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Kapitel 2




Es war dunkel und ich konnte ihn nicht wirklich sehen, nur spüren.
Seine Nähe, seinen Atem auf der Haut und die tastenden Fingerspitzen.
Zuerst über den Unterarm, höher, um kleine Kreise in meiner Armbeuge zu malen, bis sie schließlich zu meinem Oberkörper sprangen.
Sacht berührten seine Lippen meine Schulter, bevor die vorwitzige Zunge mein Schlüsselbein nachfuhr. Ganz automatisch drehte ich den Kopf ein wenig zur Seite, allerdings führte ihn sein Weg nicht zu meinem Hals, sondern abwärts auf die Brust.
Die Bewegungen waren langsam, träge und doch machten sie mich so unglaublich an, dass ich glaubte, jeden Moment zu kommen.
An meiner linken Brustwarze stoppten seine Lippen. Umschlossen sie, vorsichtig neckten mich seine Zähne. Ein dumpfes Stöhnen entschlüpfte mir und ich wand mich ungeduldig.
Er hob den blonden Haarschopf und grinste mich an. Die grauen Augen waren dunkel, trotzdem strahlten sie nur so vor Fröhlichkeit.
Ich wollte ihn zu mir ziehen, ihn küssen, doch er entzog sich mir und wanderte mit seinen Lippen lieber tiefer über meinen Bauch, bis sie schließlich meine empfindlichste Stelle erreichten.
Nun wurde mein Stöhnen lauter, die Ungeduld gemischt mit der Erregung war fast zu viel.
Wie von selbst, bewegte sich meine Hüfte, kam so seiner heißen Mundhöhle entgegen. Das Spiel seiner Zunge, wie sie mich reizte und immer wieder meine Länge nachfuhr, machte mich wahnsinnig. Ich konnte nicht mehr!
„Jo, ich ...“, nuschelte ich und ergoss mich …
„Scheiße!“
Scheiße?
Verwirrt blinzelte ich und sah mich desorientiert um.
Eine graue Zeltplane befand sich über mir, hinter der sich die Äste der Buche sacht im Wind bewegten. Der ekelhaft nasse Stoff meiner Boxershorts klebte an meinem Unterleib.
Beschämt schloss ich die Augen. Ein Traum, ich hatte nur geträumt! Natürlich, was auch sonst? Nur langsam beruhigte sich mein Atem und Herzschlag.
„Shit!“, erklang da erneut Ronys Stimme von draußen und ich pflichtete ihm im Stillen bei. Ja, Shit. Wie alt war ich bitte? Vierzehn? Und dann auch noch mit Johan in der Hauptrolle? Verdammt Johan!
Erschrocken drehte ich den Kopf und blickte in sein Gesicht, das von dem kleinen Nachtlicht in Form eines Schafs sacht beleuchtet wurde. Jo und seine Ticks ...
Ist ja so dunkel, da sieht man ja nix.
Tja, das hatte die Nacht nun mal so an sich. Aber wenn er dann besser schlafen konnte, sollte es mir recht sein.
Seine Lider waren geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Sein Gesicht wirkte vollkommen entspannt und seine Brust hob und senkte sich in tiefen regelmäßigen Zügen.
Mein Blick blieb an seinem Mund hängen und plötzlich fiel mir das Schlucken schwer.
Was träumte ich da bitte für einen Mist!
„Pass doch auf, Mann“, zischte nun Elias, seinen Worten folgte ein dumpfes Poltern. Was machten die denn da? Ein Rascheln erklang.
„Hast du's endlich?“
„Japp.“ Ich konnte Ronys Grinsen förmlich vor mir sehen, dann huschten sie anscheinend wieder in ihr Zelt. Es wurde ruhig.
Insgeheim betete ich, dass mir wenigstens die Peinlichkeit erspart geblieben war, dass ich im Schlaf auch noch Jos Namen gestöhnt hatte, während die beiden Spinner da draußen wer weiß was veranstaltet hatten. Das fehlte mir noch zu meinem Glück.
Irgendwo schrie ein Käuzchen, die Äste bewegten sich stärker und einen Moment lauschte ich nur Jos Atemzügen. Sie lullten mich fast wieder ein. Aber bevor erneut an Schlaf zu denken war, musste ich erstmal aus dieser Hose raus.
Weiterhin Johans Gesicht im Auge behaltend, öffnete ich meinen Schlafsack. Es war unangenehm heiß in dem Ding und ich war froh über die kühle Nachtluft, über die sich Jo vorhin noch beklagt hatte.
Vorsichtig hob ich das Becken und streifte mir das dreckige Kleidungsstück über den Po. In dem kleinen Zelt die Hose auch über die Beine zu kriegen, ohne Johan zu wecken, war ein wenig schwieriger.
Als ich es endlich geschafft hatte, hielt ich inne und warf meinem Freund einen prüfenden Blick zu.
Immer noch hob und senkte sich seine Brust in tiefen, regelmäßigen Atemzügen. Wenigstens einmal musste ich ja Glück haben.
Grimmig stopfte ich die Shorts in die Plastiktüte, die ich für schmutzige Wäsche vorgesehen hatte und in der bereits meine Socken steckten, um dann eine neue Boxershort herauszusuchen. Trotz des trüben Lichts nicht unbedingt einfach – ich tastete mehr, als dass ich sah.
Umständlich schlüpfte ich schließlich hinein und war erneut leicht außer Atem, als ich mich endlich wieder zurück in den Schlafsack sinken ließ. Während mein Pulsschlag immer noch in meinen Ohren dröhnte, horchte ich in mich hinein.
Was war nur los mit mir? Gut, ich hatte Johan gerne in meiner Nähe, hätte bestimmt auch nichts gegen ein paar harmlose Streicheleinheiten, aber mehr?
Es war ein Traum, mehr nicht, sagte ich mir, doch wieder klappte das mit dem Überzeugen nicht sonderlich gut. Wie war ich nur auf diesen Schwachsinn gekommen? Es war doch gar nichts Besonderes passiert.
Nachdenklich ließ ich den Tag und vor allem den Abend noch einmal Revue passieren …


