste sie belustigend und fing an mich ein weiteres Mal aufzuklären:

"Ich rate dir, bleib lieber fern von diesem Kerl. Das ersparrt dir alle Unannehmlichkeiten. Er ist der Kern hier. Man merkt schon an seinem Aussehen, das er aus einer reichen Familie kommt. Alle hier hören auf ihn. Also mach ihn dir bloß nicht zum Feind." Noch eine Weile lang ruhte ihr Blick auf mir. Dann wendete sie sich wieder ab und fing an das Thema zu wechseln, als wäre nichts passiert.

Sie hatte recht. Vor allem für mich wäre es das Beste mich abseits zu halten. Ich wollte nicht noch so ein Desaster wie an meiner alten Schule.

 

 

Du kotzt mich an! - SV-Dienst

Seit dem war eine Woche vergangen und ich hatte mich mittlerweile an das Schulleben hier gewöhnt. Mit Entsetzen musste ich jedoch feststellen, dass ich mich in eine Schule eingewählt hatte, die zuvor noch eine reine Jungenschule war. Kein Wunder also, dass wir nur drei Mädchen in der Klasse waren.

"Was?! Du hast das nicht gewusst? Nicht dein Ernst, oder?", hieß es. Naomi konnte sich gar nicht mehr einkriegen. "Jetzt lach doch nicht. Kann doch jedem mal passieren.", schmollte ich.

"Nein, nur dir.", erwiederte sie skrupellos.

Naomi hatte dieses natührliche Lächeln, was ich so mochte. Wenn sie über einen lachte brauchte man sich überhaupt nicht schämen. Sie nahm das alles so locker, dass man schon selbst wieder drüber lachen konnte. In dieser einen Woche sind wir richtig gute Freunde geworden. Nur das andere Mädchen in unserer Klasse war mir noch nicht so vertraut. Sie war nicht so offen, wie Naomi es war, und kam nicht so einfach auf einen zu. Wenn man jedoch ein Gespräch mit ihr anfing, erwiderte sie es munter. Sie schien jedoch mehr Freunde in den anderen Klassen zu haben und war deshalb in den Pausen nie bei uns.

Nach einer Woche hatte ich mich schon an dieser neuen Schule so richtig eingelebt. Auf einmal hörte ich ein leises Wimmern. ,,Naomi, hörst du das auch?", fragte ich die Otaku, sie nickte. Wir folgten dem Geräusch bis zu einer Besenkammer. Vorsichtig öffnete Naomi die Tür. In dem Kämmerchen saß das andere Mädchen aus unserer Klasse. Obwohl ich mich manchmal mit ihr unterhalten hatte, konnte ich mir ihren Namen nicht merken, dennoch fragte ich: ,,Was ist denn los? Warum weinst du?" Sie setzte zu einer Antwort an, doch alles was sie herausbekam, war ein weiteres Schluchzen. ,,Cho, was ist denn los?", wollte nun auch Naomi wissen. ,, Jake", schluchzte sie. Wir sahen sie erwartungsvoll an. ,, Er hat meinen Eltern erzählt, dass ich mit Max aus der Paralellklasse zusammen wäre!" Ich verstand nicht was daran so schlimm sein sollte und warf Naomi einen fragenden Blick zu. Diese merkte, dass ich das nicht verstand und erklärte: ,, Cho kommt, genau wie ich, aus einer japanischen Familie. Viele Eltern erlauben es nicht, dass ihre Töchter einen festen Freund haben. Meine sind da zum Glück etwas lockerer, Chos Eltern hingegen sind wirklich sehr streng, sie ist nur auf dieser Schule damit ihr großer Bruder auf sie 'aufpassen' kann." "Wenn mein Bruder nicht wäre, wäre ich auf einem Mädcheninternat gelandet", schluchzte Cho. Ich sah Naomi schockiert an, dann hockte ich mich neben die auf dem Boden sitzende Cho und nahm sie sanft in den Arm. Nach einer kurzen Zeit versiegten ihre Tränen und ich reichte ihr ein Taschentuch. Sie wischte sich die Tränen ab, überprüfte kurz ihre Wimperntusche und lächelte uns dankbar an.

 Naomi nahm Cho's Hände und zog sie hoch. ,,Jetzt schmieden wir einen Racheplan", beschloss ich und grinste fies.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.03.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Leser die Gefallen daran finden

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