Der Wächter des Waldes – Ein Gedicht über einen alten Baum
Dunkle Schatten drohen stille,
in der Abenddämmerung
Nur so manche kleine Grille,
Zirpt einmal, ist dann stumm.
Mit kahlem Finger reckt er sich,
durch die tiefe Dunkelheit,
Nebel flüstern, erweckt ihn nicht.
Eine Gänsehaut macht sich breit.
Doch da, ein Wind kommt auf,
Bringt Bewegung in die kahlen Glieder,
Ein Ächzen, ein Stöhnen bis hinauf,
so zeigt sich ein Leben wieder.
Erst mit dem ersten Sonnenstrahl,
hat der Spuk ein Ende,
Der Riese hatte dieses Mal,
viel Glück, das er noch stände.
Doch der Frühling naht bald,
erweckt die kahlen Finger,
Mit zartem Grün im Dusterwald,
die Lebensfreude bringt er.
Erst nur ein zartes Blatt
Wagt sich aus frischen Knollen,
dann das zarte Grün wird satt,
die Blüten kommen mit Pollen.
Wieder schleicht ein Wind herum,
die Blätter fangen an zu tanzen,
Horch, der Alte ist nicht mehr stumm,
Erzählt der Sagen Ganzen.
„Einst war ich jung und frischen Mutes“
so wispert leis das dichte Grün,
„Da kam ein Mensch jungen Blutes,
kam jeden Abend zu mir hin.
Erzählte mir von seinen Sorgen,
weinte gar bitterlich,
blieb oft bis zum nächsten Morgen,
bis die Traurigkeit aus ihm wich.
Ich hörte ihm zu,
gab Schutz mit meinen Armen,
Dachte, er ist wie du,
Ängste, die wiederkamen.
Doch eines Tages kam er nicht,
ich machte mir Gedanken,
Ich hörte, wie sein Leben wich,
mein Lebensentschluss geriet ins Wanken.
Seitdem kamen keine Leute mehr,
so stehe ich hier seit vielen Jahren,
Meine Nachbarn wurden mehr und mehr.
Meine Blätter Geheimnisse wahren.
Als Ältester in diesem Hain,
bin ich gar als Wächter auserkoren,
Ich sehe alles, kommt es herein,
vor tausenden Jahren bin ich geboren.
Habe viel gesehen in all den Jahren,
Menschen, Brände und auch Kriege,
Mein Wissen werde ich bewahren,
während ich mich im Winde wiege.
Nur einmal kam noch eine Gestalt.
Ein junges Mädchen, in den Armen ein Kind,
Sie bat um Segen, in meinem Wald.
Damit sie schnell nach Hause find.
Ich gab ihr Segen, sie gab mir Dank,
So stehe ich hier, auf einer Lichtung.
Meine Blätter rascheln im Windes Gesang,
und weise Wanderern die Richtung.
Doch nur wer zuhört, hört mich flüstern.
Ich trage viele Weisheit in mir.
Der Wind trägt oft mein leises Wispern,
Auch nach Hause, direkt zu dir.
So lausche alten Sagen, Legenden,
Dinge, dich ich oft gesehen.
Irgendwann wird auch mein Leben enden.
Doch bis dahin wird noch viel geschehen.“
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2016
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