Die Suche nach trockenen Ästen und Zweigen war an sich schon eine nervige Angelegenheit, hätte alleine mit Jo allerdings witzig werden können, mit einer zickigen Meike im Schlepptau war es aber nur katastrophal! Jedenfalls für mich.
Bereits als ich hinter Jo den Wald betrat und Meike mich entdeckte, gefror ihr strahlendes Lächeln zu Eis. Besonders geschickt verbarg sie ihre Abneigung wirklich nicht.
Die ganze Zeit über vermittelte sie mir den Eindruck, als sei ich das fünfte Rad am Wagen. Was ich vielleicht sogar war.
In ihre Unterhaltungen schloss sie mich nicht ein, oder versuchte es zumindest. Wenn sie dann doch mit mir sprach, war es so etwas wie:
„Du hättest ja auch bei den Anderen bleiben und ihnen helfen können, den Grill vorzubereiten. Wir hätten das hier schon alleine geschafft.“
Dabei hatte sie doch uns beide gefragt, ob wir mitkamen, oder? Ich verstand die Frau nicht mehr und ihr weiteres Verhalten fand ich einfach nur lächerlich.

„Jo, glaubst du, der Zweig hier ist schon trocken genug?“
„Jo, meinst du, der brennt gut?“
„Oh, das ist so schwer!“
„Jo, ich glaub, ich hab mir einen Splitter eingefangen.“

