Inhalt
Flora & Robin
Wie immer, wenn Robin Flora mit seiner Anwesenheit beehrte, nahm sie nichts anderes mehr um sich herum wahr. Ihre gebündelte Konzentration galt ihm, sie gab sich ausschließlich seiner Anwesenheit hin. Er war für sie ihr Lebenselixier; der Motor, der sie antrieb und am Leben erhielt. Sie spürte seine allumfassende Wärme und Kraft, die sich in aufheizenden Schüben auf ihren Körper übertrugen und ihre Lebensgeister erweckten. Robin naschte spielerisch schmeichelnd von den kleinen feuchten Perlen, die Floras Körper überzogen und trocknete sie mit seiner Glut. Ohne ihn wollte und konnte sie nicht sein und seine Präsenz hatte ihre Sinne so umfasst, dass er in ihrer Erinnerung schon immer an ihrer Seite gewesen war. Vom Anbeginn der Zeit, denn nur durch ihn wurde ihre Lebenszeit wertvoll und messbar.
Es war Robin, der die Modalitäten ihrer Beziehung bestimmte. Dadurch, dass er sehr eingespannt und viel unterwegs war, hatte er nicht immer Zeit für Flora, die ihn stets sehnsüchtig erwartete und ihr Leben ganz nach ihm ausrichtete. Aber auch er schien sich an seiner Gespielin über alle Maßen zu erfreuen; beglückte er sie doch täglich mit seiner Anwesenheit. Besonders in den Sommermonaten brachte er sehr viel Zeit für sie auf und sie genossen das intensive Beisammensein, von früh bis spät. Zum Winter hin wurden die Kontakte immer etwas spärlicher und weniger ausgedehnt, rissen jedoch nie ab. Aber es war nicht Floras Rolle, die Quantität ihrer Beziehung zu hinterfragen, erfreute sie sich doch ausschließlich an der Qualität und an der Gewissheit, dass Robin immer für sie da sein würde. Generell gab es nie Unstimmigkeiten oder Konflikte, ihre Beziehung hatte eine Ebene erreicht, auf der diese Dinge nichtig und irrelevant waren. Beide waren damit zufrieden und glücklich, füreinander da zu sein und sich aneinander zu berauschen. Sie harmonierten perfekt und waren füreinander bestimmt, für alle Ewigkeit. Es schien alles unausweichlich zu sein, der natürliche Lauf der Dinge. Daher wurde diese Beziehung niemals in Frage gestellt.
Eines Tages aber gab es einen Einschnitt. Unangekündigt und unerwartet, doch zeichnete sich deutlich ein Wandel ab. Es war einer dieser Sommertage, die Robin und Flora für gewöhnlich ganztägig und intensiv miteinander verbrachten. Aber Robin tauchte aus unerklärlichen Gründen viel später als gewohnt auf und alles schien verändert, weniger durchdringend. Flora war irritiert, konnte sie sich diesen Einbruch in der nie zu hinterfragenden Routine nicht erklären, zumal die vorangegangenen Tage etwas anderes versprochen hatten. Sie bedachte ihn nicht mit Vorwürfen; schließlich konnte jeder einmal einen schlechten Tag haben. Aber es folgten mehrere Tage, die diesem Tag glichen. Schlimmer noch, Robin entfernte sich zunehmend von Flora, welche von tiefster Verzweiflung und Mutlosigkeit ergriffen wurde. Robin drang kaum noch zu Flora durch.
In den folgenden Tagen, in denen die gefühlte Distanz zwischen ihnen mit beängstigender Geschwindigkeit anwuchs, wirkte er ungewöhnlich matt und kraftlos. Allerdings nahm Flora das kaum noch wahr. Die Abwendung von Robin schien ihr alle Lebensenergien zu entziehen, die Welt hatte ihre Farbe verloren. Bis sie eines Morgens nicht einmal mehr die Kraft hatte, ihr Haupt zu erheben und nach Robin Ausschau zu halten. Sie lag niedergestreckt am Boden, nichts konnte sie noch aufrecht erhalten und der eisige Hauch des Todes hüllte sie allmählich ein.
Dieser letzte Tag in Floras Leben sollte der Beginn der letzten Jahre der Menschheit sein …
Im Juli 2027 detonierte der Yellowstone-Vulkan in Wyoming und vernichtete direkt alles Leben im Umkreis von 400 Kilometern. Die gesamte Erde wurde in eine globale Aschewolke eingehüllt.
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Hinweise zu den Namen:
Flora: von lateinisch flos = die Blume; in der römischen Mythologie die Göttin der Blüte
Robin: von kurdisch ro = die Sonne und bin = bringen; außerdem althochdeutsch „der Ruhmreiche, Strahlende“
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Bildmaterialien: pixabay
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2014
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