So ging es in einer Tour.
Zuerst wollte ich sie einfach nur fragen, warum sie nicht bei den Anderen geblieben war, da sie ja anscheinend plötzlich nicht mehr wusste – nach sechs Jahren wohlgemerkt – wie man Feuerholz zusammen suchte. Ließ es aber des lieben Friedens Willen.
Doch als Johan dann ihren Finger besah und sie ihn dabei so übertrieben anstierte, wäre mir beinahe der Geduldsfaden gerissen. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht irgendetwas zu sagen, das ihr neues Kanonenfutter oder einen weiteren Grund gab mich nicht mehr zu mögen.
Dabei hatten wir uns früher super verstanden, aber in den letzten Wochen war unser Verhältnis deutlich abgekühlt.
Anfänglich schrieb ich meine plötzliche Antipathie Meike gegenüber einer ganz einfachen Eifersucht unter Kumpels zu. Sie versuchte mir meine Zeit mit Johan streitig zu machen, klar, dass mir das nicht schmeckte.
Dass ich es mittlerweile allerdings regelrecht ekelhaft fand, mir nur vorzustellen, dass die beiden vielleicht mehr sein könnten als Freunde, belehrte mich eines Besseren.
Nur brachte mir diese Erkenntnis leider nichts und die Genugtuung, dass Jo auch an diesem Abend eher an meiner Seite blieb, anstatt auf Meikes Flirtversuche einzugehen, war bittersüß.
Während ich das Holz in der Feuerstelle über altem Zeitungspapier stapelte, sah Johan mir skeptisch dabei zu.
„Okay, wenn du das jetzt auch noch zum Brennen bringst, indem du zwei Holzstöcke aneinander reibst, bin ich beeindruckt.“
„Ich enttäusch dich ja echt nur ungern, aber das hier soll eigentlich heute noch was werden“, damit zündete ich das Papier mit einem Streichholz an, und behielt prüfend die kleine Flamme im Blick.
Enttäuscht verzog er den Mund.
„Lernt man das nicht bei den Pfadfindern?“, wollte er wissen.
„Keine Ahnung, da war ich nie.“
„Und das sagst du mir jetzt, nachdem du mich in die Wildnis verschleppt hast!“, empörte er sich und sah den langsam größer werdenden Flammen zu.
„Wieso? Bin 'n Ass im Improvisieren, erprobt im Campen und hab ein Überlebenstraining hinter mir“, gab ich zurück und setzte mich in den Schneidersitz. „Stimmt's Elias?“
„Was?“, erkundigte sich dieser und unterbrach den Versuch, Larissa ein Bockwürstchen zu stibitzen.
„Überlebenstraining bei dem Pornostar“, grinste ich, verwirrt sah Jo zwischen uns hin und her.
„Ah ja, Big Jimbo“, wackelte Elias mit den dunklen Brauen. Unsere Blicke trafen sich und gleichzeitig brachen wir in Gelächter aus.
„Wir waren ein unschlagbares Team.“ Er ließ sich neben mir ins Gras fallen und stieß mich vertraulich an, fügte dann aber noch hinzu: „bei der Schnitzeljagd.“
Auch ich musste bei der Erinnerung erneut lachen, was mir fast verging, als ich Jos Blick bemerkte. Warum sah der plötzlich so grimmig drein?
„Wir waren sieben und es war ein Ausflug in der Grundschule. Lerne den Wald kennen oder so“, meinte ich erklärend an ihn gewandt. „Der Kerl, der uns alles erklärt hat, hieß Big Jimbo und er war wirklich riesig!“ Zumindest war er mir als Kind so vorgekommen; mindestens zwei Meter.
Der Name war eindrucksvoller gewesen als alles, was er uns über Bäume und Tiere hatte vermitteln wollte. An den erinnerte ich mich nämlich immer noch, alles andere war so spannend gewesen, dass ich es schon zu Hause wieder vergessen hatte.
„Acht, Bjorn, wir waren acht“, korrigierte mich Elias. „Und ich bin immer noch schwer enttäuscht, dass du bei den Regenwurmspagetti gekniffen hast.“
„Das war meine Vegetarierphase“, gab ich bierernst zurück.
„An die kann ich mich gar nicht erinnern“, grübelte Elias.
„Eine kurze Phase, ging bis zum Abend. Dann haben mich meine Eltern in eine Pommesbude verschleppt. Sehr gemein, den Bratwürstchen konnte ich einfach nicht widerstehen“, seufzte ich und zwinkerte Jo zu, der zwar lächelte, doch es wirkte irgendwie anders als sonst.
Auch wenn ich jetzt darüber nachdachte, verstand ich es immer noch nicht so ganz. War da auch bei ihm die Eifersucht durchgebrochen, weil ich mich mit Elias so gut verstand?
Quatsch, das wäre ja vollkommen idiotisch, weil Jo ja ganz genau wusste, wie lange ich Elias schon kannte. Klar, dass wir da gemeinsame Erinnerungen hatten.
Eventuell hatte mir auch einfach nur der Feuerschein einen Streich gespielt oder es war Wunschdenken gewesen. Im Moment traute ich mir alles zu.
Nachdem das Feuer endlich richtig brannte, grillten wir Würstchen und aßen sie mit Fertigkartoffelsalat. Eine ganze Weile saßen wir so zusammen. Wobei Johan wieder ganz der Alte war und ich mich ernsthaft fragte, ob ich mir das Ganze nicht tatsächlich lediglich eingebildet hatte.
Die Stimmung war insgesamt ausgelassen, wir futterten, quatschten und lachten. Selbst Meike schien ihre gute Laune wiedergefunden zu haben. Nur Rony war knurrig, weil Larissa ihn seiner Meinung nach verhungern ließ, da sie sich weigerte, ihm auch noch das fünfte Würstchen zu überlassen.
Schließlich packte Alwin sogar seine Gitarre aus. Und mal ehrlich, sein Geklimper gefiel mir bei Weitem besser, als seine Musikwahl während der Fahrt, solange er dabei die Klappe hielt. Wofür Sandra glücklicherweise sorgte, indem sie ihm in regelmäßigen Abständen Flips in den Mund steckte.
Irgendwann, weit nach Mitternacht, war Larissa als Erste müde im 'Mädelszelt' verschwunden. Ihrem Beispiel folgten bald darauf unsere Turteltauben und auch Jo gähnte immer häufiger. So schlug auch ich vor, Pennen zu gehen. Was mir einen weiteren giftigen Blick von Meike einbrachte. Langsam nervte mich das wirklich. Irgendwann würde sie dafür den Mittelfinger kassieren.
Erst als ich neben Johan in meinem Schlafsack gekuschelt lag, merkte auch ich, wie sehr mich der Tag geschafft hatte und so war ich schneller eingeschlafen als gedacht.
Bis zu diesem Traum…

Wieder schlichen sich die Bilder ein. Ich traute mich gar nicht die Augen zu schließen, damit sie bloß nicht noch lebendiger wurden. Würden sich seine Lippen wohl wirklich so gut anfühlen?
Stopp!
Resolut verbot ich mir weitere Gedanken in diese Richtung, ansonsten würde ich gleich wieder ein Problem haben.
Okay, okay, vielleicht war ich verknallt, aber das ist noch lange nicht gleichzusetzen mit verliebt oder gar lieben. Verknallt war harmlos, hatte nicht so viel zu bedeuten. Das war …
Außerdem war das ein Traum gewesen, Herrgott nochmal. Mehr nicht. Ich wollte doch gar nicht wirklich wissen, wie sich Johans Lippen anfühlen würden!
Nein, wollte ich nicht. Ganz sicher nicht! Ich wollte in seiner Nähe sein, ja. Vielleicht kuscheln, wobei unsere Hände da bitteschön brav in oberen Körperregionen bleiben sollten und nicht ...
Shit, dieser Traum machte mich noch irre!
Frustriert strich ich mir die verschwitzten braunen Haarsträhnen aus der Stirn und wurde mir erst da der kühlen Luft bewusst. Fröstelnd kroch ich zurück in den Schlafsack. Wieder wanderte mein Blick zu Jo, der weiterhin selig schlummerte. Wirklich beneidenswert, aber ihn plagte sicherlich nicht die Angst, dass ihn feuchte Träume mit seinem Kumpel in der Hauptrolle den Schlaf versauten. Haha!

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Tag der Veröffentlichung: 07.02.2012

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